VERBAND DER CHEMISCHEN INDUSTRIE e.v.

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Transkript:

VERBAND DER CHEMISCHEN INDUSTRIE e.v. Verband der Chemischen Industrie e.v., Neustädtische Kirchstraße 8, 10117 Berlin An die Vorsitzende des Finanzausschusses Frau Bettina Stark-Watzinger Deutscher Bundestag Finanzausschuss Paul-Löbe Haus 11011 Berlin Telefon:+49 (0)30 200599-16 Telefax:+49 (0)30 200599-99 E-Mail: welling@vci.de 20.04.2018 Öffentliches Fachgespräch im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages zu den Anträgen BT-Drucksache 19/219 BT-Drucksache 19/227 BT-Drucksache 19/233 BT-Drucksache 19/239 am 25. April 2018 Sehr geehrte Frau Stark-Watzinger, sehr geehrte Damen und Herren des Finanzausschusses, zunächst danken wir Ihnen für die Einladung zum Fachgespräch zu den Anträgen der Fraktion DIE LINKE BT-Drucksache 19/219 der Fraktion der FDP BT-Drucksache 19/227 der Fraktion der SPD BT-Drucksache 19/233 der Fraktion Bündnis 90/ DIE GRÜNEN BT-Drucksache 19/239 am 25. April im Finanzausschuss des Deutschen Bundestag und übersenden Ihnen vorab unsere Stellungnahme. Wegen der zahlreichen Fragestellungen und der sich teilweise überschneidenden Thesen in den Anträgen haben wir unsere Anmerkungen und Hinweise auf die wesentlichen steuerpolitischen Schwerpunkte beschränkt. Vermeidung doppelter Nichtbesteuerung: Die zur Diskussion gestellten Anträge enthalten die Forderung, sog. weiße Einkünfte zu vermeiden und entsprechende Besteuerungslücken, die zur doppelten Nichtbesteuerung führen, zu schließen. In der Wirtschaft findet diese abstrakte politische Forderung insoweit Zustimmung, wenn eine ungewollte doppelte Nichtbesteuerung in allen Neustädtische Kirchstraße 8 10117 Berlin Telefon +49 (0)30 200599-16 Telefax +49 (0)30 200599-99

- 2 - beteiligten besteuerungsberechtigten Ländern entstanden ist. Jedoch bereits bei ordnungspolitisch erforderlichen oder wirtschaftspolitisch zielgenauen Fördermaßnahmen und -regelungen führt die generelle Forderung bereits zu Fehlwirkungen. Das bei grenzüberschreitenden Fällen Fördermaßnahmen vom anderen Staat steuerlich wieder einkassiert werden, kann nicht das erklärte Ziel der hiesigen Steuerpolitik sein. Darüber hinaus zeigt sich, dass zahlreiche steuerpolitische Maßnahmen im Zuge bzw. im Nachgang der Unternehmensteuerreform 2008 zu einer Verbreiterung der Bemessungsgrundlage geführt haben, die kaum Raum für weitere Verschärfungen lässt, sondern sogar dringend zurückgeführt werden muss, um dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit Rechnung zu tragen. Vielmehr belegen zahlreiche Untersuchungen und Analysen der Geschäftsberichte, dass die Konzernsteuerquoten nah oder sogar über der gesetzlichen Steuerquote liegen. Raum für eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage besteht insoweit nicht mehr. Es wäre darüber hinaus zu begrüßen, wenn die Ergebnisse der Untersuchungen von Prof. Watrin (Steuer und Wirtschaft, Steuerstrategien deutscher Konzerne die OECD als Retter?, 1/2016, S. 3-14) auch bei der steuerpolitischen Ausrichtung Berücksichtigung fänden. Die von ihm durchgeführten Geschäftsberichtsanalysen zeigen auf, dass grenzüberschreitend tätige Unternehmen in Deutschland eine höhere Steuerquote aufweisen als rein national agierende Unternehmen..32.34 Steuerquoten grenzüberschreitend tätiger und national ausgerichteter Unternehmen im Vergleich.22.24.26.28.3 2003 2006 2009 2012 Jahr SQ National SQ Multinational Quelle: Watrin/Thomsen 2016

