Aktuelle Probleme des Datenschutzes im Call Center



Ähnliche Dokumente
Regina Steiner Silvia Mittländer Erika Fischer Fachanwältinnen für Arbeitsrecht

4. Qualitätssicherungskonferenz des Gemeinsamen Bundesausschusses am 27. September 2012 in Berlin

Datenschutz im Unternehmen. Was ist Datenschutz, und weshalb betrifft er unser Unternehmen?

Vorlesungsreihe Datenschutzrecht am ITM der WWU Münster. Beschäftigtendatenschutz/Aufsichtsbehörden

Internet/ Was darf der Arbeitnehmer, was darf der Arbeitgeber?

Datenschutz (Info-Veranstaltung f. Administratoren) H. Löbner Der Datenschutzbeauftragte. Was heißt denn hier Datenschutz?

Was sagt der Anwalt: Rechtliche Aspekte im BEM

Einführung in die Datenerfassung und in den Datenschutz

vom 15. Januar 1991 (ABl S. 36), geändert durch Verordnung vom 17. Januar 1995 (ABl. S. 41) Inhaltsverzeichnis

Bestandskauf und Datenschutz?

Arbeitnehmerdatenschutz / Leistungs- und Verhaltenskontrollen

Datenschutz ist Persönlichkeitsschutz

Datenschutz im Projekt- und Qualitätsmanagement Umfeld

Albrecht Kleinschmidt: Neue Rechtsprechung. Arbeitsrechtstag Rhein-Ruhr in Essen. Neue Rechtsprechung

Bayerisches Landesamt für Datenschutzaufsicht

Seite 1 von 7. Anlage 1. Erstes Anschreiben an den/die Beschäftigte/ -n. Frau/Herrn Vorname Name Straße PLZ Ort

Checkliste zur Erfüllung der Informationspflichten bei Datenerhebung

Rösler-Goy: Datenschutz für das Liegenschaftskataster 1

Inhalt. Datenschutz ist Grundrechtsschutz 4. Wessen Daten werden geschützt? 5. Wer muss den Datenschutz beachten? 6

Website-Abmahnungen wegen Datenschutzverstößen Eine Renaissance?

Betriebliche Sicherheitsvorschriften für Dienstleister isd DSG 2000

Facebook und Datenschutz Geht das überhaupt?

Mitarbeiterkontrolle

Datenschutz und Schule

Big Data, Amtliche Statistik und der Datenschutz

Nutzung dieser Internetseite

mit freundlicher Genehmigung der Kanzlei Kemper & Kollegen und ihres Mandanten Kurzgutachten

Checkliste «Datenbekanntgabe»

Auswirkung der neuen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auf Urlaubsund Urlaubsabgeltungsansprüche von Langzeiterkrankten.

Lösung Fall 8 Anspruch des L auf Lieferung von Panini á 2,-

BERECHNUNG DER FRIST ZUR STELLUNGNAHME DES BETRIEBSRATES BEI KÜNDIGUNG

II 1 Verantwortung der Leitung II 1.13 Datenschutzkonzept. Gültigkeitsbereich Verantwortlich Team

Von Stefan Lang und Ralf Wondratschek

Der Betriebsrat, die Jugend- und Auszubildendenvertretung

D i e n s t e D r i t t e r a u f We b s i t e s

Newsletter zum Thema Abmahnung

Der Schutz von Patientendaten

Öffnung dienstlicher E Mailfächer Wann darf der Arbeitsgeber tätig werden?

Videoüberwachung öffentlicher Plätze

Datenschutz online: Was helfen Gesetze?

FRAGE 39. Gründe, aus denen die Rechte von Patentinhabern beschränkt werden können

IMMANUEL DIAKONIE. Datenschutz Grundsätzlich ist verboten, was nicht ausdrücklich erlaubt ist.

