Großschutzgebiete: Modellregionen für Schutz und Nutzung Brandenburger Landschaften. - eine sozioökonomische Strukturanalyse -

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Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz Großschutzgebiete: Modellregionen für Schutz und Nutzung Brandenburger Landschaften - eine sozioökonomische Strukturanalyse -

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Großschutzgebiete: Modellregionen für Schutz und Nutzung Brandenburger Landschaften - eine sozioökonomische Strukturanalyse -

Großschutzgebiete: Modellregionen für Schutz und Nutzung Brandenburger Landschaften - eine sozioökonomische Strukturanalyse - Herausgeber und Copyright: Landesumweltamt Brandenburg (LUA) Berliner Str. 21-25 14467 Potsdam www.brandenburg.de/lua Bestelladresse: infoline@lua.brandenburg.de Konzeption, Bearbeitung und Redaktion: - LUA, Abt. Großschutzgebiete, Raumentwicklung, Ref. Raumbeobachtung GR1 Ref. Raumbeobachtung, Dr. Klaus Birkholz Tel.: 0331 / 866 76 66 Fax: 0331 / 866 76 57 - LUA, Abt. Großschutzgebiete, Raumentwicklung (Landesanstalt für Großschutzgebiete bis zum 30.06.2004) Jörg Götting-Frosinski Tel.: 0331 / 23 23 258 Fax: 0331 / 23 23 223 - LFE, FB1 Dokumentation/Datenmanagement Konrad Müller Tel.: 0331 / 58 74 151 Fax: 0331 / 58 74 109 unter Mitwirkung von Claudia Tauer, Universität Potsdam, Institut für Geographie Potsdam, im November 2004 Fotos: U. Albrecht, Archiv Kreismuseum Rathenow, Archiv Landesanstalt für Großschutzgebiete, Archiv Landesumweltamt Brandenburg, Archiv Ministerium für Ländl. Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz, W. Beyer, K. Decruppe, P. Frenkel, J. Götting- Frosinski, B. Grimm, U. Grützmacher, Th. Hahn, H. Hirsch, G. Hoffmann, Th. Kläber, G. Klinger, P. Koch, LFV NNN e.v., F. Liebke, W. Linder, G. Messerschmidt, S. Olldorff, K. Pape, F. Pauliuk, C. Rasmus, S. Rübensaat, M. Schrumpf, H. Sonnenberg, K. Steinberg, U. Wachotsch, P. Walter-Moll, P. Wernicke, H.-J. Wilke Darstellung der Landesübersichten und -karten nach digitalen Grundlagen der Landesvermessung (http://www.geobasis-bb.de) / Satellitenbilddaten nach Euromap Satellitendatenvertriebsgesellschaft mbh Neustrelitz / Karte physisch Nord-/Süd- Brandenburg von Klett-Perthes, Justus Perthes Verlag Gotha Gesamtproduktion: TASTOMAT Druck GmbH, Landhausstraße, Gewerbepark 5, 15345 Eggersdorf Schutzgebühr 10 EUR Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Ministeriums für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlwerbern zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Gleichfalls untersagt ist die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Nachdruck, auch auszugsweise, ist nur mit schriftlicher Genehmigung des Herausgebers gestattet. 4

Inhaltsverzeichnis Einführung 7 1 Naturschutz und Landschaftspflege im Land Brandenburg 10 1.1 Aufgaben und Ziele 10 1.2 Gebietsschutz 11 1.2.1 Naturschutzgebiete 11 1.2.2 Landschaftsschutzgebiete 12 1.2.3 Europäisches Schutzgebietsnetz Natura 2000 12 1.2.4 Großschutzgebiete 14 1.2.4.1 Nationalparke 18 1.2.4.2 Biosphärenreservate 18 1.2.4.3 Naturparke 19 2 Analysemethodik 22 3 Zusammenfassende Analyse und Bewertung ausgewählter sozioökonomischer Raumstrukturen und -entwicklungen 25 3.1 Flächennutzung 25 3.2 Siedlung und Bevölkerung 28 3.3 Wirtschaft, Beschäftigung und Arbeitsmarkt 41 3.4 Landwirtschaft 48 3.4.1 Bodennutzung 50 3.4.2 Unternehmensformen und Flächenausstattung 51 3.4.3 Anbaustrukturen 52 3.4.4 Viehbesatz 53 3.4.5 Ökologischer Landbau und extensive Bewirtschaftung 54 3.4.6 Naturschutzrelevante Förderung 56 3.5 Wald und Forstwirtschaft 58 3.5.1 Eigentumsverhältnisse und Bewirtschaftungsstrukturen 59 3.5.2 Baumarten 62 3.5.3 Planung der Waldentwicklung durch Waldumbau 64 3.5.4 Waldfunktionen 65 GROSSSCHUTZGEBIETE: MODELLREGIONEN 5

3.6 Nachhaltiger Tourismus 67 3.7 Fach- und kommunale Planungen 75 3.7.1 Pflege- und Entwicklungsplanung 75 3.7.2 Landschaftsrahmenplanung 78 3.7.3 Raumordnungsverfahren und Verbindliche Bauleitplanung 79 4 Die Großschutzgebiete im Land Brandenburg 85 4.1 Nationalpark Unteres Odertal 86 4.2 Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin 92 4.3 Biosphärenreservat Spreewald 102 4.4 Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe-Brandenburg 110 4.5 Naturpark Märkische Schweiz 118 4.6 Naturpark Niederlausitzer Heidelandschaft 124 4.7 Naturpark Uckermärkische Seen 132 4.8 Naturpark Schlaubetal 140 4.9 Naturpark Niederlausitzer Landrücken 148 4.10 Naturpark Hoher Fläming 156 4.11 Naturpark Westhavelland 164 4.12 Naturpark Dahme-Heideseen 172 4.13 Naturpark Barnim 180 4.14 Naturpark Nuthe-Nieplitz 188 4.15 Naturpark Stechlin-Ruppiner Land 196 5 Schlussbemerkung 203 6 Literaturverzeichnis 206 6 INHALT

