PROBEKLAUSUR IM STRAFRECHT BT



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ÜBUNGEN IM STRAFRECHT HS 2007 PROF. DR. HANS VEST RECHTSWISSENSCHAFTLICHE FAKULTÄT DR. CLAUDIO DOMENIG INSTITUT FÜR STRAFRECHT UND KRIMINOLOGIE LEHRSTUHL FÜR STRAFRECHT, VÖLKERSTRAFRECHT UND RECHTSTHEORIE PROBEKLAUSUR IM STRAFRECHT BT BGE 116 IV 343; STRATENWERTH BT II 35 BGE 120 IV 179; 92 IV 91; 98 IV 85; BGE 71 IV 91; 115 IV 106; 110 IV 12; 92 IV 91; 115 IV 106; TRECHSEL 1ff vor Art. 251. Architekt A ist klamm an Geld, möchte aber auf einige neue Sachen nicht verzichten, um seine Angebetete zu beeindrucken. Zunächst setzt er sich an seinen Computer und schreibt dort eine Rechnung für den Bauherrn O1 um, indem er den Rechnungsbetrag von SFR 25 000 auf SFR 27'500 erhöht. Zum Abschluss sieht er sich wohl gelaunt die Rechnung auf dem PC-Bildschirm an und beschliesst, die Rechnung alsbald auszudrucken und an O zu versenden. Eine Rechnung an einen anderen Bauherren O2 hatte er auch schon auf gleichem Wege erhöht. Diese faxte er nun an O2. Dieser bezahlte anstandslos. Am Schreibtisch fällt ihm dann eine Schachtel auf. In dieser Schachtel bewahrt seine Ehefrau E, von der er sich scheiden lassen will, die von ihm an sie geschriebenen Liebesbriefe auf. E hat vor, diese im Scheidungsverfahren zu gebrauchen, um ihre Ansprüche besser durchsetzen zu können. A nimmt die Briefe kurzer Hand und verbrennt sie. Nach getaner Arbeit begibt er sich zu seiner Angebeteten. Auf dem Weg dorthin kommt er an einem Kaufhaus vorbei und beschliesst, ein Mitbringsel einzukaufen. Hierzu entfernt er in einem Kaufhaus das Preisschild von einer teuren Handtasche, das mit dieser mittels eines Kunststoffbandes verbunden ist und ersetzt es durch das einer billigeren Handtasche. Damit geht er an die Kasse und bezahlt den niedrigen Preis. STRAFBARKEIT VON A? Prof. Dr. Hans Vest hans.vest@krim.unibe.ch Dr. Claudio Domenig claudio.domenig@krim.unibe.ch

LÖSUNGSHINWEISE PROBEKLAUSUR STRAFBARKEIT VON A I. HANDLUNGSABSCHNITT: DAS GESCHEHEN AM PC A. ART. 251 2. VARIANTE: UNRICHTIG BEURKUNDEN ZULASTEN VON O1 a) Tatobjekt: Urkunde Art. 110 Abs. 4: Computerurkunde 1 Verkörperte Gedankenerklärung in Form von elektronischen Daten, die zum Beweis geeignet ist und ihren Aussteller erkennen lässt.? Verkörperung schon im Augenblick, in dem die Daten auf dem Bildschirm erscheinen. früher BG: schon mit der Speicherung jetzt BG 2 : möglicherweise schon mit Speicherung, aber nur wenn die Daten genügend gegen unbeabsichtigte Löschung oder Veränderung gesichert und jederzeit lesbar gemacht werden können. - Leitgedanke: Änderungen dürfen nicht spurenlos möglich sein. - Längerfristige Speicherung - Sicher bei Protokollierung und Einschränkungen der Zugriffe, sicher nicht, solange sich Daten nur im Arbeitsspeicher und nicht im Festplattenspeicher befinden.? Aber auch (subjektive) Beweisbestimmung und (objektive) Beweiseignung in Geschäftsbzw. Rechtsverkehr? - Unterschied zum BG-Fall (116 IV 343): dort war es üblich, dass die Daten nicht ausgedruckt wurden, sondern nur via Bildschirm wahrgenommen wurden. Hier blosse interne 1 Anmerkungen Prof. Vest: Hinweis auf Legaldefinition der Computerurkunde in StGB 110 Abs. 4 Satz 2 angezeigt. 2 Welche Praxis wird hier unterschieden? Es gibt zwei bger Präjudizien: BGE 111 IV 119 (Speicherung von Computerdaten auf magnetischen Datenträgern); 116 IV 343 (Bildschirmanzeige als Urkunde!?). Beide stammen aus einer Zeit vor der Gesetzesrevision. M. W. sind seither keine einschlägigen Entscheidungen ergangen. Seite 2/9

