Schwelmer Symposium 2006 Absicherung des Aufzugs gegen unkontrollierte Bewegung nach EN 81 ff BODE Components GmbH Pinienstraße 19 40233 Düsseldorf Neue Adresse ab 01.09.06: Eichsfelder Str. 29, 40595 Düsseldorf Tel.: 0049 (0) 211 77 92 75 0 Fax: 0049 (0) 211 77 92 75 22 www. bode-components.com Info @bode-components.com Heinrich Reiter Mai 2006 1
Heute möchte ich über die Absicherung des Aufzugs gegen unkontrollierte Bewegung nach EN 81 sprechen. Es geht um die Schutzanforderungen aus der EN 81-1 und der EN 81-80 zur Übergeschwindigkeit des aufwärtsfahrenden Fahrkorbs und um die Absicherung bei unkontrollierter Bewegung an der Haltestelle. Zunächst etwas über die beiden Normen. In der EN 81-1 unter Punkt 9.10 Schutzeinrichtung für den aufwärtsfahrenden Fahrkorb spricht man nur von der Übergeschwindigkeit des Fahrkorbs. Im Gegensatz zum Fangen nach unten spricht man beim Absichern des aufwärtsfahrenden Fahrkorbs vom Abbremsen, das heißt, der Fahrkorb soll nicht abrupt zum Stillstand kommen, sondern auf mindestens Puffergeschwindigkeit abgebremst werden. Die Schutzeinrichtungen dürfen hierbei keine Verzögerung des leeren Fahrkorbes über 1g erzeugen und sollten entweder auf den Fahrkorb, das Gegengewicht, die Tragseile oder die Treibscheibe wirken. Heinrich Reiter Mai 2006 2
In der EN 81-80 unter Punkt 5.9.4 ist zusätzlich zu der Übergeschwindigkeit des aufwärtsfahrenden Fahrkorbs die Schutzmaßnahme gegen unkontrollierte Bewegung des Fahrkorbs aufgenommen worden. Dies gilt für Aufzüge, bei denen das Risiko eines Versagens zwischen der Bremse und der Treibscheibe als signifikant anzusehen ist. Unter unkontrollierte Bewegung des Fahrkorbs versteht man die Bewegung der Kabine bei offener Tür. Die Schutzeinrichtung sollte dann eingreifen, wenn der Fahrkorb die Entriegelungszone verlassen hat, spätestens jedoch nach 90 cm. Die Schutzeinrichtung kann am Fahrkorb, den Tragseilen oder der Treibscheibe eingesetzt werden. Die Verzögerung beim Abbremsen darf auch hier nicht mehr als 1g betragen. In den letzten Jahren sind Unfälle an Aufzügen bekannt geworden, die durch diese Maßnahmen hätten verhindert werden können. Heinrich Reiter Mai 2006 3
Schutzmaßnahmen gegen Übergeschwindigkeit des aufwärtsfahrenden Fahrkorbs und unkontrollierte Bewegung bei offener Tür nach EN81-1 und EN81-80. Heinrich Reiter Mai 2006 4
Nun möchte ich einige Sicherheitsbauteile vorstellen, mit denen die in den beiden Normen geforderten Bedingungen erfüllt werden können. Zuerst die klassische Fangvorrichtung (Abbildung 1), die als Doppelfangvorrichtung an der Kabine angebracht wird und an die Führungsschienen greift. Zum Aufwärtsfangen muss die Fangvorrichtung so eingestellt werden, dass keine abrupte Bremsung stattfindet. Die Aktivierung der Fangvorrichtungen erfolgt über einen Geschwindigkeitsbegrenzer, der in beide Richtungen auslösen muss. Nach EN 81 wird bei Anlagen mit einer Betriebsgeschwindigkeit über 1m/s vor dem Auslösen der Fangvorrichtung zuerst der Antrieb mittels Vorabschalter abgeschaltet. Bei der Fangvorrichtung besteht die Möglichkeit, diese auch am Gegengewicht einzusetzen und so den Fang nach oben zu realisieren. Die Fangvorrichtung wird größtenteils bei Neuanlagen eingesetzt. Heinrich Reiter Mai 2006 5