Einführung Auf der UNO-Konferenz für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro hat sich die internationale Staatengemeinschaft zu einer umfassenden globalen Strategie für nachhaltige Entwicklung bekannt. Zu deren Umsetzung wurde das Aktionsprogramm Agenda 21 beschlossen. Die Einigung auf Prinzipien einer nachhaltigen Entwicklung war die Antwort der Teilnehmerstaaten des Umweltgipfels von Rio auf die verheerenden ökologischen und sozialen Auswirkungen einer sich rasch beschleunigenden, gesellschaftlich kaum kontrollierbaren Globalisierung der Wirtschaft. Nachhaltigkeit wird im Sinne der Beschlüsse von Rio als Einheit einer ökologisch verträglichen, ökonomisch effizienten und sozial gerechten Entwicklung verstanden. Voraussetzungen dafür, nachhaltige Entwicklung anzustoßen und erfolgreich umzusetzen, sind: umfassende Kenntnisse des sich in zahlreichen Regionen immer schneller vollziehenden Strukturwandels und grundlegendes Wissen über die komplexen Wechselwirkungen zwischen den ökologischen, ökonomischen und soziokulturellen Dimensionen der Gesellschaft, ihrer räumlichen Bedingtheit und natürlichen Basis. Anknüpfend an die Beschlüsse von Rio richtet die vorliegende Dokumentation ihren Blick auf die brandenburgischen Großschutzgebiete als wesentlichen räumlichen Bestandteil der Region Berlin-Brandenburg. Aufgabe dieser Gemeinschaftsarbeit zwischen dem Landesumweltamt, der Landesanstalt für Großschutzgebiete (die seit Juli 2004 in das Landesumweltamt integriert ist) und der Landesforstanstalt Eberswalde war es, Zusammenhänge und wechselseitige Abhängigkeiten zwischen natürlichen und landschaftlichen Gegebenheiten einerseits und sozioökonomischen Strukturen andererseits für das System der brandenburgischen Großschutzgebiete aufzudecken. Dies mit dem Ziel, den Prozess der nachhaltigen Raumentwicklung auf der Grundlage dieser Kenntnisse in der Region Berlin-Brandenburg besser steuern zu können. Die Entwicklung der Region Berlin-Brandenburg ist nach der deutschen Einheit sowohl durch den Strukturwandel als auch durch den Globalisierungsprozess stärker betroffen als viele andere Regionen in Europa. Die natur-, wirtschafts- und sozialräumlichen Disparitäten zwischen der hochverdichteten Metro- pole Berlin einerseits und dem dünnbevölkerten Flächenstaat Brandenburg mit seiner überregional bedeutsamen Naturausstattung andererseits stellen auf engstem Raum gleichsam zwei Seiten einer Medaille dar. Beide weisen gegensätzliche Ausstattungsmerkmale, Funktionen und Dichten und ein enormes Nachfragepotenzial für die jeweils andere Seite auf, welche aber wegen der einmaligen geopolitischen Situation fast 50 Jahre auf ihren Ausgleich warten mussten. Der Ausgleich erfolgte dann nach 1990 nur schleppend und vornehmlich als Suburbanisierung auf ein mehr oder weniger großes Umland von Berlin und Potsdam begrenzt, das einem Wunschbild entsprechend fälschlicherweise auch noch als Speckgürtel bezeichnet wird. Eine großräumige Zersiedelung und Versiegelung fand jedoch weder im Brandenburger Teil des engeren Verflechtungsraumes Brandenburg-Berlin (Berliner Umland) noch im äußeren Entwicklungsraum (periphere ländliche Gebiete Brandenburgs) statt. So bedeutete die deutsche Vereinigung für den Naturschutz im Raum Berlin-Brandenburg zugleich Chance und Notwendigkeit, durch nachhaltige Regionalentwicklung die Agenda 21 mit Leben zu erfüllen. Um die Möglichkeiten beider Länder zu verbessern, auf unkontrollierte Entwicklungen Einfluss zu nehmen, wurden eine Reihe landesplanerischer Instrumente geschaffen. Dazu gehören die gemeinsame Landesplanungsabteilung Berlin-Brandenburg, das gemeinsame Landesentwicklungsprogramm mit seinem Leitbild der Dezentralen Konzentration sowie verschiedene Landesentwicklungspläne. Mit den Instrumenten verfolgen beide Länder das gemeinsame Ziel, die Gesamtregion auch durch Erhalt ihrer Freiräume nachhaltig und polyzentrisch zu entwickeln. Eine wichtige Funktion hat in diesem Zusammenhang das Großschutzgebietssystem des Flächenlandes Brandenburg, das Entwicklungsimpulse für Tourismus und naturverträgliche Landnutzungen besonders in den dünn besiedelten, aber landschaftlich sehr attraktiven peripheren Räumen Brandenburgs geben soll. Dieses System aus großflächigen Schutzgebieten mit einer nach Schutzzielen und -intensitäten differenzierten inneren Zonierung verkörpert die qualitativ und quantitativ unterschiedlichen Schutzerfordernisse der z.t. einzigartigen Natur- und Kulturlandschaften Brandenburgs. Diese zu erhalten, zu pflegen und zu entwickeln, stellt einen Schwerpunkt der brandenburgischen Naturschutzstrategie dar. Mit ihrem System unterschiedlicher Schutz- und Nut- GROSSSCHUTZGEBIETE: MODELLREGIONEN 7

zungsintensitäten repräsentieren die Großschutzgebiete alle Ökosystemtypen und Großlandschaften Brandenburgs. Drei Großschutzgebiete sind Teil länderübergreifender Schutzgebietsregionen. Dazu gehören der Nationalpark Unteres Odertal als Bestandteil eines gemeinsam mit der Republik Polen konzipierten Internationalparks, das Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe mit Flächenanteilen in den Elbanrainerländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Schleswig-Holstein sowie der Naturpark Barnim als gemeinsames Großschutzgebiet der Länder Berlin und Brandenburg. Das durch entsprechende Landnutzungs- und Wirtschaftsformen angestrebte Ziel des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen versteht die Großschutzgebiete dabei nicht in erster Linie als abgeschottete Refugien und Freilandlabors für die ökologische Forschung, sondern bezieht wirtschaftliche und soziale Strukturen in die Aufgabenstellung der ökologischen Optimierung mit ein. Damit stellen die Großschutzgebiete wichtige großräumige Modellregionen für eine nachhaltige Raumentwicklung in Berlin-Brandenburg dar. Dementsprechend finden sich in den Großschutzgebieten neben natürlichen und naturnahen Landschaftsteilen durchaus auch stärker vom Menschen geprägte und überformte Siedlungs- und Wirtschaftsräume. Im Mittelpunkt der ersten Brandenburger Konferenz für den Natur- und Lebensschutz im Juni 1994 in Potsdam standen die Wechselwirkungen, die sich zwischen den Nutzungsansprüchen des Menschen an Natur und Landschaft und deren nachhaltigem Schutz ergeben. Diese Umweltkonferenz gab sich nicht mit dem Aufzählen globaler Schreckensszenarien (Bevölkerungsexplosion, Nord-Süd-Konflikt, Klimaveränderung, Umweltverschmutzung, etc.) und Appellen zufrieden, sondern versuchte, für Brandenburg einen Ziel- und Handlungsrahmen für die nachhaltige Raumentwicklung abzustecken. Man war sich einig, dass wirtschaftliche Prosperität einerseits und Naturschutz andererseits nicht als unvereinbare Gegensätze gegenübergestellt werden dürfen. Naturschutz, so wurde betont, stelle nicht lediglich ein hehres politisches Ziel dar, sondern sei dringliches Lebensschutzerfordernis und gehöre ins Zentrum des gesellschaftlichen Denkens und der politischen Willensbildung. Diese Einsicht wird durch die schwieriger gewordenen ökonomischen Rahmenbedingungen heute allerdings zunehmend wieder verdrängt. Die entsprechenden Rahmenbedingungen waren Anfang der 1990er-Jahre sicherlich günstiger: Gerade hatte Brandenburg das in der Bundesrepublik fortschrittlichste Naturschutzgesetz verabschiedet, vier Großschutzgebiete waren bereits eröffnet, zahlreiche Landschaftsschutzgebiete festgesetzt bzw. einstweilig gesichert und das Naturparkprogramm formuliert worden. Das Land Brandenburg hatte damit bei der Umsetzung der Leitideen des Man and Biosphere"-Programmes der UNESCO und dem Umbau von bisher anthropogen relativ wenig überformter, aber auch intensiver genutzten (Kultur-)Landschaften in ökologische Wirtschaftsregionen einen erfolgreichen und in vieler Hinsicht vorbildlichen Weg eingeschlagen. Dementsprechend konnte der Minister für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung des Landes Brandenburg im Frühjahr 1999 eine insgesamt positive Bilanz ziehen und feststellen, dass die Brandenburger Naturschutzkonzeption Naturschutz durch naturverträgliche Nutzung inzwischen im gesamten Land nicht nur auf duldende Akzeptanz stößt, sondern befürwortet und unterstützt wird. Allerdings ist nicht zu übersehen, dass gerade in jüngster Zeit mit der wirtschaftlich angespannten Situation des Landes und steigendem Haushaltsdefizit diese Akzeptanz in Teilen des politischen Umfelds wieder an Rückhalt zu verlieren droht. Dies wäre umso schlimmer, da sich in den Großschutzgebieten auch eine neue Qualität von Umweltwahrnehmung und eigenem nachhaltigen Handeln herausgebildet hat. Hier sieht sich der Mensch und sein unmittelbares, nicht immer nur natürlich geprägtes Umfeld in den Schutzgedanken mit einbezogen, da es nicht nur um den Schutz einer einzelnen Spezies geht, sondern um den einer von ihm selbst mitgestalteten Landschaft. So beinhalten Großschutzgebiete kein Regelwerk von Verboten, denen sich die Bewohner hilflos ausgesetzt fühlen, sondern stellen eine sinnvolle Symbiose zwischen Mensch und Natur dar. Heute stehen etwa ein Drittel der Landesfläche unter Landschafts- und 8 % unter Naturschutz bzw. befinden sich in entsprechenden Verfahren. Die Zahl der festgesetzten Großschutzgebiete hat sich im Land Brandenburg seit 1994 auf 15 erhöht. Zu ihnen gehören neben dem einzigen Nationalpark Unteres 8 EINFÜHRUNG

