Open Innovation die Kunst, Innovationen im Netzwerk zu generieren und erfolgreich zu vermarkten Dr. Bertram Lohmüller, Export-Akademie Baden-Württemberg & Steinbeis Global Institute Tübingen Steinbeis Hochschule Berlin SHB Die Lüftung-, Kälte und Klimatechnikbranche (LüKK) ist geprägt durch technisch orientierte Lösungen. Bedingt durch neue Vorgaben des Gesetzgebers ist die Entwicklung energieeffizienter Konzepte und Anlagen eine der großen Herausforderungen der Zukunft. Unternehmen sind daher gefordert, ständig neue Lösungen und Konzepte zu entwickeln. In Folge der sich häufig verändernden gesetzlichen Regelungen ist oftmals der immanente Entwicklungsdruck für neue energieeffiziente Lösungen und Konzepte für die LüKK-Branche nicht einfach umzusetzen, weil in dieser traditionell geprägten Branche die unterschiedlichsten Akteure am Markt eingebunden werden müssen. Dieses sind zum Beispiel Hersteller, Planer, Anlagenbauer, Händler, Anlagenbetreiber, Eigentümer und Facility-Management-Dienstleister. Die Fragestellung, die sich daraus ergibt, ist: Wie können in diesem komplexen Umfeld erfolgreich Innovationen umgesetzt werden? Eine Antwort darauf: Open Innovation. Bei dieser Methodik werden neue Entwicklungen in einem Cluster (siehe Kasten Cluster ) oder einem Kooperationsnetzwerk entwickelt, in dem jeder Akteur seine spezifische Kompetenz mit einbringt. Im Gegensatz dazu der traditionelle Weg der Closed Innovation, bei dem die gesamte Entwicklung innerhalb des Unternehmens geleistet und umgesetzt wird. Henry Chesbrough hat den Begriff Open Innovation im Jahr 2003 geprägt (siehe Kasten Open Innovation ). Unter Cluster wird die Ausrichtung als innovative Wirtschaftscluster in einem geografisch abgegrenzten Raum (regional) verstanden. Das heißt, es handelt sich um die zielbezogene Zusammenarbeit von Unternehmen die auch miteinander in Wettbewerb stehen können mit weiteren Partnern aus Forschung, Wissenschaft und Verbänden in einem Wirtschaftsraum, um gemeinsam einen höheren Gesamtnutzen zu erzielen. Ministerium für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg, Clusterdatenbank: http://www.clusterdatenbank-bw.de/definition Open innovation is the use of purposive inflows and outflows of knowledge to accelerate internal innovation, and expand the markets for external use of innovation, respectively. This paradigm assumes that firms can and should use external ideas as well as internal ideas, and internal and external paths to market, as they look to advance their technology. Chesbrough, H., Vanhaverbeke, W., West, J. (2006). Open Innovation: Researching a New Paradigm, Oxford Press 2012 Export-Akademie Baden-Württemberg GmbH Seite 1 von 6
Anders ausgedrückt, Unternehmen müssen die Fähigkeit besitzen, externes Wissen von Quellen außerhalb des Unternehmens in das Unternehmen zu transferieren und gleichzeitig in der Lage sein, internes Wissen durch den Austausch mit Akteuren außerhalb des Unternehmens zu erhöhen. Open Innovation bedeutet nicht, dass alles Know-how mit allen Partnern offen ausgetauscht wird, sondern vielmehr, wie zielgerichtet ausgewählte Kernkompetenzen eingebracht werden, um gemeinsam eine marktfähige Innovation zu entwickeln und umzusetzen. Innovationen sind hier definiert als neue Produkte, neue Dienstleistungen (wie die Energetische Inspektion von Klimaanlagen), neue Herstellungsprozesse oder neue Geschäftsprozesse. Abbildung 1 zeigt wie dieser Prozess in der Praxis in drei Phasen umgesetzt wird. Phase 1 ist gekennzeichnet durch die Identifikation von potenziellen Partnern und einem offenen Ideenaustausch. In Phase 2 wird die Entwicklung im Innovationscluster umgesetzt und in Phase 3 wird die Innovation vermarktet. Diese drei Phasen sind eingebettet in einen konkreten Rahmen mit einer klaren Zielsetzung für das Innovationsprojekt. Der offene Erfahrungsaustausch in Phase 1 dient dazu, eigene Ideen zu entwickeln und mögliche Partner für das Innovationsprojekt zu identifizieren. Die Umsetzung erfolgt dann in Phase 2, in der die Partner in einem geschlossenen Netzwerk mit Vereinbarungen (Geheimhaltung) zusammenarbeiten. Der Ideenpool aller beteiligten