LERNEN IM ARBEITSPROZESS Qualifizierung an- und ungelernter junger Erwachsener mit dem Ziel eines anerkannten Berufsabschlusses Modellversuchsreihe Berufsbegleitende Nachqualifizierung INBAS Informationen zur berufsbegleitenden Nachqualifizierung Nr. 2/99 Lernen im Arbeitsprozeß als methodischdidaktisches Konzept Bei jungen Erwachsenen, die im Rahmen einer kombinierten Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahme einen anerkannten Berufsabschluß erwerben, kann die berufliche Qualifizierung bereits auf Erfahrungen und Qualifikationen aus früheren Arbeits- oder Ausbildungsverhältnissen bzw. aus anderen Qualifizierungs- oder Beschäftigungsmaßnahmen zurückgreifen. Das methodisch-didaktische Konzept dieses Modellversuches verfolgt daher den Anspruch, auf den Berufsabschluß bezogenes Lernen möglichst weitestgehend in den Arbeitsprozeß zu integrieren. Die vorhandenen Stärken und Qualifikationen sind Ausgangspunkt des Lernens. Berufliches Lernen wird möglichst nah an den fachlichen Anforderungen der Praxis ausgerichtet. Die Erweiterung beruflicher Handlungsfähigkeit geschieht durch die Bewältigung immer anspruchsvollerer Aufgabenstellungen. Es kommt dabei zu einer möglichst selbständigen und verantwortlichen Gestaltung des Lernprozesses durch die Lernenden selbst. Mit Hilfe des Konzeptes Lernen im Arbeitsprozeß können auch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für die Qualifizierung zum Berufsabschluß gemacht werden. Berufliche Weiterbildungsmaßnahmen können unter diesem Konzept praxisnaher gestaltet werden. Internationaler Bund BERUFSBILDUNGSZENTRUM Jena IN ZUSAMMENARBEIT MIT DEM BUNDESINSTITUT FÜR BERUFSBILDUNG
Das Lernsystem Lernen im Arbeitsprozeß Der Ablauf des Lernprozesses orientiert sich an der Systematik der vollständigen Arbeitshandlung. Die Bearbeitung des Auftrages dient zum Erwerb der dafür erforderlichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten. Sie beginnt mit der Orientierung über den Auftrag und über die dafür erforderlichen Qualifikationen. Daran schließt sich die Erarbeitung der für die Ausführung des Auftrages nötigen neuen Fertigkeiten und Kenntnisse an. Anschließend erfolgt die Arbeitsplanung, die Bereitstellung der nötigen Werkzeuge, Materialien und Maschinen. Nach der eigentlichen Durchführung erfolgt eine selbständige Kontrolle darüber, ob die Arbeiten auftragsgemäß und fachgerecht ausgeführt worden sind. In der anschließenden Bewertung im Fachgespräch mit dem Ausbildungsteam wird geklärt, ob ggf. noch Nacharbeiten erforderlich sind und auf welche Weise die Lernenden bei der künftigen Bearbeitung ähnlicher Aufträge ihre Leistungen und die Qualität ihrer Arbeit verbessern können. Die Qualifizierung orientiert sich an betrieblichen Abläufen und ermöglicht somit den Erwerb von beruflicher Handlungskompetenz. Sofern die Rahmenbedingungen des Kunden dies ermöglichen, können die Aufträge auch gezielt an diejenigen vergeben werden, die diesen Auftrag noch nicht bearbeitet haben, um ihnen die Möglichkeit zu geben, aus eigener Kraft und mit Unterstützung des Ausbildungsteams die Inhalte gründlich zu erarbeiten. Wo durch den Kundenauftrag ein engerer zeitlicher Rahmen gesetzt ist, kann er auch als Arbeitsauftrag an eine Gruppe von Lernenden mit entsprechenden Voraussetzungen gegeben werden, um eine schnelle und fachgerechte Bearbeitung zu gewährleisten. Der Ansatz der Integration von Lernen im Arbeitsprozeß bietet folgende Vorteile: Durch die Bearbeitung realer Aufträge hat das Lernen einen stärker ernsthaften Charakter, wodurch sich die Motivation der Lernenden erhöht. Bei der Ausführung der Aufträge fließen die Vorerfahrungen und Vorqualifikationen der Lernenden in den Lernprozeß ein. Die Qualität der Auftragsausführung bestimmt dann darüber, was als nächstes gelernt wird. Das Gelernte wird direkt in die Praxis umgesetzt