Odertal die drei Biosphärenreservate und elf Naturparks, die insgesamt etwa ein Drittel der Landesfläche Brandenburgs einnehmen. Dem Gebietsschutz in der Naturschutzpolitik sowie dem Freiraumerhalt in der Raumordnung und Landesplanung widmet man in Brandenburg große Aufmerksamkeit. Gerade Biosphärenreservate und Naturparke stellen Gebiete dar, bei denen im Idealfall soziale Ansprüche, wirtschaftliche Entwicklung und ökologische Verträglichkeit in Einklang stehen. Gegenstand der vorliegenden Untersuchung war insbesondere auch, die Entwicklung sozioökonomischer Strukturen in den Großschutzgebieten, im Land, im ländlichen Raum und in den Kreisen zu analysieren, die Zusammenhänge der natürlichen und räumlichen Gegebenheiten mit den sozioökonomischen und ökologischen Sachverhalten aufzudecken und aus raumordnerischer bzw. landesplanerischer Sicht zu bewerten. Dabei spielten u.a. auch solche Fragen eine Rolle wie: Entwickeln sich sozioökonomische Strukturen innerhalb von Großschutzgebieten anders als außerhalb bzw. im Land Brandenburg insgesamt? Treten in Großschutzgebieten Nutzungskonflikte stärker oder häufiger in Erscheinung als in anderen Räumen Brandenburgs bzw. sind solche sogar erst nach Einführung dieses Schutzstatus entstanden? Ermöglicht Schutz durch Nutzung einen sozioökonomischen Vorteil? Kann die lokale oder regionale Wirtschaft vom erhöhten und qualifizierten Schutz von Natur und Landschaft profitieren? Können Großschutzgebiete die wirtschaftliche Entwicklung ihrer Gemeinden befördern? Sind die naturschutzfachlichen Ziele in Brandenburger Großschutzgebieten mit wirtschaftlichen und anderen fachlichen und überfachlichen (raumordnerischen) Zielen vereinbar? Inwieweit entsprechen Biosphärenreservate und Naturparks der raumordnerischen Leitvorstellung von nachhaltiger Raumentwicklung? schutzgesetz für die Naturparke festgelegt ist einen Beitrag für die nachhaltige Regionalentwicklung zu leisten. Die Großschutzgebietsverwaltungen haben dafür Sorge zu tragen, dass sowohl die Ziele des Naturschutzes als auch die der Gebietsentwicklung insgesamt in den Pflege- und Entwicklungsplänen der Großschutzgebiete im Sinne des Nachhaltigkeitsprozesses niedergelegt, weiterentwickelt und umgesetzt werden. In engem Zusammenhang mit diesen Aufgaben stehen die Fragen nach der bisherigen Entwicklung der einzelnen Großschutzgebiete, ihrer Unterschiede in der Naturraumausstattung, der Nutzungsintensität, der sozioökonomischen Strukturierung und deren Ursachen und Wirkungen sowie die Abschätzung künftiger Entwicklungstrends. Nicht zuletzt hatte die vorliegende Dokumentation das Ziel, aus der Analyse der bisherigen Entwicklungen, des aktuellen Entwicklungsstandes und der künftigen Entwicklungstrends die Eignung der brandenburgischen Großschutzgebiete als Modellregionen einer nachhaltigen Raumentwicklung aus sozioökonomischer Sicht zu beleuchten. Die komplementäre Frage der ökologischen Nachhaltigkeit muss hier zunächst ausgeklammert bleiben, da ihre Beantwortung andere Daten und Analysemethoden erfordert. Angesichts dieser Fragestellungen wird deutlich, dass die Aufgaben der Großschutzgebietsverwaltungen nicht lediglich darin bestehen, ausschließlich Naturschutzziele zu verfolgen, sondern weit darüber hinaus gehen. Eine vordringliche Aufgabe der Großschutzgebietsverwaltungen in Brandenburg ist es auch wie es übrigens neuerdings im Bundesnatur- GROSSSCHUTZGEBIETE: MODELLREGIONEN 9