Wir, gewählter Oberster Souverän von Gottes Gnaden, Treuhänder des

Einführung in die Datenerfassung und in den Datenschutz

Aufbewahrung von erweiterten Führungszeugnissen. Von Antje Steinbüchel, LVR-Landesjugendamt Rheinland

Außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung. Stellungnahme zu den Fristen bzw. Fristverkürzung im Beteiligungsverfahren. Jürgen Jendral (HMAV)

Mustervorlage Verpflichtung auf das Datengeheimnis - Stand: 1. März

Datenschutzunterweisung kompakt

Inhalt. Basiswissen Gesellschaftsrecht. I. Grundlagen 7

Arbeitnehmerdatenschutz Arbeitsrechtliche Aspekte

Datenschutz bei Rechtsanwälten

Ansätze für datenschutzkonformes Retina-Scanning

Newsletter Immobilienrecht Nr. 10 September 2012

Kursbeschreibung Ausbildung zum internen betrieblichen Datenschutzbeauftragten

Mustervertrag für Forschungs- und Entwicklungsaufträge der Technischen Universität Clausthal. Vom 10. März 2004 (Mitt. TUC 2004, Seite 165)

GPA-Mitteilung Bau 5/2002

Tabelle: Maßnahmen und Datenschutz-Kontrollziele zu Baustein 1.5 Datenschutz

Fall 3. Ausgangsfall:

Datenschutz im Spendenwesen

%HVRQGHUH$UWHQ3HUVRQHQEH]RJHQHU'DWHQ

Datenschutzrechtliche Vereinbarung nach 11 BDSG zur Verarbeitung personenbezogener Daten

Befristung Inkrafttreten des TzBfG BeschFG Abs. 1; TzBfG 14 Abs. 2 Satz 1 und 2

Informationsveranstaltung Camping- und Wassersporttourismus

Grundlagen des Datenschutzes und der IT-Sicherheit

Befristete Arbeitsverhältnisse

Beschwerdeverfahren 2.1.2

1.1.4 Wissen, was unter Verbot mit Erlaubnisvorbehalt schützen Wissen, was man unter personenbezogenen

Datenschutz und Geheimhaltungsvereinbarung (NDA) der FLUXS GmbH

Antrag'auf'Hilfeleistungen'aus'dem'Fonds'Sexueller'' Missbrauch'im'familiären'Bereich' '' A)'Zweck'des'Fonds'Sexueller'Missbrauch'

Datenschutz der große Bruder der IT-Sicherheit

Verband Bildung und Erziehung Landesbezirk Südbanden. Datenschutz, Sorgerecht und Schulanmeldung

Abmahnung, Kündigung & Co.

- durch die Pax-Familienfürsorge Krankenversicherung AG im Raum der Kirchen selbst (unter 2.1.),

Datenschutz-Unterweisung

Datenschutz und Datensicherung (BDSG) Inhaltsübersicht

Rechtsanwalt. Arbeitsverhältnis

Lösungsstichworte zu den Handelsregister-Fällen. Zu Fall 1: Anspruch des K gegen V auf Lieferung des Safts ( 433 I BGB)

Verordnung zum Schutz von Patientendaten in kirchlichen Krankenhäusern, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen (DSVO-KH)

Datenschutz - Ein Grundrecht

Hausarzt relevante medizinische Informationen übermittelt werden, sofern der Patient damit einverstanden ist und einen Hausarzt benennt.

Der Datenschutzbeauftragte

Arbeitnehmerdatenschutz - Datenschutz am Arbeitsplatz

Informationen zum Datenschutz im Maler- und Lackiererhandwerk

Monitoring und Datenschutz

Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag

Telearbeit - Geltungsbereich des BetrVG

Wie funktioniert ein Mieterhöhungsverlangen?

ANFANG DES NEUEN JAHRES FRAGEN SICH VIELE MITARBEITER, WAS AUS DEM RESTURLAUB DES VORJAHRES GEWORDEN IST.

Datenschutzrecht in Österreich und Deutschland Ein Vergleich. RA Marcel Keienborg

Datenschutz als Qualitäts- und Wettbewerbsfaktor

Rechtsanwältin Prof. Dr. Marlene Schmidt. Freiwillige Betriebsvereinbarungen an der Schnittstelle von BetrVG und BDSG

Vereinbarung. über elektronische Schließanlagen und Zutrittskontrollsysteme. zwischen dem Vorstand und dem Betriebs/Personalrat

Videoüberwachung mehr als nur Bilder

Für die MitarbeiterInnen kann das auch eine Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen

Erläuterungen zur Untervergabe von Instandhaltungsfunktionen

Der arbeitsrechtliche Problemkreis Sucht am Arbeitsplatz

UNIVERSITÄT ROSTOCK PERSONALRAT FÜR DIE WISSENSCHAFTLICH BESCHÄFTIGTEN (WPR)

Ende von Vertragsbeziehungen

Datenschutz eine Einführung. Malte Schunke

Transkript:

Aktuelle Probleme des Datenschutzes im Call Center Vortrag von Prof. Dr. Peter Wedde am 18. März 2013 Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 1 Hinweis Diese Kopie der Vortragsfolien von Prof. Dr. Peter Wedde ist urheberrechtlich geschützt. Sie ist ausschließlich für die Nutzung durch Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Fachtagung Call und Service Center am 18. März 2013 in Berlin bestimmt. Die Weitergabe an Dritte, die Veröffentlichung oder die Verwendung der Unterlagen im Rahmen von Präsentationen und Vorträgen ist nur mit schriftlicher Genehmigung des Verfassers zulässig. Kontakt: Wedde@da consulting.de Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 1

Kontrollen in Call Centern Inhalte des Vortrags I. Einführung die Praxis II. Rechtliche Bewertung: Zulässigkeit des Mithörens und Aufzeichnens von Gesprächen Offenes bzw. bekanntes Mithören bzw. Aufzeichnen Heimliches Mithören Heimliches Aufzeichnen III. Vertragliche Verpflichtungen des Arbeitgebers gegenüber Dritten IV. Regelungsmöglichkeiten und Regelungsbefugnisse von Betriebsräten Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 3 I. Einführung die Praxis Im Bereich der Call Center besteht eine große Differenz zwischen o dem rechtlich zulässigen Handeln von Arbeitgebern und o der tatsächlichen Situation, in der sich Bewerber und Beschäftigte befinden. Dies führt zu zahlreichen Problemen Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 4 Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 2

Probleme Beispiel 1 Bewerbern für eine Stelle in einem Call Center wird der Vertragsabschluss zugesagt. Zusammen mit einem vom Arbeitgeber noch nicht unterschriebenen Arbeitsvertrag erhalten sie eine Qualitätssicherungserklärung, mit der sie in das offene (und teilweise auch in das heimliche) Mithören einwilligen. Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 5 Probleme Beispiel 2 Der Betriebsrat in einem Call Center wird vom Arbeitgeber aufgefordert, der Einführung eines Monitoring Systems zuzustimmen, das das jederzeitige Aufschalten von Vorgesetzten in Gespräche ermöglicht. In einem anderen Unternehmen will der Arbeitgeber ein Drittunternehmen mit entsprechenden Qualitätssicherungsmaßnahmen beauftragen. Beide Arbeitgeber begründen die Notwendigkeit mit Kundenanforderungen. Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 6 Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 3

Probleme Beispiel 3 Zu Beginn eines Gesprächs bittet ein Kunden den Call Center Mitarbeiter darum, dass das Gespräch nicht mitgeschnitten werden soll. Er beruft sich dabei auf eine entsprechende Ansage während der Wartezeit. Der Mitarbeiter weiß von nichts und teilt dies dem Kunden auch mit. Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 7 Probleme Beispiel 4 In einem Call Center wird ein Mitarbeiter von einem Vorgesetzten darauf angesprochen, dass sein Telefonverhalten suboptimal sei. Der Vorgesetzte zitiert Aussagen des Mitarbeiters aus Gesprächen. Auf Nachfrage teilt der Vorgesetzte mit, dass eine Firma in der Schweiz Testanrufe durchgeführt und Telefonkunden befragt hat. Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 8 Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 4

Probleme Beispiel 5 In einem Call Center teilt der Arbeitgeber dem Betriebsrat mit, dass ein großer Kunde sich künftig in die Telefonanlage einschalten will, um Qualitätskontrollen durchführen zu können. Der Arbeitgeber verweist darauf, o dass kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht und o dass ohne das Zugeständnis der Auftrag gekündigt wird. Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 9 II. Rechtliche Bewertung: Zulässigkeit des Mithörens und Aufzeichnens von Gesprächen 1. Rechtlicher Rahmen Arbeitsrechtliche Pflicht des Arbeitnehmers? (Beschäftigten )Datenschutzrecht 2. Offenes bzw. bekanntes Mithören bzw. Aufzeichnen 3. Heimliches Mithören 4. Heimliches Aufzeichnen Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 10 Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 5

