Nahtlose Reiseauskunft für intermodale Reiseketten von Tür zu Tür im Individualverkehr

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Transkript:

526 Nahtlose Reiseauskunft für intermodale Reiseketten von Tür zu Tür im Individualverkehr Henry Michels und Mark Proksch IVU Traffic Technologies AG, Berlin henry.michels@ivu.de Short paper Zusammenfassung Neue Mobilitätsdienstleistungen wie Bike-Sharing, Car-Sharing oder Ride-Sharing verändern derzeit Schritt für Schritt das Mobilitätsverhalten der Bevölkerung. Insbesondere in Großstädten finden derartige Angebote immer mehr Anklang und fördern den Trend zu intermodalen Reiseketten. Auskunftsangebote hinken diesem Trend jedoch hinterher. In dieser Arbeit präsentieren wir eine algorithmische sowie technische Basislösung für eine intermodale Routenberechnung für den Individualverkehr. Wir zeigen anhand von Anwendungsbeispielen den Einsatz IV-basierter, intermodaler Reiseketten in einer multimodalen Gesamtauskunft. 1 Einleitung Intermodale Reiseauskunft Im Bereich des motorisierten Individualverkehrs (miv) haben sich die Verkehrsteilnehmer daran gewöhnt, Vorabinformationen zu ihrem zurückzulegenden Weg mithilfe verschiedener Medien zu beziehen. Die Route, also der tatsächliche Weg vom Start- zum Zielpunkt, steht dabei im Mittelpunkt des Interesses. Heutzutage werden Routenberechnungen als eigenständige Dienste oder integriert in Auskunftsportalen bzw. Kartendiensten dem Nutzer zur Verfügung gestellt. Ob am heimischen PC oder bequem per mobilem Endgerät, der Anwender ist durch ein vielfältiges Angebot jederzeit in der Lage, sich eine Auskunft über die Wegstrecke zu seinem nächsten Ziel geben zu lassen. Die bestehenden Angebote konzentrieren sich jedoch auf modale Verbindungen, ohne einen möglichen Wechsel des Verkehrsmittels zu berücksichtigen. Diese Herangehensweise ist nicht mehr zeitgemäß, denn mit dem Trend zu intermodalen Reiseketten ermöglicht durch das wachsende Angebot moderner Mobilitätsdienste wie Car-Sharing kann das Auskunftsbedürfnis vieler Reisender auf diese Weise nicht mehr ausreichend befriedigt werden. In der Literatur wird intermodal im Kontext des Transportwesens teils mit deutlicher Varianz verwendet. Um Irritationen zu vermeiden, gebrauchen wir den Terminus intermodal als den Transport von Menschen und/oder Gütern mit mehr als einem Transportmittel entlang eines eindeutigen, nahtlosen Weges. Modal definiert in unseren Augen genau das Gegenteil ein Weg, der mit exakt einem Verkehrsmittel zurückgelegt wird (JONES et al. 2000). Dieses Problem wird in den vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestags geförderten Forschungs- AGIT Journal für Angewandte Geoinformatik, 1-2015. Herbert Wichmann Verlag, VDE VERLAG GMBH, Berlin/Offenbach. ISBN 978-3-87907-557-7, ISSN 2364-9283, doi:10.14627/537557072. Dieser Beitrag ist ein Open-Access-Beitrag, der unter den Bedingungen und unter den Auflagen der Creative Commons Attribution Lizenz verbreitet wird (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/).