und kann dadurch besser behalten werden. Dem Lernenden wird die Bedeutung der Lerninhalte für den Arbeitsprozeß deutlich, in dem Lernen anschaulich ist. Der Arbeitsprozeß wird nur durch kürzere Theoriephasen unterbrochen. Dadurch kann das Gelernte sich während der Arbeit setzen. Die Reihenfolge der Bearbeitung der Lernaufträge richtet sich primär nach der jeweiligen Auftragssituation. Die Lernaufträge können in beliebiger Reihenfolge durchlaufen werden. Theorie integriert in den Arbeitsablauf Lernaufträge sind die erstmalige Bearbeitung des entsprechenden Auftragstyps. Sie verfolgen das Ziel, die für die Ausführung eines Auftrages nötigen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwerben, anzuwenden und zu erweitern. Arbeitsaufträge dienen der selbständigen Anwendung und Übung sowie der Erweiterung und Vertiefung des Gelernten. Dieses Lernsystem ermöglicht eine Differenzierung des Lern- und Arbeitsprozesses und berücksichtigt die unterschiedlichen Vorqualifikationen der Lernenden. Zudem eröffnet es individuelle Qualifizierungswege. Lernende, die zu dem jeweiligen Modul bzw. Lern- und Arbeitsauftrag bereits umfangreichere Vorqualifikationen besitzen, können z. B. in der Rolle als Gruppenleiter/in oder Vorarbeiter/in ihre Kolleg(inn)en unterstützen, die erstmalig diesen Auftrag bearbeiten. Ein wichtiges didaktisches Prinzip bei der Konstruktion von Lern- und Arbeitsaufträgen besteht darin, daß die theoretischen Inhalte in Bezug auf die auszuführenden Tätigkeiten erarbeitet werden. Die Fragestellung für die Eingrenzung der Theorie lautet: Welche (neuen) theoretischen Kenntnisse werden benötigt, um die Arbeitstätigkeiten ausführen zu können? Das bedeutet zweierlei: Es wird nur diejenige Theorie in den Lernauftrag integriert, die zur Ausführung des Auftrages unmittelbar nötig ist. Die Zielsetzung der Aneignung von Theorie besteht darin, die Arbeitstätigkeiten ausführen zu können, und darüber (mehr und mehr) Wissen und Erfahrung zu erwerben (handlungsorientierte Vorgehensweise). Die über den unmittelbaren Auftrag hinausgehenden Fertigkeiten und Kenntnisse werden auf folgende Weise erarbeitet: 1.Was bei der erstmaligen Bearbeitung des Lernauftrages zunächst weggelassen wird, fließt bei einer späteren Bearbeitung wieder ein, bedingt durch die spezifische Ausprägung des Kundenauftrages oder gezielt durch zusätzliche Fragestellungen und
Theorieanteile. Bei jeder neuen Anwendung kommen also neue Inhalte oder Fertigkeiten und Fähigkeiten dazu. 2. In heterogenen Lern- und Arbeitsgruppen lernen die Teilnehmer/innen auch viel von den Aufträgen, die ihre Kollegen durchführen, auch wenn sie selbst nicht an der Ausführung beteiligt sind. 3. Innerhalb oder begleitend zum Arbeitsprozeß gibt es unterschiedliche Lernangebote, in denen über den jeweiligen Lernauftrag hinausgehende Inhalte bearbeitet werden können: außer der Gruppenarbeit zur Erarbeitung der Lernaufträge gibt es Gruppenarbeit zur Wiederholung oder Vertiefung. dem Qualifikationsniveau von Facharbeiter(inne)n können zu Qualifizierungszwecken in die ABM aufgenommen werden. Die Auftragsplanung und Arbeitsorganisation in ABM lassen sich so gestalten, daß während der praktischen Arbeit auch berufliche Qualifizierung im Sinne von angeleiteter Arbeitserfahrung stattfindet. Mit dem Instrument Lern- und Arbeitsaufträge findet eine begleitende Qualifizierung sowohl für die fachgerechte Auftragsausführung als auch für den Berufsabschluß statt. Durch mehr oder weniger starke Anleitung selbständiger Arbeitsausführung geschieht die praktische Qualifizierung während des Arbeitsprozesses, ergänzt durch Theorieanteile und betriebliche Phasen. Durch die Gliederung des Berufsbildes in Module werden Qualifizierungsanteile in Beschäftigungsmaßnahmen inhaltlich auf den Ausbildungsabschluß ausgerichtet. In den Teilgebieten des Berufes (Modulen) werden ABM- Mitarbeiter/innen im Zusammenhang mit der Arbeitsausführung so weit qualifiziert, daß sie diese Arbeiten ähnlich qualifiziert ausführen können wie Facharbeiter/innen oder Gesell(inn)en. 4. An einem Tag pro Woche sind die Lernenden zur Unterweisung und zur Wochenbesprechung im Bildungszentrum. Hier wird auch Unterricht durchgeführt, der die über die unmittelbare Auftragsdurchführung hinausgehenden Inhalte des jeweiligen Moduls betrifft. Die Lern- und Arbeitsaufträge sind so konstruiert, daß bezogen auf das gleiche Thema unterschiedliche Leistungsniveaus erreicht werden können, je nach Vorqualifikationen und Leistungsfähigkeit. Alle müssen den Pflichtteil bearbeiten Wer alle Lernaufträge erfolgreich bearbeitet, kann so viel, wie benötigt wird, um die Prüfung zu schaffen. Wer aber bei der Bearbeitung der Lernaufträge bereits differenziertere Fragestellungen bearbeitet hat, wer zum Transfer des Gelernten auf andere Anwendungssituationen in der Lage ist und wer in Verbindung mit der Bearbeitung von weiteren Arbeitsaufträgen sich ein immer fundierteres Wissen angeeignet hat, wird die Prüfung besser schaffen können. ABM-Qualifizierung für den Berufsabschluß Im Thüringer Modellversuch Lernen im Arbeitsprozeß werden auch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen als Teil eines auf den Berufsabschluß zielenden Qualifizierungsprozesses genutzt. In der beruflichen Weiterbildung wird ebenfalls im Arbeitsprozeß qualifiziert. Unter der Zielsetzung Qualifizierung für den Berufsabschluß gelingt es, auch solche (zusätzlichen und im öffentlichen Interesse liegenden) Arbeitstätigkeiten für ABM zu akquirieren, mit denen eine Qualifizierung für den Berufsabschluß möglich ist. Auch Tätigkeiten auf Tätigkeiten bzw. Qualifikationen, die nicht den ABM- Kriterien zusätzlich, in öffentlichem Interesse und gemeinnützig entsprechen, werden in die Praktika als betriebliche Qualifizierungsphasen und in die anschließende Weiterbildungsmaßnahme verlagert. Durch die modulare Gliederung und das System von Lern- und Arbeitsaufträgen können aus ABM-fähigen Kundenaufträgen solche Tätigkeiten herausgelöst werden, die sich für die abschlußbezogene berufliche Qualifizierung eignen. Im Thüringer Modellversuch wurden nur die qualifizierenden Arbeiten ausgesucht. Unter anderen Rahmenbedingungen können die nicht oder weniger qualifizierenden Tätigkeiten solchen Arbeitskräften zugewiesen werden, die keinen Berufsabschluß nachholen wollen.
Der Modellversuch Lernen im Arbeitsprozeß Als einer von insgesamt fünf BIBB-Modellversuchen zur berufsbegleitenden Nachqualifizierung erprobt der Thüringer Modellversuch eine kombinierte Qualifizierungs- und Beschäftigungsmaßnahme, in der anund ungelernte junge Erwachsene innerhalb von drei Jahren einen Berufsabschluß nachholen können. Innovationen dieses Konzeptes: Öffentlich geförderte Beschäftigung (z. B. ABM) wird für den Erwerb eines anerkannten Berufsabschlusses genutzt. Die dafür erforderlichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten werden im Arbeitsprozeß erworben. Lernen im Arbeitsprozeß wird durch Lern- und Arbeitsaufträge gesteuert und begleitet. Sie befähigen die Lernenden zur selbständigen Vorbereitung, Durchführung und Auswertung von Aufträgen. Das Berufsbild wird in Module gegliedert. Alle Module zusammengenommen umfassen alle laut Ausbildungsrahmenplan nötigen Fertigkeiten und Kenntnisse. Die Module sind nach in der Berufspraxis abgrenzbaren, zusammenhängenden Arbeitsbereichen gegliedert. In betrieblichen Lernphasen (Praktika) werden bereits vorhandene Qualifikationen unter betrieblichen Bedingungen angewendet und erweitert. Die Qualifizierung des Ausbildungspersonals findet prozeßbegleitend und projektintegriert statt. Zielgruppe des Modellversuchs sind junge Erwachsene ohne Berufsabschluß, die bereits Arbeitserfahrungen