Zweite Bewertung der Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen von Union und SPD zur Rentenpolitik

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Transkript:

Matthias W. Birkwald Mitglied des Deutschen Bundestages Rentenpolitischer Sprecher Bundestagsfraktion DIE LINKE Zweite Bewertung der Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen von Union und SPD zur Rentenpolitik 7.2.2018 GroKo-Rentenpolitik tritt auf der Stelle und versagt im Kampf gegen Altersarmut! Das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen von Union und SPD ist aus Sicht der heutigen Rentnerinnen und Rentner und der jungen Generation enttäuschend, erklärt Matthias W. Birkwald, rentenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE. Statt die vorhandenen finanziellen Spielräume auszunutzen und im Kampf gegen Altersarmut vernünftig einzusetzen, wird der Beitragssatz begrenzt und die Rentenkasse wird weiter geschröpft. Substanzielle und nachhaltige Leistungsverbesserungen für heutige und zukünftige Rentnerinnen und Rentner sucht man vergebens. Nur sehr wenige Mütter mit drei und mehr Kindern und nur neue Rentnerinnen und Rentner unter 65 Jahren, die zu krank sind, um zu arbeiten (Erwerbsminderungsrentner) dürfen auf bessere Renten hoffen. Alle anderen gehen leer aus. Das wird zu Unmut bei vielen Menschen führen. Mütter mit nur zwei Kindern, erwerbsgeminderte Rentnerinnen und Rentner, die ein Jahr zu früh krank wurden und arme Rentnerinnen und Rentner, die nur 33 Beitragsjahre erreichen: Sie alle gehen leer aus. Und es bleibt dabei, dass die besseren Mütterrenten nicht komplett aus Steuermitteln finanziert werden, sondern überwiegend aus Beitragsmitteln. Damit gehen Jahr für Jahr rund zehn Milliarden Euro für ein höheres Rentenniveau verloren. Die Stabilisierung des Rentenniveaus ist ein erster Schritt in die richtige Richtung und ein Erfolg für Gewerkschaften, Sozialverbände und DIE LINKE. Es wäre aber dringend nötig, das Rentenniveau von gut 48 Prozent auf 53 Prozent anzuheben. Das war das lebensstandardsichernde Niveau, bevor Schröder, Fischer und Riester begannen, die gesetzliche Rente zu ruinieren. Zudem ist die Stabilisierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent in dieser Wahlperiode nur Platz der Republik 1, 11011 Berlin, Telefon: +49 30 227-71215, +49 30 227-71212, Fax: +49 30 227-76215, matthias-w.birkwald@bundestag.de weiße Salbe, weil es bis 2021 nach allen Prognosen sowieso nicht stärker sinken werden wird.

Seite 2 Für sehr wenige ältere Menschen mit mindestens 35 Beitragsjahren wird eine etwas höhere Sozialhilfe im Alter eingeführt werden, aber die Rente wird nicht für Alle armutsfest umgebaut werden. Das aber wäre dringend nötig. Das hilft wenigen Betroffenen zu wenig und lässt viel zu viele Betroffene arm zurück! Das fälschlicherweise Grundrente genannte Konstrukt ist nur eine Grundsicherung plus, mehr nicht und leider nur ein Tropfen auf den heißen Stein. DIE LINKE lehnt Grundrenten ab, echte genauso wie falsche. Deshalb wird DIE LINKE weiter kämpfen für einen gesetzlichen Mindestlohn von 12 Euro brutto, der vor Armut heute und im Alter schützt, für eine Solidarische Mindestrente, die sicherstellt, dass niemand im Alter von weniger als 1050 Euro netto leben muss, für eine Abschaffung der Abschläge bei Erwerbsminderungsrenten, für 93 Euro Mütterrente für jedes Kind und für ein Rentenniveau von 53 Prozent, also für eine Rentenerhöhung um zehn Prozent! Rentenniveau Was ist geplant? Bis 2025, also bis zum Ende der 20. Wahlperiode (!) 1 soll das Rentenni- veau nicht unter 48 Prozent sinken und der Beitragssatz nicht über 20 Prozent steigen. Beide Ziele wären nach allen vorliegenden Prognosen eh erreicht werden. Dafür braucht es keinen Koalitionsvertrag; wichtig ist aber, was danach passieren wird. Und für die Zukunft ist der von der GroKo auf 20 Prozent begrenzte Beitragssatz Gift (heute 18,6 Prozent). Eine stärkere Steuerfinanzierung der Rente ist aber nötig. Aber man muss auch sagen: Seit dem Jahr 2000 ging es mit dem Rentenniveau kontinuierlich bergab. Es ist nur den langjährigen Rentenkampagnen der LINKEN, der Gewerkschaften und der Sozialverbände zu verdanken, dass die Talfahrt des Rentenniveaus vorläufig auf dem heutigen Stand gestoppt werden wird (2018: 48,2 Prozent). Union und SPD beanspruchen also, das Rentenniveau auch für die Zeit nach der planmäßigen Bundes 1 - tagswahl 2021 festzulegen. Es bleibt zu hoffen, dass nach der Wahl 2021 die politischen Mehrheitsverhältnisse es erlauben werden, das Rentenniveau wieder auf 53 Prozent anzuheben.