Nahtlose Reiseauskunft für intermodale Reiseketten von Tür zu Tür im Individualverkehr 527 projekten DYNAMO 1 und m4guide 2 thematisiert. Während der inhaltliche Schwerpunkt des Projektes DYNAMO auf der Entwicklung von intelligenten Diensten liegt, welche den Reisenden dynamisch und durchgängig (nahtlos) entlang seiner individuellen Reiseroute intermodal von Tür zu Tür bzw. von Start zu Ziel informieren und navigieren, konzentriert sich das Projekt m4guide auf ein neuartiges Navigationssystem, mit dem sich auch blinde und sehbehinderte Personen sicher von Tür zu Tür in einer ihnen unbekannten städtischen Umgebung bewegen können. Der Fokus dieses Beitrags liegt auf Lösungen im Bereich des Individualverkehrs (IV). Das folgende Kapitel widmet sich zunächst dem intermodalen Routing. Anschließend präsentieren wir in Kapitel 3 den Routing-Proxy als Basislösung für die Berechnung intermodaler IV-Routen. Anhand der Szenarien aus den beiden Forschungsprojekten und weiten Anwendungsbeispielen weisen wir in Kapitel 4 die Praktikabilität des Ansatzes nach und zeigen das Potenzial dieser Lösung auf. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse und ein Ausblick auf zukünftige Forschungsergebnisse schließt die Arbeit ab. 2 Intermodale Reiseketten im Individualverkehr Beim intermodalen Routing steht man ganz allgemein vor der Frage, wie unter Ausnutzung verschiedener Verkehrsmittel ein kürzester oder schnellster Weg zu einem oder mehreren Zielen gefunden werden kann. In dieser Arbeit geht es konkret um die Optimierung eines IV-Weges, der mit beliebig vielen verschiedenen Verkehrsmitteln zurückgelegt werden soll. In DYNAMO und m4guide tritt dieser Fall zusammengenommen in drei grundsätzlichen Anwendungsfällen auf. 1. Infrastrukturangebote wie Parkhäuser, B&R- und P&R-Plätze sollen zur Nutzung mit eigenen Fahrzeugen in die Gesamtroutenplanung integriert werden. Da sich Stellplätze nicht immer in unmittelbarer Umgebung des in der Auskunft ausgewiesenen Bahnhofs (oder der Haltestelle) befinden, entsteht ein Rest-Fußweg zum Gebäude. 2. Neue Mobilitätsangebote, die in den letzten Jahren aufgebaut wurden, sollen berücksichtigt werden. Infrage kommen Mietangebote wie z. B. der Fahrradverleih oder das Car-Sharing sowie lokale Angebote wie das Konzept der Fahrradstationen der Mainzer Verkehrsgesellschaft. Auch in diesem Fall entstehen Fußwege, die zurückgelegt werden müssen, wenn die Verleihstationen nicht direkt am Bahnhofsgebäude vorzufinden sind. 3. Neben dem Wechsel des Verkehrsmittels kann sich auch der Kontext des Nutzers ändern, z. B. wenn er vom Straßenraum in ein Gebäude wechselt oder umgekehrt. Wenn beide Routing-Netze eine unterschiedliche Datengrundlage besitzen und die Datensätze aus technischen oder lizenztechnischen Gründen nicht harmonisierbar sind, gibt es die Möglichkeit, eine Gesamtroute einschließlich der Berücksichtigung mehrerer Ein-/ Ausgänge mithilfe des in Kapitel 3 beschriebenen Routing-Proxys zu berechnen. 1 2 Weitere Informationen unter http://www.dynamo-info.eu Weitere Informationen unter http://www.m4guide.de

528 H. Michels und M. Proksch Die im Folgenden vorgestellte Lösung des intermodalen Routing-Problems beinhaltet zwei Kernpunkte: einen Algorithmus, der das Problem in Teilprobleme aufteilt und auf Basis von Teillösungen eine Gesamtlösung errechnet, sowie einen technischen Ansatz zur Verteilung der Teilprobleme auf mehrere Routing-Anwendungen. Dieser Ansatz lässt sich leicht auf schon bestehende Routing-Anwendungen aufsetzen. Er bietet damit die größtmögliche Flexibilität bei vergleichsweise geringem Implementierungsaufwand. Eine minimale intermodale Routing-Anfrage besteht aus einer Stationszahl S 2 (Anzahl von Stationen), S nichtleeren Mengen von Orten O 1,..., O s, wobei O 1 die Menge der Startpunkte, O s die Menge der Zielpunkte und alle anderen O i jeweils eine Menge von Via-Punkten sind. Der Algorithmus unterteilt die Anfrage gemäß den Via-Punkt-Mengen in Segmente. Dementsprechend besteht jedes intermodale Routing-Problem aus mindestens zwei Segmenten. Zur Lösung des Problems wird für jedes Segment eine gerichtete Distanzmatrix, ausgehend von der Menge der Punkte, an denen das Fahrzeug betreten werden kann (Übergabepunkte von anderen Fahrzeugen und Startpunkte), hin zu der Menge der Punkte, an denen das Fahrzeug verlassen werden kann (Übergabepunkte an andere Fahrzeuge und Zielpunkte), berechnet. Die Berechnung der Distanzmatrizen erfolgt mittels mehrmaligen Aufrufens des 1-zu-N-Dijkstra-Algorithmus (CORMEN et al. 2001). Mithilfe des Routing-Proxys kann die Ermittlung der Matrizen parallel auf mehreren Routing-Diensten ablaufen. Diese Verteilung ermöglicht eine unabhängige Lösung von beliebig vielen N-zu-M-Routing-Problemen mit unterschiedlichen Fahrzeugtypen auf verschiedenen Routing-Graphen. Aus den Ergebnissen (S 1 Distanzmatrizen) wird anschließend ein Metagraph erzeugt. Die Übergabepunkte aller Segmente bilden hierbei die Knoten. Die gerichteten Kanten ergeben sich aus den gültigen Einträgen der Distanzmatrizen. Abschließend wird die Distanzmatrix zwischen den Start- und den Zielpunkten auf diesem Meta-Graphen wiederum mit dem 1-zu- N-Dijkstra berechnet. Das Ergebnis enthält die beste (schnellste, kürzeste oder sicherste) Route zwischen jedem Startpunkt und jedem Zielpunkt unter Berücksichtigung aller Zwischenpunkte. 3 Routing-Proxy verteilte Problemlösung Zentraler Dreh- und Angelpunkt für die Bereitstellung des intermodalen Routings ist die Software IVU.routing. IVU.routing ist ein sowohl für den Server- als auch den Endgeräteeinsatz geeigneter Routing-Dienst. Der Routing-Proxy ist eine modulare Erweiterung. Grundsätzlich besteht die Aufgabe des Routing-Proxys darin, mehrere andere Routing- Dienste (im folgenden Basisdienste genannt) zu einem gemeinsamen Dienst zusammenzuführen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Basisdienste lokal oder über eine netzwerkbasierte Schnittstelle eingebunden werden. Routing-Anfragen werden unter Zuhilfenahme des Algorithmus für intermodales Routing in Teilprobleme aufgeteilt. Diese werden dann den entsprechenden Basisdiensten zugeordnet und dort gelöst. Nach welchen Kriterien die jeweiligen Basisdienste ausgewählt werden, entscheidet ein entsprechendes Plug-in. Dieses kann je nach Anwendungsfall entwickelt und per Konfiguration flexibel integriert werden. Im Kontext von DYNAMO und m4guide ist ein Plug-in implementiert worden, welches

