Michael Schminke Geschäftsführer Pantherwerke AG Der Nationale Radverkehrsplans 2020 aus Sicht der Fahrradbranche Impulsreferat beim Symposium des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs e.v. (ADFC) am 11. Dezember 2012 in Berlin
Sehr verehrte Damen und Herren, Zuerst die deutsche Fahrradbranche in einigen Zahlen. 50.000 Beschäftigte bei Herstellern, Zulieferern und dem Handel tragen dazu bei, dass 2011 ca. 4,05 Mio. Fahrräder in der Bundesrepublik verkauft wurden. In diesem Jahr werden es in etwa genau so viele. Zählen wir die Arbeitsplätze hinzu, die sich im Tourismus mit dem Fahrrad beschäftigen, erhöht sich die Beschäftigtenzahl sogar auf mehr als 200.000. Die Machtverteilung in dieser Branche findet unter ca. 200 Fahrrad- und Fahrradteileherstellern, 50 Großhändlern und 7.500 Fahrradhändlern statt. In deutschen Haushalten befinden sich ca. 70 Mio. Fahrräder. Eine beeindruckende Zahl, die den PKW-Bestand mit ca. 40 Mio. Stück weit hinter sich lässt. Wenn wir von Elektromobilität sprechen wird es noch beeindruckender. Im April dieses Jahres wurde die Zahl von 1 Mio. E-Bikes auf unseren Straßen überschritten. Das Ziel der Bundesregierung, bis 2020 1 Mio. Elektrofahrzeuge auf die Straße zu bringen, haben wir, die Fahrradbranche und Fahrradmobilisten bereits heute für alle Fahrzeugproduzenten zusammen erreicht. Leider, und dieses Wort betone ich, beträgt die Zahl der Pkw-Neuzulassungen im Jahr 2011 laut KBA 3,2 Mio. Stück. Im Vergleichszeitraum sind es aber nur 4 Mio. Fahrräder und E-Bikes. Ein Irrweg, den ich in folgendem Bild beleuchten möchte. Die Erfindung des Rades vor ca. 8.000 Jahren ist nicht eindeutig einer Zeit, einer Person oder Personengruppe zuzuordnen. An vielen Stellen der Welt ist es gleichzeitig entstanden. Das lässt die These zu, dass Mobilität, Entlastung des Menschen vom Tragen, seine Schnelligkeit, aber auch Bequemlichkeit als Grundbedürfnis vom Menschen wahrgenommen wurde und wird. Zuerst wurde das Rad oder der Karren, der daraus entstanden ist, gezogen oder geschoben, ihm wurden Tiere vorgespannt um Menschen oder Lasten zu transportieren. Inzwischen sind vielfältigste Formen von Fahrzeugen entstanden und mit sehr unterschiedlichen Anwendungszwecken. Dabei haben sich zwei Antriebsarten herausgebildet. Solche mit erneuerbarer, fast unerschöpflicher Energie, und solche, die Energie verbrennen. 1
Unsere heutige Diskussion hat diese zwei Antriebsarten und somit zwei Formen der Mobilität im Fokus. Zwei, die unser Grundbedürfnis, mobil zu sein, befriedigen. Das Auto - indem wir umschlossen vom Sicherheitsgurt, geschützt durch Airbag und auf komfortablen Polster sitzen. Es ist nicht leise, es stinkt, erzeugt Feinstaub, ist schädlich für die Umwelt, teuer, verbraucht Ressourcen und Rohstoffe. Es ist sehr bequem beim Fahren, es ist Statussymbol, und für einige ist es sogar Ausdruck von Kraft und Wohlstand. Es ist schnell für sich alleine, schneller als wir benötigen, und es kann hohe Lasten tragen, was wir selten benutzen. Es bietet Platz für mehrere von uns, obwohl wir darin meistens alleine unterwegs sind. Das Fahrrad - gleich wohl bequem, Sattel und Lenker erlauben auch die Adaption auf unsere Anatomie. Es ist leise, es stinkt nicht, erzeugt keine Emission und sein Bedarf an Rohstoffen ist gering. Es schont die Umwelt und das Klima, erhöht die Lebensqualität und die Gesundheit von uns und somit von allen Lebewesen. Es ist nicht teuer es ist eine bezahlbare Mobilität. Es ist das schnellste Verkehrsmittel auf den Strecken, auf denen wir am häufigsten unterwegs sind: Schulweg, Arbeitsweg und Besorgungen in der Stadt. Es macht Städte und Gemeinden lebendig und lebenswert. Es ist gleichzeitig Sportgerät. Haben Sie dieses Bild der Mobilität vor Augen? Dann fügen wir den Begriff Energiewende hinzu. Ein Begriff, eine Herausforderung, die uns alle etwas angeht. Der Klimagipfel in Doha ist gerade zu Ende gegangen, die Ergebnisse zur