Arbeitsrechtliche Pflicht zur Hinnahme von Kontrollen? Eine allgemeine arbeitsrechtliche Verpflichtung zur Hinnahme von Kontrollen aller Art gibt es nicht. Arbeitgeber dürfen aber beispielsweise die Art der Arbeitsdurchführung kontrollieren. Grenzen: Elementare Rechte der Beschäftigten wie etwa o Art. 1 Abs. 1 GG Menschenwürde o Art. 1 Abs. 1 GG Freie Entfaltung der Persönlichkeit o Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung o Grundrecht auf Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme o Recht am eigenen Wort / Recht am eigenen Bild Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 11 Grenzen für Kontrollen durch Arbeitgeber Es sind nur solche Kontrollen zulässig, die o erforderlich und o verhältnismäßig sind. Im konkreten Fall bestimmt sich die Zulässigkeit von Kontrollen aus einer Rechtsgüterabwägung zwischen Rechten der beiden Vertragsparteien. Einem Anspruch von Arbeitgebern auf umfassende Mithörmaßnahmen stehen überwiegende Rechte der Beschäftigten entgegen. Ein allgemeines Recht zum Mithören gibt es auch in Call Centern nicht. Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 12 Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 6

Kontrollmaßnahmen aus datenschutzrechtlicher Sicht Mangels eines speziellen Beschäftigtendatenschutzgesetzes kommen in Call Centern die allgemeinen Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes zur Anwendung. Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 13 BDSG und Call Center Das datenschutzrechtlich Zulässige bestimmt sich wesentlich nach den folgenden Vorschriften: o 4 Abs. 1 BDSG: Allgemeine Zulässigkeitsvoraussetzungen (Verbotsgesetz mit Erlaubnisnormen) o 4a Abs. 1 BDSG: Anforderungen an eine wirksame Einwilligung o 3a BDSG: Datenvermeidung oder sparsamkeit o 28 Abs. 1 Satz 2 / 4 Abs. 3 BDSG: Zweckbindung o 11 BDSG: Auftragsdatenverarbeitung o 33 Abs. 1 BDSG: Information der Beschäftigten o 35 Abs. 2 Nr. 1 BDSG: Datenlöschung o 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG: Erlaubnisnorm im Arbeitsrecht. Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 14 Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 7

32 BDSG auch in Call Centern die grundlegende Erlaubnisnorm 32 Datenerhebung, verarbeitung und nutzung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses 1. 1 Personenbezogene Daten eines Beschäftigten dürfen für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. 2 Zur Aufdeckung von Straftaten dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten nur dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Betroffene im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung zur Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten an dem Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind. 2. Abs. 1 ist auch anzuwenden, wenn personenbezogene Daten erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, ohne dass sie automatisiert verarbeitet oder in oder aus einer nicht automatisierten Datei verarbeitet, genutzt oder für die Verarbeitung oder Nutzung in einer solchen Datei erhoben werden. 3. Die Beteiligungsrechte der Interessenvertretungen der Beschäftigten bleiben unberührt. Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 15 Ist Mithören / Aufzeichnen für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses erforderlich? BAG vom 30.8.1995 (1 ABR 4/95) Eine Betriebsvereinbarung, die es dem Arbeitgeber erlaubt, externe Telefongespräche der Arbeitnehmer in deren Gegenwart zu Ausbildungszwecken mitzuhören, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Entscheidung bezog sich o auf einen eng begrenzten Zeitraum und o auf erkennbares Mithören Eine allgemeine Erforderlichkeit leitet sich weder aus dieser Entscheidung noch aus anderen ab. Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 16 Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 8