Nahtlose Reiseauskunft für intermodale Reiseketten von Tür zu Tür im Individualverkehr 529 Routing-Probleme auf Basis von Fahrzeugtypen zerteilt und den verantwortlichen Basisdiensten zuordnet. Eine Kaskadierung mehrerer Routing-Proxies ist ebenfalls möglich. Neben der Verteilung von Routing-Anfragen auf die richtigen Basisdienste und das Aggregieren der Einzelergebnisse zur einer Gesamtroute besteht eine weitere wichtige Aufgabe des Routing-Proxys darin, die verschiedenen Eigenschaften (Routing-Parameter, Fahrzeugtypen, Fahrzeuge, Profile etc.) der Basisdienste zusammenzuführen und anschließend, gegebenenfalls vereinheitlicht, als Selbstbeschreibung für anfragende Clients zur Verfügung zu stellen. Diese vereinheitlichten Eigenschaften sind leistungsstark genug, um alle relevanten Eigenschaften der Basisdienste abzubilden, gleichzeitig aber so simpel und eindeutig wie möglich. Entscheidet die implementierte Heuristik zur Vereinheitlichung nicht im Sinne des Anwenders, kann sie per Konfiguration beliebig angepasst werden. Eintreffende Anfragen, die sich auf die vereinheitlichten Eigenschaften beziehen, werden dann nach Auswahl des Basisdienstes für diesen übersetzt. 4 Intermodales IV-Routing innerhalb einer multimodalen Reiseauskunft Alle drei in Kapitel 2 aufgezählten Anforderungen lassen sich mit der kombinierten Lösung aus intermodalem Routing und Routing-Proxy erfüllen. In den in Punkt 1 und 2 beschriebenen Fällen ist eine optimierte Gesamtroute auf Basis der Kombination zweier Fahrzeugtypen mit fixen Übergangspunkten verlangt. Das intermodale Routing teilt eine derartige Routing-Anfrage in zwei Teilanfragen auf und führt die Einzellösungen zu einer optimierten Gesamtroute zusammen. Die Zuordnung der Einzelprobleme zu den entsprechenden Basisdiensten übernimmt das in Kapitel 3 erwähnte Plug-in. So sind in DYNAMO beispielsweise drei Basisdienste mit unterschiedlichen Routing-Graphen im Einsatz: für Fußgänger, für Radfahrer sowie für Autofahrer. Eine Gesamtroute mit Indoor und Outdoor Anteilen lässt sich ebenfalls mit der vorgestellten Lösung ermitteln. So besteht in m4guide die Anforderung, sich eine Route bis zu einem ausgewählten Raum im Bezirksamt Berlin Mitte ausgeben zu lassen. Die Route beinhaltet zwar nur einen Fahrzeugtyp, erstreckt sich aber über zwei Kontexte und in diesem Fall auch über zwei verschiedene Routing-Graphen. Mit einer kleinen Anpassung der Konfiguration der Basisdienste lassen sich zwei unterschiedliche Arten von Fußgängern definieren, nämlichen einen, der sich außerhalb von Gebäuden bewegt und einen, der innerhalb von Gebäuden unterwegs ist. Für das Plug-in sind dies nun zwei unterschiedliche Fahrzeugtypen mit spezifischen Eigenschaften und so ist es möglich, die Basisdienste korrekt zuzuordnen und eine optimierte Route mit Indoor- und Outdooranteilen unter Nutzung zweier verschiedener Routing-Graphen zu ermitteln. 5 Fazit und Ausblick Die Entwicklungen rund um das intermodale Routing und den Routing-Proxy sind vorerst abgeschlossen. Die bereitstehenden Routing-Dienste werden derzeit in beiden Forschungsvorhaben integriert und bilden letzten Endes einen Teil eines multimodalen Auskunftssys-

