Energiewende sozial gerecht gestalten Positionen der Volkssolidarität für eine sozial gerechte Gestaltung der Energiewende
Inhaltsverzeichnis Vorbemerkung............................................ 3 1. Energiewende heißt Zukunft sichern....................... 4 2. Energiewende mit neuen Belastungen verbunden... 5 3. Belastungen sind ungerecht verteilt....................... 6 4. Energiearmut hat vor allem soziale Ursachen.............. 7 5. Positionen der Volkssolidarität für eine soziale Gestaltung der Energiewende... 9 5.1 Strompreise zugunsten der Verbraucher regulieren........... 9 5.2 Lücken in der sozialen Sicherung schließen................. 9 5.3 Einführung von Sozialtarifen für Strom................... 10 5.4 Schutzmaßnahmen gegen Energiearmut................... 11 5.5 Stärkere Förderung der Energieeinsparung................ 11 5.6 Energetische Gebäudesanierung fördern und Mieterschutz stärken.................................. 11 5.7 Mobilität muss bezahlbar bleiben......................... 12 6. Sozial gerechte Gestaltung der Energiewende erfordert demokratische Beteiligung........................ 13
Vorbemerkung Seit Monaten wird in Politik und Medien eine Debatte über steigende Energiepreise als Folge einer Energiewende geführt. Verstärkt taucht dabei der Begriff der Energiearmut auf. Steigende Preise für Strom, Heizung, Mobilität und Maßnahmen zur energetischen Gebäudesanierung haben für viele Menschen ganz praktische Auswirkungen im Alltag, insbesondere für jene mit geringen Einkommen. Als Sozial- und Wohlfahrtsverband positioniert sich die Volkssolidarität zu dieser Entwicklung mit dem vorliegenden Papier. Anliegen der Volkssolidarität ist es, sich in die gesellschaftliche Debatte einzumischen und auf eine sozial gerechte Gestaltung der Energiewende hinzuwirken. Ausgangspunkt dabei ist, die Notwendigkeit einer Energiewende grundsätzlich anzuerkennen, aber gleichzeitig konstruktive Vorschläge für eine gerechte Verteilung der mit ihr verbundenen Belastungen zu entwickeln. Vorbemerkung 3
1. Energiewende heißt Zukunft sichern Mit dem Begriff Energiewende verbinden wir mehr als nur den Ausstieg aus der Atomenergie. Ziel einer Energiewende muss auch der längerfristige Ausstieg aus den traditionellen Formen der Energie - erzeugung sein, die sich auf die Nutzung von Kohle, Öl und Gas gründen. Erstens, weil diese Energieträger endlich sind und ihre extensive Nutzung schon von daher an absehbare Grenzen stößt. Zweitens erfordern der Klima- und Umweltschutz ein verstärktes Umsteuern hin zu einer konsequenten Einsparung von Energie und zur umfassenden Nutzung erneuerbarer Energien. Mit einer Energiewende geht es um die Zukunftssicherung für kommende Generationen. Kohle, Öl und Gas müssen schrittweise durch neue Energieträger wie Windkraft, Sonnenenergie, Erdwärme und Bioenergie ersetzt werden. Eine Mehrheit der Bevölkerung akzeptiert heute, dass es zu einem solchen Ausstieg aus dem»karbonzeitalter«keine Alternative gibt, wenn für die heutige und erst recht für zukünftige Generationen Umweltbedingungen gesichert werden sollen, die für alle Menschen d. h. auch weltweit eine akzeptable Lebensqualität gewährleisten. Es handelt sich um einen komplexen und konfliktreichen gesellschaftlichen Prozess, der demokratisch bewältigt und gestaltet werden muss. Er schließt vielfältige wissenschaftliche, technologische, wirtschaftliche, rechtliche