Rohstoffhandel regulieren



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Rohstoffhandel regulieren Maria Maltschnig Die Rohstoffpreise kletterten Mitte 2008 in lichte Höhen. Mit dem Ausbruch der Finanzkrise kam es zu einer Talfahrt, die bis Jänner 2009 anhielt. Seither sind die Preise wieder stark gestiegen und erreichten im ersten Halbjahr 2011 erneut einen Höhepunkt. Die stärksten Preissteigerungen gab es in den letzten Monaten bei Erdöl, gefolgt von Nahrungsmitteln und Industrierohstoffen. 1 Parallel zu dieser turbulenten Preisentwicklung konnte seit Mitte der 2000 er Jahre eine merkliche Zunahme des Handels mit Rohstoffderivaten festgestellt werden. So stieg etwa der Wert der gehandelten Rohstoff-Futures in den USA von 15 Mrd. US-Dollar im Jahr 2003 auf rund 256 Mrd. US-Dollar im April 2011, was in nur wenigen Jahren eine 17-fache Steigerung des Spekulationsvolumens bedeutete. Ob diese Finanzialisierung 2 der Rohstoffmärkte maßgeblich für die Verteuerung von Erdöl, Getreide und Co verantwortlich ist, ist nach wie vor umstritten. Dass fundamentale Faktoren 3 die aktuelle Preisentwicklung zum Teil mitbestimmen, kann nicht bestritten werden. Hier ist insbesondere die gestiegene Bedeutung von Agrartreibstoffen zu nennen, die die Anbauflächen für Getreide für Ernährungszwecke reduziert und somit die Preise für alle agrarischen Erzeugnisse in die Höhe treibt. 4 Es gibt jedoch mittlerweile eine ganze Reihe von wissenschaftlichen Arbeiten 5, die es nicht für ausreichend halten Naturkatastrophen, verändertes Konsumverhalten und ähnliches für die hohen Preise verantwortlich zu machen. Die große Nachfrage nach Rohstoffderivaten, so der Tenor, treibt die Preise für eben diese Finanzprodukte in die Höhe. Jene, die tatsächlich mit den Rohstoffen handeln, würden sich bei der Preisgestaltung an der Entwicklung des Finanzmarktes orientieren und somit entstünde eine self-fulfilling prophecy, die den Preis für ein Barrel Brent-Öl oder ein Kilogramm Weizen von dem durch die Fundamentaldaten gerechtfertigten Preis wegtreibt. Abbildung1: Wert der gehandelten Rohstoff Futures am US Markt in Mrd. USD Wert der gehandelten Rohstoff-Futures am US Markt in Mrd USD 300 250 200 150 Volumen in Mrd. USD 100 50 0 2003 Mär 0 8 Septe Mär 0 9 Septe Mär 1 0 Jul 10 Septe Nove Jän 11 Mär 1 1 Mai 1 1 Quelle : Eigene Darstellung auf Basis der CFTC Daten

M. Maltschnig : Rohstoffhandel regulieren 41 Wenn exzessives Wetten auf steigende Rohstoffpreise zu tatsächlichen Preissteigerungen führt, dann hat dies gravierende Auswirkungen auf die Gesellschaft. In Entwicklungsländern bedeutet eine Erhöhung der Getreidepreise eine deutliche Ausweitung der Hungergefahr 6. Künstlich hohe Ölpreise verteuern das Heizen im Winter und können die wirtschaftliche Entwicklung dämpfen. Die Folgen der Spekulation auf Rohstoffe zeigen deutlich, dass unregulierte Finanzmärkte einen unmittelbaren gesamtgesellschaftlichen Schaden anrichten können. Darum ist es höchst an der Zeit ein umfassendes Regelwerk aufzustellen, um diese Entwicklung einzudämmen. Die Rolle der Information Die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) erstellte im Auftrag der Arbeiterkammer Wien eine Studie 7, die sich mit dem Zusammenhang der Finanzialisierung der Rohstoffmärkte mit den außergewöhnlich starken Preissteigerungen befasste. Das Forschungsteam unter der Leitung von UNCTAD-Chefökonom Heiner Flassbeck stellt dabei die Rolle