- 3 - Zu dem gleichen Ergebnis kommt die EU-Kommission in ihrer Mitteilung COM(2017) 547 final im Rahmen einer Gegenüberstellung der Steuerquoten rein national tätiger Unternehmen und den Unternehmen mit grenzüberschreitenden Aktivitäten. Auch hier weisen die multinational tätigen Unternehmen höhere Steuerquoten aus. Darüber hinaus kommt die Studie von Prof. Watrin zu dem Ergebnis, dass die effektive Steuerbelastung von grenz-überschreitenden Großunternehmen nur geringfügig vom nominalen deutschen Ertragsteuersatz abweicht. Dies ist nicht nur ein weiteres Indiz dafür, dass inländische Konzerne keine wesentlichen Gewinnverlagerungen in Niedrigsteuerregionen vornehmen. Zugleich ist dies ein Beleg für die zuvor angesprochene übergebührliche Verbreiterung der steuerlichen Bemessungsgrundlage. Das Ergebnis der Analyse der FAZ (FAZ vom 5. Januar 2015) zeigt ebenfalls den steuerpolitischen Missstand auf und unterstreicht den Handlungsbedarf. Prozent 32,00 31,50 Konzernsteuerquote und gesetzliche Steuerbelastungsquote in den Jahren 2008-2012 in Prozent 31,4 31,00 30,50 30,00 31,2 30,7 29,50 29,7 29,00 28,50 28,00 28,7 27,50 27,00 2008 2009 2010 2011 2012 gesetzliche Steuerquote Konzernsteuerquote Quelle: Watrin/Thomsen 2016

- 4 - Gleichwohl werden vielfach nicht die steuerpolitischen Wettbewerbsnachteile für die Unternehmen in Deutschland, sondern weiterhin mögliche Steuerschlupflöcher thematisiert. Insofern wäre es zu begrüßen, wenn der Abbau bestehender steuerlicher Wettbewerbshemmnisse mehr in den Fokus rücken würde. Zwischenfazit: Grenzüberschreitende Unternehmen weisen höhere Steuerquoten aus als rein national ausgerichtete Unternehmen. Insbesondere Doppelbesteuerungen, Anrechnungsüberhänge sowie Hemmnisse für die grenzüberschreitenden wirtschaftlichen Aktivitäten der Unternehmen in Deutschland müssen dringend beseitigt werden. Die Bemessungsgrundlage lässt aufgrund der zahlreichen und unsystematischen steuerpolitischen Verschärfungen kaum mehr Raum für eine weitere Verbreiterung. Vielmehr gilt es, die bestehenden steuerlichen Wettbewerbsnachteile für die Unternehmen in Deutschland zurückzuführen. OECD-Initiative Base Erosion and Profit Shifting (BEPS) und Internationaler Steuerwettbewerb Trotz der sog. OECD-Initiative BEPS ist zu beobachten, dass der Steuerwettbewerb deutlich zugenommen hat. Nicht nur kleinere Industriestaaten haben ihre Steuersätze reduziert bzw. Steuersatzsenkungen angekündigt, sondern auch große Industriestaaten allen voran die USA haben im Rahmen durchgreifender Steuerreformen ihre Standortwettbewerbsfähigkeit erhöht. Im Zusammenspiel mit den BEPS-Maßnahmen hat sich die Ausgangslage der Wettbewerbsfähigkeit für die deutschen Unternehmen deutlich verschlechtert. Denn nach wie vor versteuern viele Unternehmen mit einem Stammhaus in Deutschland einen überproportional hohen Anteil ihrer Gewinne in Deutschland. Den hohen inländischen Steueranteil belegt exemplarisch die Auswertung der Steuerdaten von elf deutschen Chemieunternehmen für 2013 bis 2015 über den Vergleich der weltweiten und nationalen Steuerzahlungen: Während der erzielte Inlandsumsatz im Durchschnitt (lediglich) rund 18 bis 20 Prozent des weltweiten Konzernumsatzes beträgt, ist der in Deutschland gezahlte Anteil der Ertragsteuern im Verhältnis zu den weltweiten Ertragsteuern hingegen mit rund 46 bis 60 Prozent rund dreimal so hoch. Dass die Unternehmen einen viel höheren Anteil der Steuern in Deutschland im Verhältnis zum weltweiten Umsatz zahlen, liegt unter anderem an den internationalen Standards der Besteuerungsrechte. Diese Standards wurden u. a. auf Betreiben