Akteure wird aktiv genutzt und in neue Innovationen überführt (in der Abbildung 1 durch Ideensterne dargestellt). Ergebnis ist die schnellere, bessere, schlauere und innovativere Platzierung von Lösungen am Markt (Phase 3). Dass eine Vernetzungsstrategie erfolgreich ist, zeigt eine Studie aus dem europäischen Forschungsprojekt IMP 3 rove (www.improve-innovation.eu), in der die Innovationskraft und das Wachstum von Unternehmen untersucht wurden. Das Ergebnis aus dem Jahr 2008 zeigt, dass bei vernetzten Unternehmen 25 % des Umsatzes mit neuen Produkten (jünger als 3 Jahre) generiert werden, bei nicht vernetzten Unternehmen sind dieses nur 10 %. Zudem wuchsen vernetzte Unternehmen in den letzten vier Jahren um 7,1 %, während das Wachstum bei nicht vernetzten Unternehmen nur 3,2 % betrug. Ein Beispiel wie Open-Innovation konsequent umgesetzt werden kann, zeigt Philips. Bereits im Jahr 2000 wurde das Entwicklungszentrum in Eindhoven (Niederlande) als offener Campus umgestaltet. Aktuell arbeiten dort ca. 7.000 Menschen, von denen nur ca. 3.000 bei Philips beschäftigt sind. Die restlichen 4.000 Menschen verteilen sich auf über 150 Unternehmen (vom Start-up bis zum etablierten Großunternehmen), die vor Ort ein Büro angemietet haben und gemeinsam mit Philips Ideen austauschen und neue Produktentwicklungen umsetzen. 2012 Export-Akademie Baden-Württemberg GmbH Seite 2 von 6
= Idee = 1 Partnerunternehmen Potenzielle Partner Partnerauswahl (Screening) Entwicklungszeit Innovation auf den Markt bringen - schneller - besser - schlauer - innovativer Identifikation von potenziellen Partnern und offener Ideenaustausch Vereinabrung/ Geheimhaltung Entwicklung im Innovationscluster Abb. 1: Ablauf eines Open Innovation Prozesses Inwieweit Open Innovation eine Möglichkeit ist, Innovationen in der LüKK-Branche zu generieren, wurde in einem Workshop von cci Erleben bei ebm-papst in Mulfingen mit 20 Experten und Führungskräften aus der Branche diskutiert. Im Rahmen des Workshops wurde zu drei Fragenstellungen eine Kartenabfrage durchgeführt: Was sind die größten Herausforderungen für Innovationen in der LüKK-Branche? Was sind die Hemmnisse bei Umsetzung der genannten Herausforderungen? Mit welchen Handlungsstrategien können die Hemmnisse überwunden werden? In der Einstiegfrage wurden die Teilnehmer aufgefordert, die größten Herausforderungen für Innovationen in der LüKK-Branche zu nennen. Die Ergebnisse sind in Abbildung 2 dargestellt. Als wichtigste Herausforderung wurde die Steigerung der Energieeffizienz (N = 6 / N = Nennung) genannt, gefolgt von den politischen Rahmenbedingen (N = 5). Bei Energieeffizienz wurden Herausforderungen wie Effizienzsteigerung von Ventilatoren mit neuen Techniken, moderne Steuerung und die Optimierung der Klimatechnik genannt. Kundenanforderungen (N = 4) und Marktstrategie (N = 3) wurden ebenfalls als große Herausforderungen gesehen. Dazu gehört auch die Einführung eines kundenspezifischen "Pay-Back-Systems" (siehe Kasten Pay-Back-System ) für die LÜKK-Branche. Im Bereich Markt wurde unter anderem die Herausforderung genannt, langlebige und hochwertige Produkte mit wettbewerbsfähigen Preisen zu entwickeln. Schnittstellen der Gewerke, Kapazitäten und Technik konnten keiner Gruppe zugeordnet werden. 2012 Export-Akademie Baden-Württemberg GmbH Seite 3 von 6
Pay-Back-System - Payback (englisch Rückzahlung ; Eigenschreibweise: PAYBACK) - ist ein in Deutschland seit März 2000 bestehendes Bonussystem bzw. eine Kundenkarte und eine eingetragene Marke der Betreiberfirma Payback GmbH. http://de.wikipedia.org/wiki/payback_%28bonusprogramm%29 Was sind für Sie die größten Herausforderungen für Innovationen in der LüKK-Branche? (Anzahl Nennungen) Energieeffizienz Politik /Verordnungen Kundenanforderungen Marktstrategie Schnittestellen Gewerke Kapazitäten Technik 0 1 2 3 4 5 6 7 Abb. 2: Herausforderungen für Innovationen in der LüKK-Branche * ) Mit der zweiten Frage (siehe Abbildung 3) wurden die Teilnehmer gefragt, was die größten Hemmnisse sind, die sie an der Umsetzung der genannten Herausforderungen hindern. Die meisten Nennungen betrafen die hohen Kosten für die Entwicklung