Rotwild und Waldschäden in NRW Erkenntnisse und Lösungsansätze aus NRW Staatsbetrieb Sachsenforst Statuskolloquium zum Kooperationsprojekt Rotwildmanagement pro Waldumbau Tharandt, den 23. September 2017 Frank Christian Heute - Dipl.-Landschaftsökologe - Sprockhövel Bild: B. Stöcker
Frank Christian Heute Diplom Landschaftsökologe Selbständiger Landschaftsökologe seit 2003 Arbeiten für die Wildforschungsstelle Bonn Schwarzwild, Rehwild/Verbiss, Grünbrücken Fachbeiträge Jagd/ Wildmanagement in Schutzgebieten Beratung/ Fortbildung für NABU und Landesbetrieb Wald und Holz NRW 2014-2016: Recherchen in Rotwildgebieten und Hegegemeinschaften Jagdpächter, Hundeführer Familienrevier im Oberbergischen Kreis seit 1958
Inhalt Rotwild in NRW 1. Rotwild Verbreitung, Dichte, Lebensraum 2. Wälder in Rotwildgebieten Bild: B. Stöcker 3. Neue Wege der Rotwildbejagung - Rechtliche Änderungen 4. Resümee und Ausblick
Rotwild in NRW Sachsen NRW Fläche (km 2 ) 18.400 34.000 Waldfläche (ha) 525.000 (28%) 1.100.000 (27%) Anteil Privateigentum 45% 63% Siedlung/ Verkehr 14,4% 22,7% BAB (km) 570 2.200 Einwohner (Mio) 4 18 Einwohner/km 2 221 520 Quelle: Staatsbetrieb Sachsenforst 2007 Quelle: LÖBF 2005
Rotwild in NRW
Rotwild in NRW Bewirtschaftungsbezirke/ Verbreitungsgebiete Minden/ Schaumburger Wald Südliches Siebengebirge Dülmen/ Buldern
Lebensraum/ Ersatzlebensraum Rotwild in NRW
Das Bewirtschaftungsprinzip (bis 2015) 1. Bestandsermittlung durch Jäger 2. Aufstellung des Gesamtabschussplans durch Hegegemeinschaft und Rotwild-Sachverständige/ Experten 3. Genehmigung des Abschussplans durch Untere Jagdbehörde 4. Verteilung der Abschüsse auf die Reviere durch Hegegemeinschaft
Das Bewirtschaftungsprinzip Erst Zählen Dann Jagen? Was sind konventionelle Bestandsermittlungen wert?
Rotwild - Bestandserfassung Einfach zählen? Übersehrate von circa 20 bis 40 Prozent
Rotwildbestände kalkulieren? Rechenbeispiel Gezählter Mindestbestand 153 Erfassungsgrad 82% 57% Kalkulierter Frühjahrsbestand 187 268 Zuwachs 67% 73% Kalkulierter Herbstbestand 312 464 Scheinwerferzählungen zeigen Mindestbestand Wiederholte Scheinwerferzählungen können (allenfalls) Populationstrends aufzeigen
Rotwild - Dichte Als ökologisch und ökonomisch tragfähige Dichte gelten bislang 1-2 Stück Rotwild/ 100 ha bei 1,5/ 100 ha: merkliche Vegetationsbeeinflussung ab 3,0 Stck./100 ha: Abnahme der Pflanzenarten Ueckermann 1960, ArGe Reck 2009 Kraus, P. (1987): Vegetationsbeeinflussung als Indikator der relativen Rotwilddichte. Zeitschrift für Jagdwissenschaft 33: 42-59 Rotwild und sein Lebensraum in der Egge Sollte es Reviere in NRW geben, in denen mindestens 3 Stück Rotwild vorkommen und in denen die ökologischen und ökonomischen Wildschäden tragbar sind, melden Sie diese bitte! Wir begutachten das Revier gerne mit Ihnen zusammen!