- 5 - Deutschlands auf OECD-Ebene nunmehr deutlich zum eigenen Nachteil aus Sicht des deutschen Fiskus geändert. Ein ähnliches Bild wie das Verhältnis zwischen inländischem Steueranteil und Inlandsumsatz zeigt sich auch bei der Beschäftigungsstruktur der Unternehmen im Verhältnis zum Umsatz in Deutschland. Überdurchschnittlich hoch ist auch der Anteil der Chemie-Mitarbeiter in Deutschland im Verhältnis zur Beschäftigung im gesamten weltweiten Konzern mit Blick auf den entsprechenden Umsatz. Er liegt recht konstant bei etwa 42 Prozent. Durch diesen hohen Anteil fallen mehr Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge in Deutschland an. Berücksichtigt man noch die Lohnsteuer und den Arbeitgeberanteil zu den Sozialversicherungsbeiträgen, steigt der Beitrag der Unternehmen zur Finanzierung des Gemeinwesens in Deutschland nochmals erheblich. In der anliegenden Grafik werden die Ergebnisse des Steueranteils, der Beschäftigungsstruktur und des inländischen Umsatzes gegenübergestellt und zeigen die positive wirtschaftspolitische Wirkung mit den hohen fiskalischen Effekten und Beschäftigungswirkungen, die insbesondere von den inländischen Stammhauskonzernen bzw. Unternehmen mit einer hohen wirtschaftlichen Präsenz ausgehen. Durch die BEPS-Initiative geraten damit insbesondere die Unternehmen mit einem Stammhaus bzw. ausgeprägter wirtschaftlicher Präsenz in Deutschland zunehmend

- 6 - unter Druck. Denn im Zuge der steuerpolitischen BEPS-Diskussionen sowie durch die flankierenden Transparenzmaßnahmen ( Country-by-Country-Reporting ) wurden und werden steuer- und finanzpolitische Begehrlichkeiten geweckt und die Unternehmen mit einer erhöhten Rechtsunsicherheit konfrontiert. Verstärkt werden diese Effekte durch die Ausgestaltungen des sog. Country-by-Country-Reportings (CbCR). So führt die Ausgestaltung von CbCR zu unklaren Ergebnissen. Eine fehlende Konsolidierungen bei Konzernen erhöht beispielsweise den Gewinnausweis und unterstellt somit eine irreale Ertragslage des Konzerns. Dies kann zu falschen Rückschlüssen und entsprechenden Begehrlichkeiten mit Blick auf mögliche Besteuerungsrechte der beteiligten Fisci führen, die im besten Fall mit viel Aufwand im laufenden Besteuerungsverfahren aufgelöst werden können. Zu der ohnehin schlechten steuerpolitischen Wettbewerbsposition für die Unternehmen in Deutschland bestehen darüber hinaus zahlreiche Hemmnisse für die deutschen Stammhausunternehmen. Neben dem dringend reformbedürftigen Außensteuerrecht zeigt sich dies auch bei erforderlichen Umstrukturierungen im Unternehmensverbund. Notwendige strukturelle Anpassungen müssen somit unterbleiben und vermindern die Wettbewerbsposition der Unternehmen in Deutschland, insbesondere der inländischen Stammhäuser. Zwischenfazit: Der Steuerwettbewerb hat sich trotz der BEPS-Initiative deutlich erhöht. In diesem Zusammenhang hat sich die Wettbewerbsposition Deutschlands deutlich verschlechtert. Steuerpolitische Reformmaßnahmen mit dem Ziel, die steuerlichen Hemmnisse für die Unternehmen insbesondere mit Stammhäusern in Deutschland zu beseitigen, sind dringend angezeigt. Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle Die OECD-Task Force on the Digital Economy (TFDE) hatte sich bereits im Rahmen des Aktionsplans zu BEPS (Base Erosion and Profit Shifting) mit den steuerlichen Herausforderungen der Digitalisierung befasst. Das zentrale Ergebnis aus dem entsprechenden OECD-Abschlussbericht trägt den erheblichen, durch die Digitalisierung bedingten Umwälzungen in den Geschäftsmodellen der national wie international tätigen Unternehmen Rechnung. Diese haben dazu geführt, dass eine trennscharfe Eingrenzung (sog. ring-fencing) der digitalen Wirtschaft nicht (mehr) möglich ist. Vielmehr kommt die OECD zum dem Schluss, dass von einer digitalisierten Wirtschaft gesprochen werden muss, da die fortschreitende Digitalisierung auch traditionelle Branchen und Geschäftsmodelle erfasst.