und soziale Herausforderungen ein. Wichtig ist, dass dieser Prozess neue Teilhabechancen bieten kann, wenn er mit aktiver demokratischer Beteiligung zivilgesellschaftlicher Akteure erfolgt. Damit würde auch das Risiko begrenzt, dass undemokratische autoritäre Verfahren die Oberhand gewinnen, die Marktinteressen in den Vordergrund stellen. Die Energiewende muss Teil eines sozial-ökologischen Umbaus der Gesellschaft sein. Sie bietet eine Vielzahl von Chancen für mehr Lebensqualität, beinhaltet aber auch Risiken und Konflikte (z. B. bei Eingriffen in Eigentumsinteressen, bei Arbeitsplätzen in»alten«energie- und ressourcenaufwändigen Industrien und solchen in»neuen«branchen im Bereich erneuerbarer Energien etc.). 4 Energiewende heißt Zukunft sichern
2. Energiewende mit neuen Belastungen verbunden Schon bisher sind die Preise für Energie überdurchschnittlich gestiegen seit 2005 um 45 Prozent bei Strom und Fernwärme sowie um 62 Prozent bei Öl und 31 Prozent bei Gas. Gleichzeitig erfordert eine Energiewende deutlich höhere Neuinvestitionen in n Wissenschaft und Forschung n die Errichtung neuer Energieanlagen, Netze und Übertragungssysteme (zur Zeit jährlich ca. 20 Milliarden Euro) n neue Energiespartechnologien, energetische Gebäudesanierung, energiesparende Mobilität n den Abbau von Atom- und Kohlekraftwerken (Konversion) Im Ergebnis dieser Entwicklungen werden auch künftig höhere Preise für Energie anfallen, die sich in höheren Verbraucherpreisen für Waren, Dienstleistungen, Mieten und Mobilität niederschlagen. Daher ist damit zu rechnen, dass die Auseinandersetzung um die Verteilung dieser Belastungen zunehmen wird. Damit spitzt sich auch die Frage zu, ob die Belastungen eher von unten nach oben verteilt werden, wie dies teilweise heute der Fall ist, oder ob eine sozial gerechte Verteilung durchgesetzt werden kann. Energiewende mit neuen Belastungen verbunden 5
3. Belastungen sind ungerecht verteilt Die mediale Fokussierung auf die Steigerung der durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) im Jahre 2000 eingeführten Umlage von 3,59 auf 5,21 Eurocent pro Kilowattstunde ab 2013 widerspiegelt den Versuch (vor allem großer Energiekonzerne), vor dem Hintergrund der Belastungen für private Haushalte sowie für kleine und mittlere Unternehmen das EEG auszuhöhlen und den Ausbau erneuerbarer Energien abzubremsen. Die EEG-Umlage macht jedoch nicht einmal ein Fünftel des Strompreises aus, der den Verbrauchern in Rechnung gestellt wird. Zugleich ist die Angst vieler Verbraucher vor hohen Energiepreisen durchaus begründet. So wird mit einem Preisanstieg bei Strom im Jahr 2013 von 13 Prozent gerechnet 1, der somit deutlich über dem durchschnittlichen Preisanstieg liegt. Hintergrund sind auch Entwicklungen, die mit dem Begriff Energiearmut verbunden werden. So soll es nach Angaben der Bundesnetzagentur im Jahre 2010 in ca. 312 000 Haushalten in der Bundesrepublik Stromabschaltungen gegeben haben. Die Verbraucher - zentrale NRW schätzte die Zahl der betroffenen Haushalte im Jahre 2011 bundesweit auf etwa 600 000. Etwa ein Drittel der Betroffenen sind Bezieher von Leistungen der Grundsicherung nach SGB II. Bei Heizkosten sieht es noch schlimmer aus. Würde man die in Großbritannien übliche Definition verwenden, nach der Haushalte als versorgungsgefährdet gelten, die mehr als 10 Prozent ihres Haus - haltseinkommens aufwenden müssen, um im Hauptwohnraum eine Temperatur von 21 Grad Celsius und in Nebenräumen von 18 Grad Celsius zu gewährleisten, so wären in der Bundesrepublik mehr als 13 Prozent aller Haushalte betroffen. 