Rotwild - Dichte Verbreitungsgebiet Größe Zielbestand Zielbestand Bestand Bestand 2012 pro (ha) nach VO* - 1995 pro 100ha 2012 100 ha Nordeifel 131298 1514 1,2 5804 4,4 Königsforst Wahnerheide 9680 120 1,2 223 2,3 Nutscheid 13163 75 0,6 115 0,9 Ebbegebirge 8274** 90 1,1 180 2,2 Siegerland Wittgenstein Hochsauerland 131808 1510 1,1 4054 3,1 Arnsberger Wald Brilon- Büren 61520 680 1,1 1596 2,6 Eggegebirge Teutoburger Wald Senne 55681 600 1,1 1500*** 2,7 Dämmerwald Herrlichkeit Lembeck 33556 510 1,5 1080 3,2 Reichswald Kleve 4138 120 2,9 245 5,9 andere Gebiete 0 0 0 216 gesamt 440844 5219 1,2 15013 3,4 * die VO wurde 2015 aufgehoben Mindest- Bestände 10-19,2 >10 10-12
2315 2628 2851 2559 2972 2720 2600 2750 2870 3247 3481 3596 4003 3715 3965 4334 4331 4503 4985 5315 5376 5373 5835 ROTWILDSTRECKEN NRW +34% +129% Rotwildstrecken im Landeswald 1200 1000 800 600 474 491 560 775 780 891 1025 1090 400 200 0 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016
Tendenz der Bestandsentwicklung Eutrophierung und Klimawandel Jagd-/ Bewirtschaftungssystem und verkrustete Strukturen Monetäre Einzelinteressen und Trophäenhype und nicht Unbejagbarkeit! BLV Jagd Lexikon 1996 Nachtaktivität, Großrudelbildung Geocacher, Hunde, Pilzsammler
Ursache für die Bestandsentwicklung Unzureichender Alttierabschuss Rotwildstrecke NRW 2014/15 Alttier Abschusserfüllung 2013/14 Soll Ist 1968 1122 100% 57% - 846!
Fazit Rotwild- Bewirtschaftung und Hege nach alten Regeln ist gescheitert: Dichte zu hoch Altersaufbau nicht wie angestrebt Geschlechterverhältnis (min. 1:1,5) ungünstig Bild: LANUV
Wälder in Rotwildgebieten
Auswirkungen hoher Schalenwildbestände Biotopgestalter Samentransport Schaffung von Sonderstandorten Offenhalten bestimmter Biotope
Auswirkungen hoher Schalenwildbestände Ökosystem Wald? Strauch-/ Krautschicht? Grasschicht! Hohe Schalenwilddichten kippen das System Anstatt Wald: struktur- und artenarmer Forst unter dominierendem Paarhufereinfluß
Auswirkungen hoher Schalenwildbestände Ökologische Folgen Unvollständige Waldgesellschaften Verringerte Biodiversität!
Auswirkungen hoher Schalenwildbestände Ökologische Folgen 250 Schmetterlingsarten je Baumgattung 200 150 205 182 179 163 136 100 50 90 81 72 61 59 54 46 42 42 0 QuercusBetula Salix PrunusPopulusApfel CorylusFagus Sorbus Acer UlmusCarpinusTilia Fraxinus Neozephyrus quercus Hacker&Müller 2006
Rotwild als Naturschützer?
Rotwild - Schälschäden Landeswald 2015 Buche 18% + 1,0% Fichte 35% + 2,82% Viele Fichtenbestände im Landeswald laufen auf Totalschaden hinaus Gertz 2016
Rotwild - Schäden Waldbau im Rotwildgebiet Egge-Süd
Rotwild - Schäden Landwirtschaft in Rotwildgebieten Bild: Dirk Manderbach
Januar 2016
Das Ministerium greift ein! Ziel: Halbierung des Rotwildbestands innerhalb von 3 Jahren! 6.11.2015: Kleinenberger Erklärung Vereinbarung zwischen Hegegemeinschaft, Kreis, Jagdgenossenschaft (Bauern), Landesbetrieb Wald und Holz, Oberste Jagdbehörde Die Dichte des Rotwildbestandes von derzeit 10-12 Stück je 100 Hektar Waldfläche im Bereich der Egge- Süd wird auf ein Wald und Landwirtschaft verträgliches Maß von 5-6 Stück je 100 Hektar Waldfläche bis Ende des Jagdjahres 2018/19 zurückgeführt.
Neue Wege der Rotwildbejagung Landesjagdgesetz NRW (2015) Runderlass (2017) Hege und Bejagung des Wildes in Hegegemienschaften sowie Hinweise zu Fütterung, Äsungsflächen und Jagdmethoden Mustersatzung für Hegegemeinschaften (2017)
Rechtliche Änderungen in NRW Landesjagdgesetz NRW (2015) 22 LJG-NRW Abschussregelung (u. 21 DVO LJG-NRW) keine staatlichen Abschussrichtlinien nach Geweihmerkmalen mehr (fehlerfreie/ fehlerhafte Hirsche a/b) die amtliche Hegeschau entfällt Stärkung des Grundeigentums: die Eigentümer/innen von Eigenjagdbezirken sowie die Jagdgenossenschaften der betroffenen Jagdbezirke sind berechtigt, je einen Vertreter mit beratender Stimme in die HG zu entsenden.