der Information im Rohstoffhandel in den Vordergrund. Ausgangspunkt der Analyse ist die Hypothese Effizienter Märkte (Effizienzmarkthypothese, EMH), die postuliert, dass alle vorhandenen Informationen in die Preisbildung einfließen. Würde diese Hypothese zutreffen, bedeutet das, dass die Rohstoffpreise ausschließlich auf Informationen über die Fundamentaldaten beruhen. Dies ist offensichtlich nicht der Fall. Flassbeck und Co. gehen der Frage nach, über welche Informationen die AkteurInnen auf den Rohstoffterminmärkten verfügen, beziehungsweise welche Informationen für Kauf und Verkauf von Papieren entscheidend sind und kommen zu dem Schluss, dass Faktoren wie Protfolioüberlegungen, vergangene Preisentwicklungen oder eben Finanzmarkttrends von großer Bedeutung sind. Da häufig nicht ersichtlich ist, aus welchen Gründen FinanzmarktakteurInnen handeln, kann es auch bei gegenläufigen Informationen über Fundamentaldaten rational sein, Trends zu folgen. Es kommt zu Herdenverhalten und auf dem Markt entstehen Ungleichgewichte. Das alles wäre nicht weiter erwähnenswert, wenn nicht die Finanzmarktpreise auf die Preisbildung am Spotmarkt einwirken und damit die Preise von einem durch die Fundamentaldaten gerechtfertigten Niveau (nach oben) wegtreiben würden. Flassbeck et al führten für die Studie Interviews mit AkteurInnen aus dem Rohstoffhandel. Die interviewten physischen HändlerInnen, also jene, die real mit Rohstoffen handeln, sagten unisono, dass die gestiegene Aktivität von Finanzmarktplayern im Rohstoffhandel zumindest kurzfristig für Volatilität und Preiverzerrungen sorgen kann und die Preisfindung generell erschwert. 8 Der Frage nach dem Ausmaß der Preisverzerrungen haben sich einige theoretische und empirische Arbeiten gewidmet. Eine exakte Quantifizierung des Spekulationseffektes konnte dabei nicht angestellt werden. Schätzungen bezüglich des Rohölpreises 2008 reichen von vorsichtigen 20 % 9 bis zu 35-40 % 10 des Gesamtpreises. Was tun? Der Rohstoffhandel muss einer stärkeren Regulierung unterliegen, in dieser Hinsicht sind sich viele einig. Unterschiedliche Vorstellungen gibt es bezüglich Art und Ausmaß der regulatorischen Maßnahmen. Auf der einen Seite muss gewährleistet Kurswechsel 3 / 2011 : 40 46 www.kurswechsel.at

42 M. Maltschnig : Rohstoffhandel regulieren werden, dass Regulierungsinstrumente effektiv sind und jene Art der Spekulation, die die Spot-Preise nach oben treibt, tatsächlich unterbunden wird. Auf der anderen Seite soll es für ProduzentInnen weiterhin möglich sein sich mittelfristig vor einem Preisverfall abzusichern, wobei jedenfalls die (in der Literatur nicht beantwortete) Frage zu stellen ist, ob dafür der Handel mit Derivaten wirklich notwendig ist. Für eine gute Regulierung des Rohstoffhandels muss in einem ersten Schritt Transparenz sowohl am Finanzmarkt, als auch bezüglich der Fundamentaldaten geschaffen werden. Tatsächlich können optimale Regulierungsmaßnahmen erst dann gesetzt werden, wenn man über eine detaillierte Kenntnis des Marktes verfügt, was bis jetzt nicht der Fall ist. Weiters muss es eine Beschränkung des Handels mit Rohstoffderivaten und ein Verbot des OTC Handels mit selbigen geben. Gleichzeitig müssen direkte Interventionen in den Rohstoffmarkt (abseits der Finanzmärkte) angedacht werden. Transparenz schaffen Die Rolle der Information am Rohstoffmarkt ist zentral. Dies betrifft sowohl die Fundamentaldaten, als auch die Daten