2 Über die komplexen Ursachen hoher Energiepreise wird kaum seriös geredet. Offenbar geht es darum, dass die Privilegien industrieller Großverbraucher, die pro Jahr bis zu 13 Milliarden Euro ausmachen, 3 nicht angetastet werden sollen. 1) Berliner Zeitung vom 26. Oktober 2012 2) Nach Angaben im Forum II»Energiewende teuer und ungerecht? Ein Realitätscheck«in der Tagung des Deutschen Naturschutzrings»Ökologische Wende vs. Sozialpolitik?«am 21. Januar 2013 in Berlin 3) Nach Angaben von D. Ludewig vom»forum ökologisch-soziale Marktwirtschaft«in der o. g. Tagung 6 Belastungen sind ungerecht verteilt
Gleichzeitig profitieren die großen Energiekonzerne davon, dass die Strompreise an der Stromhandelsbörse mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien rückläufig sind, diese Preisentwicklung jedoch nicht an die Verbraucher weitergegeben wird. 4. Energiearmut hat vor allem soziale Ursachen Wir sehen den Begriff Energiearmut kritisch. Nicht die Energiewende ist die Ursache für Energiearmut, sondern eine soziale Entwicklung, bei der das Soziale in der sozialen Marktwirtschaft ins Hintertreffen geraten ist. Die Auswirkungen zeigen sich in niedrigen Einkommen breiter Bevölkerungsschichten sowie in Defiziten in wichtigen Teilbereichen der sozialen Sicherung. Betroffen sind bis zu zwölf Millionen Menschen, in erster Linie n Bezieher von Grundsicherungsleistungen nach SGB II (Hartz IV) im Dezember 2012 bezogen 6,045 Millionen Menschen bzw. jeder 10. Haushalt Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende 4 n Bezieher von Grundsicherungsleistungen nach SGB XII (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) Ende 2011 waren das 844 030 Personen 5 n Niedrigverdiener im Jahre 2010 waren das 19,9 Prozent der Beschäftigten in den alten Bundesländern und 39,1 Prozent der Beschäftigten in den neuen Ländern unter Berücksichtigung einer bundeseinheitlichen Niedriglohnschwelle von 9,15 Euro 6 n Kleinrentner oberhalb des Anspruchs auf Leistungen der Grundsicherung n Bezieher von Wohngeld Ende 2010 in über 852 000 Haushalten (zu einem großen Teil Rentner) bzw. von Kinderzuschlag 120 000 Familien mit 300 000 Kindern 7 n junge Menschen in Ausbildung /Studium, die auf BAFöG angewiesen sind. 4) Bundesagentur für Arbeit, Monatsbericht Dezember 2012, S. 28 f. 5) Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung Nr. 364 vom 18. Oktober 2012 6) Vgl. Thorsten Kalina /Claudia Weinkopf, Niedriglohnbeschäftigung 2010: Fast jede/r Vierte arbeitet für Niedriglohn, in: IAQ-Report 01 2012, S. 3 f. 7) Familienreport 2012, Hg. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Berlin, Januar 2013, S. 120 Energiearmut hat vor allem soziale Ursachen 7