Mangels Erforderlichkeit gemäß 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG gibt es kein Recht zum Mithören Datenschutzrechtlich gibt es mangels Erlaubnisnorm gemäß 4 Abs. 1 BDSG kein Recht zum Mithören. Grundsätzlich könnte es per Betriebsvereinbarung geschaffen werden (vgl. dazu Teil IV). Arbeitgebern verbleibt damit nur die Möglichkeit der Einholung einer Einwilligung gemäß 4a BDSG. Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 17 4a BDSG Einwilligung der Betroffenen 1) Die Einwilligung ist nur wirksam, wenn sie auf der freien Entscheidung des Betroffenen beruht. Er ist auf den vorgesehenen Zweck der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung sowie, soweit nach den Umständen des Einzelfalles erforderlich oder auf Verlangen, auf die Folgen der Verweigerung der Einwilligung hinzuweisen. Die Einwilligung bedarf der Schriftform, soweit nicht wegen besonderer Umstände eine andere Form angemessen ist. Soll die Einwilligung zusammen mit anderen Erklärungen schriftlich erteilt werden, ist sie besonders hervorzuheben. (2) Im Bereich der wissenschaftlichen Forschung liegt ein besonderer Umstand im Sinne von Absatz 1 Satz 3 auch dann vor, wenn durch die Schriftform der bestimmte Forschungszweck erheblich beeinträchtigt würde. In diesem Fall sind der Hinweis nach Absatz 1 Satz 2 und die Gründe, aus denen sich die erhebliche Beeinträchtigung des bestimmten Forschungszwecks ergibt, schriftlich festzuhalten. (3) Soweit besondere Arten personenbezogener Daten ( 3 Abs. 9) erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, muss sich die Einwilligung darüber hinaus ausdrücklich auf diese Daten beziehen. Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 18 Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 9

4a Abs. 1 BDSG Die Einwilligung ist nur wirksam, wenn sie auf der freien Entscheidung des Betroffenen beruht. Er ist auf den vorgesehenen Zweck der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung sowie, soweit nach den Umständen des Einzelfalles erforderlich oder auf Verlangen, auf die Folgen der Verweigerung der Einwilligung hinzuweisen. Die Einwilligung bedarf der Schriftform, soweit nicht wegen besonderer Umstände eine andere Form angemessen ist. Soll die Einwilligung zusammen mit anderen Erklärungen schriftlich erteilt werden, ist sie besonders hervorzuheben. Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 19 Gibt es im Arbeitsverhältnis Freiwilligkeit? Das Bestehen einer notwendigen Freiwilligkeit wird für den Bereich des Arbeitsverhältnisses von einer Reihe von Wissenschaftlern in Frage gestellt. Freiwilligkeit besteht jedenfalls dann nicht, wenn befürchtet werden muss, dass ohne ein Einwilligung ein Arbeitsvertrag nicht abgeschlossen oder eine Probezeit vorzeitig beendet wird. Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 20 Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 10

Verzicht auf Grundrechte ist auf der Grundlage einer Basis einer Einwilligung ebenso möglich wie das Einräumen von Rechten zugunsten eines Arbeitgebers. Voraussetzung ist jedoch, o dass die Einwilligung wirksam, dh. in Kenntnis der Konsequenzen und o in datenschutzrechtlich notwendiger Art und Weise freiwillig erfolgt ist. Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 21 Freiwilligkeit nach der Rechtsprechung BVerfG vom 19.8.1981 (2 BvR 166/81) Freiwilligkeit ist nur gegeben, wenn die Entscheidung nicht unter Druck oder in einer Zwangslage getroffen wurde. Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 22 Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 11

Beweislast / Widerruf Beweislast: Wer aus einer erteilten Einwilligung Rechte herleitet, muss deren Wirksamkeit im Streitfall auch beweisen können. Widerruf: Das Wesen der Freiwilligkeit besteht bei einer Einwilligung auch darin, dass jederzeit ein Widerruf möglich sein muss. Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 23 Ist offenes bzw. bekanntes Mithören zulässig? Eine Zulässigkeit ist nur gegeben, o wenn eine wirksame Einwilligung vorliegt oder o wenn eine Betriebs / Dienstvereinbarung entsprechende Erlaubnisnormen enthält. Unzulässig sind in jedem Fall o Kontrollvarianten, die unzulässig in Persönlichkeitsrechte von Beschäftigten eingreifen wie etwa dauerhafte Kontrollen Formen von Totalkontrollen (etwa Bildschirminhalt + Sprache) Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 24 Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 12