über AkteurInnen und Transaktionen am Finanzmarkt. Vor allem im physischen Getreidehandel sind die öffentlich zugänglichen Informationen spärlich. So gibt es etwa keine seriösen Daten über vorhandene Lagerbestände in Europa. Dies hat in der Vergangenheit bereits dazu geführt, dass alleine das Gerücht, die Lager würden sich leeren, einen massiven Preisanstieg zur Folge hatte. Für kleinere LandwirtInnen und HändlerInnen macht es dieser Mangel an Information schwer einschätzbar, ob Preisbewegungen tatsächlich durch Angebots- und Nachfragefaktoren gerechtfertigt sind, oder ob am Finanzmarkt reine Phantasiepreise gebildet werden. Große Rohstoffhändler, wie etwa der Kakao-Spekulant Anthony Wards haben dieses Problem erkannt und beschaffen sich ihre Informationen selbst. Der britische Hedge-Fonds-Gründer lässt jedes Jahr seine MitarbeiterInnen in das wichtige Kakao-Land Elfenbeinküste reisen, um dort den Verlauf der Ernte zu beobachten. Zusätzlich verfügt er dort über eigene Wetterstationen, die ihm dabei helfen den Ertrag zu prognostizieren schneller als alle anderen versteht sich. Informationen dieser Art verschaffen ihm einen deutlichen Marktvorteil. Und so kaufte Ward 2002, als er absehen konnte, dass die Ernte gering ausfallen würde 5 % der gesamten Kakaomenge auf dem Weltmarkt und machte damit geschätzte 40 Mio. US-Dollar Gewinn. 11 Um Preisverzerrungen aufgrund derartiger Informationsasymmetrien zu verhindern, braucht es öffentlich zugängliche, verlässliche Informationen über Anbau, Ernte, Nachfrage und Lagerbestände. Um die Spekulation mit Rohstoffderivaten zu regulieren muss für mehr Transparenz im Finanzmarkt gesorgt werden. Es kann kein effektives Regelwerk geschaffen werden, solange die Behörden keinen vollständigen Einblick in das Finanzmarktgeschehen haben und die Eigenheiten des Handels mit Rohstoffwertpapieren nicht nachvollziehen können. Besonders dürftig sind die vorhandenen Informationen über den außerbörslichen Handel. In Vorschlägen der Europäischen Kommission zur Regulierung des Derivatehandels findet sich immer wieder die Forderung nach einer Bündelung des außerbörslichen Handels. Eine verpflichtende Abwicklung über zentrale Gegenparteien, die alle standardisierten Finanzprodukte umfasst, wäre ein erster Schritt um mehr Transparenz zu schaffen. Diese zentralen Gegenparteien sollen

M. Maltschnig : Rohstoffhandel regulieren 43 unter der Aufsicht der Europäischen und nationalen Wertpapieraufsichtsbehörde(n) stehen. Die Aufsichtsbehörden sollen zudem beauftragt werden, nicht-standardisierte Finanzprodukte zu kontrollieren und jene, die als volkswirtschaftlich schädlich eingestuft werden, zu verbieten. 12 In den USA gibt es bereits öffentlich verfügbare Daten über den Handel mit Rohstoffderivaten. Auf der Homepage der Regulierungsbehörde»Commodity Futures Trading Commission«(CFTC) wird regelmäßig veröffentlicht welche und wie viele HändlerInnen mit welcher Art und Anzahl von Papieren handeln. 