530 H. Michels und M. Proksch tems. Alle neuen Funktionalitäten wurden unter Nutzung von Daten aus OpenStreetMap 3 (OSM) in Einzelsystemtests erfolgreich evaluiert. Die Korrektheit des intermodalen Routings wurde aufgrund der Tatsache, dass über die Teilprobleme Distanzmatrizen gebildet werden, auf denen der Dijkstra-Algorithmus angewendet wird, ebenfalls nachgewiesen. Eine Laufzeitanalyse hat ergeben, dass die asymptotische Laufzeit im schlechtesten Fall bei Ο ( o 2 n ) liegt, wobei o die Anzahl aller Orte (Start-, Übergangs- und Zielpunkte) darstellt und n die Anzahl der Knoten in allen beteiligten Routing-Graphen widergibt. In einer realistischen Betrachtung des Problems gehen wir davon aus, dass die Anzahl aller Orte o beschränkt ist. In diesem Fall ist die Laufzeit linear in der Anzahl der Knoten n. Anhand von Anwendungsfällen aus den beiden Forschungsprojekten DYNAMO und m4guide haben wir gezeigt, wie das intermodale Routing im Verbund mit dem Routing- Proxy eingesetzt werden kann, um einerseits optimale Routen mit mehreren Fahrzeugtypen und unter Nutzung verschiedener Routing-Graphen zu ermitteln und somit Mobilitätsangebote wie Car-Sharing oder Bike-Sharing in eine bestehende intermodale Gesamtauskunft einzubinden. Andererseits bietet die Lösung genug Flexibilität, um auch optimale Routen über mehrere Kontexte hinweg anzubieten. Folglich ist in Zukunft das langwierige Suchen von Standorten innerhalb von Gebäuden, egal ob das Büro im Bürgeramt oder das Schuhgeschäft im Einkaufszentrum, passé. Es lassen sich weitere Anwendungsgebiete durch den universellen Einsatz dieser Lösung erschließen. Routing-Anfragen können beispielsweise mit einem entsprechenden Plug-in geographisch unterteilt werden. Dies ist besonders sinnvoll, wenn der Gesamtgraph ein sehr großes Gebiet wie z. B. Europa abdecken soll, oder regional unterschiedliche und nicht harmonisierbare Daten zugrunde liegen. Ein Beispiel ist in Berlin zu finden. Dort führt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt in naher Zukunft eine berlinweite vermessungstechnische Straßenbefahrung durch. Ziel der Vermessung ist, einen einheitlichen und aktuellen Datenbestand des Berliner Straßenlandes aufzubauen. Des Weiteren wird auf Grundlage der erfassten Daten das routingfähige Fußgängernetz (Knoten-Kanten-Modell) berlinweit erweitert (SENATSVERWALTUNG FÜR STADTENTWICKLUNG UND UMWELT 2010). Bei Routing-Anfragen über die Landesgrenze von Berlin hinaus kann mithilfe des intermodalen Routings und unter Berücksichtigung der vorliegenden Grenzpunkte eine optimale Gesamtroute ohne Verletzung der Datenlizenzen errechnet werden und dabei das in Brandenburg favorisierte Netz oder auch OSM als zweite Datengrundlage verwendet werden. Wichtig ist aber in allen Fällen, dass die Übergangspunkte entweder im Voraus bekannt sind oder zur Laufzeit intelligent ermittelt werden. Anerkennung Diese Arbeit wurde durch die BMWi Forschungsprojekte DYNAMO und m4guide gefördert. 3 Weitere Informationen unter http://www.openstreetmap.org/

Nahtlose Reiseauskunft für intermodale Reiseketten von Tür zu Tür im Individualverkehr 531 Literatur CORMEN, T. H., LEISERSON, C. E., RIVEST, R. L. & STEIN, C. (2001), Dijkstra s algorithm. In: Introduction to Algorithms. MIT Press & McGraw-Hill, 595-601. JONES, W. B., CASSADY, C. R. & BOWDEN, R. O. (2000), Developing a standard definition of intermodal transportation. Department of Industrial Engineering, Mississippi State University. SENATSVERWALTUNG FÜR STADTENTWICKLUNG UND UMWELT (2014), Berlinweite vermessungstechnische Straßenbefahrung startet im September. http://www.stadtentwicklung.berlin.de/aktuell/pressebox/archiv_volltext.shtml?arch_14 09/nachricht5349.html (09. 04 2015).