Mali - vom Musterstaat zum Krisenherd

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http://en-paz.de/konflikt/mali 1 Mali - vom Musterstaat zum Krisenherd Mali Hauptstadt: Bamako Präsident: Ibrahim Boubacar Keïta Währung: CFA-Franc Bevölkerung: 14,5 Mio. (2009) Amtssprache: Französisch Staatsform: Republik Konfliktbeschreibung Das einstige demokratische Musterkind Mali hat seine Unschuld verloren. Die andauernde bewaffnete Auseinandersetzung zwischen radikalen Islamisten und einer Koalition malischer und französischer Truppen hat den Norden des Landes ins Chaos gestürzt. Mehrere Hunderttausend Menschen mussten wegen den teils gravierenden Menschenrechtsverletzungen fliehen. Die Wirtschaft des Landes liegt seitdem brach. Dies ist der Preis, den das Land mit dem Weltkulturerbe Timbuktu für sein Versäumnis zahlen muss, die Ursachen dieses vorhergesagten Konflikts nicht viel früher gelöst und stattdessen einen Kurs der Ignoranz und Überheblichkeit gegenüber seinen Minderheiten gefahren zu haben. Ein mindestens zweigeteiltes Land Mali ist seit jeher ein zweigeteiltes Land. Im wüstenbedeckten aber rohstoffreichen Norden und in der Sahelzone leben hauptsächlich Araber und Tuareg, den fruchtbaren Zivile Konflikttransformation Entwaffnung, Annäherung und Verständigung Da dem Konflikt im Norden Malis weder internationale Ausmaße noch divergierende Interessen der großen Global Player innewohnen, bestehen gute Chancen, den Konflikt zu auf zivilem Wege zu lösen. Das dies leicht oder sehr wahrscheinlich geschehen wird ist damit nicht gesagt. Als erster Ansatz muss die Entwaffnung vor allem der islamistisch-militanten Tuareg erfolgen. Dies darf aber nicht als Versuch gedeutet werden, ihnen weitere Autonomie zu nehmen. Hier muss es um schwere Waffen wie Boden-Luft Raketen, Panzerabwehrwaffen oder Artillerie gehen. Eine solche Gratwanderung erfolgreich durchzuführen ist von den malischen Behörden derzeit nicht zu erwarten. Dazu muss das tiefe Misstrauen bei den Tuareg beseitigt werden. Dies könnte über die längst überfällige Umsetzung des Friedensabkommens von 1995 erreicht werden, wo den Tuareg Mitspracherechte und Autonomie

2 Süden bewohnen zahlreiche verschiedene einheimische Stämme, die teils untereinander verwandt sind. Da Mali eine ehemalige französische Kolonie ist, entsprechen die Grenzen des Landes ehemaligen Einflusssphären der Kolonialherren und stellen keine ethnische oder kulturelle Trennlinie dar. In diese kulturelle, ethnische und linguistische Vielfalt mischt sich leider auch eine soziale Ungleichheit. Während die Menschen im Süden einen relativen Wohlstand halten kann der Norden, obwohl rohstoffreich, nicht mithalten. Dies liegt einerseits am harten und entbehrungsreichen Leben in der Wüste und andererseits am Nomadenleben der Tuareg, die eine starke Diskriminierung und Marginalisierung in Mali und anderen Nachbarstaaten erfahren. Das hatte bereits seit der Gründung des Staates Mali zu Aufständen der Tuareg geführt, die entweder blutig niedergeschlagen oder mit nicht eingehaltenen Versprechen vertröstet wurden. So wurden beispielsweise die in einem Friedensabkommen 1995 zwischen Mali und den Tuareg abgemachten Punkte von Mali aus nicht erfüllt. Doch wer sind diese Tuareg, die als Auslöser der krisenhaften Entwicklung in Mali gelten? Das Drama der Tuareg in der Tragödie Malis Die Tuareg sind ein nomadisches Berbervolk, das in fünf nordafrikanischen Ländern (Libyen, Algerien, Mali, Niger und Burkina Faso) lebt. Obwohl der Name Tuareg eine Bezeichnung aus der Kolonialzeit darstellt, ist er heute weit verbreitet. Die Tuareg bezeichnen sich nebst anderen Namen jedoch als Kel Tamashek, was Die Leute, die Tamashek sprechen bedeutet. Obwohl viele von ihnen heute sesshaft sind, haben sie kaum politische Mitspracherechte und werden diskriminiert. Der Klimawandel und die Globalisierung sind ebenfalls Faktoren, die den Tuareg das Leben schwer