Notizen! Es fehlt von vornherein am Willen des A. zur Verwendung der Bildschriftanzeige im Rechtsverkehr; zudem arbeitete er an seinem eigenen PC. DESWEGEN HIER ZU VERNEINEN. B. ART. 251 ZIFF. 1 ABS. 2, LETZTE VARIANTE: UNRICHTIG BEURKUNDEN ZULASTEN VON O2 a) Urkunde Art. 110 Abs. 4 Satz 1 3 Aber dann sicher Urkundseigenschaft mit Ausdruck zu bejahen, da nun eine Schrifturkunde errichtet worden ist. Denn damit ist auch die Bedingung erfüllt, dass die Daten in eine visuell erkennbare, vor allem lesbare Form gebracht werden. b) Tathandlung: unrichtiges Beurkunden einer rechtlich erheblichen Tatsache Über die Urkundenfälschung i.e.s. hinaus ist unter bestimmten Voraussetzungen auch die (bei Art. 251 private; vgl. aber 253 und 317 StGB) Falschbeurkundung strafbar die in der Errichtung etc. einer inhaltlich unwahren Urkunde besteht (Abgrenzung zur straflosen schriftliche Lüge) 4. Aber nicht jede rechtlich erhebliche Tatsache ist erfasst, sondern nur Tatsachen, denen ein qualifizierter Beweiswert zukommt (i.d.r. Registerurkunden, Dispositiv- oder Protokollerklärungen). Wichtig ist hier, dass die Frage auch immer für jede erklärte Tatsache konkret geprüft wird. So kann eine Urkunde sowohl i.s. 251 Ziff. 2 nicht -beurkundete, wie auch i.s. 251 Ziff. 2 beurkundete Tatsachen enthalten. Nach Lehre und Rechtsprechung darf eine Falschbeurkundung, also eine Art qualifizierte schriftliche Lüge, nur dann angenommen werden, wenn allgemeingültige objektive Garantien die Wahrheit der Erklärung gewährleisten, wie sie u. a. in der Prüfungspflicht einer Urkundsperson und in gesetzlichen Vorschriften gefunden werden können, die, wie etwa die Bilanzvorschriften der Art. 958 ff. OR, gerade den Inhalt bestimmter Schriftstücke näher festlegen, oder dem konkreten Aussteller der Erklärung bzgl. deren Inhalt eine garantenähnliche Stellung zukommt. Blosse Erfahrungsregeln hinsichtlich der Glaubwürdigkeit irgendwelcher schriftlicher Äusserungen genügen dagegen nicht, mögen sie auch zur Folge haben, dass sich der Geschäftsverkehr in gewissem Umfang auf die entsprechenden Angaben verlässt (BGE 117 IV 38 E. d; 118 IV 364 E. 2a mit Hinweisen). BEI EINEM VOM BAUHERRN ZUR GENEMIGUNG DER RECHNUNG NACH DEN SIA-NORMEN (IN DER PRAXIS FAST AUSNAHMSLOS VERWENDETE STANDARDVERTRÄGE) ERMÄCHTIGTEN ARCHITEKTEN GRUNDSÄTZLICH ZU BEJAHEN (BGE 119 IV 54). Ein Telefax wird als Urkunde qualifiziert: BGE 120 IV 179. 5 3 Allgemeine Urkundenelemente abhandeln, die im Gesetz nur ungenügend spezifizierte sind: Perpetuierungs-, Garantie- und Beweisfunktion. 4 Die Urkundendefinition bzgl. einer möglichen Falschbeurkundung ist enger als diejenige der Urkundenfälschung i.e.s., weil eine qualifizierte Beweisfunktion erforderlich ist. 5 Vgl. Vest, Probleme des Urkundenstrafrechts, AJP 2003, 888 ff. Seite 3/9