Seite 3 Wenn wir den Menschen im Alter nicht Verzicht und Armut zumuten wollen, sondern ihren hart erarbeiteten Lebensstandard sichern wollen, müssen wir es aber wieder auf 53 Prozent anheben und dürfen nicht die Kürzungen der Vergangenheit in die Zukunft verlängern. Wir legen uns als einzige Partei im Bundestag zuerst auf ein Leistungsziel von 53 Prozent fest und sagen dann, woher die Beiträge oder Steuermittel kommen müssen, um es zu finanzieren (defined benefits statt defined contributions). Und wir wissen aus vielen Umfragen: Eine armutsfeste, lebensstandardsichernde und verlässliche gesetzliche Rente wäre vielen Menschen eine (moderate) Anhebung der Rentenversicherungsbeiträge wert erst Recht, wenn sie zugleich die völlig überteuerten Riester- und andere ineffiziente private Rentenverträge auslaufen lassen könnten. Deshalb gilt: Eine zukünftige Regierung braucht jeden Cent in der Rentenkasse für eine Wiederanhebung des Rentenniveaus auf lebensstandardsichernde 53 Prozent und weitere echte Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente. In diesem Zusammenhang lehnen wir auch eine Kürzung der Arbeitgeberbeiträge für minijobbende Zeitungsausträgerinnen und -austräger ab; vor allem wenn diese dann auch noch zu Rentenkürzungen bei den Betroffenen führen würden. In der Rentenkommission der vergangenen Legislaturperiode waren alle rentenpolitisch Handelnden vertreten. Mit zwei Ausnahmen: BÜNDNIS90 / DIE GRÜNEN und DIE LINKE durften ihre rentenpolitischen Expertisen nicht vortragen. In der geplanten Rentenkommission müssen beide vertreten sein. Mütterrente II DIE LINKE fordert: Die ungleiche Bewertung von Erziehungszeiten für Kinder, die vor 1992 geboren wurden (West 62,06 Euro / Ost: 59,38 Euro) und Kindern, die ab 1992 geboren wurden (West: 93,09 Euro / Ost: 89,07 Euro) muss beendet werden. Wir fordern die vollständige und steuerfinanzierte Gleichstellung bei der Anrechnung von Kindererziehungszeiten in Ost und West! Dem Staat müssen alle Kinder gleich viel wert sein. Es wurde aber beschlossen, dass es künftig Mütter und Väter zweiter Klasse geben soll. Nur wer vor 1992 drei oder mehr Kinder erzogen hat, wird bald auch pro Kind 93,03 Euro (Ost 89,07 Euro) erhalten.

Seite 4 Wer nur ein oder zwei Kinder erzogen hat, soll sich mit den 62,06 Euro (Ost: 59,38 Euro) bescheiden müssen. Das ist ungerecht und sachlich durch nichts zu begründen. Die Deutsche Rentenversicherung sagt: Nur 2,8 Millionen der insgesamt 9,7 Millionen Rentnerinnen (viele) und Rentner (sehr wenige), die derzeit eine so genannte Mütterrente beziehen, werden von der Erhöhung profitieren. Warum? Weil, so sagen Union und SPD, alles andere zu teuer wäre. Zu teuer? Nein, DIE LINKE sagt: Es wäre zu teuer, wenn nur die Versicherten die Anhebung der Mütterrente alleine finanzieren müssten (3,4 bis vier Milliarden Euro für alle mit drei Kindern und mehr). DIE LINKE, die Deutsche Rentenversicherung, der DGB und alle Sozialverbände fordern darum gemeinsam: Diese Leistungen müssen komplett und nicht nur teilweise aus Steuermitteln finanziert werden! Sonst werden Jahr für Jahr mehr als zehn Milliarden Euro an Beitragsmitteln in der Rentenkasse fehlen. Sogenannte Grundrente Was wurde beschlossen? Menschen mit 35 und mehr Beitragsjahren einschließlich Kindererziehungszeiten, ALG-I-Bezug, Pflege von Angehörigen sollen zukünftig einen zehn Prozent höheren Grundsicherungsbedarf als regional üblich erhalten. Aktuell liegt der Grundsicherungsbedarf in Bayern bei 835 Euro und in Thüringen bei 739 Euro. Das wären im Ergebnis durchschnittlich 80 Euro mehr gewesen. Ja, jeder Euro mehr für arme Menschen ist gut, aber angesichts der hohen Zugangshürden ist ein Zuschlag von 80 Euro eine herbe Enttäuschung für langjährig Beschäftigte. Nach 35 Versicherungsjahren! Dies würde bei den Betroffenen sicher als Verbesserung, aber überhaupt nicht als Lösung ihrer alltäglichen Sorgen und Nöte wahrgenommen werden. Sie wollen Respekt für ihre Lebensleistung. Daten von 2016 zeigen außerdem, dass eine große Mehrheit von 72 Prozent der Grundsicherungsbeziehenden im Alter weniger als 35 Erwerbsjahre hat und deshalb werden viele von ihnen auf der alten Sozialhilfe bzw. Grundsicherung im Alter sitzen bleiben, wenn sie nicht entsprechende Kinderberücksichtigungszeiten oder Zeiten des Arbeitslosengeld-I- Bezugs vorweisen werden können. Außerdem hat die Bundesregierung für Betriebs- und Riesterrenten einen Freibetrag von 100 bis 208 Euro bei der Grundsicherung eingeführt. Gesetzliche Renten werden also bei