1 Naturschutz und Landschaftspflege im Land Brandenburg 1.1 Aufgaben und Ziele Naturschutz und Landschaftspflege haben die Aufgabe: die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts, die Nutzungsfähigkeit der Naturgüter, die Pflanzen und Tierwelt, die Vielfalt, Eigenart und Schönheit von Natur und Landschaft nachhaltig zu sichern. Dies dient dazu, die Lebensgrundlagen des Menschen zu erhalten, und ist gleichzeitig Voraussetzung dafür, dass sich die Menschen in der Natur erholen können. Neben der freien Landschaft ist dabei gleichermaßen auch der besiedelte Raum einzubeziehen. Die vergangenen Jahrzehnte haben gezeigt, dass es nicht ausreicht, kleinflächig naturnahe Landschaften oder isolierte Lebensräume zu schützen. Das brandenburgische Naturschutzkonzept hat einen übergreifenden Ansatz, der das Gefüge von Natur und Landschaft im ganzen Landesraum betrachtet. Damit beschränkt sich der Naturschutz nicht nur auf einzelne Schutzgebiete Naturschutz in Brandenburg ist eine allen gesellschaftlichen Bereichen immanente Aufgabe (integrativer Naturschutz). Die Landschaftsplanung in Brandenburg vollzieht sich als flächendeckender, auf drei Planungsstufen angelegter Prozess: Zunächst werden Zustand und etwaige Beeinträchtigungen des Bodens, des Wassers, des Klimas und der Luft, der Pflanzen- und Tierwelt sowie des Landschaftsbildes erfasst. Aus der Analyse dieser Daten werden Leitbilder für die zukünftige Entwicklung der einzelnen Landschaftsräume formuliert. Diese Leitbilder tragen den Konflikten zwischen der naturschutzfachlich angestrebten Entwicklung und den Interessen der Landnutzer z.b. Land, Forst- und Wasserwirtschaft sowie der Siedlungsentwicklung Rechnung. Hieraus leiten sich die Maßnahmen und Erfordernisse ab, die mit Hilfe der Naturschutzverwaltung, der Gemeinden und anderer Institutionen als Beitrag zu Erhalt und Entwicklung von Natur und Landschaft umzusetzen sind. Brandenburg hat es als neues Bundesland verhältnismäßig schnell geschafft, den gesetzlichen Auftrag zur Landschaftsplanung weitgehend zu erfüllen. Auf Landesebene liegt das Landschaftsprogramm vor. Auf regionaler Ebene sind bereits alle Landschaftsrahmenpläne aufgestellt oder zumindest im Entwurf vorhanden. Auch auf der kommunalen Ebene stellen die Gemeinden (die in Brandenburg für die Aufstellung der Landschafts- und Grünordnungspläne verantwortlich sind) ihr Engagement für Natur und Landschaft unter Beweis. So liegen bereits für etwa zwei Drittel der Landesfläche Landschaftspläne vor. Da Landschaftsplanung eine Daueraufgabe ist und immer wieder auf neue Rahmenbedingungen reagieren muss, werden die ersten Landschaftsrahmenpläne und Landschaftspläne bereits fortgeschrieben. Neben der vorsorgeorientierten Landschaftsplanung ist auch die reagierende und projektbezogene Eingriffsregelung ein relativ junges Naturschutzinstrument. Ziel der Eingriffsregelung ist es, einer Verschlechterung der Umweltbedingungen durch Projekte wie Siedlungs-, Straßen oder Wasserbau entgegenzuwirken. Bei allen Eingriffen in Natur und Landschaft (z.b. durch Anlage neuer Wohngebiete, Bodenabbau, dem Roden von Wald oder der Beseitigung von Grünflächen im besiedelten Bereich) ist daher zu prüfen, ob Beeinträchtigungen vermieden bzw. unvermeidliche Beeinträchtigungen ausgeglichen werden können. Dies ist der Fall, wenn die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes, die Bedeutung als Lebensraum für Pflanzen und Tiere und die Vielfalt, Eigenart und Schönheit der Landschaft annähernd wieder so wie vor dem Eingriff hergestellt werden können. Eingriffe, bei denen ein solcher Ausgleich nicht möglich ist, sind nach dem Naturschutzgesetz unzulässig, es sei denn, die für das Vorhaben sprechenden Belange wiegen schwerer als die Aspekte des Naturschutzes und der Landschaftspflege. In diesen Fällen ist durch Ersatzmaßnahmen dafür zu sorgen, dass die beeinträchtigten Werte von Natur und Landschaft wenn schon nicht wiederhergestellt so doch zumindest angemessen aufgewertet werden können. Wenn auch Ersatzmaßnahmen nicht möglich sind, ist in Brandenburg als letztes Mittel die Ausgleichsabgabe vorgesehen. Diese wird dazu verwendet, Natur und Landschaft an anderer Stelle möglichst aber noch im gleichen Raum wie der Eingriff aufzuwerten. Eine zentrale Aufgabe des Naturschutzes ist der Arten- und Biotopschutz. Im Mittelpunkt stehen dabei die gesetzlich geschützten Biotope. Dazu gehö- 10 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE

Das Naturschutzgebiet ist die strengste Schutzkategorie, die das deutsche Naturschutzrecht kennt. Die knapp 6.600 festgesetzten Naturschutzgebiete umfassen im Jahr 2002 rund 9.250 km 2 und damit 2,6 % der Fläche der Bundesrepublik Deutschland. In Bayern sind 2,1 %, in Rheinland-Pfalz 1,6 % und in Nordrhein-Westfalen 3,3 % der jeweiligen Landesfläche als Naturschutzgebiete festgesetzt. Die durchschnittren z.b. naturnahe Gewässer, Sölle, Quellbereiche, Moore, Dünen, Au- und Hangwälder, ebenso auch die geschützten Vogelhorste und die Alleen. Zur Erhaltung und Pflege wertvoller Arten dienen spezielle Artenschutzprogramme. Mehrere dieser Programme sind bereits aufgestellt oder werden derzeit vorbereitet. Weitere Schwerpunkte sind die Bekanntgabe und Fortschreibung der Roten Liste der bedrohten Arten und der Beitrag Brandenburgs zum Aufbau eines europäischen Schutzgebietsnetzes Natura 2000 auf der Grundlage der Fauna-Flora- Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) und der Vogelschutz-Richtlinie der EU. Zum Artenschutz gehört schließlich auch die Überwachung internationaler Vereinbarungen wie dem Washingtoner Artenschutzübereinkommen bei der Haltung von und beim Handel mit international geschützten Pflanzen und Tieren, die Umsetzung der Ramsar-Konvention zum Schutz von Feuchtgebieten internationaler Bedeutung (z.b. Untere Havel, Untere Oder) sowie die Bonner Konvention zum Schutz wandernder Tierarten; so ist Brandenburg zur Umsetzung spezieller internationaler Schutzvereinbarungen (Memorandums of Understanding) für die global bedrohten Arten Großtrappe und Seggenrohrsänger unter dem Dach der Bonner Konvention verpflichtet. Das klassische Instrument des Gebietsschutzes und der Landschaftspflege sind Ausweisung und Entwicklung von Schutzgebieten. In Deutschland existieren gegenwärtig verschiedene räumliche Schutzkategorien, für deren Festsetzung in der Regel die jeweiligen Naturschutzbehörden zuständig sind. Darunter finden sich kleinflächige, wie die Naturdenkmale (alte Baumriesen, große Findlinge, erdgeschichtliche Aufschlüsse oder Gletscherspuren), und großflächige wie Natur- und Landschaftsschutzgebiete. Als Geschützte Landschaftsbestandteile können z.b. Trockenmauern, Felsgruppen, Parkanlagen oder ehemalige Rieselfelder festgesetzt werden. Auch die nach der Baumschutzverordnung bzw. den Baumschutzsatzungen der Gemeinden geschützten Bäume gehören zur Kategorie der Geschützten Landschaftsbestandteile. Diese Schutzkategorie ist die einzige, die außer von den Naturschutzbehörden auch von den Gemeinden als Satzung ausgewiesen werden kann, soweit sich diese innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile bzw. im Geltungsbereich von Bebauungsplänen befinden. Flächennaturdenkmale, geschützte Parks und Schongebiete (z.b. Trappen- oder Biberschongebiete) sind Schutzkategorien aus dem DDR-Recht, die aber nach wie vor rechtlichen Bestand haben. Die Schutzgebiete können von den zuständigen Naturschutzbehörden nach einem öffentlichen Beteiligungsverfahren festgesetzt werden. In Brandenburg sind das Agrar- und Umweltministerium oder die Landkreise bzw. kreisfreie Städte für diese Verfahren zuständig. Die räumliche Abgrenzung sowie der Schutzzweck, die Ge- und Verbote und die zulässigen Handlungen werden in entsprechenden Verordnungen festgeschrieben. Die zentralen, flächenhaften Schutzgebietskategorien sind dabei die Landschaftsschutzgebiete (LSG) und die Naturschutzgebiete (NSG). Die Biosphärenreservate und Naturparke Brandenburgs setzen sich ganz bzw. teilweise aus diesen Schutzkategorien zusammen. Der Nationalpark Unteres Odertal wurde per Gesetz durch den Landtag beschlossen. Im Nationalparkgesetz sind Gebiet, Zweck und Ziele dieses Großschutzgebietes festgelegt. Der Schutzstatus entspricht dem eines Naturschutzgebietes. 1.2 Gebietsschutz 1.2.1 Naturschutzgebiete Naturschutzgebiete sind gemäß 23 Abs. 1 BNat- SchG rechtsverbindlich festgesetzte Gebiete, in denen ein besonderer Schutz von Natur und Landschaft in ihrer Ganzheit oder in einzelnen Teilen: 1. zur Erhaltung, Entwicklung oder Wiederherstellung von Biotopen oder Lebensgemeinschaften bestimmter wild lebender Tier- und Pflanzenarten, 2. aus wissenschaftlichen, naturgeschichtlichen oder landeskundlichen Gründen oder 3. wegen ihrer Seltenheit, besonderen Eigenart oder hervorragenden Schönheit erforderlich ist. GROSSSCHUTZGEBIETE: MODELLREGIONEN 11