Ist heimliches Mithören zulässig? Heimlichen Mithören von Telefongesprächen ist nach den Aussagen der höchsten deutschen Gerichte unzulässig. Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 25 Relevante Aussagen des Bundesverfassungsgerichts 1983: Recht auf informationelle Selbstbestimmung = Verfügungsgewalt über eigene Daten 1991: Vertraulichkeit von Telefongesprächen im Arbeitsverhältnis = Schutz vor heimlichen und unbemerkten Abhörmaßnahmen des Telefons: Der Arbeitnehmer muss selbst bestimmen können, wem er seine Worte zugänglich macht 2008: Grundrechtrecht auf Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme (GRV ITS) = Schutz vor heimlicher Kontrolle 2010: Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsdaten = Unzulässigkeit der Vorratsdatenspeicherung im Arbeitsverhältnis Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 13

Relevante Aussagen des Bundesarbeitsgerichts 1997: Unzulässigkeit des heimlichen und unbemerkten Abhörens von Telefongesprächen (= Übertragbar auf die Kontrolle von E Mail und Internet Nutzung) 1983: Das Mitbestimmungsrecht nach 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG besteht, sobald eine technische Einrichtung Verhaltens und Leistungskontrollen auch nur ermöglicht (6.12.1983) Auf einen Überwachungswillen kommt es nicht an. 2003/2004: Schutz vor heimlicher und ausufernder Videoüberwachung Wenn es mildere Kontrollmöglichkeiten gibt als permanente Videokontrollen, muss der Arbeitgeber diese nutzen. 2008: Erkennbare Videoüberwachung in bestimmten Fällen, wenn sie verhältnismäßig ist 2012: Heimliche Videoüberwachungen dürfen beim Vorliegen eines konkreten Tatverdachts ausnahmsweise verwertet werden. Heimliches Abhören im Call Center weiterhin unzulässig Trotz der Entscheidung des BAG vom 21.6.2012 bleiben heimliche Kontrollen in Call Centern unzulässig. Dies folgt bereits aus dem Grundrecht auf Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme. Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 28 Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 14

Ist das heimliche Mitschneiden von Telefongesprächen zulässig? 201 Strafgesetzbuch: Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes (1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer unbefugt 1.das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufnimmt oder 2.eine so hergestellte Aufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht. (2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt 1.das nicht zu seiner Kenntnis bestimmte nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen mit einem Abhörgerät abhört oder 2.das nach Absatz 1 Nr. 1 aufgenommene oder nach Absatz 2 Nr. 1 abgehörte nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen im Wortlaut oder seinem wesentlichen Inhalt nach öffentlich mitteilt. (4) Der Versuch ist strafbar. (5) Die Tonträger und Abhörgeräte, die der Täter oder Teilnehmer verwendet hat, können eingezogen werden. 74a ist anzuwenden. Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 29 Zwischenergebnis 1. Offenes Mithören oder Mitschneiden von Gesprächen in Call Centern bedarf entweder einer freiwilligen Einwilligung oder einer wirksamen Betriebsvereinbarung. 2. Heimliches Mithören ist unzulässig. 3. Heimliches Mitschneiden ist strafbar. Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 30 Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 15

III. Vertragliche Verpflichtungen des Arbeitgebers gegenüber Dritten Geht ein Arbeitgeber mit Dritten Verträge ein, entbindet ihn das nicht von der Verpflichtung gegenüber seinen Beschäftigten, geltendes Recht einzuhalten. Verlangt ein Auftraggeber von einem Arbeitnehmer rechtlich unzulässiges oder fragwürdiges Handeln, leitet sich hieraus keine datenschutzrechtliche Befugnis i.s. von 4 Abs. 1 BDSG ab. Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 31 Verträge mit Dritten aus datenschutzrechtlicher Sicht = 11 BDSG Qualitätskontrollen durch Vertragspartner können im Rahmen eines Auftrags gemäß 11 BDSG in Form eines Auftrags vereinbart werden. Die Zwecke gewollter Kontrollen müssen gemäß 11 Abs. 2 Nr. 2 BDSG konkret festgelegt werden. Auftragsverhältnisse nach 11 BDSG legitimieren keine Maßnahmen, die im Widerspruch zum BDSG stehen. Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 32 Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 16