Seite 5 der Anrechnung weiter massiv schlechter gestellt werden. Zwar werden Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten und ALG-I-Zeiten angerechnet, aber ausgerechnet Zeiten der Langzeitarbeitslosigkeit bleiben außen vor, d.h. Hartz IV-Beziehende werden diskriminiert. Nein, gigantische Hürden aufzubauen, um Menschen dann weiterhin in etwas weniger Armut zu belassen, widerspricht klar unserer Forderung nach einer sozialen Mindestsicherung im Alter. Wir wollen, dass alle Menschen im Alter gegen Armut geschützt werden und fordern die Union und SPD auf, eine einkommens- und vermögensgeprüfte Solidarische Mindestrente einzuführen, für die gilt: Niemand soll im Alter von weniger als 1050 Euro netto leben müssen! Das wäre gerecht und das schützte vor Armut. Gut ist, dass selbstgenutztes Wohneigentum der Betroffenen künftig nicht mehr angetastet werden soll, und das sogar unabhängig von Quadratmetern. Sie werden also im Alter im eigenen Haus oder der eigenen Wohnung bleiben dürfen, auch wenn sie auf Leistungen der Grundsicherung im Alter (und Hartz IV und Sozialhilfe) angewiesen sein werden. Dennoch: Insgesamt wird der selbsterklärte Anspruch, die Lebensleistung anzuerkennen und einen Schutz vor Altersarmut einzuführen, mit der sogenannten Grundrente nicht umgesetzt werden. Erwerbsminderungsrente Die künftige schwarz-rote Koalition will Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr bis zum Renteneintrittsalter arbeiten können, besser stellen. Die sogenannten Zurechnungszeiten in der Erwerbsminderungsrente sollen in einem Schritt von aktuell 62 Jahren und drei Monaten auf 65 Jahre und acht Monate angehoben werden. Zurechnungszeit bedeutet: Wer früher in Rente gehen muss, dem schreibt die Rentenversicherung Rentenpunkte gut und zwar so, als hätte er/sie bis zum Renteneintritt weitergearbeitet. So ergibt sich dann eine höhere Rente. Die Anhebung der Zurechnungszeit in einem Schritt bis 65 ist eine Forderung der LINKEN. Hier kann man sagen: Chapeau, denn 170.000 zukünftige Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentner werden im Durchschnitt 67 Euro mehr Rente netto erhalten. (Kosten: 1,8 Milliarden Euro). Das ist das Licht. Und hier der Schatten: Die heutigen 1,8 Millionen kranken EM-Rentnerinnen und Rentner schauen in die Röhre und werden mit durchschnittlichen EM-Renten unter der Grundsicherungsschwelle abgespeist. Das darf nicht so bleiben. Also: Die Anhe-