liche Größe eines Naturschutzgebietes liegt in Deutschland bei etwa 140 ha (ohne Wasser- und Wattflächen von Nord- und Ostsee), in Brandenburg bei 430 ha (aufgrund des Nationalparks Unteres Odertal). Rund zwei Drittel aller Naturschutzgebiete sind kleiner als 50 ha. In Brandenburg sind gegenwärtig rund 4,5 % der Landesfläche als Naturschutzgebiet ausgewiesen, weitere 4 % befinden sich im Festsetzungsverfahren. Dazu gehören auch große Teile der ehemaligen Truppenübungs- und Schießplätze. Zu den bekanntesten Naturschutzgebieten im Land Brandenburg gehört beispielsweise der Stechlinsee. Innerhalb der Naturschutzgebiete ist es in Brandenburg möglich, sogenannte Totalreservate festzulegen, die der wirtschaftlichen Nutzung grundsätzlich entzogen sind. Ihr Flächenanteil soll in Brandenburg auf ein Prozent der Landesfläche erhöht werden, gegenwärtig liegt er mit einem halben Prozent deutlich darunter. In Naturschutzgebieten sind alle Handlungen verboten, die das Gebiet, seinen Naturhaushalt oder einzelne seiner Bestandteile zerstören, beschädigen, verändern oder nachhaltig stören können. Soweit es der Schutzzweck erlaubt, sind Naturschutzgebiete der Allgemeinheit grundsätzlich zugänglich. Die meisten Verordnungen zu den Naturschutzgebieten schreiben dabei vor, dass die vorhandenen Wege nicht verlassen werden dürfen (Wegegebot). 1.2.2 Landschaftsschutzgebiete Landschaftsschutzgebiete sind rechtsverbindlich festgesetzte Gebiete, in denen nach 26 Abs. 1 BNatSchG ein besonderer Schutz von Natur und Landschaft: 1. zur Erhaltung, Entwicklung oder Wiederherstellung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes oder der Regenerationsfähigkeit und nachhaltigen Nutzungsfähigkeit der Naturgüter, 2. wegen der Vielfalt, Eigenart und Schönheit oder der besonderen kulturhistorischen Bedeutung der Landschaft oder 3. wegen ihrer besonderen Bedeutung für die Erholung erforderlich ist." Als Landschaftsschutzgebiete können Räume ausgewiesen werden, die wegen ihres Landschaftsbildes schützenswert sind oder sich besonders für die naturnahe Erholung eignen. Ziel von Landschaftsschutzgebieten ist es, das Landschaftsbild zu bewahren und die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes durch besonderen Schutz oder geeignete Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen zu erhalten bzw. wieder herzustellen. Im Jahr 2002 gab es in Deutschland rund 6.800 Landschaftsschutzgebiete, von denen sich die meisten im Bereich der Mittelgebirge befinden. Sie umfassen etwa 95.000 km 2 und nehmen damit 27 % der Fläche Deutschlands ein. In Ländern wie Hessen liegt der Anteil bei 26 %, in Nordrhein-Westfalen bei 48 % und in Bayern bei 29 %. Im Land Brandenburg sind gegenwärtig etwas mehr als ein Drittel der Landesfläche als Landschaftsschutzgebiete ausgewiesen. Die bekanntesten Landschaftsschutzgebiete sind die Wald- und Seengebiete um Potsdam, Fürstenberg, Rheinsberg und Neuruppin, weiter der Hohe Fläming, der Spreewald, der Schwieloch- und der Scharmützelsee. Die Ausweisungsverfahren sind weitgehend abgeschlossen. Insbesondere um Probleme im Siedlungsbereich zu lösen, werden jedoch alte Verordnungen überarbeitet, die auf der Grundlage des Naturschutzgesetzes der DDR oder des Landeskulturgesetzes der DDR festgesetzt wurden. In Landschaftsschutzgebieten ist die ordnungsgemäße land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Nutzung weitgehend uneingeschränkt möglich, die Erholungsnutzung soll naturverträglich sein. Es sind jedoch alle Handlungen verboten, die den Charakter des Gebietes verändern, den Naturhaushalt schädigen, das Landschaftsbild verunstalten, den Naturgenuss beeinträchtigen oder sonst dem besonderen Schutzzweck zuwiderlaufen können. Die Schutzgebietsverordnungen beinhalten zumeist diesbezügliche Festlegungen. 1.2.3 Europäisches Schutzgebietsnetz Natura 2000 Unter dem Namen Natura 2000 entsteht gegenwärtig in Europa ein grenzüberschreitendes ökologisches Netz besonderer Schutzgebiete, die das gemeinsame europäische Naturerbe bewahren sollen. 12 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE

Dieses Schutzgebietsnetz soll bis 2004 von den Mitgliedstaaten der EU aufgebaut werden. Natura 2000 ist damit ein Schwerpunktthema des Brandenburger Naturschutzes. Das Netz Natura 2000 setzt sich aus den EG-Vogelschutzgebieten (SPA-Gebiete) und Gebieten nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Gebiete) zusammen. Diese Areale sind aufgrund ihrer Größe und Verteilung geeignet, die Lebensraumtypen und Arten in ihrem gesamten natürlichen Verbreitungsgebiet ungeachtet staatlicher Grenzen zu erhalten. Die Umsetzung von Natura 2000 gehört in Brandenburg zu den wichtigsten Fachaufgaben der Naturschutzbehörden. Gegenwärtig wird mit Hochdruck daran gearbeitet, den Anforderungen von Natura 2000 nachzukommen. Der ursprünglich vorgesehene Zeitplan, nach dem der Aufbau des Schutzgebietsnetzes Natura 2000 bis Mitte des Jahres 2004 abgeschlossen sein soll, ist durch die späte Umsetzung der FFH-Richtlinie in nationales Recht bereits erheblich in Verzug geraten. Die Landesregierung Brandenburg hatte im Juli 1997 zunächst 12 Vogelschutzgebiete und bis März 2000 insgesamt 477 FFH-Gebiete benannt. Diese Gebiete sind von dem für die Meldung verantwortlichen Bundesumweltministerium ausnahmslos an die Europäische Kommission weitergeleitet worden. In einer dritten Tranche wurden bis September 2003 weitere Gebiete nachgemeldet. Dadurch erhöhte sich die Zahl inzwischen auf insgesamt 712 FFH-Gebiete. Zusammen mit den Vogelschutzgebieten bringt Brandenburg derzeit 15 % seiner Landesfläche in das Europäische Schutzgebietsnetz Natura 2000 ein. Die überwiegende Anzahl der Natura 2000-Areale liegt in den brandenburgischen Großschutzgebieten. So sind beispielsweise das Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe-Brandenburg und der Naturpark Märkische Schweiz vollständig, das Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin ebenso wie der Nationalpark Unteres Odertal und mehrere Naturparke anteilig als special protected areas (SPA-Gebiete) festgesetzt. Die EU beteiligt sich an den Kosten für die Schutzgebiete des Natura 2000-Netzes. Zu diesem Zweck sollen die Naturschutzförderprogramme wie auch die Förderprogramme für die Land- und Forstwirtschaft stärker auf die Erfordernisse von Natura 2000 ausgerichtet werden. Bereits heute werden Projektförde- GROSSSCHUTZGEBIETE: MODELLREGIONEN 13