als An- oder Ungelernte haben, aber aufgrund ihrer Vorqualifikationen in einer regulären, gegenüber der Erstausbildung verkürzten - Weiterbildungsmaßnahme nicht erfolgreich zum Abschluß geführt werden könnten. Die Finanzierungskonzeption verknüpft eine 12- monatige Arbeitsbeschaffungsmaßnahme mit einer 24-monatigen Weiterbildung zu einer insgesamt drei Jahre dauernden kombinierten Qualifizierungs- und Beschäftigungsmaßnahme, die durch ESF-Mittel kofinanziert wird. Literatur Ergebnisse und Materialien aus dem Modellversuch werden veröffentlicht in der Reihe Lernen im Arbeitsprozeß Band 1: Der Modellversuch Lernen im Arbeitsprozeß - Ziele und Konzeption Band 2: Gliederung in Module Band 3: Lernen im Arbeitsprozeß als didaktisch-methodisches Konzept Band 4: Gestaltung von Lernmaterialien (am Beispiel des Berufes Maurer) Band 5: Kooperative Lernphasen in Zusammenarbeit mit Betrieben - Ergebnisse einer Arbeitstagung Band 6: Transferkonzept Alle Bände haben einen Umfang von ca. 100 Seiten (DIN A 4). Die Schutzgebühr beträgt 15,00 DM pro Band. Sie erscheinen ab Anfang Mai 1999. Der Download im Internet ist kostenlos. INBAS-Informationen zur berufsbegleitenden Nachqualifizierung 01/99: Gliederung des Berufsbildes in Module (Modellversuch Lernen im Arbeitsprozeß ) 4 Seiten, DIN A4 Laufzeit des Modellversuchs: Juni 1996 August 2000 Durchführungsträger: Berufsbildungszentrum Jena Förderkennzeichen: D 5813.00 Am Herrenberge 3, 07745 Jena Projektleiter: Jochen Daffinger Tel.: (0 36 41) 687-0, Fax: (0 36 41) 68 72 02 Päd. Mitarbeiter: Peter Adam Tel.: (0 36 41) 6 87-0, Fax: (0 36 41) 68 72 02 Starthilfe Sondershausen e.v. Förderkennzeichen: D 5810.00 Gartenstraße 13 d, 99706 Sondershausen Projektleiter: Jürgen Rauschenbach Tel.: (0 36 32) 6 69 80, Fax.: (0 36 32) 66 98 26 E-Mail: starthilfe-sondershausen@t-online.de Päd. Mitarbeiter: Dieter Hollenbach Tel.: (0 36 32) 6 69 80, Fax: (0 36 32) 66 98 26 E-Mail: starthilfe.berka@t-online.de Fachliche Betreuung im BIBB: Bundesinstitut für Berufsbildung Fehrbelliner Platz 3, 10707 Berlin Sabine Davids, Tel.: (0 30) 86 43-23 63, Fax: (0 30) 86 43-26 01 E-Mail: davids@bibb.de Förderung des Modellversuchs: Bundesministerium für Bildung und Forschung 53175 Bonn Frau Peter, Tel.: (02 28) 57-0 Thüringer Ministerium für Wirtschaft und Infrastruktur Max-Reger-Straße 4-8, 99096 Erfurt Herr Dr. Kehr, Tel.: (03 61) 3 79 73 31 Thüringer Ministerium für Soziales und Gesundheit Postfach 612, 99012 Erfurt Herr Möller, Tel.: (03 61) 3 79 84 30 Herr Hiemeyer, Tel.: (03 61) 3 79 82 32 Wissenschaftliche Begleitung: INBAS Institut für berufliche Bildung, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik GmbH - Landesbüro NRW Dellstraße 13, 47051 Duisburg Christoph Eckhardt Tel.: (02 03) 28 75 88, Fax: (02 03) 2 17 15 E-Mail: inbas.duisburg@t-online.de Claus Bölke, Trierer Straße 71, 99423 Weimar Tel.: (0 36 63) 50 28 93, Fax: (0 36 43) 50 28 95 E-Mail: synapse-weimar@t-online.de Text: Christoph Eckhardt (V. i. S. d. P.) Gestaltung: Peter Heberer INBAS (Hg.) Beschäftigung und Qualifizierung zum Berufsabschluß. Ein Leitfaden zur Planung und Entwicklung von Maßnahmen zur berufsbegleitendenden Nachqualifizierung in Thüringen (Broschüre DIN A5, ca. 50 Seiten, Schutzgebühr 9,00 DM) Neue Wege zum Berufsabschluß. Ein Handbuch zur berufsbegleiten Nachqualifizierung an- und ungelernter junger Erwachsener, (Hg.) Bundesministerium für Bildung und Forschung, Bundesinstitut für Berufsbildung, Bundesanstalt für Arbeit, Institut für berufliche Bildung, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik - INBAS GmbH, (Broschüre DIN A5, ca. 250 Seiten, kostenlos) Alle Publikationen können bezogen werden bei: INBAS GmbH Büro Duisburg Dellstraße 13 47051 Duisburg Tel.: (02 03) 28 75 88, Fax: (02 03) 2 17 15 E-Mail: inbas.duisburg@t-online.de Internet: http://www.inbas.com