- 7 - Zudem wurde festgehalten, dass einige der zentralen BEPS-Probleme zwar auch digitalen Geschäftsmodellen inhärent sind, jedoch kein spezifisches Problem derselben darstellen. Vielmehr schlägt die OECD vor, die anderen im Rahmen des BEPS- Aktionsplans beschlossenen Maßnahmen beispielsweise den Aktionspunkt 3 Hinzurechnungsbesteuerung, Aktionspunkt 7 Betriebsstättenfragen und die Aktionspunkte 8-10 Verrechnungspreisregeln für immaterielle Werte (AP 8-10) in den Fokus zu stellen. Auch die jüngsten Vorschläge der OECD setzen auf den Dialog und eine globale Lösung und plädieren für einen zeitnahen Konsens für langfristige Lösungen. Trotz aller Maßnahmen sehen sich die Unternehmen der sog. digitalen Wirtschaft nach wie vor verstärkt den pauschalen Vorwürfen einer aggressiven Steuergestaltung ausgesetzt, wobei insbesondere US-amerikanische Unternehmen hierbei im Wesentlichen von den bisherigen Spielräumen des US-Außensteuerrechts profitiert haben dürften. Neben der Frage, ob die namentliche Nennung und Forderung einer höheren Besteuerung der entsprechenden Unternehmen (sog. GAFA ) vor dem Hintergrund drohender Handelskonflikte zielführend erscheint, dürfte die US-Tax-Reform mittlerweile der kritisierten Niedrigbesteuerung von US-amerikanischen Unternehmen einen Riegel vorgeschoben haben, ohne dass dies nennenswerte Auswirkungen auf das Steuersubstrat bzw. das Steueraufkommen in Europa haben wird. Es zeichnet sich ab, dass der US-amerikanische Gesetzgeber sein Besteuerungsrecht durch die Neuregelungen im Rahmen der US-Tax-Reform entsprechend erweitert hat und die vornehmlich in Europa erhobene Forderung nach einer höheren Besteuerung der Unternehmen mit digitalen Geschäftsmodellen umgesetzt bzw. durchgesetzt hat. Ein Vorteil für den deutschen Fiskus oder einem anderen EU-Mitgliedstaat ist hingegen durch die Erfüllung der steuerpolitischen Forderung einer höheren Besteuerung der Unternehmen mit digitalen Geschäftsmodellen nicht erwachsen. Hinzuweisen ist vielmehr darauf, dass die Forderung nach einer Neuordnung der Besteuerung oder sogar nach einer zusätzlichen Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle deutliche Risiken birgt. Dies beinhaltet Besteuerungsrisiken für die exportorientierten Unternehmen gleichermaßen wie Aufkommensverluste auf deutscher Seite. Denn digitale Geschäftsmodelle sind mittlerweile Kernbestandteile der deutschen Industrie. Beispielsweise werden von deutschen Industrieunternehmen Handelsplattformen im B2B-Bereich aufgebaut und bereits betrieben, die den Handelsplattformen des im Fokus der Kritik stehenden bedeutenden US-amerikanischen Handelsunternehmen gleichen und auch anderen klassischen digitalen Handelsplattformen entsprechen. Eine Differenzierung im Rahmen der Besteuerung scheint insoweit kaum bzw. sogar gar nicht möglich. Darüber hinaus gewinnen digitale Prozesse und Dienstleistungen auch für die Industrieunternehmen in Deutschland eine immer größere Bedeutung. Dies unterstreicht auf der Seite die Dringlichkeit bzw. Erforderlichkeit, einer Neureglung der Besteuerung

- 8 - bzw. Neuordnung der Besteuerungsrechte. Auf der anderen Seite wird die Notwendigkeit einer international abgestimmten Regelung offenbar. Eine Insellösung kann weder auf nationaler, noch auf europäischer Ebene ein befriedigender Lösungsansatz sein. Zwischenfazit: Eine Neuordnung der Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle ist angezeigt. Insellösungen auf nationaler oder europäischer Ebene sind zwingend zu vermeiden. Vielmehr bedarf es aufgrund der hohen Bedeutung für die Unternehmen in Deutschland der zwingenden globalen Abstimmung auf OECD- Ebene. Für Rückfragen stehen wir Ihnen gern zur Verfügung und verbleiben mit freundlichen Grüßen VERBAND DER CHEMISCHEN INDUSTRIE e.v. Recht und Steuern, Nachhaltigkeit Berthold Welling