Neben der Errichtung der inhaltlich unwahren Urkunde ist nach Art. 251 Ziff. 1 Abs. 3 auch deren Gebrauch strafbar gilt aber nach Konkurrenzregeln als mitbestrafte Nachtat. C. ART. 146 BETRUG 6 Arglist auf Grund der mangelnden Nachprüfbarkeit, sowie wegen des Verwendens einer inhaltlich unwahren Urkunde (besondere Machenschaften, Kniffe). Wer oben die qualifizierte Beweiseignung bejaht hat, wird nun kaum die Arglist verneinen können. II. HANDLUNGSABSCHNITT: LIEBESBRIEFE A. ART. 254 (URKUNDENUNTERDRÜCKUNG) a) Urkunde gem. Art. 110 Ziff. 4 (1) Schrift (2) zum Beweis im Rechtsverkehr bestimmt? Genügte für die Beweisbestimmung die Absicht der Ehefrau, die Briefe bei einem Scheidungsprozess zu verwenden? - Grundsätzlich ist Beweisbestimmung auch nachträglich möglich. - Strittig, ob es einer externen objektiven Manifestation bedarf 7 oder schon die blosse Absicht ausreicht 8. - Absichtsurkunde vs. Zufallsurkunde, als deren typisches Bsp. der Liebesbrief gilt, der zu einem späteren Zeitpunkt von jemandem zur Beweisführung (z.b. des Ehebruchs nach dem altrechtlichen Scheidungsrecht) herangezogen wird 9 HIER ZU BEJAHEN. 6 Die Praxis geht in solchen Fällen offenbar fälschlicherweise stets lediglich von Betrug aus. Nach BGer gilt echte Konkurrenz zw. Art. 146 und 251, mit dem formalen Argument, es gehe um unterschiedliche Rechtsgüter: BGE 129 IV 53. Gerade der Beispielfall zeigt, dass Urkundendelikte als reine Vorbereitungshandlungen zur Durchführung eines Betruges dienen können. Sofern dadurch lediglich das Betrugsopfer geschädigt werden soll, sollte Art. 146 den Art. 251 als mitbestrafte Vortat konsumieren. 7 8 So STRATENWERTH BT II 35 N 17. In diese Richtung wohl das Bundesgericht. 9 Vgl. Stratenwerth, BT II, 35 Rz. 15 ff. und Urteil des Aargauer Kriminalgerichts vom 11.5.1955 in AGVE 1956, 150 f., wo aber keine Beweiseignung vorlag, da Liebesbriefe im Zeitpunkt ihrer Abfassung weder bestimmt noch geeignet sind, eine Tatsache von rechtlich erheblicher Bedeutung zu beweisen und daher keine Absichtsurkunde sind. Seite 4/9

b) über die er nicht allein verfügen darf, LÖSUNGSHINWEISE VON CHRISTOPH RINGLMANN c) beschädigt, vernichtet, beiseiteschafft oder entwendet (+) 2. SUBJ. TATBESTAND (VORTEILS- BZW. SCHÄDIGUNGSABSICHT 10, RW UND SCHULD A IST GEM. ART. 254 DURCH DAS VERNICHTEN DER BRIEFE STRAFBAR. B. ART. 139 ZIFF. 1, 4 (DIEBSTAHL AN DEN BRIEFEN) a) fremde bewegliche Sache b) Gewahrsam eines anderen (1) Faktische Herrschaftsmöglichkeit (2) Herrschaftswille (3) Soziale Verkehrsaufassung c) Gewahrsam gebrochen ohne Einverständnis des bisherigen Gewahrsamsinhabers d) neuen Gewahrsam begründet der allenfalls noch bestehende Mitgewahrsam der Frau schliesst die Begründung neuen Gewahrsams nicht aus. 2. SUBJEKTIVER TATBESTAND a) Vorsatz b) Aneignungswille sehr fraglich, allenfalls für die logische Sekunde vor dem Verbrennen zu bejahen. C. ART. 137 ZIFF. 2 (-) nur zu prüfen wenn oben Aneignungswille bejaht wurde Ziff. 2, 2te Variante (ohne Bereicherungsabsicht) Bezieht sich die Ziffer 2 nur auf Ziff. 1 also auf eine Aneignung ohne Wegnahme? NEIN! 11 10 Da die Angrenzung zwischen Urkundenunterdrückung und den Art. 137 ff., 141, 144 gerade darauf abstellt, ob es dem Täter allein um die Vernichtung, Vereitelung, Reduktion etc. des Beweiswerts gegangen ist (vgl. BSK II-Boog Art. 254 Rz. 18), ist an sich klar, dass die nun zu prüfenden Tb auf dem Weg der unechten Konkurrenz ausscheiden Trotzdem sind sie abzuhandeln. 11 Der Gesetzeswortlaut ist irreführend, Art. 137 Ziff. 2 II StGB bezieht sich auf alle Formen der Aneignung fremder beweglicher Sachen; Stratenwerth/Jenny BT I 13 Rz. 43 Seite 5/9