LERNEN IM ARBEITSPROZESS Qualifizierung an- und ungelernter junger Erwachsener mit dem Ziel eines anerkannten Berufsabschlusses Modellversuchsreihe Berufsbegleitende Nachqualifizierung INBAS Informationen zur berufsbegleitenden Nachqualifizierung Nr. 2/99 Lernen im Arbeitsprozeß als methodischdidaktisches Konzept Bei jungen Erwachsenen, die im Rahmen einer kombinierten Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahme einen anerkannten Berufsabschluß erwerben, kann die berufliche Qualifizierung bereits auf Erfahrungen und Qualifikationen aus früheren Arbeits- oder Ausbildungsverhältnissen bzw. aus anderen Qualifizierungs- oder Beschäftigungsmaßnahmen zurückgreifen. Das methodisch-didaktische Konzept dieses Modellversuches verfolgt daher den Anspruch, auf den Berufsabschluß bezogenes Lernen möglichst weitestgehend in den Arbeitsprozeß zu integrieren. Die vorhandenen Stärken und Qualifikationen sind Ausgangspunkt des Lernens. Berufliches Lernen wird möglichst nah an den fachlichen Anforderungen der Praxis ausgerichtet. Die Erweiterung beruflicher Handlungsfähigkeit geschieht durch die Bewältigung immer anspruchsvollerer Aufgabenstellungen. Es kommt dabei zu einer möglichst selbständigen und verantwortlichen Gestaltung des Lernprozesses durch die Lernenden selbst. Mit Hilfe des Konzeptes Lernen im Arbeitsprozeß können auch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für die Qualifizierung zum Berufsabschluß gemacht werden. Berufliche Weiterbildungsmaßnahmen können unter diesem Konzept praxisnaher gestaltet werden. Internationaler Bund BERUFSBILDUNGSZENTRUM Jena IN ZUSAMMENARBEIT MIT DEM BUNDESINSTITUT FÜR BERUFSBILDUNG
Das Lernsystem Lernen im Arbeitsprozeß Der Ablauf des Lernprozesses orientiert sich an der Systematik der vollständigen Arbeitshandlung. Die Bearbeitung des Auftrages dient zum Erwerb der dafür erforderlichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten. Sie beginnt mit der Orientierung über den Auftrag und über die dafür erforderlichen Qualifikationen. Daran schließt sich die Erarbeitung der für die Ausführung des Auftrages nötigen neuen Fertigkeiten und Kenntnisse an. Anschließend erfolgt die Arbeitsplanung, die Bereitstellung der nötigen Werkzeuge, Materialien und Maschinen. Nach der eigentlichen Durchführung erfolgt eine selbständige Kontrolle darüber, ob die Arbeiten auftragsgemäß und fachgerecht ausgeführt worden sind. In der anschließenden Bewertung im Fachgespräch mit dem Ausbildungsteam wird geklärt, ob ggf. noch Nacharbeiten erforderlich sind und auf welche Weise die Lernenden bei der künftigen Bearbeitung ähnlicher Aufträge ihre Leistungen und die Qualität ihrer Arbeit verbessern können. Die Qualifizierung orientiert sich an betrieblichen Abläufen und ermöglicht somit den Erwerb von beruflicher Handlungskompetenz. Sofern die Rahmenbedingungen des Kunden dies ermöglichen, können die Aufträge auch gezielt an diejenigen vergeben werden, die diesen Auftrag noch nicht bearbeitet haben, um ihnen die Möglichkeit zu geben, aus eigener Kraft und mit Unterstützung des Ausbildungsteams die Inhalte gründlich zu erarbeiten. Wo durch den Kundenauftrag ein engerer zeitlicher Rahmen gesetzt ist, kann er auch als Arbeitsauftrag an eine Gruppe von Lernenden mit entsprechenden Voraussetzungen gegeben werden, um eine schnelle und fachgerechte Bearbeitung zu gewährleisten. Der Ansatz der Integration von Lernen im Arbeitsprozeß bietet folgende Vorteile: Durch die Bearbeitung realer Aufträge hat das Lernen einen stärker ernsthaften Charakter, wodurch sich die Motivation der Lernenden erhöht. Bei der Ausführung der Aufträge fließen die Vorerfahrungen und Vorqualifikationen der Lernenden in den Lernprozeß ein. Die Qualität der Auftragsausführung bestimmt dann darüber, was als nächstes gelernt wird. Das Gelernte wird direkt in die Praxis umgesetzt