13 Den Finanzmarkt regulieren Wenn genügend Daten über den Rohstoffderivate-Handel verfügbar sind, sollten in einem zweiten Schritt Positionslimits eingeführt werden. Das Konzept, für nicht am physischen Rohstoff interessierte HändlerInnen ein Maximalvolumen an gehaltenen Rohstoff-Papieren einzuführen, ist nicht neu. Bereits in den USA der 1930 er Jahre wurde diese Art von Mengenbeschränkungen für Rohstoff-SpekulantInnen eingeführt, um erneute Blasenbildungen zu vermeiden. Diese Positionslimits hielten über mehrere Jahrzehnte, die durch eine geringe Volatilität der Rohstoffpreise gekennzeichnet waren. Als immer mehr Kapital in den Finanzmarkt drängte und nach (sicheren) Anlageformen suchte, gerieten die Rohstoffe ins Visier der InvestorInnen. Eine Tochterfirma von Goldman Sachs suchte 1991 bei der CFTC darum an, wie die physisch interessierten HändlerInnen von den Positionslimits ausgenommen zu werden. Als Grund dafür gab sie an, dass auch sie auf dem Finanzmarkt ein Risiko eingehen würde und sich mithilfe von Rohstoffpapieren absichern müsste. Die Regulierungsbehörde folgte dieser Argumentation und erteilte eine Ausnahmegenehmigung, die die Firma von den Positionslimits befreite. In den Jahren darauf sollten 14 weitere Ausnahmen erteilt werden und somit war der Weg für eine Deregulierung und weitere Finanzialisierung des Rohstoffhandels geebnet. 14 Ein Vorteil der Positionslimits ist, dass weiterhin Liquidität für Absicherungsgeschäfte auf dem Finanzmarkt erhalten bleibt und lediglich die exzessive Spekulation verhindert wird. Direkte Eingriffe in den Markt Abseits des Regulierungsbedarfes des Rohstoffhandels an den Finanzmärkten gibt es auch Vorschläge steuernd in den Rohstoffmarkt einzugreifen, um die Preisvolatilität zu mindern. Selbst wenn die künstlich durch den Finanzmarkt verursachten Preisausschläge nach oben durch effektive Regulierungsmaßnahmen ausgeschlossen werden, wird es zu problematischen Preissteigerungen insbesondere bei den Getreidepreisen kommen. Wenn man sich auf einen vermeintlichen Gleichgewichtspreis begründet durch die Entwicklung von Angebot und Nachfrage verlässt, kann es passieren, dass niedrige Lagerbestände mit Angebotsverknappungen (durch Flächenkonkurrenz, Ernteausfälle etc.) und Nachfragesteigerungen (Agrartreibstoffe, Steigerung des Fleischkonsums, Bevölkerungswachstum etc.) zusammentreffen und die Preise nach oben gehen. Wenn MP3-Player durch eine höhere Nachfrage teurer werden, hat das keine dramatischen Folgen. Wenn Weizen teurer wird, kann es zu Hungersnöten in Entwicklungsländern und zu einer deutlichen Mehrbelastung der unteren Einkommensdezile in den Industrieländern kommen. Es gibt also eine Kurswechsel 3 / 2011 : 40 46 www.kurswechsel.at

44 M. Maltschnig : Rohstoffhandel regulieren gesellschaftliche Notwendigkeit hier steuernde Maßnahmen zu setzen. Welche das sein können, ist umstritten. Häufig genannt wird der Aufbau so genannter Interventionslager. Diese sollen als Puffer dienen und im Falle von Engpässen geleert werden um starke Preissteigerungen zu verhindern. Bei starkem Preisverfall könnte durch Auffüllen dieser Lager ein Mindestpreis gehalten werden. Die Schaffung solcher Lager mag mit Schwierigkeiten verbunden sein. Dass Regierungen nicht über die notwendigen Marktinformationen verfügen würden um damit einen adäquaten Preis herzustellen, kann angesichts der mäßig zufriedenstellenden Preisbildung auf den Börsen nicht nachvollzogen werden. 