Falls der Aneignungswille verneint wurde: D. SACHENTZIEHUNG (ART. 141) a) dem Berechtigten b) entzieht: Zerstören ist ein auf faktische Enteignung gerichtetes Verhalten. c) erheblicher Nachteil? 2. SUBJEKTIVER TATBESTAND: HANDELN OHNE ANEIGNUNGSABSICHT E. ART. 144 SACHBESCHÄDIGUNG AN DEN BRIEFEN (+) III. HANDLUNGSABSCHNITT: DAS GESCHEHEN IM KAUFHAUS A. ART. 254 DURCH ENTFERNEN DES SCHILDES VON DER JACKE a) Urkunde in Form eines Beweiszeichens: Fraglich ist ob A durch das Abreissen des Preisschildes gem. Art. 254 Ziff. 1 eine Urkunde i.s. Art. 110 Abs. 4 unterdrückt hat. - 110 Abs. 4: Urkunden sind Zeichen, die bestimmt sind, eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen. (1) verkörperte Gedankenerklärung (Perpetuierungsfunktion)? Verkörperung? Die Jacke für sich alleine verkörpert keine eigenständige Gedankenerklärung. Hier handelt sich um ein blosses Augenscheinsobjekt. Auch das Preisschild für sich alleine enthält noch keine rechtlich relevante Erklärung, da es nur durch die Verbindung mit einem Bezugsobjekt (Preis für was?) einen objektiv erkennbaren Erklärungsinhalt ( Diese Jacke kostet XY Fr. ) erhält. Ob und inwieweit Preisschild und Kaufgegenstand ein Beweiszeichen i.s. einer sog. zusammengesetzte Urkunde darstellen, ist umstritten. 12 Eine Beweiszeichen i.s. einer sog. zusammengesetzten Urkunde 13 liegt vor, wenn eine verkörperte Gedankenerklärung mit dem Augenscheinsobjekt, auf das sich ihr Erklärungsinhalt bezieht, räumlich fest zu einer Beweiseinheit verbunden ist ( Verkörperung). 12 Übersicht bei TRECHSEL N 1ff vor 251, STRATENWERTH BT II 35 N 2ff und N 22ff. Seite 6/9