rungen aus dem LIFE-Natur-Förderprogramm der EU ausschließlich für Gebiete gewährt, die offiziell der EU-Kommission als FFH-Gebiet oder Vogelschutzgebiet gemeldet wurden. Die verschiedentlich geäußerte Sorge, durch die Ausweisung von Natura 2000-Arealen könnte die wirtschaftliche Entwicklung in diesen Gebieten gehemmt bzw. behindert werden, ist unbegründet. Innerhalb von Natura 2000-Gebieten werden die unterschiedlichen Nutzungsarten weiterhin möglich sein. Es ist lediglich sicherzustellen, dass die Qualität der im Netz Natura 2000 gesicherten Gebiete sich nicht verschlechtert (so genanntes Verschlechterungsverbot). Rechtmäßig bestehende Nutzungen können in der Regel fortgeführt werden, sofern diese nicht dem Schutzziel des betreffenden Gebietes entgegenstehen. 1.2.4 Großschutzgebiete Als Großschutzgebiete werden großräumige, einheitlich zu entwickelnde Gebiete bezeichnet, in denen medienübergreifend Schutzziele für unterschiedliche Schutzgüter verfolgt werden können. Die Hauptaufgabe der Großschutzgebietsverwaltungen besteht in Schutz, Pflege und Entwicklung von Natur und Landschaft in Verbindung mit der nachhaltigen Entwicklung ländlicher Räume. Zu den Großschutzgebieten gehören Nationalparks, Biosphärenreservate und Naturparke. Während Nationalparks sich in einem vom Menschen nicht oder wenig beeinflussten Zustand befinden oder sich dorthin entwickeln sollen, steht bei den Großschutzgebietskategorien Biosphärenreservat und Naturpark der Erhalt von Kulturlandschaften im Vordergrund. Grundsätzlich können daher auch Siedlungsgebiete in Großschutzgebiete integriert werden. Die drei unterschiedlichen Großschutzgebietskategorien stellen keine Wertung im Sinne einer Hierarchie dar. Alle drei Kategorien tragen im Verbund des brandenburgischen Großschutzgebietssystems auf ihre Weise dazu bei, die Ziele des Natur- und Landschaftsschutzes sowie der nachhaltigen Entwicklung in den Regionen umzusetzen. Schutzfunktionen und wirtschaftliche, insbesondere land- und forstwirtschaftliche sowie touristische Nutzung bewegen sich hierbei in einem Spannungsfeld und Abhängigkeitsverhältnis. Sie bedingen sich gegenseitig und tragen so zur nachhaltigen Regionalentwicklung bei. Dabei hängt viel von den lokalen Akteuren vor Ort ab. 14 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE

Die Großschutzgebietsgrenzen in Brandenburg orientieren sich an naturschutzfachlichen und landschaftlichen Kriterien und halten sich nicht an Verwaltungsgrenzen wie Gemeinde- oder Kreisgrenzen. Sie können auch länderübergreifend (Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe, Naturpark Barnim) verlaufen. Sie repräsentieren alle Biotoptypen und Landschaften und beinhalten den flächenmäßig überwiegenden Anteil der Naturschutzgebiete und der Natura 2000-Gebiete (über 70 %) des Landes. Ausgangspunkt des Großschutzgebietssystems in Brandenburg waren die Biosphärenreservate Schorfheide-Chorin und Spreewald und der Naturpark Märkische Schweiz. Diese drei Großschutzgebiete hatte das Land 1990 als Erbe aus dem Nationalpark-Programm der letzten DDR-Regierung übernommen, das diese auf ihrer letzten Sitzung verabschiedet hatte. Elf Jahre später, mit der Einweihung des Naturparks Stechlin-Ruppiner Land im Juli 2001, war das Großschutzgebietssystem des Landes Brandenburg komplett. Es besteht heute aus insgesamt 15 Großschutzgebieten: dem Nationalpark Unteres Odertal, drei Biosphärenreservaten und elf Naturparken. Für Betreuung, Entwicklung und Verwaltung der Großschutzgebiete war in Brandenburg die Landesanstalt für Großschutzgebiete (LAGS) mit Sitz in Eberswalde zuständig, die mit dem 1. Juli 2004 als Abteilung für Raumentwicklung und Großschutzgebiete (GR) ins Landesumweltamt integriert wurde. Als erstes deutsches Bundesland hat Brandenburg bereits 1991 die landesweit im Großschutzgebietssystem präsente Naturwacht als kompetenten Ansprechpartner für Landnutzer, Einwohner und Besucher der Großschutzgebiete geschaffen. Seit 1997 sind die Frauen und Männer der Naturwacht bei der öffentlich-rechtlichen Landesstiftung NaturSchutz- Fonds Brandenburg angestellt. Sie betreiben eine breite Öffentlichkeitsarbeit und Umweltbildung, kontrollieren die Schutzbestimmungen, sind im praktischen Biotop- und Artenschutz aktiv, beteiligen sich an Forschungsprojekten und beraten die Landnutzer. Für den Schutz durch dauerhaft naturverträgliche Nutzung sind die Großschutzgebiete Brandenburgs Modellregionen. Zum Aufgabenspektrum gehören dabei als Kernthemen: Schutz, Pflege und Entwicklung von Natur und Landschaft, Arten und Lebensgemeinschaften durch die Aufstellung und Umsetzung von Pflegeund Entwicklungsplänen sowie FFH-Managementplänen in den Großschutzgebieten, Beiträge zu einer nachhaltigen Regionalentwicklung in Verbindung mit Schutz, Pflege und Entwicklung der Natur, gebietsübergreifende Angebote, Aktionen und Kampagnen zur Förderung des naturverträglichen Tourismus, Drittmitteleinwerbung, Steuerung und Controlling von Großprojekten (Naturschutzgroßprojekte, Gewässerrandstreifenprojekte, EU-Life-Projekte, Forschungsprojekte, LEADR+ -, Region aktiv- und andere Projekte), Umweltbildung und Öffentlichkeitsarbeit gemeinsam mit der Naturwacht. Die wichtigsten Handlungsfelder der Großschutzgebiete in diesen Kernthemenbereichen sind: Natur- und Artenschutz sowie Landschaftspflege, Verbesserung des Landschaftswasserhaushalts und Gewässerschutz, ökologisch nachhaltige Forstwirtschaft und naturnaher Waldumbau, ökologisch verträgliche Jagd und Fischerei, naturverträgliche Landwirtschaft, Regionalentwicklung und Tourismus, Umweltbildung, insbesondere Jugendarbeit, Vorträge, Seminare und Führungen im Bereich Umweltbildung, Kampagnen und Herausgabe von Publikationen und Presseinformationen im Bereich Öffentlichkeitsarbeit, Forschung und nationale und Internationale Zusammenarbeit mit Partnern, Institutionen und Förderern. Besonders erfolgreich haben sich die brandenburgischen Großschutzgebiete als Modellregionen der ökologischen Landnutzung entwickelt. Der Anteil des ökologischen Landbaus in Großschutzgebieten mit deutlich mehr Arbeitsplätzen als in der konventionellen Landwirtschaft beträgt inzwischen rund 15,6 % der Landwirtschaftsfläche gegenüber einem landesweiten Anteil von etwa 8,3 %. Das Biosphärenreservat Spreewald liegt im Ökolandbau bundesweit an der Spitze. Mit der Entwicklung von Regionalmarken in mehreren Großschutzgebieten soll die Direktvermarktung regionaler Produkte wichtige Impulse erhalten und gefördert werden. GROSSSCHUTZGEBIETE: MODELLREGIONEN 15