und kann dadurch besser behalten werden. Dem Lernenden wird die Bedeutung der Lerninhalte für den Arbeitsprozeß deutlich, in dem Lernen anschaulich ist. Der Arbeitsprozeß wird nur durch kürzere Theoriephasen unterbrochen. Dadurch kann das Gelernte sich während der Arbeit setzen. Die Reihenfolge der Bearbeitung der Lernaufträge richtet sich primär nach der jeweiligen Auftragssituation. Die Lernaufträge können in beliebiger Reihenfolge durchlaufen werden. Theorie integriert in den Arbeitsablauf Lernaufträge sind die erstmalige Bearbeitung des entsprechenden Auftragstyps. Sie verfolgen das Ziel, die für die Ausführung eines Auftrages nötigen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwerben, anzuwenden und zu erweitern. Arbeitsaufträge dienen der selbständigen Anwendung und Übung sowie der Erweiterung und Vertiefung des Gelernten. Dieses Lernsystem ermöglicht eine Differenzierung des Lern- und Arbeitsprozesses und berücksichtigt die unterschiedlichen Vorqualifikationen der Lernenden. Zudem eröffnet es individuelle Qualifizierungswege. Lernende, die zu dem jeweiligen Modul bzw. Lern- und Arbeitsauftrag bereits umfangreichere Vorqualifikationen besitzen, können z. B. in der Rolle als Gruppenleiter/in oder Vorarbeiter/in ihre Kolleg(inn)en unterstützen, die erstmalig diesen Auftrag bearbeiten. Ein wichtiges didaktisches Prinzip bei der Konstruktion von Lern- und Arbeitsaufträgen besteht darin, daß die theoretischen Inhalte in Bezug auf die auszuführenden Tätigkeiten erarbeitet werden. Die Fragestellung für die Eingrenzung der Theorie lautet: Welche (neuen) theoretischen Kenntnisse werden benötigt, um die Arbeitstätigkeiten ausführen zu können? Das bedeutet zweierlei: Es wird nur diejenige Theorie in den Lernauftrag integriert, die zur Ausführung des Auftrages unmittelbar nötig ist. Die Zielsetzung der Aneignung von Theorie besteht darin, die Arbeitstätigkeiten ausführen zu können, und darüber (mehr und mehr) Wissen und Erfahrung zu erwerben (handlungsorientierte Vorgehensweise). Die über den unmittelbaren Auftrag hinausgehenden Fertigkeiten und Kenntnisse werden auf folgende Weise erarbeitet: 1.Was bei der erstmaligen Bearbeitung des Lernauftrages zunächst weggelassen wird, fließt bei einer späteren Bearbeitung wieder ein, bedingt durch die spezifische Ausprägung des Kundenauftrages oder gezielt durch zusätzliche Fragestellungen und
Theorieanteile. Bei jeder neuen Anwendung kommen also neue Inhalte oder Fertigkeiten und Fähigkeiten dazu. 2. In heterogenen Lern- und Arbeitsgruppen lernen die Teilnehmer/innen auch viel von den Aufträgen, die ihre Kollegen durchführen, auch wenn sie selbst nicht an der Ausführung beteiligt sind. 3. Innerhalb oder begleitend zum Arbeitsprozeß gibt es unterschiedliche Lernangebote, in denen über den jeweiligen Lernauftrag hinausgehende Inhalte bearbeitet werden können: außer der Gruppenarbeit zur Erarbeitung der Lernaufträge gibt es Gruppenarbeit zur Wiederholung oder Vertiefung. dem Qualifikationsniveau von Facharbeiter(inne)n können zu Qualifizierungszwecken in die ABM aufgenommen werden. Die Auftragsplanung und Arbeitsorganisation in ABM lassen sich so gestalten, daß während der praktischen Arbeit auch berufliche Qualifizierung im Sinne von angeleiteter Arbeitserfahrung stattfindet. Mit dem Instrument Lern- und Arbeitsaufträge findet eine begleitende Qualifizierung sowohl für die fachgerechte Auftragsausführung als auch für den Berufsabschluß statt. Durch mehr oder weniger starke Anleitung selbständiger Arbeitsausführung geschieht die praktische Qualifizierung während des Arbeitsprozesses, ergänzt durch Theorieanteile und betriebliche Phasen. Durch die Gliederung des Berufsbildes in Module werden Qualifizierungsanteile in Beschäftigungsmaßnahmen inhaltlich auf den Ausbildungsabschluß ausgerichtet. In den Teilgebieten des Berufes (Modulen) werden ABM- Mitarbeiter/innen im Zusammenhang mit der Arbeitsausführung so weit qualifiziert, daß sie diese Arbeiten ähnlich qualifiziert ausführen können wie Facharbeiter/innen oder Gesell(inn)en. 4. An einem Tag pro Woche sind die Lernenden zur Unterweisung und zur Wochenbesprechung im Bildungszentrum. Hier wird auch Unterricht durchgeführt, der die über die unmittelbare Auftragsdurchführung hinausgehenden Inhalte des jeweiligen Moduls betrifft. Die Lern- und Arbeitsaufträge sind so konstruiert, daß bezogen auf das gleiche Thema unterschiedliche Leistungsniveaus erreicht werden können, je nach Vorqualifikationen und Leistungsfähigkeit. Alle müssen den Pflichtteil bearbeiten Wer alle Lernaufträge erfolgreich bearbeitet, kann so viel, wie benötigt wird, um die Prüfung zu schaffen. Wer aber bei der Bearbeitung der Lernaufträge bereits differenziertere Fragestellungen bearbeitet hat, wer zum Transfer des Gelernten auf andere Anwendungssituationen in der Lage ist und wer in Verbindung mit der Bearbeitung von weiteren Arbeitsaufträgen sich ein immer fundierteres Wissen angeeignet hat, wird die Prüfung besser schaffen können. ABM-Qualifizierung für den Berufsabschluß Im Thüringer Modellversuch Lernen im Arbeitsprozeß werden auch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen als Teil eines auf den Berufsabschluß zielenden Qualifizierungsprozesses genutzt. In der beruflichen Weiterbildung wird ebenfalls im Arbeitsprozeß qualifiziert. Unter der Zielsetzung Qualifizierung für den Berufsabschluß gelingt es, auch solche (zusätzlichen und im öffentlichen Interesse liegenden) Arbeitstätigkeiten für ABM zu akquirieren, mit denen eine Qualifizierung für den Berufsabschluß möglich ist. Auch Tätigkeiten auf Tätigkeiten bzw. Qualifikationen, die nicht den ABM- Kriterien zusätzlich, in öffentlichem Interesse und gemeinnützig entsprechen, werden in die Praktika als betriebliche Qualifizierungsphasen und in die anschließende Weiterbildungsmaßnahme verlagert. Durch die modulare Gliederung und das System von Lern- und Arbeitsaufträgen können aus ABM-fähigen Kundenaufträgen solche Tätigkeiten herausgelöst werden, die sich für die abschlußbezogene berufliche Qualifizierung eignen. Im Thüringer Modellversuch wurden nur die qualifizierenden Arbeiten ausgesucht. Unter anderen Rahmenbedingungen können die nicht oder weniger qualifizierenden Tätigkeiten solchen Arbeitskräften zugewiesen werden, die keinen Berufsabschluß nachholen wollen.
Der Modellversuch Lernen im Arbeitsprozeß Als einer von insgesamt fünf BIBB-Modellversuchen zur berufsbegleitenden Nachqualifizierung erprobt der Thüringer Modellversuch eine kombinierte Qualifizierungs- und Beschäftigungsmaßnahme, in der anund ungelernte junge Erwachsene innerhalb von drei Jahren einen Berufsabschluß nachholen können. Innovationen dieses Konzeptes: Öffentlich geförderte Beschäftigung (z. B. ABM) wird für den Erwerb eines anerkannten Berufsabschlusses genutzt. Die dafür erforderlichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten werden im Arbeitsprozeß erworben. Lernen im Arbeitsprozeß wird durch Lern- und Arbeitsaufträge gesteuert und begleitet. Sie befähigen die Lernenden zur selbständigen Vorbereitung, Durchführung und Auswertung von Aufträgen. Das Berufsbild wird in Module gegliedert. Alle Module zusammengenommen umfassen alle laut Ausbildungsrahmenplan nötigen Fertigkeiten und Kenntnisse. Die Module sind nach in der Berufspraxis abgrenzbaren, zusammenhängenden Arbeitsbereichen gegliedert. In betrieblichen Lernphasen (Praktika) werden bereits vorhandene Qualifikationen unter betrieblichen Bedingungen angewendet und erweitert. Die Qualifizierung des Ausbildungspersonals findet prozeßbegleitend und projektintegriert statt. Zielgruppe des Modellversuchs sind junge Erwachsene ohne Berufsabschluß, die bereits Arbeitserfahrungen