machen. Durch den Klimawaversprochen wurde. Dafür sind aber mehrere Dinge notwendig: Als erstes müssen die noch im Lande befindlichen Islamisten vertrieben werden. Diese stellen eine Gefahr sowohl für die Tuareg als auch für die malische Regierung dar. Als zweiter Schritt muss Frankreich all seine Bodentruppen aus Mali abziehen. Dieser Akt des Vertrauens ist nötig, um einerseits das Heft des Handelns und damit den Willen zur Aussöhnung in die Hände der malischen Regierung zu geben, und andererseits um die von französischen Truppen ausgehende Bedrohungswahrnehmung der Tuareg zu reduzieren. Konflikt-Akteure: - malische Regierung - Tuareg Rebellen (MNLA) - Islamisten (Ansar Dine, MUJAO, AQMI...) - Frankreich - Vereinte Nationen - Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) Dazu sind jedoch finanzielle Aufwände und professionelle Expertise notwendig, die Mali nicht alleine stemmen kann. NGOs müssen diesen Prozess begleiten und Geld für die Verbesserung der Lebenssituation der Tuareg bereitstellen. Bildung und Aufklärungskampag-

3 ndel fällt immer weniger Niederschlag in ihrem Lebensraum, der Wüste Sahara, auf den sie als Viehzüchter und Kleinbauern angewiesen sind. Zusätzlich sind in ihrem rohstoffreichen Lebensraum zahlreiche Förderstätten für Bodenschätze entstanden, in denen sie meistens als Zaunwächter oder Wärter arbeiten und in Wohncontainern leben. Ihr Traum, ein eigener Wüstenstaat Azawad, existiert jedoch seit jeher. Dort wollen sie ein unabhängig und autonomes Leben nach ihren Bräuchen und Sitten führen, das ihnen in Mali verwehrt wird. In einem alten populären Volkslied der Tuareg heißt es: Kel Tamashek, Volk der Tuareg, wacht auf, die Welt dreht sich zu schnell, wacht auf, passt auf, erhebt euch. Ähnliche Aufrufe zum bewaffneten Widerstand finden sich auch in der Kunst und der Bildsprache der Tuareg. Von der erfolgreichen Loslösung des Südsudan und den jüngsten Revolutionen in der arabischen Welt inspiriert findet seit 2012 eine erneute Protestwelle der Tuareg statt, die in ihrem Ausmaß und den Rahmenbedingungen eine neue Qualität und Intensität gegenüber den vergangenen Aufständen einnimmt. Das hat mehrere Gründe. Zum einen haben die Tuareg im Jahr 2011 und 2012 eine Dürre und Hungersnot erlebt, die vielen von ihnen das Leben kostete. Sie warfen der malischen Regierung vor, den Hunger nicht ausreichend bekämpft zu haben. Der Tourismus kollabierte, die Geiselnahmen in der Sahara als Geldquelle stiegen an und der Drogenhandel florierte. Dies führte zur Entstehung alternativer Herrschaftsstrukturen; der Einfluss der malischen Zentralregierung im Norden schwand dahin. Diese Entwicklung nahmen die Tuareg als Anlass für einen erneuten Aufstand, der die Loslösung des Norden Malis und die Gründung des eigenen Staats Azawad erzwingen sollte. Hauptkriegnen sind nötig, um den Alltagsrassismus und die nationale Ideologie aus den Köpfen der Malier (und der Tuareg) zu verdrängen. Nachbarstaaten wie Algerien können dabei als Vorbild dienen. Gelingt dieses Vorhaben, stehen die Chancen auf eine Aussöhnung der beteiligten Konfliktparteien gut. Entwaffnung gegen ökonomische, soziale und politische Partizipation muss als Maxime für den Friedensprozess in Mali gelten. Links zum Konflikt: Mehr zum Konflikt: http://bit. ly/kfnau2 (Podcast) Mehr zum Land: http://www. auswaertiges-amt.de/de/ Aussenpolitik/Laender/ Initiativen zur Zivilen Konfliktbearbeitung: http://www.en-paz. de/news/monitoring-projektzivile-konfliktbearbeitung-dossier-vi-der-mali-konflikt Laenderinfos/01-Nodes_Uebersichtsseiten/Mali_node.html