DIESE HINREICHEND FESTE VERBINDUNG ZWISCHEN WARE UND PREISSCHILD DÜRFTE HIER GEGEBEN SEIN (2) bestimmt, eine ausserhalb ihrer selbst liegende Tatsache 14 zu beweisen (Beweisfunktion) HIER ZU BEJAHEN. (3) Aussteller erkennen lässt (Garantiefunktion) Aussteller ist nicht in erster Linie derjenige der die Erklärung selbst unmittelbar abgibt (so aber die Körperlichkeitstheorie), sondern derjenige, der nach der objektiven Verkehrsanschauung (nicht in Wirklichkeit) als geistiger Urheber anzusehen ist (sog. Geistigkeitstheorie) bzw. dem das Ergebnis eines selbständig ablaufenden Datenverarbeitungsvorgangs zugerechnet wird (sog. Zurechnungstheorie) 15 AUSSTELLER IST HIER DAS KAUFHAUS. b) über die er nicht allein verfügen darf Beweisführungsrecht c) beschädigt, vernichtet, beiseiteschafft oder entwendet Berechtigter wird dauernd im Gebrauch der Urkunde zur Beweisführung gehindert 2. SUBJEKTIVER TATBESTAND Vorsatz (+) in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen 3. RW UND SCHULD A IST GEM. ART. 254 ZIFF. 1 STGB STRAFBAR. 13 Der Begriff wird m. E. besser nur für zusammengesetzte Schrifturkunden verwendet, z.b. die amtliche Beglaubigung einer Fotokopie, weil das Gesetz die insoweit tatsächlich zusammengesetzte feste Verbindung zwischen Urkunde und Bezugsobjekt als Beweiszeichen tituliert. 14 = Abgrenzung zur Schrifturkunde, was m. E. etwas klarer ausgedrückt zu werden verdient. Beim Beweiszeichen ergibt sich die Beweisbedeutung erst aus der festen Verbindung des Zeichens mit einem Gegenstand. 15 STRATENWERTH 16 Auch ohne den Umweg über 254 kann in der Preisschildmanipulation als einem Gesamtvorgang das Herstellen einer unechten Urkunde gesehen werden = Fälschen eines Beweiszeichens. Da Beweiszeichen aus der festen Verbindung zwischen Zeichen und Gegenstand bestehen, kann ggf. auch die Variante des Verfälschens diskutiert werden. Eine Falschbeurkundung scheidet dagegen aus zumal sie ohnehin nur zu prüfen ist, wenn keine Urkundenfälschung i.e.s. vorliegt. Seite 7/9

B. ART. 251 (URKUNDENFÄLSCHUNG) DURCH DAS ANBRINGEN DES NEUEN PREISSCHILDES Eine Urkunde ist dann unecht, wenn der nach der objektiven Verkehrsanschauung zu ermittelnde Aussteller nicht der wirkliche Aussteller ist. a) Fälschen = Herstellen einer unechten Urkunde (1) Urkunde Wer im Ablösen des Preisschildes von der Kunststofflederjacke eine selbständige Urkundenvernichtung gesehen hat, wird dann in der Befestigung des Schildes an der Jacke die Herstellung einer neuen unechten zusammengesetzten Urkunde bejahen müssen. 16 (2) Unecht Die in der zusammengesetzten Urkunde enthaltene Preisaussage stammt nicht von dem, der sich aus der Urkunde als Aussteller ergibt (Kaufhaus) und ist somit unecht. 2. SUBJEKTIVER TATBESTAND (+) 3. RW UND SCHULD (+) A IST GEM. ART. 251 ZIFF. 1 ABS. 2 STRAFBAR. ( GEBRAUCHTMACHEN ALS MITBESTRAFTE NACHTAT) 17 C. BETRUG NACH ART. 146 Arglist? 18 A IST WEGEN BETRUGES STRAFBAR. 19 GESAMTERGEBNIS BGER: MEHRFACHE URKUNDENFÄLSCHUNG GEM. ART. 251 ZIFF. 1 ABS. 2 (UF I.E.S. SOWIE FB), MEHRFACHER BETRUG GEM. ART. 146SOWIE URKUNDENUNTERDRÜCKUNG GEM. ART. 254. NACH STRATENWERTH/JENNY TRITT 17 In der schweiz. Praxis wird kaum je erkannt, dass Preisschildmanipulationen urkundenstrafrechtliche Probleme aufwerfen können; vgl. OGer BL, BJM 1975, 23). 18 Betrügerische Machenschaften vs. leichtere Nachprüfbarkeit Opfermitverantwortung TRECHSEL Art. 146 N 8; BSK-Arzt, Art. 146 N 50ff.. 19 Vgl. Fn. 6. Auf das sachlich richtige Ergebnis kommt die Praxis bei Preisschildmanipulationen, weil sie den Bezug zu Art. 251 i.v.m. 110 nicht sieht oder übersieht; sobald Schriftstücke involviert sind, spielt dann die weder im Ergebnis noch in der Begründung durchdachte bger Lösung der echten Konkurrenz. Seite 8/9

DIE URKUNDENFÄLSCHUNG IN CASU BEIDE MALE ALS MITBESTRAFTE VORTAT HINTER DEN BETRUG ZURÜCK, WEIL SIE DIESEN LEDIGLICH VORBEREITETE. Seite 9/9