15 Als Alternative zu großen physischen Interventionslagern werden in der Debatte auch virtuelle Reservemechanismen vorgeschlagen. Diese Arten der Intervention können den Markt beruhigen. Für ein größeres Angebot sorgen sie allerdings nicht. Es gibt durchaus Faktoren, die eine reale Angebotsknappheit erzeugen. Das momentan wahrscheinlich größte Problem liegt in der»verspritung und Verstromung«von Nahrungsmitteln über Agrartreibstoffe und Biogasanlagen. Durch die Herstellung von Biodiesel aus Raps, Palmöl oder Sojaöl und von Bioethanol aus stärkehaltigen Getreidesorten (z. B. Mais, Weizen, Zuckerrohr) steigt die Nachfrage nach diesen Agrarrohstoffen stark an und für die Nahrungsmittelproduktion stehen immer weniger Anbauflächen für Nahrungsmittel zur Verfügung. In Folge dessen steigen die Preise rasant 16. Ähnliches gilt für die Herstellung von Strom in Biogasanlagen, die zu einem großen Teil mit Maissilage 17 betrieben werden. Hier muss gegen die Interessen der Agrar-Industrie die Notbremse gezogen und die Herstellung von Energie aus Nahrungsmitteln gestoppt werden. Was tut sich? In Europa stieß Frankreichs Präsident Sarkozy die Debatte um eine stärkere Regulierung des Rohstoffhandels an, als er am Weltwirtschaftsforum in Davos im Jänner 2011 exzessive Spekulationen auf Rohstoffe für die hohen Preise verantwortlich machte. Daraufhin wurde die Thematik in die Mitteilung der Europäischen Kommission zur EU Rohstoffstrategie, die Anfang Februar präsentiert wurde, einbezogen. Weiter als eine Willensbekundung zur Beobachtung der Märkte und zur Schaffung von Transparenz geht die Kommission hier jedoch nicht. Am 22. und 23. Juni dieses Jahres trafen sich die LandwirtschaftsministerInnen der G20 in Paris um über Gegenmaßnahmen zur Volatilität der Nahrungsmittelpreise zu beraten. Der große Wurf blieb wenig überraschend aus. Während sich Frankreich, das noch bis Ende 2011 den Vorsitz der G20 innehat, für eine strengere Regulierung des Derivatehandels an den Rohstoffmärkten aussprach, stieg etwa Großbritannien auf die Bremse. Man konnte sich schlichtweg nicht einigen, ob die verstärkte Spekulation für die Preisrallye verantwortlich ist. 18 Einigen konnten sich die MinisterInnen schließlich darauf, für mehr Transparenz bezüglich der Fundamentaldaten zu sorgen. Es wurde der Start eines Informationssystems angekündigt, das Daten über Lagerbestände, Erntemengen u. a. sammeln und bereitstellen soll. Das»Agricultural Market Information System (AMIS) wird bei der Welternährungsorganisation FAO angesiedelt. 19 Im Herbst 2011 soll die Europäische Kommission eine Überarbeitung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) präsentieren. Dies wäre eine gute

M. Maltschnig : Rohstoffhandel regulieren 45 Gelegenheit auch den Handel mit Rohstoffderivaten stärker zu regulieren. In der der Novelle vorangegangenen Konsultation forderte die Arbeiterkammer eine Händlerkategorisierung vorzunehmen, Positionslimits einzuführen, den OTC-Handel bestenfalls auszuschließen und weitere ergänzende Transparenzmaßnahmen zu setzen. 20 Die Inhalte des Entwurfs standen zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels noch nicht fest. Zusammenfassend ist zu sagen, dass der Prozess der Regulierung des Rohstoffhandels noch in den Anfängen verharrt. Grund dafür ist der weitgehende Dissens über die Auswirkung der Finanzialisierung der Rohstoffmärkte auf die Volkswirtschaft. Es gibt politisch gewichtige Stimmen, die eine Auswirkung der gesteigerten Finanzmarktaktivitäten auf die Preisbildung negieren und gleichzeitig in einem unregulierten Finanzmarkt Vorteile für RohstoffproduzentInnen, -händlerinnen und -abnehmerinnen sehen. Zentrales Argument hierbei ist die Bereitstellung von Liquidität und die Übernahme von Preisschwankungsrisiken durch FinanzinvestorInnen. In der politischen Auseinandersetzung muss deshalb weiterhin auf die volkswirtschaftlich