Großschutzgebiete in der Bundesrepublik Deutschland (2001) Bundesland Naturparke* Bioshärenreservate** Nationalparke Großschutz- Anteil gebiete Großschutzinsges.*** gebiete an Landesfläche Anzahl km 2 Anzahl km 2 Anzahl km 2 Anzahl km 2 % Baden-Württemberg 6 6.875 0 0 0 0 6 6.875 19,2 Bayern 16 21.814 3 1.328 2 450 21 23.592 33,4 Berlin 1 40 0 0 0 0 1 40 4,5 Brandenburg 11 7.119 3 2.327 1 106 15 9.551 32,4 Hansestadt Bremen 0 0 0 0 0 0 0 0 0,0 Hansestadt Hamburg 0 0 1 117 1 117 2 234 31,0 Hessen 10 6.612 1 636 0 0 11 7.248 34,3 Mecklenburg-Vorpommern 5 2.442 3 929 3 1.154 11 4.524 19,5 Niedersachsen 12 7.953 2 2.912 2 2.558 16 13.423 28,2 Nordrhein-Westfalen 14 10.027 0 0 0 0 14 10.027 29,4 Rheinland-Pfalz 6 4.588 1 1.798 0 0 7 6.386 32,2 Saarland 1 1.033 0 0 0 0 1 1.033 40,2 Sachsen 2 1.855 1 301 1 93 4 2.249 12,2 Sachsen-Anhalt 2 990 1 2.276 1 58 4 3.324 16,3 Schleswig-Holstein 5 1.960 2 2.856 1 2.730 8 7.546 47,9 Thüringen 1 2.200 2 656 1 76 4 2.932 18,1 Deutschland insgesamt 85 75.507 14 16.134 13 7.343 112 98.984 27,7 * Da 7 der Naturparke sich in jeweils zwei Bundesländern befinden, ergibt die Ländersumme 92 ** Da sich 2 Biosphärenreservate auf drei bzw. auf fünf Bundesländer verteilen, ergibt die Ländersumme 20 *** Da 9 der Großschutzgebiete Anteile an mehreren Ländern aufweisen, ergibt die Ländersumme 125 Quelle: Bundesamt für Naturschutz Im Bereich des Ökotourismus nehmen die brandenburgischen Großschutzgebiete landes- und sogar bundesweit eine Vorreiterrolle ein. Verschiedene Großschutzgebiete wurden zu Modellregionen für Wasserwandern, Rad- bzw. Reittourismus sowie für den barrierefreien Tourismus für alle entwickelt. Die Angebote der Kampagne Lust auf NaTour für alle 15 Großschutzgebiete wurde im Jahr des Ökotourismus 2002 von der Deutschen Zentrale für Tourismus als bundesweit führend bewertet. Gemeinsam mit der Naturwacht kommt den Großschutzgebieten in Brandenburg eine Hauptverantwortung im Bereich Umweltbildung zu. Die Führungen, Vorträge und Veranstaltungen der Naturwacht verzeichneten im Jahr 2002 mehr als 34.000 Teilnehmer, 128.000 Besucher kamen in die Besucherzentren der Großschutzgebiete mit steigender Tendenz. Insgesamt verzeichneten 2002 die Besucherzentren der bundesdeutschen Großschutzgebiete die höchsten Zuwachsraten bei den Besucherzahlen von allen touristischen Einrichtungen, die vom DWIF München zur Ermittlung des Tourismusbarometers herangezogen werden. Von Beginn an gehen vom Großschutzgebietssystem in Brandenburg wichtige und messbare Impulse für die nachhaltige Regionalentwicklung aus. Durch Einwerbung und Management von Projekten im Naturschutz und der ökologisch nachhaltigen Entwicklung sind in den vergangenen zehn Jahren rund 130 Mio. EUR in die Großschutzgebietsregionen meist dünn besiedelte, strukturschwache, periphere Räume der jeweiligen Bundesländer geflossen. Gelder, von denen die Regionen gleich zweifach profitieren: durch direkte Naturschutz-, Renaturierungs- bzw. Infrastrukturmaßnahmen in der Landschaft und durch Auf- 16 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE

träge an regionale Leistungsanbieter. Allein für Brandenburgs erstes Naturschutzgroßprojekt von gesamtstaatlich repräsentativer Bedeutung im Gebiet des Naturparks Nuthe-Nieplitz wurden bei einer zwölfjährigen Laufzeit rund 15 Mio. EUR bereit gestellt. Diese Gelder, deren größten Anteil meist die von der EU oder dem Bund oder beiden getragenen Drittmittel ausmachen, stünden den Regionen ohne die Projekte nicht zur Verfügung. Das System eines Großschutzgebietsverbundes mit zentraler Verwaltungsstruktur hat sich bei der Wahrnehmung sowohl gemeinsamer als auch unter- schiedlicher Aufgaben und Interessen der einzelnen Großschutzgebiete im Flächenland Brandenburg bewährt. Durch die zentrale fachliche Koordination und Steuerung bestehen effektive Kommunikations- und Entscheidungsstrukturen und ergeben sich weitreichende Synergieeffekte. Die Außenwirkung wird durch die gemeinsame Präsentation des Verbundes der 15 Großschutzgebiete erheblich verstärkt. Gleichzeitig wird die allseitige Partizipation im Großschutzgebietssystem gewährleistet und die Benachteiligung einzelner Regionen verhindert. Brandenburger Großschutzgebiete (2003) Großschutzgebiet Fest- Darunter festgesetzte Flächen in gesetzte Landschaftsschutz- Naturschutz- Fläche gebieten gebieten km 2 km 2 % km 2 % Nationalpark Unteres Odertal 106,4 - - 106,4 100,0 Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin 1.292,9 1.292,9 100,0 274,8 21,3 Biosphärenreservat Spreewald 474,1 474,1 100,0 103,1 21,7 Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe 533,3 533,3 100,0 57,8 10,8 Naturpark Märkische Schweiz 205,0 205,0 100,0 19,0 9,3 Naturpark Uckermärkische Seen 897,1 861,6 96,0 98,2 10,9 Naturpark Niederlausitzer Heidelandschaft 489,6 254,0 51,9 70,5 14,5 Naturpark Schlaubetal 227,8 80,1 35,2 34,3 15,1 Naturpark Niederlausitzer Landrücken 587,0 309,3 52,7 49,0 8,3 Naturpark Hoher Fläming 827,3 752,8 91,0 55,7 6,7 Naturpark Westhavelland 1.293,6 1.018,6 78,7 16,3 1,3 Naturpark Dahme-Heideseen 591,8 571,6 96,6 71,9 12,1 Naturpark Barnim 733,3 476,7 65,0 54,0 7,0 Naturpark Nuthe-Nieplitz 623,2 385,7 61,9 132,7 21,2 Naturpark Stechlin-Ruppiner Land 680,8 639,7 94,0 106,8 13,3 Großschutzgebiete insgesamt 9.456,6 7.855,3 83,1 933,3 9,9 Land Brandenburg 29.476,5 9.502,1 32,2 1.506,2 5,1 Anteil am Land (%) 32,1 82,7-62,0 - GROSSSCHUTZGEBIETE: MODELLREGIONEN 17