Verträge mit Dritten aus datenschutzrechtlicher Sicht = Funktionsübertragung Alternativ zu einem Auftrag kommt eine sog. Funktionsübertragung in Betracht. Die Übermittlung von Beschäftigtendaten an Dritte (Auftraggeber) ist in diesen Fällen aber nach 28 Abs. 2 BDSG nur zulässig, wenn kein Grund zu der Annahme besteht, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen am Ausschluss der Verarbeitung bestehen. Praktisch für den hier zu bewertenden Zusammenhang also gar nicht! Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 33 IV. Regelungsmöglichkeiten und Regelungsbefugnisse von Betriebsräten Offenes oder unbemerktes Mithören in Call Centern kann grundsätzlich durch eine Betriebsvereinbarung (=Erlaubnisnorm gemäß 4 Abs. 1 BDSG) ermöglicht werden. Ein einschlägiges Mitbestimmungsrecht folgt insbesondere aus 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Die Handlungsmöglichkeiten von Betriebsräten finden ihre Grenzen aber in Normen des höherrangigen zwingenden staatlichen Rechts. Hierzu gehören neben Gesetzen, Verordnungen und Unfallverhütungsvorschriften auch die Grundrechte der Beschäftigten. Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 34 Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 17

Rechtliche Grenzen für Betriebsvereinbarungen zum Thema Ab und Mithören Rechtliche Grenzen für Abschlussbefugnisse von Betriebsräten leiten sich beispielsweise ab aus o 134 BGB = Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts wegen des Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot. o 138 BGB = Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts wegen des Verstoßes gegen die guten Sitten. o 75 Abs. 2 BetrVG = Schutz der Persönlichkeit der einzelnen Arbeitnehmer und deren freier Entfaltung durch Arbeitgeber und Betriebsrat Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 35 75 Abs. 2 BetrVG Die Vorschrift verpflichtet die Betriebspartner zur Wahrung der grundrechtlich geschützten Freiheitsrechte. Das macht schon der an Artikel 2 Abs. 1 GG orientierte Wortlaut deutlich (...). Artikel 2 Abs. 1 GG erfasst nicht nur einen absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung, sondern schützt jede Form menschlichen Handelns ohne Rücksicht darauf, welches Gewicht der Betätigungsfreiheit für die Persönlichkeitsentfaltung zukommt. (BVerfG vom 9.3.1994, BVerGE 90, 145 (171 ff.), NJW 1994, 1577.) Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 36 Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 18

Inhalt von Regelungen zum Thema Ab und Mithören Mit Blick auf den Regelungsgehalt von 75 Abs. 2 BetrVG dürfen Betriebsvereinbarungen keine umfassenden Ab und Mithörrechte enthalten. Zulässig können Kontrollmöglichkeiten allenfalls sein o für definierte Zeiträume (etwa Einarbeitungszeit) oder o für bestimmte Zwecke (etwa konkrete Schulungsvorhaben). Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 37 75 Abs. 2 BetrVG ist eine Schutznorm 75 Abs. 2 BetrVG schützt Beschäftigte und Betriebsräte gleichermaßen o Beschäftigte werden vor unzulässigen Eingriffen in ihre Persönlichkeitsrechte geschützt. o Betriebsräte werden davor geschützt, in Verhandlungen von Arbeitgebern unzulässig unter Druck gesetzt werden zu können. Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 38 Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 19

Fazit Betriebsräte können unzulässige Kontrollformen in Call Centern auf der Grundlage bestehender Mitbestimmungsrechte regeln und damit Risiken für Beschäftigte begrenzen. Ohne Betriebsräte haben Beschäftigte zwar das Recht, unzulässigen Kontrollen nicht zuzustimmen. In der Praxis bedeutet die Wahrnehmung dieses Rechts aber oft das Aus für angestrebte Tätigkeiten. Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 39 Dr. Peter Wedde Kompetenzzentrum für Beschäftigtendatenschutz Direktor der Europäischen Akadamie der Arbeit in der Universität Frankfurt Professor für Arbeitsrecht und Recht der Informationsgesellschaft Mertonstraße 30, 60325 Frankfurt Tel.: 069 772021 Mail: Wedde@em.uni frankfurt.de Wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Datenschutz, Arbeitsrecht und Technologieberatung d+a consulting GbR Hasenborn 9a, 65817 Eppstein/Ts. Tel.: 06198 8045 Mail: Wedde@da consulting.de Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 20

Call Center & Datenschutz Berlin 18.3.2013 Wedde 2013 / Seite 21