Seite 6 bung der Zurechnungszeit in einem Schritt fordert DIE LINKE schon lange. Dabei dürfen Union und SPD nicht stehen bleiben, wenn sie kranke Menschen endlich aus der Armut herausholen wollen. Warum? Die durchschnittliche volle Erwerbsminderungsrente liegt heute bei 736 Euro, der anerkannte Grundsicherungsbedarf der Betroffenen jedoch bei 770 Euro. Von den 67 Euro mehr im Monat werden deshalb nur Wenige vollständig profitieren. Die große Mehrheit der zukünftigen, kranken Rentnerinnen und Rentner wird weiter auf die Grundsicherung angewiesen bleiben und von dem Geld nichts oder nur wenig sehen, während die heutigen komplett leer ausgehen werden. DIE LINKE fordert deshalb zusätzlich die Abschaffung der Abschläge von durchschnittlich 88 Euro für Bestands- und Zugangsrentner! Dann wären die Erwerbsminderungsrenten zwar immer noch nicht armutsfest, aber die Betroffenen wären wenigstens aus der Grundsicherung raus. Und aus Sicht der LINKEN müsste dann eine sanktions- und repressionsfreie soziale Mindestsicherung mit einem Zuschlag dafür sorgen, dass erwerbsgeminderte Singles 1050 Euro netto im Monat zur Verfügung hätten. Rentenversicherungspflicht für Selbstständige Die Koalition will endlich dafür sorgen, dass Selbstständige eine Rentenversicherung nachweisen müssen viele Selbstständige landen in der Altersarmut, weil sie zu wenig verdienen, um fürs Alter zu sparen. So weit, so gut. Aber das ist auch schon alles. Bislang kein Wort dazu, wer wie hohe Beiträge tragen soll. Viele Selbstständige kommen nur knapp über die Runden wenn sie dann noch allein die Beiträge zur Rentenversicherung schultern müssen, stößt sie das über den Rand. Dies sind oft Selbstständige, die erst nach den Arbeitsmarktreformen von Rot-Grün selbstständig geworden sind und oft genug von großen Unternehmen outgesourct wurden, um Kosten zu senken. DIE LINKE will eine echte Erwerbstätigenversicherung und damit verhindern, dass gerade kleine Selbstständige mit den Rentenversicherungsbeiträgen überfordert werden.

Doppelverbeitragung von Betriebsrenten Seite 7 Es ist ein Trauerspiel: Im Wahlkampf wurden gerechte Krankenversicherungsbeiträge auf Betriebsrenten und vor allem Direktversicherungen von der SPD noch vollmundig verkündet und auch von der Union in Aussicht gestellt. Im Sondierungspapier und am Ende der Koalitionsverhandlungen ist davon nichts mehr vorhanden! Wenn sich hier nichts mehr tut, dann müssen Direktversicherte und einige andere Bezieher*innen betrieblicher Altersvorsorge auch künftig zweimal Krankenversicherungsbeiträge zahlen und machen damit oft ein Minusgeschäft, das heißt, nach Abzug von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen und Steuern erhalten sie weniger ausgezahlt, als sie selbst eingezahlt haben. Warum? Weil die Beiträge beim Aufbau der Direktversicherung für die Krankenversicherung herangezogen wurden. Und bei der Auszahlung zahlen die Betroffenen ein zweites Mal und dann sogar den vollen Satz von aktuell 14,6 Prozent, weil es im Alter keinen Arbeitgeberanteil mehr gibt. DIE LINKE fordert klipp und klar: Weg mit der doppelten Verbeitragung von Betriebsrenten! Rentenüberleitung Ost 2 DIE LINKE im Bundestag hat immer den jetzt vereinbarten, größeren Bundesanteil bei den Erstattungen an die Rentenversicherung für die Ansprüche aus den Sonder- und Zusatzversorgungssystemen der DDR gefordert, zuletzt im Antrag Spezifische Altersarmut Ost durch Korrektur der Rentenüberleitung beheben vom 04.06.2014 (Bundestagsdrucksache 18/1644). Ein DDR-Renten-Härtefallfonds ohne Aussagen zu Umfang und Verfahren ist nur eine Minimal-Vereinbarung zur Rentenüberleitung und wird nur den Ärmsten der Armen zugutekommen. Das darf kein Feigenblatt für Schwarz-Rot sein, um bei der Rentenüberleitung weiterhin tatenlos zu bleiben. 2 Vgl. dazu im Detail: Dr. Annegret Künzel, Hintergrundinfo: Regelung für DDR-Renten im Koalitionsvertrag

Seite 8 Fast die Hälfte aller ostdeutschen Rentnerinnen und Rentner erhält Renten aus Sonder- und Zusatzversorgungssystemen der DDR. Bei der Wiedervereinigung wurden aber viele Ansprüche nicht anerkannt. Diese Ungerechtigkeit muss endlich beendet werden! Unser aktueller Antrag: Forderung der Vereinten Nationen zu den in der DDR geschiedenen Frauen sofort umsetzen (Bundestagsdrucksache 19/220) fordert die Koalitionsparteien auf, hier einer ersten Betroffenengruppe konkret und umgehend zu helfen.