1.2.4.1 Nationalparke Nationalparke sind, gemäß 24 BNatSchG 1.2.4.2 Biosphärenreservate Biosphärenreservate sind nach 25 BNatSchG einheitlich zu schützende Gebiete, die: 1. großräumig und von besonderer Eigenart sind, 2. in einem überwiegenden Teil ihres Gebiets die Voraussetzungen eines Naturschutzgebiets erfüllen und 3. sich in einem überwiegenden Teil ihres Gebiets in einem vom Menschen nicht oder wenig beeinflussten Zustand befinden oder geeignet sind, sich in einen Zustand zu entwickeln oder in einen Zustand entwickelt zu werden, der einen möglichst ungestörten Ablauf der Naturvorgänge in ihrer natürlichen Dynamik gewährleistet. Nach den Kriterien der IUCN (Weltnaturschutzunion) sollen als Nationalparke ausgewiesene Gebiete die ökologische Unversehrtheit eines oder mehrerer Ökosysteme im Interesse der heutigen und kommender Generationen schützen. Gleichzeitig sollen Nutzungen oder Inanspruchnahme, die den Zielen der Ausweisung abträglich sind, ausgeschlossen werden. Für Besucher ist eine Basis für geistigseelische Erfahrungen sowie Forschungs-, Bildungsund Erholungsangebote zu schaffen. Diese müssen umwelt- und naturverträglich sein. Vorbehaltlich der durch die Großräumigkeit und Besiedlung gebotenen Ausnahmen ist ein Nationalpark wie ein Naturschutzgebiet zu schützen. In Deutschland gibt es derzeit (2004) insgesamt 15 Nationalparke, deren Fläche sich durch Gebietserweiterungen der Nationalparke Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer und Niedersächsisches Wattenmeer auf rund 9.500 km 2 vergrößert hat. Dies entspricht einem halben Prozent der Fläche Deutschlands, wobei maritime Gebiete unberücksichtigt blieben. Der Nationalpark Unteres Odertal wurde mit einem eigenen Gesetz durch den Brandenburgischen Landtag festgesetzt. Er dient dem Schutz seiner in Deutschland fast einzigartigen Auenlandschaft mit ihrem artenreichen Tier- und Pflanzenbestand, aber auch soweit dies mit dem Schutzzweck vereinbar ist der Entwicklung einer naturverträglichen Landwirtschaft, der umweltschonenden und naturnahen Erholung, der Entwicklung des Fremdenverkehrs und der Umwelterziehung. einheitlich zu schützende und zu entwickelnde Gebiete, die: 1. großräumig und für bestimmte Landschaften charakteristisch sind, 2. in wesentlichen Teilen ihres Gebiets die Voraussetzungen eines Naturschutzgebiets, im übrigen überwiegend eines Landschaftsschutzgebiets erfüllen, 3. vornehmlich der Erhaltung, Entwicklung oder Wiederherstellung einer durch hergebrachte vielfältige Nutzung geprägten Landschaft und der darin historisch gewachsenen Arten- und Biotopvielfalt, einschließlich Wild- und früherer Kulturformen wirtschaftlich genutzter oder nutzbarer Tier- und Pflanzenarten, dienen und 4. beispielhaft der Entwicklung und Erprobung von die Naturgüter besonders schonenden Wirtschaftsweisen dienen. Biosphärenreservate sind großflächige, repräsentative Ausschnitte von Kulturlandschaften, die vollständig aus Landschafts- und Naturschutzgebieten bestehen. Sie sind Bestandteil des UNESCO-Programms Man and the Biosphere (MAB) und besitzen über den nationalen Rang hinaus internationale Bedeutung. In Biosphärenreservaten werden gemeinsam mit und von den hier lebenden Menschen beispielhaft Konzepte für eine ressourcenschonende Landnutzung, eine umwelt- und sozialverträgliche Tourismusentwicklung und die Förderung umweltverträglicher Wirtschaftsformen erarbeitet und umgesetzt. Zu den von der UNESCO verbindlich festgelegten Aufgaben von Biosphärenreservaten gehören außerdem die Erforschung von Mensch-Umwelt-Beziehungen, die ökologische Umweltbeobachtung (Monitoring) und die Umweltbildung. Dementsprechend eignen sich besonders die Biosphärenreservate als Modelllandschaften für eine nachhaltige Regionalentwicklung. Sie dienen beispielhaft der nationalen Umsetzung der Agenda 21. Gegenwärtig existieren weltweit über 400 Biosphärenreservate in über 90 Staaten. In Deutschland sind durch die UNESCO bislang 14 Biosphärenreservate mit einer Gesamtfläche von rund 16.000 km 2 anerkannt. 18 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE

Ein abgestuftes Zonierungssystem schützt die einzelnen Teilflächen des Biosphärenreservates in unterschiedlichem Maße und regelt deren Nutzung. Während sich die Natur in der Kernzone möglichst vom Menschen unbeeinflusst entwickeln soll, dient die Pflegezone der Erhaltung und Pflege von durch den Menschen entstandenen Ökosystemen und Kulturlandschaften. Die Entwicklungszone dient vorrangig dem Menschen als Lebens-, Wirtschafts- und Erholungsraum. Dabei sollen Wirtschaftsweisen und -formen praktiziert und entwickelt werden, die Mensch und Natur gleichermaßen gerecht werden. Das Land Brandenburg verfügt über drei Biosphärenreservate: Schorfheide-Chorin, Spreewald und Flusslandschaft Elbe-Brandenburg. 1.2.4.3 Naturparke Naturparke sind einheitlich zu entwickelnde und zu pflegende Gebiete, deren Aufgaben bei der Neuregelung BNatSchG, 27 aktualisiert und präzisiert wurden: Demnach sind es In der Bundesrepublik Deutschland existieren gegenwärtig 85 Naturparke mit einer Fläche von insgesamt etwa 75.000 km 2. Bis auf die Stadtstaaten Hamburg und Bremen haben alle Bundesländer Naturparke ausgewiesen. Sie umfassen 21 % der Gesamtfläche Deutschlands. Das brandenburgische Landesnaturschutzgesetz schreibt für Naturparke einen Schutzgebietsanteil von mindestens 50 % an Landschafts- und/oder Naturschutzgebiet(en) vor. Damit entspricht Brandenburg den Vorgaben des novellierten Bundesnaturschutzgesetzes. Die Festsetzung erfolgt in Brandenburg durch eine Bekanntmachung des zuständigen Umweltministeriums. In dieser Bekanntmachung werden die Ziele des Naturparks beschrieben, Ge- oder Verbote für die Landnutzer werden darin nicht festgelegt. In Brandenburg gibt es elf Naturparke. Gebiete, die: großräumig sind, überwiegend Landschaftsschutzgebiete oder Naturschutzgebiete sind, sich wegen ihrer landschaftlichen Voraussetzungen für die Erholung besonders eignen und in denen ein nachhaltiger Tourismus angestrebt wird, nach den Erfordernissen der Raumordnung für die Erholung vorgesehen sind, der Erhaltung Entwicklung oder Wiederherstellung einer durch vielfältige Nutzung geprägten Landschaft und ihrer Arten- und Biotopvielfalt dienen und in denen zu diesem Zweck eine dauerhaft umweltgerechte Landnutzung angestrebt wird, besonders dazu geeignet sind, eine nachhaltige Regionalentwicklung zu fördern." Naturparke sollen unter Beachtung der Ziele und Grundsätze des Naturschutzes und der Landschaftspflege geplant, gegliedert, erschlossen und weiterentwickelt werden. Naturparke sind durch ihre gleichzeitigen und miteinander verbundenen Funktionen, Kulturlandschaften zu schützen, zu nutzen und zu entwickeln, geradezu prädestiniert, modellhaft für eine integrierte nachhaltige Regionalentwicklung zu stehen. GROSSSCHUTZGEBIETE: MODELLREGIONEN 19