Defizite in der sozialen Sicherung sind insbesondere darin zu sehen, dass n Stromkosten im Regelsatz nach SGB II und XII je nach Haushaltstyp zwischen 14 und 23 Prozent zu niedrig bemessen sind. 8 (Da die Anpassung der Regelsätze nicht zeitnah zu Preissteigerungen erfolgt, müssen Stromkostensteigerungen oft aus Teilen des Regelsatzes bestritten werden, die für andere Bedarfe vorgesehen sind.) n das Wohngeld vorrangig die Netto-Kaltmiete abdeckt, insbesondere seit der Streichung des Heizkostenzuschusses mit Wirkung ab dem 1. Januar 2011. Energiearmut könnte in Zukunft in der Armutsentwicklung eine wesentlich größere Bedeutung erlangen, wenn keine wirksamen Schritte zur sozialen Abfederung der Energiewende unternommen werden. Ohne eine solche soziale Abfederung der Energiewende wird ihre gesellschaftliche Akzeptanz gefährdet und das Risiko erhöht, dass undemokratische Vorgehensweisen bei den erforderlichen Entscheidungsprozessen die Oberhand gewinnen. Für die soziale Gestaltung der Energiewende gibt es eine Vielzahl von Vorschlägen, 9 die zwar bisher nicht zu einem Gesamtkonzept geführt haben, aber viele diskussionswerte Ansatzpunkte aufweisen. Bundesumweltminister Altmaier will zur Begrenzung der Stromkosten nunmehr die EEG-Umlage für einen Zeitraum von zwei Jahren einfrieren. 10 Diskutiert wird auch eine Reduzierung der Stromsteuer. 11 8) Rudolf Martens: Entwicklung der Strompreise und der Stromkosten im Regelsatz, Soziale Sicherheit, Heft 6/2012, Seite 233 ff. Der Regelsatz 2012 in Höhe von 374 Euro für eine alleinstehende Person enthielt 29,69 Euro für Strom. Der dafür zugrunde gelegte Wert aus der Einkommens- und Verbraucherstichprobe (EVS) 2008 wurde zum 1. Januar mit dem Faktor 5,58 Prozent angepasst. Er liegt damit ganz erheblich unter der tatsächlichen Preissteigerung. Siehe auch: Ein menschenwürdiges Leben für alle das Existenzminimum muss dringend angehoben werden! Update erforderlich!, Positionspapier des Bündnisses für ein menschen würdiges Existenzminimum, Oldenburg, Dezember 2012, S. 21 f. (www.menschenwuerdiges-existenzminimum.org) 9) Im politisch-parlamentarischen Raum z. B. Anträge der Bundestagsfraktionen DIE LINKE (BT-Drs. 17/10800) und von Bündnis 90/DIE GRÜNEN (BT-Drs. 17/11004). Die SPD fordert u. a. eine Absenkung der Stromsteuer. Der PARITÄTISCHE Gesamtverband und der Deutsche Mieterbund (DMB) haben im September 2012 den Vorschlag»Energie für alle«vorgelegt, der eine Reform des Wohngeldes und die Übernahme der Energiekosten im Grundsicherungsbezug in den Vordergrund stellt. Der Sozialverband Deutschland SoVD und der Sozialverband VdK Deutschland forderten mehrfach die Einführung von Sozialtarifen, ohne diese Forderung jedoch zu präzisieren. 10)»Altmaier bremst Ökostrom«, Berliner Zeitung, 29. Januar 2013. Ein Einfrieren der EEG-Umlage würde nach Einschätzung des Bundesverbandes Erneuerbare Energien, des BUND sowie weiterer Umweltverbände dazu führen, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien abgebremst wird. Sie lehnen daher den Vorschlag des Bundesumweltministers ab. Auf ein verhalten positives Echo stieß hingegen die Ankündigung von Altmaier, die Ausnahmegenehmigungen für Unternehmen überprüfen zu wollen. 11) So forderte z. B. der stellvertretende Vorsitzende und Energieexperte der SPD-Bundestagsfraktion in einem Interview mit dem Deutschlandfunk am 4. Februar 2013 eine Entlastung von Niedrigverdienern durch eine Absenkung der Stromsteuer. Vgl. www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/1999103 8 Energiearmut hat vor allem soziale Ursachen