als An- oder Ungelernte haben, aber aufgrund ihrer Vorqualifikationen in einer regulären, gegenüber der Erstausbildung verkürzten - Weiterbildungsmaßnahme nicht erfolgreich zum Abschluß geführt werden könnten. Die Finanzierungskonzeption verknüpft eine 12- monatige Arbeitsbeschaffungsmaßnahme mit einer 24-monatigen Weiterbildung zu einer insgesamt drei Jahre dauernden kombinierten Qualifizierungs- und Beschäftigungsmaßnahme, die durch ESF-Mittel kofinanziert wird. Literatur Ergebnisse und Materialien aus dem Modellversuch werden veröffentlicht in der Reihe Lernen im Arbeitsprozeß Band 1: Der Modellversuch Lernen im Arbeitsprozeß - Ziele und Konzeption Band 2: Gliederung in Module Band 3: Lernen im Arbeitsprozeß als didaktisch-methodisches Konzept Band 4: Gestaltung von Lernmaterialien (am Beispiel des Berufes Maurer) Band 5: Kooperative Lernphasen in Zusammenarbeit mit Betrieben - Ergebnisse einer Arbeitstagung Band 6: Transferkonzept Alle Bände haben einen Umfang von ca. 100 Seiten (DIN A 4). Die Schutzgebühr beträgt 15,00 DM pro Band. Sie erscheinen ab Anfang Mai 1999. Der Download im Internet ist kostenlos. INBAS-Informationen zur berufsbegleitenden Nachqualifizierung 01/99: Gliederung des Berufsbildes in Module (Modellversuch Lernen im Arbeitsprozeß ) 4 Seiten, DIN A4 Laufzeit des Modellversuchs: Juni 1996 August 2000 Durchführungsträger: Berufsbildungszentrum Jena Förderkennzeichen: D 5813.00 Am Herrenberge 3, 07745 Jena Projektleiter: Jochen Daffinger Tel.: (0 36 41) 687-0, Fax: (0 36 41) 68 72 02 Päd. Mitarbeiter: Peter Adam Tel.: (0 36 41) 6 87-0, Fax: (0 36 41) 68 72 02 Starthilfe Sondershausen e.v. Förderkennzeichen: D 5810.00 Gartenstraße 13 d, 99706 Sondershausen Projektleiter: Jürgen Rauschenbach Tel.: (0 36 32) 6 69 80, Fax.: (0 36 32) 66 98 26 E-Mail: starthilfe-sondershausen@t-online.de Päd. Mitarbeiter: Dieter Hollenbach Tel.: (0 36 32) 6 69 80, Fax: (0 36 32) 66 98 26 E-Mail: starthilfe.berka@t-online.de Fachliche Betreuung im BIBB: Bundesinstitut für Berufsbildung Fehrbelliner Platz 3, 10707 Berlin Sabine Davids, Tel.: (0 30) 86 43-23 63, Fax: (0 30) 86 43-26 01 E-Mail: davids@bibb.de Förderung des Modellversuchs: Bundesministerium für Bildung und Forschung 53175 Bonn Frau Peter, Tel.: (02 28) 57-0 Thüringer Ministerium für Wirtschaft und Infrastruktur Max-Reger-Straße 4-8, 99096 Erfurt Herr Dr. Kehr, Tel.: (03 61) 3 79 73 31 Thüringer Ministerium für Soziales und Gesundheit Postfach 612, 99012 Erfurt Herr Möller, Tel.: (03 61) 3 79 84 30 Herr Hiemeyer, Tel.: (03 61) 3 79 82 32 Wissenschaftliche Begleitung: INBAS Institut für berufliche Bildung, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik GmbH - Landesbüro NRW Dellstraße 13, 47051 Duisburg Christoph Eckhardt Tel.: (02 03) 28 75 88, Fax: (02 03) 2 17 15 E-Mail: inbas.duisburg@t-online.de Claus Bölke, Trierer Straße 71, 99423 Weimar Tel.: (0 36 63) 50 28 93, Fax: (0 36 43) 50 28 95 E-Mail: synapse-weimar@t-online.de Text: Christoph Eckhardt (V. i. S. d. P.) Gestaltung: Peter Heberer INBAS (Hg.) Beschäftigung und Qualifizierung zum Berufsabschluß. Ein Leitfaden zur Planung und Entwicklung von Maßnahmen zur berufsbegleitendenden Nachqualifizierung in Thüringen (Broschüre DIN A5, ca. 50 Seiten, Schutzgebühr 9,00 DM) Neue Wege zum Berufsabschluß. Ein Handbuch zur berufsbegleiten Nachqualifizierung an- und ungelernter junger Erwachsener, (Hg.) Bundesministerium für Bildung und Forschung, Bundesinstitut für Berufsbildung, Bundesanstalt für Arbeit, Institut für berufliche Bildung, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik - INBAS GmbH, (Broschüre DIN A5, ca. 250 Seiten, kostenlos) Alle Publikationen können bezogen werden bei: INBAS GmbH Büro Duisburg Dellstraße 13 47051 Duisburg Tel.: (02 03) 28 75 88, Fax: (02 03) 2 17 15 E-Mail: inbas.duisburg@t-online.de Internet: http://www.inbas.com