4 streiber war die Nationalbewegung zur Befreiung des Azawad (MNLA) der Tuareg, die zuvor mit diplomatischen Mitteln kämpfte, sich seit der Dürre aber zunehmend radikalisierte. Das ist das Drama der Tuareg. Zweifelhafte Verbündete, haufenweise Waffen und eine unfähige Regierung Um ihre Ziele diesmal zu erreichen suchten und fanden die Tuareg Verbündete. Da die meisten Tuareg Moslems sind und nicht wenige der radikal-islamistischen Gruppierung Ansar Dine nahe stehen, sympathisierten weitere radikal-islamistische Organisationen wie Al-Quaida im islamischen Maghreb (AQMI) und die Bewegung für Einheit und Dschihad in Westafrika (MUJAO) mit der Idee eines islamischen Azawad und schickten Waffen und Kämpfer in den Norden Malis. Im Frühjahr 2012 stand eine Koalition aus MNLA, Ansar Dine, AQMI und MUJAO gegen das malische Militär. Nach und nach eroberten sie Gebiete und wichtige Städte des Nordens. Dazu zählen die wichtigen Provinzhauptstädte Timbuktu, Gao und Kidal. Dieser Entwicklung ging jedoch eine zusätzliche Bewaffnung der MNLA voraus. Nach dem Sturz des libyschen Diktators Gaddafi standen seine Waffen- und Munitionsvorräte teilweise unter dem Kommando seiner Offiziere, die oftmals den Tuareg angehörten. Einige Veteranen flohen nach Mali und brachten libysche Waffen und Kriegserfahrung mit, die beim Kampf um den Wüstenstaat Azawad helfen sollten. Parallel dazu verlief in Bamako, der malischen Hauptstadt im Süden ein Putsch. Verärgert über die Ohnmacht der Regierung, die Tuareg-Rebellen zu entwaffnen, putschten einige hochrangige Militärs im März 2012 die Regierung von Präsident Tour und übernahmen die Macht. Das entstandene Chaos stärkte die Allianz aus MNLA und den Islamisten, sodass sie weitere Teile des Nordens erobern konnten. Das ist die Tragödie Malis. Aus einem Kulturkampf wird ein Religionskampf Nach und nach nahm die Koalition für die Befreiung des Azawad den gesamten Norden ein. Anfang April 2012 verkündete die MNLA die Unabhängigkeit des Azawad und beendete die Offensive gegen die malischen Regierungstruppen. Die MNLA forderte die internationale Anerkennung des Azawad und formulierte eine Unabhängigkeitserklärung, die im Einklang mit den Grundsätzen der Vereinten Nationen stand und die Grenzen der Nachbarländer anerkannte. Der Fluss Niger im Norden Malis. Some Rights Reserved by Marco Dormino, UN Multimedia. Ab April 2012 kam es jedoch zu einer unerwarteten Entwicklung: Die islamistischen Verbündeten waren mit der Unabhängigkeitserklärung der MNLA nicht einverstanden, da diese weder die Einführung der Scharia als geltendes

5 Recht vorsah, noch im Einklang mit dem Islam stand, und kündigten ihre Koalition mit den Tuareg auf. Die Tuareg wurden aus den von ihnen kontrollierten Gebieten vertrieben und teilweise entwaffnet. Die Islamisten setzten ihren Eroberungsfeldzug fort. Hier begann sich die Tragik des Konflikt zu entfalten. In den von ihnen kontrollierten Gebieten setzten die Islamisten die Scharia ein, begannen mit der systematischen Zerstörung antiislamischer Kulturdenkmäler (vor allem im Weltkulturerbe Timbuktu) und errichteten ein von Willkür geprägtes Terrorregime. Aus diesem Zeitraum sind zahlreiche Steinigungen, Verstümmelungen und Vergewaltigungen überliefert und dokumentiert, die beispielsweise bei Vergehen wie Ehebruch, Diebstahl oder Alkoholmissbrauch angewendet wurden. Die Konfliktlinien und wechselten nun von Tuareg gegen Regierung in Islamisten gegen Regierung, der Konfliktgegenstand von einem ethnischen zu einem religiösen. (Operation Serval) an der bereits französische Eliteeinheiten beteiligt sind. Am 20. Januar hat die Koalition aus französischen und malischen Soldaten den Süden unter ihren Einfluss gebracht. ECOWAS schickte ebenfalls Truppen und Ende Januar 2013 fielen auch Timbuktu und Gao unter ihre Kontrolle. Damit war die offene Auseinandersetzung beigelegt die Gefahr aber längst nicht gebannt. Viele Islamisten zogen sich in das unwegsame und felsige Grenzgebiet zwischen Mali, Algerien und Niger zurück und operieren von dort aus weiter. Die Internationale Gemeinschaft gibt grünes Licht für eine Intervention Frankreich folgt dem Aufruf Da die militärisch erfolgreichen Islamisten eine Gefahr für die Stabilität der gesamten Region darstellten