5. Positionen der Volkssolidarität für eine soziale Gestaltung der Energiewende Vor diesem Hintergrund spricht sich die Volkssolidarität dafür aus, folgende Ansätze für eine soziale Gestaltung der Energiewende aufzugreifen und bei entsprechenden gesetzlichen Regelungen zu berücksichtigen: 5.1 Strompreise zugunsten der Verbraucher regulieren n Die Privilegierung von bis zu 2000 Unternehmen im Jahre 2013 vor allem der Großindustrie durch Ausnahmegenehmigungen bei der EEG-Umlage, bei Stromnetzentgelten, aber auch im Bereich der Besteuerung (Strom- und Mehrwertsteuer) muss abgebaut werden. Durch falsche Weichenstellungen wurden Großunternehmen in Milliardenhöhe entlastet, darunter auch solche, die weder im internationalen Wettbewerb stehen noch signifikant durch die EEG-Umlage belastet werden. Erforderlich ist eine Rückkehr zur ursprünglichen engen Begrenzung von Ausnahmegenehmigungen. n Preisdämpfende Effekte aus dem EEG müssen an die Verbraucher weitergegeben werden. Vom sinkenden Stromhandelspreis eine Entwicklung, die in hohem Maße auf die Einführung erneuerbarer Energien zurückzuführen ist profitieren bisher vor allem von EEG-Umlage befreite Unternehmen. 5.2 Lücken in der sozialen Sicherung schließen n Die Regelsätze in der Grundsicherung müssen den jeweils haushaltstypischen durchschnittlichen Stromverbrauch decken (wie bereits bei den Heizkosten, die als Teil der»kosten der Unterkunft«erstattet werden) Dazu können folgende Wege gegangen werden: a) Anhebung des im Regelsatz vorgesehenen Betrags für Strom um 14 bis 23 Prozent (je nach Haushaltstyp) und jährliche Dynamisierung des für Stromkosten vorgesehenen Anteils entsprechend der tatsächlichen Preissteigerung für Strom. 12 12) Nachteil dieser Regelung wäre, dass das Problem von Preissprüngen und Nachzahlungen für Stromkosten in vielen Fällen nicht befriedigend zu lösen wäre. Positionen der Volkssolidarität für eine soziale Gestaltung der Energiewende 9
b) Pauschale Übernahme der Stromkosten durch die Jobcenter (Bundesagentur für Arbeit) bis zur Höhe des durchschnittlichen Bedarfs. 13 n Eine Reform des Wohngeldgesetzes muss die Einführung einer Energiekomponente vorsehen, die nach der Anzahl der zu berücksichtigenden Haushaltsmitglieder gestaffelt wird. Die Energiekomponente beim Wohngeld muss Heiz- und Stromkosten umfassen. 5.3 Einführung von Sozialtarifen für Strom Die Einführung von Sozialtarifen für Energie ist problematisch bzw. beinhaltet viele offene Fragen. 14 Sozialtarife sollen Belastungen sozial abfedern, müssen aber zugleich Ziele einer sozial-ökologischen Energiewende unterstützen. Nach diesem Kriterium wäre z. B. ein Tarif-Mehrstufenmodell denkbar, das möglichst alle Haushalte einschließt und folgende Stufen vorsieht: n Stufe 1: Der Großteil des Grundbedarfs wird zu einem niedrigen Preis angeboten (z. B. 50 bis 60 Prozent des durchschnittlichen Bedarfs) n Stufe 2: Weiterer Bedarf wird zum durchschnittlichen Preis angeboten (z. B. bis 80 oder 85 Prozent des durchschnittlichen Bedarfs) n Stufe 3: Für darüber hinausgehenden Bedarf wird ein hoher Preis erhoben, der Einsparungen anregen soll. Mit der vorgeschlagenen Schließung von Lücken in der sozialen Sicherung muss verhindert werden, dass für Bezieher von Transferleistungen mit einem Tarif-Mehrstufenmodell negative Wirkungen entstehen. 