von Innovationen (N = 6). Mit 5 Nennungen wurde fehlendes Know-how genannt, verbunden mit fehlendem Fachwissen, knappen Ressourcen an gut gebildetem und motiviertem Personal sowie erhöhtem Schulungsbedarf. Hemmnisse, die unter unklaren gesetzlichen Anforderungen zusammengefasst sind (N = 5), waren unklare gesetzliche Vorgaben sowie gesetzliche Vorgaben, die im Detail nicht geklärt / definiert sind. 4 Nennungen betrafen die fehlende Marktakzeptanz auf Grund einer zu kurzfristigen Denkweise und fehlendem Fachwissen der Kunden. Priorisierung, unzureichende Vernetzung und Kompetenzgerangel zwischen Kammern und Verbänden sowie zu wenig Akzeptanz von Planern (z. B. Architekten) wurden ebenfalls als Hemmnisse genannt (jeweils N = 1). 2012 Export-Akademie Baden-Württemberg GmbH Seite 4 von 6
Welches sind die größten Hemmnisse, die Sie an der Umsetzung dieser Herausforderungen hindern? (Anzahl Nennungen) Kosten Fehlendes Know-how Unklare gesetzliche Vorgaben Fehlende Marktakzeptanz Priorisierung Unzureichende Vernetzung 0 1 2 3 4 5 6 7 Abb. 3: Hemmnisse die die Umsetzung von Innovationen behindern * ) Mit welchen Handlungsstrategien die Hemmnisse überwunden werden können, wurde in der dritten Fragestellung gefragt (siehe Abbildlung 4). Elf der genannten Strategien wurden unter der Überschrift Vernetzung intern und extern zusammengefasst. Als externe Vernetzungsstrategien wurden genannt: firmenübergreifende Forschungsprojekte, Bildung gewerkeübergreifender Kompetenzzentren, Gespräche mit Kunden/innen, die Zusammenarbeit mit Partnern sowie Wünsche und Ziele der Kunden von Anfang an als Wegweiser verwenden. Interne Vernetzungsstrategien wurden definiert als: Gespräche mit dem technischen Service und den internen Abteilungen, Barrieren zwischen Abteilungen abbauen, gute unternehmensinterne Vernetzung der Mitarbeiter/innen und gutes Betriebsklima als Basis für eine hohe Motivation. Innovationsmanagement (N = 4) wurde festgemacht an mehr Forschungsgeld, mehr blue sky" denken, die Schaffung personeller und finanzieller Innovationsvoraussetzungen, die Einbindung unabhängiger Moderatoren / Vermittler sowie eine systematische Ausweitung der Ideensammlung und eine Bündelung des Verbesserungswesen. Weitere Strategien sind Gremienarbeit (N = 2) sowie Referenzprojekte, Geduld / Ausdauer und Kundenschulungen mit jeweils einer Nennung. 2012 Export-Akademie Baden-Württemberg GmbH Seite 5 von 6
blue sky thinking Beim Schön-Wetter-Denken stellt man sich vor, dass einfach alles möglich ist ohne Grenzen, wie ein klarer, blauer Himmel. Man denkt ein paar Jahre in die Zukunft und stellt sich vor, wie das Leben aussehen könnte, wenn es in jeder Hinsicht vollkommen ist. Dann blickt man zurück auf die aktuelle Situation und stellt sich folgende Frage: Was hätte passieren müssen, damit ich mir eine vollkommene Zukunft hätte aufbauen können? Dann kommen Sie auf Ihre augenblickliche Situation zurück und fragen sich: Was müsste von jetzt an passieren, damit ich all meine Ziele irgendwann auch erreiche? Brain Tracy Ziele setzten, verfolgen, erreichen, Campus Verlag GmbH, Frankfurt am Main, 2004, Deutsche Übersetzung der englischen Originalausgabe 2003, Berrett-Koehler Publishers, Inc. "Goals. How to get erverything you want faster than you ever thought possible Welche Strategien empfehlen Sie / verwenden Sie um die Hemmnisse erfolgreich zu überwinden? (Anzahl Nennungen) Vernetzung (intern und extern) System. Innovationsmangement Gremienarbeit Referenzprojekte Geduld / Ausdauer Kundenschulungen 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 Abb. 4: Strategien zur Überwindung von Hemmnissen zur Umsetzung von Innovationen * ) Die Ergebnisse zeigen, dass der Bedarf an Vernetzung in der LüKK-Branche als sehr hoch angesehen wird um zukünftig erfolgreich Innovationen umzusetzen. Die am Beginn des Artikels vorgestellte Methode Open-Innovation, eingebettet in ein systematisches Innovationsmanagement, ist eine Möglichkeit, dieses erfolgreich in der Praxis umzusetzen. * ) Ergebnisse Workshop, cci Erleben Mulfingen, 20.09.2012, 20 Teilnehmer/innen 2012 Export-Akademie Baden-Württemberg GmbH Seite 6 von 6