Präventionsarbeit mit Kindern psychisch kranker Eltern in Kooperation der Systeme. Birgit Averbeck, Jugendamt/Stadt Dortmund

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Transkript:

Präventionsarbeit mit Kindern psychisch kranker Eltern in Kooperation der Systeme Birgit Averbeck, Jugendamt/Stadt Dortmund

Gliederung: 1. Kooperation von Jugendhilfe und Psychiatrie als Regelangebot eine mission impossible?? 2. Präventive Hilfen für ein gesundes Aufwachsen von Kindern in Familien mit psychisch erkrankten Eltern 3..und wer bezahlt? Gesetzliche Änderungsbedarfe zur Finanzierung familienorientierter Hilfen 2

Das Wagnis der Kooperation zwischen Psychiatrie und Jugendhilfe Zeichnung: Claus Schulte-Holtey, 2008 3

Kooperationsherausforderungen (analog Schone) Unterschiedliche Voraussetzungen wie z.b.: Aufgaben und Zielen gesetzlichen Grundlagen Finanzierungsquellen und -modalitäten, Sprache und Kultur des miteinander Umgehens gesellschaftlichen Aufträge Rahmenbedingungen und Befugnissen können im Alltag Stolpersteine werden.. 4

Allgemeine Voraussetzung für frühestmögliche Präventionsarbeit mit Kindern: der Blick aller Helferinstitutionen auf die Familie als Gesamtsystem und ein Wissen über die systemische Wechselwirkung der verschiedenen Rollen Patient / Mutter-Vater / Kind Kommunikation und Informationstransfer zwischen Psychiatrie und Jugendhilfe unter Wahrung des Datenschutzes d.h. mit Einwilligung der Eltern Kinder brauchen die Erlaubnis der Eltern, sich auf Hilfen einzulassen Entsprechende Hilfen für betroffene Kinder und Angebote für betroffene Eltern müssen in der Region als Regelangebote vorhanden sein 5

Forderung: Gesetzliche Verpflichtung zur klientenbezogenen Kooperation zwischen den Trägern von Angeboten der Jugendhilfe und der Gesundheits- und Behindertenhilfe Gesetzliche Verpflichtung zur Gründung interdisziplinärer Netzwerke 6

Inhalte der Netzwerkarbeit Erarbeitung eines gemeinsamen Leitbildes : Verbindliche Kooperationsstrukturen über Vereinbarungen und intra- und interinstitutionelle Ansprechpartner schaffen die Möglichkeiten, Grenzen und Personen des anderen Systems kennen lernen Öffentlichkeitsarbeit und Fortbildungen organisieren Angebote der verschiedenen Systeme im Einzelfall und fallübergreifend koordinieren, strukturelle Hilfebedarfe erkennen und in Kooperation der Hilfesysteme bedarfsgerecht ausbauen verbindliche Absprachen darüber entwickeln, wie neue Angebote entstehen und auch. die Erarbeitung eines interdisziplinären und akzeptierten Konfliktmanagements für einzelfallbezogene und fallunabhängige Probleme auf der Helferebene 7

Forderung: Zeit- und Finanzressourcen für Kooperationen: Vernetzungsarbeit braucht definierte Zeitund Finanzressourcen und darf sich nicht auf das ehrenamtliche Engagement einzelner Fachkräfte reduzieren! Aufnahme des Themas Kooperation in Ausbildungscurricula 8

Forderung nach flächendeckenden präventiven Hilfen: Routinemäßige Erfassung von Informationen über die Situation der Kinder während des stationären Aufenthaltes der Eltern Im Rahmen der Regelversorgung sollten finanziert werden: Familiengespräche in der Klinik (z.zt. keine Finanzierung) Sprechstunden und Beratungen durch die Jugendhilfe in der Klinik (Fördergelder für begrenzten Zeitraum, Spendenmittel) wechselseitige anonymisierte Einzelfallberatungen und Helferkonferenzen (z.zt. keine Finanzierung) 9

Anonyme Beratung ((z.zt. keine Finanzierung) durch im Kinderschutz erfahrene Fachkräfte: nicht nur von Fachkräften, die die Daten der Familie i.r. der Beratung nicht nennen, um den Datenschutz zu wahren sondern oder auch für betroffene Eltern und Kinder.. 10

Forderung nach flächendeckenden präventiven Hilfen: Neben niederschwelligen Angeboten im Sozialraum auch spezielle Angebote für betroffene Kinder und Eltern Aufnahmen der Familienpatenschaften in die Regelfinanzierung (Finanzierung des Trägers in Do über HzE) Präventionskonzept Kinderschutz in den Entbindungs- u. Kinderkliniken (Finanzierung über JH, Klinikbudget und Spenden) Einsatz von Haushaltshilfen nicht nur während der stationären Behandlung von Eltern und für Kinder unter 12 Jahren (Finanzierung über KV) 11

Handlungsbedarfe zur Finanzierung von familienorientierten Hilfen Bisher werden Hilfen/Versorgungsleistungen in der Regel nicht systematisch koordiniert und finanziert (Überschneidungen/ Doppelfinanzierungen/parallele Vergabe von Hilfen).Die Unterstützungs- u. Ergänzungsmöglichkeiten des jeweils anderen Systems werden nicht mit einbezogen. Ein effizienter Mitteleinsatz in den Versorgungsbereichen des SGB V, SGB VIII, IX und XII erfolgt insbesondere hinsichtlich der komplexen Fallkonstellationen häufig nicht Es bedarf deutlich integrierter Leistungen der Jugendhilfe und Kinder- und Jugendpsychiatrie, NICHT nur als additives Vorgehen 12

Handlungsbedarfe zur Finanzierung von familienorientierten Hilfen Bündelung von Hilfen und Finanzierungen und die Einrichtung eines Finanzierungspools unter Beteiligung der Kranken- und Rentenversicherungsträger sowie der Jugend- und Sozialhilfeträger Federführung durch eine Institution, die Anlaufstelle für die Familie ist gemeinsames Casemanagement der verschiedenen Hilfesysteme aus einer Hand verbindlich implementieren Interessant: Ein konsequentes flächiges Modellprojekt in einer Modellregion wäre aus Versorgungssicht ebenso interessant, wie unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten 13

FAZIT: Gerade, weil wir alle in einem Boot sitzen, sollten wir heilfroh darüber sein, dass nicht alle auf unserer Seite stehen...

Literatur: Averbeck, B. & Hermans, B.E. (2008): Vom Wagnis der Kooperation zwischen Jugendhilfe und Kinder- und Jugendpsychiatrie. Zeitschrift für Systemische Therapie und Beratung, 26 (3), 187-193 Averbeck, B. & Hermans, B.E. (2010): Kinderschutz Kooperation und Konfliktmanagement. Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 59 (9), 744-753 Hermanns, B.E. (2012) Vortrag im Gesundheitsausschuss des LVR,19. September 2012, Köln VIELEN DANK!