13) Eine solche Regelung, wie sie vom PARITÄTISCHEN Gesamtverband vorgeschlagen wird, wäre relativ einfach und unbürokratisch umzusetzen. Sie würde aber in vielen Fällen Bemühungen konterkarieren, Energie einzusparen. Außerdem müsste der Regelsatz um den Betrag abgesenkt werden, der für Stromkosten vorgesehen ist. 14) Solche Fragen und Probleme sind z. B. Welcher Personenkreis soll von Sozialtarifen profitieren? Nur Bezieher von Transfereinkommen, Bezieher von niedrigen Einkommen generell oder alle bis zu einem bestimmten Einkommensniveau? Welcher Weg ist zu beschreiten? Eine gesetzliche Regelung, die für die Anbieter verbindlich ist oder die Zahlung von Zuschüssen für einen definierten Personenkreis? Welchen Umfang sollen Sozialtarife haben? Soll es ein festes Kontingent sein oder ein mehrstufiges Modell? Sollen Sozialtarife bestimmte Formen der Stromverwendung z. B. für Heizzwecke, Warmwassererzeugung berücksichtigen? Wenn ja wie? Wie können unerwünschte Nebenwirkungen vermieden werden? Sozialtarife, die der Energieeinsparung entgegenstehen oder die Entwicklung kleiner regionaler Anbieter gefährden, sind kaum vertretbar. 10 Positionen der Volkssolidarität für eine soziale Gestaltung der Energiewende
5.4 Schutzmaßnahmen gegen Energiearmut Stromabschaltungen müssen stärker rechtlich reguliert und eingeschränkt werden. Beispiel Frankreich: Stromabschaltungen sind dort in den Wintermonaten grundsätzlich verboten. Notwendig sind entsprechende Maßnahmen für besonders schutzbedürftige Gruppen (z. B. Familien mit Kindern, chronisch Kranke und Menschen mit Behinderungen, Senioren, pflegebedürftige Menschen). 5.5 Stärkere Förderung der Energieeinsparung Die Energieseinsparung sollte noch stärker gefördert werden. Dazu werden folgende Instrumente vorgeschlagen: n Zuschüsse für den Neukauf von energiesparenden Haushalts geräten für alle, die berechtigt sind, Leistungen der Grundsicherung nach SGB II und XII, Wohngeld und Kinderzuschlag zu beziehen, in Form fester Beträge. Voraussetzung muss sein, dass nur Geräte ersetzt werden, die mindestens zehn Jahre alt sind. Für alle anderen Bürger sollten günstige Finanzierungsmöglichkeiten angeboten werden. n Kostenlose Energieberatung für den o. g. Personenkreis (d. h. Bezieher von Transferleistungen) und staatliche Förderung einer zugehenden Energiesparberatung für sozial benachteiligte Menschen durch kommunale Energiesparagenturen in Kooperation mit Sozialund Wohlfahrtsverbänden. n Staatliche Förderung der Installation intelligenter Stromablesegeräte. 15 5.6 Energetische Gebäudesanierung fördern und Mieterschutz stärken Die notwendige energetische Gebäudesanierung, die hohe Investitionen erfordert, und Mieterschutz sind keine Gegensätze. Maßnahmen der energetischen Gebäudesanierung dürfen nicht als Vorwand für den Abbau des Mieterschutzes missbraucht werden. Ziel muss es sein, die energetische Gebäudesanierung voranzubringen und einen drastischen Anstieg der Warmmieten zu verhindern. Dazu sind folgende Rahmenbedingungen erforderlich: 15) In diesem Rahmen könnte z. B. auch, wie in anderen europäischen Ländern (z. B. Großbritannien, Belgien), der Kauf von Strom-Guthaben (Prepaid) ermöglicht werden. Positionen der Volkssolidarität für eine soziale Gestaltung der Energiewende 11