schädliche Funktion der unregulierten Finanzmärkte hingewiesen und eine effektive Regulierung eingefordert werden. Literatur Arbeiterkammer Wien (2011) Positionspapier Konsultation der Europäischen Kommission betreffend die Überarbeitung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID- Richtlinie). Arbeiterkammer Wien (2010) Hintergrundpapier Derivate : Bedeutung und Regulierungsbedarf. Bass, Hans (2011) Finanzmärkte als Hungerverursacher? Studie für die Deutsche Welthungerhilfe e.v. Bukold Dr., Steffen (2010) Überhöhte Spritpreise durch Spekulation an den Rohölmärkten Studie im Auftrag der Bundestagsfraktion Bündnis 90/ Die Grünen. Hamburg, 6. April 2010HWWI Rohstoffpreisindex, Auswahl aktueller Monatsdaten. http ://hwwi-rohindex. de/typo3_upload/groups/32/hwwa_downloads/rohstoffindex-tab.xls.pdf (Abgerufen am 24. 8. 2011). Pezenka, Dominik (2011) Die Scheinalternative»Biokraftstoffe«. In : Arbeiterkammer Wien : Wirtschaftspolitik Standpunkte 3/2011. Robles, Miguel/ Torero, Maximo/ Von Braun, Joachim (2009) When Speculation Matters. IFPRI Issue Brief 57. UNCTAD (2011) Price formation in financialized commodity markets The role of information. Vansteenkiste, Isabel (2011) What is driving Oil Futures Prices? Fundamentals versus Speculation. ECB Working Paper Series, Nr. 1371, August 2011. Spiegel.de : Agrarminister scheuen Regulierung von Rohstoffmärkten. 23. Juni 2011 http ://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,770155,00.html (Abgerufen am 22. 8. 2011) Deklaration der LandwirtschaftsministerInnen der G20 : Action Plan on Food Price Volatility and Agriculture, 23. Juni 2011. Financial Times Deutschland :»Schokofingers«Wette geht nicht auf. 26. Jänner 2011 Taibbi, Martin (2009) The great American Bubble Machine. Rolling Stone Magazine, 9. Juli 2009. Anmerkungen 1 Vgl. HWWI Rohstoffpreisindex. 2 Der Begriff Finanzialisierung dient dazu die gewachsene Bedeutung der Finanzmärkte für den Rohstoffhandel zu beschreiben.. 3 Reale Angebots- und Nachfragefaktoren. 4 Vgl. UNCTAD (2011), S. 11 f. Kurswechsel 3 / 2011 : 40 46 www.kurswechsel.at

46 M. Maltschnig : Rohstoffhandel regulieren 5 u. a. Bass (2011), UNCTAD (2011), Robles et al. (2009), Vansteenkiste (2011). 6 Bezüglich der Auswirkungen der Preissteigerung bei Agrarrohstoffen auf die Hungergefahr liegt aus dem Jahr 2008 eine Schätzung des deutschen Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vor. Demnach stiege für jeden Prozentpunkt Preisanstieg die Zahl der Menschen, die vom Hunger bedroht sind um 16 Millionen. Vgl. Bass (2011), S. 17. 7 UNCTAD (2011) Price formation in financialized commodity markets The role of information. 8 Vgl. ebd. S. 43. 9 Vgl. ebd. S. 25 Anm : Flassbeck et al zitieren hier empirische Arbeiten, stellen selbst jedoch keine Schätzungen an. 10 Bukold (2010), S. 24. 11 FTD :»Schokofingers«Wette geht nicht auf. 26. Jänner 2011. 12 Siehe dazu : AK Hintergrundpapier : Derivate Bedeutung und Regulierungsbedarf, Juli 2010 13 http ://www.cftc.gov/. 14 Taibbi (2009) The great American Bubble Machine. 15 Vgl. UNCTAD (2011), S. 53. 16 Vgl. Pezenka (2011). 17 Maissilage wird hergestellt, indem ganze Maispflanzen gehäckselt werden. 18 www.spiegel.de : Agrarminister scheuen Regulierung von Rohstoffmärkten. 23. Juni 2011. 19 Deklaration der G20 LandwirtschaftsministerInnen, 23. Juni 2011. 20 AK Positionspapier : Konsultation der EK betreffend die Überarbeitung der MiFID.