Energieeinsparung und Klimaschutz müssen wir uns jedoch schön reden. Herr Röttgen hat zu seiner Zeit als Minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit die Energiewende mit dem Satz beschrieben: Die Energiewende ist das größte Infrastruktur- und Modernisierungsprojekt der kommenden Jahrzehnte, ein Generationenprojekt. Ein Generationenprojekt? Wenn ich hier das Wort Generationen interpretiere, fällt mir sofort die Zeit ein. Zeit brauchen wir nicht zur Veränderung unserer Mobilität, in keinem Fall über Generationen hinweg. Zur Veränderung unserer Mobilität brauchen wir auch keine hohen Investitionen, oder die Abhängigkeit von großen Unternehmen der Energieproduktion. Unsere Infrastruktur besteht aus Straßen, und die sind zum großen Teil vorhanden, - aber leider von der anderen Form der Mobilität, von ineffizienten Verkehrsmitteln belegt. Nun mögen Sie denken, was für ein Prophet. 2
Auch ich bin ein Mensch mit einer gesunden Ausstattung an Faulheit und Bequemlichkeit. Ich akzeptiere und freue mich darüber, dass Motoren, die fossile Brennstoffe verbrennen, mich fortbewegen. Aber in Städten und Gemeinden, auf der Kurzstrecke, sollte das Fahrrad das Vorrecht zur Nutzung der vorhandenen Infrastruktur bekommen. Das wäre ein großer Schritt und Beitrag zur Energiewende, den jeder Bürger leisten kann. Und dabei sollten wir bitte nicht auf dem Standpunkt stehen, dass wir die Infrastruktur zuerst ausbauen müssen. Unsere eigene Kraft und Energie ist kostenlos, und die Fahrradindustrie hält vielfältigste Fahrradtypen passend für jeden Fahrer bereit. Und sogar für kraftlosere Menschen oder Menschen mit einem hohen technischen Anspruch, gibt es bezahlbare und sehr sparsame Elektromobilität mit dem Fahrrad. Wenn wir uns unser Straßenbild ansehen, teilen sich Fußgänger und Fahrradfahrer wenige Meter des städtischen Verkehrsraums. Gleichdenkende und energiesparende Mobilisten rücken eng zusammen auf schmalen Radwegen und Bürgersteigen. Andere bekommen und beanspruchen meterbreite Gassen für Lärm und Energievernichtung. Für mich der Irrweg! Und dieser Irrweg wird politisch unterstützt und kann sich nicht selbst regulieren. Z. B. steht im NRVP: Radverkehr soll gleichberechtigt mit den anderen Verkehrsmitteln berücksichtigt werden. Nur gleichberechtigt? Werden die Mittel für den Straßenbau nach Gewicht des Fahrzeuges verteilt? Es heißt auch: Der Bund wird je nach Verfügbarkeit von Haushaltsmitteln bei den Kommunen Radverkehr fördern. Ist das gleichberechtigt? Zu guter Letzt: Der Radverkehr soll bis 2020 um bis zu 20 Prozent zunehmen. Nur 20 Prozent? Wir benötigen Vorschriften, Gesetze und Anweisungen. Der NRVP 2020 ist sehr begrüßenswert und in weiten Teilen innovativ und richtig. Zu kurz kommen mir aber der Appell und die Werbung an den Menschen, die Mobilität mit dem Fahrrad noch stärker und bevorzugt auszuüben. 3
Vor dem Hintergrund beschriebener Nachteile und dem Ausblick auf schon verfügbare Mobilitätsformen müssen wir Radfahrer Vorbildfunktion für die Veränderung und für die Energiewende übernehmen. Das Fahrrad stärker benutzen und damit unsere Entscheider in der Politik dahingehend unterstützen, die Umwidmung vorhandener Verkehrsflächen schneller vorzunehmen, um sie dann, wo erforderlich, auf den Radverkehr hin anzupassen. Die Industrie und Branche, die ich hier vertrete hat die Fahrradnutzung zum Ziel. Sie stellt Produkte her wie z. B. das Pedelec, urbane Fahrzeugkonzepte, Schließsysteme für Fahrräder, Abstell- und Parkanlagen, Radbekleidung, Helme zur Sicherheit, Beleuchtungsanlagen und vieles mehr. All dies macht es einfach und bequem, mobil zu sein, und fördert unser Grundbedürfnis. Bedenken und erinnern wir uns alle: Zuerst kam der Schritt und dann der Weg. Mit der Erfindung des Rades vor 8.000 Jahren wollte man die Energie sparen und es einfacher und bequemer haben. Pro Fahrrad ist pro Energiewende. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. 4