n Die Umlage der Kosten einer energetischen Sanierung auf die Mieter muss so begrenzt werden, dass sie weitgehend durch die eingesparten Kosten kompensiert werden. Statt bisher elf Prozent darf die Umlage der Sanierungskosten höchstens neun Prozent betragen oder wie vom Deutschen Mieterbund DMB gefordert entsprechend der ortsüblichen Vergleichsmiete. n Beibehaltung des Mietminderungsrechts in der bis 2012 gültigen Form. n Beibehaltung der Möglichkeit des Widerspruchs gegen eine Modernisierung wegen einer unzumutbaren Härte nach 554 BGB. Die Neuregelungen im Mietrecht durch die jüngste Mietrechtsreform der Koalition von CDU/CSU und FDP, die diesen Forderungen entgegenstehen, müssen wieder rückgängig gemacht werden. 5.7 Mobilität muss bezahlbar bleiben Mobilität muss auch bei steigenden Preisen für Energie und Rohstoffe bezahlbar bleiben. Dazu gehört, dass der jeweilige Arbeitsort ohne hohe Kosten und Umweltbelastungen erreicht werden kann und gesellschaftliche Teilhabe für alle Bürger auch im Bereich der Mobilität gesichert bleibt. Schwerpunkte dafür sind n die Sicherung und wo notwendig der Ausbau des Öffentlichen Personennah- und Fernverkehrs zu akzeptablen Preisen (auch mit Sozialticket, Seniorenticket etc.) n Schritte, um ein Leben mit weniger oder ohne Auto zu fördern, im privaten Bereich ebenso wie in der Wirtschaft n die verstärkte Förderung von Mobilitäts- und Antriebstechnologien, die mit deutlich weniger Aufwand an Rohstoffen und Energie auskommen. 12 Positionen der Volkssolidarität für eine soziale Gestaltung der Energiewende
6. Sozial gerechte Gestaltung der Energiewende erfordert demokratische Beteiligung Der Ausbau erneuerbarer Energien erfolgt sowohl über Großinvestitionen (z. B. in neue Leitungsnetze) als auch dezentral in Städten, Gemeinden und in vielen kleineren Vorhaben. Dieser Prozess erfordert eine demokratische Aushandlung von Projekten im Rahmen von Planungsverfahren, Umweltverträglichkeitsprüfungen u. a., aber auch in Formen der direkten Demokratie (Runde Tische Energie, Volksbefragungen, Volksentscheide). Er eröffnet neue Möglichkeiten zur Beteiligung der Bürger bei der Regelung von Problemen, die mit der Frage zusammenhängen»wie wollen wir morgen leben?«. Schon heute entwickeln sich kreative Beteiligungsformen wie Energiegenossenschaften und Bio-Energie-Dörfer, 16 die zur Erneuerung des ländlichen Raums beitragen können. Kommunale Energieerzeuger sind wichtig, um gemeinwohlorientierte Unternehmen im Bereich der Energieerzeugung zu stärken, die Monopolstellung der großen Energieerzeuger zurückzudrängen und vor Ort Verbraucherinteressen zu stärken. Die demokratische Beteiligung der Bürger an der Energiewende ist eine unabdingbare Voraussetzung dafür, dass sie auch sozial und gerecht gestaltet werden kann. In diesen Prozess will sich auch die Volkssolidarität mit ihren Möglichkeiten als Sozial- und Wohlfahrtsverband einbringen. 16) Ein Beispiel dafür sind die Aktivitäten in Brandenburg, die durch den Verein Bioenergiedorf-Coaching Brandenburg e.v. gefördert werden (siehe www.bioenergiedorf-coaching.de). Ähnliche Aktivitäten und Projekte, die eine nachhaltige Entwicklung in der Region in den Vordergrund stellen, gibt es auch in Mecklenburg-Vorpommern (siehe www.nachhaltigkeitsforum.de). Sozial gerechte Gestaltung der Energiewende erfordert demokratische Beteiligung 13
Impressum Herausgeber: Volkssolidarität Bundesverband e. V. Bundesgeschäftsstelle Alte Schönhauser Straße 16, 10119 Berlin Telefon: 030/27 89 70 Fax: 030/27 59 39 59 bundesverband@volkssolidaritaet.de www.volkssolidaritaet.de Text und Redaktion: Dr. Alfred Spieler, Referent für Sozialpolitik in der Bundesgeschäftsstelle der Volkssolidarität Stand bei Redaktionsschluss: 5. Februar 2013 Gestaltung: TRIALON GmbH, Berlin Titelfoto: istockphoto.com/ricul Volkssolidarität Bundesverband
16 www.volkssolidaritaet.de