Rechtliche Änderungen in NRW Runderlass (2017) 5.1 Ermittlung des Wildbestands
Rechtliche Änderungen in NRW Runderlass (2017) 5.3 Verbissgutachten Der Landesbetrieb Wald und Holz NRW gibt Handlungs-/ Abschussempfehlungen für Jagdbezirke, in denen mind. eine Hauptbaumart als gefährdet oder erheblich gefährdet eingestuft wurde 5.3.2 Gesamtabschussplan Auf eine Verteilung der geplanten Abschüsse auf die einzelnen Jagdbezirke kann verzichtet werden - (Gruppenabschussplan/ Pool ) 5.3.3 Periodenabschussplan Geltungsdauer 3 Jahre; besonders für die Umsetzung mehrjähriger Konzepte 5.3.7 Abschussnachweise Die Jagdausübungsberechtigten erbringen der HG aktuelle Abschussnachweise Die Form der Nachweisung legen UJB und HG gemeinsam fest.
Rechtliche Änderungen in NRW Runderlass (2017) 6.1 Eigenjagdbezirke, Jagdgenossenschaften Stärkung des Grundeigentums 2.2 6.2 Untere Jagdbehörden
Rechtliche Änderungen in NRW Runderlass (2017) 7.1 Fütterung nur im Zeitraum 1. Januar bis zur Buschwindröschenblüte nur in Notzeiten nur Heu/ Silage keine Jagdausübung im Umkreis von 400m Fütterungsstandorte müssen innerhalb der HG abgestimmt und in einer Karte dargestellt werden
Rechtliche Änderungen in NRW Mustersatzung für Hegegemeinschaften Ziel der HG nicht mehr brauchtums-/ trophäenorientiert - Beispiel Satzung der HG Egge : waidgerechte Ausübung der Hohen Jagd sozial gut strukturierter Rotwildbestand mit einem befriedigenden Anteil an starken und reifen Hirschen besonders aber einer naturbedingten Regulierung des Altersklassenverhältnisses beim männlichen Rotwild Sondern:
Rechtliche Änderungen in NRW Mustersatzung für Hegegemeinschaften Umsetzung der Hegeziele Aufgaben
Resümee Rotwilddichte in NRW ist mindestens 3x höher als ökologisch und ökonomisch tragbar Erhebliche Waldschäden und Schäden in der Landwirtschaft wurden öffentlich Deutliche Reduktion der Dichte ist zwingend notwendig und wird Seitens des MKUNLV und des LWuH sowie vieler Landwirte und Großwaldbesitzer - angestrebt Gesetzgebung NRW hat Weichen gestellt, die eine Bestandsreduktion vereinfachen Verantwortung liegt bei den HG Allerdings: Daten aus Bestandsermittlungen als Grundlage der Abschussplanung mit Vorsicht genießen - Zustand der Vegetation als Weiser für angepasste Wilddichten und Abschussplanung wäre zielführender Reviere, die wollen, können jetzt effektiv jagen - sofern die HG ehrgeizige Abschusspläne erstellt!
Resümee Rahmenbedingungen sind geschaffen, aber grundsätzliche Probleme bleiben noch: Eigenjagden/ Gemeinschaftliche Jagdbezirke in Kerngebieten, die hohe Dichten befürworten Notwendigkeit des Waldumbaus ignorieren keine Notwendigkeit für Reduktion erkennen
Ausblick Überhöhung der Art Rotwild zur jagdlichen Leitart muss beendet werden Das Rotwild muss jagdliche Leitart sein! (...) Daher sollte sich die Jagd auf andere Wildarten dem Rotwild unterordnen. Alle Jagdmethoden müssen rotwildgerecht sein. Eine Leitart ist eine Tier- oder Pflanzenart, die besonders charakteristisch für einen bestimmten Biotoptyp oder eine bestimmte Lebensgemeinschaft ist. Sie reagieren durch spezielle Ansprüche besonders empfindlich auf Landschaftsveränderungen und sind an bestimmte Lebensraumeigenschaften eng gebunden. SCHAEFER 2003 Ein einseitiger Jagdbetrieb, der allein den Rothirsch in den Mittelpunkt stellt, kann die Reh- und Schwarzwildproblematik nicht lösen! Bild: Tommelom; pixelio.de
Ausblick Unbequeme Voraussagen Sollten Rotwildbestände einmal angepasst sein, dann: ist tagaktiv erlebbares Rotwild illusorisch ist Jagdtourismus auf alte Hirsche illusorisch wird Rotwild in vielen Revieren zu Wechselwild verlieren viele Reviere an Jagdwert
Danke für die Aufmerksamkeit! Staatsbetrieb Sachsenforst Statuskolloquium zum Kooperationsprojekt Rotwildmanagement pro Waldumbau Tharandt, den 23. September 2017 Bild: LANUV 2015: Grünbrücke über die B64 im Rotwildgebiet Egge Frank Christian Heute Dipl.-Landschaftsökologe Sprockhövel