und die Mali militärisch nichts entgegenzusetzen hatte, verabschiedete der UN Sicherheitsrat am 12. Oktober 2012 eine Resolution, wonach die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS einen Plan zur Bekämpfung der Islamisten vorlegen müsse. Am 20. Dezember folge schließlich grünes Licht für die Stationierung internationaler Truppen in Mali. Als die Islamisten am 10. Januar drohen, die Hauptstadt Bamako zu übernehmen, bittet die malische Regierung Frankreich offiziell um militärische Unterstützung. Einen Tag später startet die malische Armee eine Gegenoffensive Die Sahara - der natürliche Lebensraum der Tuareg. Some Rights Reserved by BockoPix, FlickR Bodenschätze und Erdöl locken mit saftigen Dividenden An dieser Stelle könnte man Frankreich zu seinem selbstlosen und heldenhaften Eingreifen für den Schutz der malischen Bevölkerung gratulieren. Oder man wirft einen Blick auf die Energieversorgungslage Frankreichs und die Bodenschätze, die es in Mali zu heben gibt. Frankreich ist als ist mit einem Anteil von über 78% Kernenergie in seinem Energiemix (weltweite Spitze) in höchstem Maße vom Uranimport abhängig, das in Mali und Nachbarländern wie Niger reichlich vorkommt. Frankreich ist außerdem Hauptabnehmer für Uran aus dieser Region. Eine instabile

6 Lage in Mali würde somit Frankreichs Energieversorgung bedrohen oder zumindest drastisch verteuern. Somit ist Frankreich vor allem an malischen Ressourcen interessiert. Des weiteren gibt es im Norden Malis noch drei unerschlossene Erdölfelder. Mit einer Truppenpräsenz von über 2500 Soldaten in Mali hat Frankreich gute Aussichten, sich die Lizenzen für die Förderung zu sichern. Die Ursachen des Konflikts bestehen weiterhin Dieser militärische Erfolg kann aber nicht über die immer noch bestehenden und seit der Niederlage der Tuareg zunehmenden Probleme der Diskriminierung und Marginalisierung des Kel Tamashek hinwegtäuschen. Die ethnischen Fronten zwischen den Tuareg, den Arabern und den Stammesangehörigen sind hart wie nie. Von den Islamisten in den Süden vertriebene Tuareg werden dort verfolgt und misshandelt. Einige von ihnen versuchten den von ihnen ins Rollen gebrachten Konflikt wieder gut zu machen und schlossen sich der malischen Armee zur Bekämpfung der Islamisten an. Hilfsorganisationen finden immer wieder verstecke hungernde Tuareg, die aus Angst vor Racheakten ihr Versteck nicht verlassen möchten. Das ist das Drama der Tuareg in der Tragödie Malis. Wer ist nun Schuld an diesem Konflikt? Der Anlass waren sicherlich die Tuareg und ihr bewaffneter Feldzug zur Befreiung des Azawad. Die Ursachen liegen jedoch tiefer. Neben Ursachen wie Armut, Marginalisierung und Diskriminierung der Tuareg, Rassismus auf allen Seiten der Bev Tuareg mit traditioneller Kopfbedeckung. Some Rights Reserved by D-Stanley, FlickR ölkerung (vor allem von den Arabern, die sich als bessere, weil ursprünglichere Moslems verstehen), Nationalismus der Tuareg, der Bewaffnung der MNLA und der Zweck-Verbrüderung mit islamistischen Terroristen spielt vor allem das Unvermögen der malischen Regierung, den Tuareg in ihren Forderungen entgegenzukommen, eine große Rolle. Der repressive Umgang und die Nichterfüllung zugesagter Versprechen verstärkten bei den Tuareg immer mehr die Einsicht, ein eigener Staat sei für das Fortbestehen ihres Lebensstils unumgänglich. Wie man diese Fragen anders lösen kann zeigt Algerien: Dort leben die Tuareg relativ autonom und unbehelligt. Die Algerische Regierung tätigt außerdem viele Investitionen in den Stammesgebieten der Tuareg und hat ferner zugesagt, in den nächsten zehn Jahren hunderte Milliarden Dollar in die Gebiete der Tuareg zu investieren. Kontakt EN-PAZ e.v. das Jugendportal der Stiftung Friedensbildung E-Mail info@en-paz.de Internet www.en-paz.de Spendenkonto Bank für Sozialwirtschaft Konto-Nr.: 1311700 BLZ: 100 205 00 Stiftung Friedensbildung Internet www.friedensbildung.org