Abbildung 1 Doppelfangvorrichtung PC200D Nennlast 5582 18968 Va max.: 2,00 m/s PC14DA Nennlast 86-2592 kg Va max.: 3,50 m/s Heinrich Reiter Mai 2006 6
Nun komme ich zu zwei Systemen, die sich für die Nachrüstung von Altanlagen eignen: Die Schienenbremse EBRA (Abbildung 2), die ebenfalls an die Führungsschiene zum Abbremsen greift. Dieses Bauteil wird an der Kabine befestigt und dient gleichzeitig als Kabinenführung. Die EBRA ist nur für das Bremsen bei Übergeschwindigkeit nach oben ausgelegt und wird über einen zusätzlichen Schalter am Geschwindigkeitsbegrenzer elektrisch ausgelöst. Der Einsatzbereich liegt bis 2000 kg und einer Nenngeschwindigkeit von 2,00 m/s. Der Einsatzbereich liegt bis 2000 kg und einer Nenngeschwindigkeit von 2,00 m/s. Schienenbremse EBRA Nennlast 240 2000 kg Va max.: 2,60 m/s Abbildung 2 Heinrich Reiter Mai 2006 7
Kommen wir als nächstes zu den Seilbremsen, die seit 25 Jahren von der Fa. BODE auf dem Aufzugsmarkt mit Erfolg eingesetzt werden. Nach anfänglicher Kundenskepsis gibt es inzwischen auch Modelle anderer Lieferanten von Sicherheitskomponenten. Gebremst wird auf den Tragseilen der Aufzugsanlage (Abbildung 3). Abbildung 3 Funktionsaufbau der Seilbremse*) *) Simulation unter www.bode-components.com Heinrich Reiter Mai 2006 8
Die BODE Seilbremse bremst mittels Pneumatik, wodurch die Bremsbacken einen verhältnismäßig großen Weg mit gleicher Bremskraft zurücklegen können. Dies ist bei versetzt aufgehängten Kabinen von Vorteil. Die Seilbremse kann an der Kabinen- oder an der Gegengewichtsseite angebracht werden. Ihr Einsatzbereich liegt bei einer Kabinenaufhängung von 1:1 bis zu einer Nutzlast von 5 to und einer Seilgeschwindigkeit von 10 m/s (Abbildung 4). Die Montage der Seilbremse kann an verschiedenen Stellen erfolgen (Abbildung 5): am Maschinensockel am Maschinenrahmen am Boden des Maschinenraums oder an der Schachtdecke. Heinrich Reiter Mai 2006 9
Abbildung 4 SB 200 bis 700 kg Va = max. 10 m/s SB 580 2000 5000 kg Va = max. 7 m/s Heinrich Reiter Mai 2006 10
Abbildung 5 Anbaubeispiel Seilbremse im Schacht Heinrich Reiter Mai 2006 11
Zur Seilbremse gehört eine Steuerungsplatine, mit der - und das ist einmalig bei den Sicherheitsbauteilen - das System einmal am Tag automatisch auf Funktion überprüft wird. Hierzu schließt sich die Seilbremse im Stillstand des Aufzuges kurzfristig. Sollten Störungen auftreten, wird die Anlage gesperrt und muss vom Monteur wieder freigegeben werden. Die Auslösung bei Übergeschwindigkeit erfolgt indirekt über den Sicherheitsschalter am Geschwindigkeitsbegrenzer. Die Tragseile, das haben Prüfungen durch das Seilinstitut Stuttgart ergeben, werden nicht in Mitleidenschaft gezogen. Die Befreiung der Personen ist einfach und sicher vom eingewiesenen Personal durchzuführen. Heinrich Reiter Mai 2006 12
Treibscheibenbremse Bremsmoment max. 340Nm Va max. 2,35 m/s Zuletzt stelle ich Ihnen die Treibscheibenbremse vor (Abbildung 6). Die Montage der Treibscheibenbremse ist in unmittelbarer Nähe der Treibscheibe vorzunehmen. Eine Bremsscheibe wird vor die Treibscheibe montiert. Mittels Bremssattel wird die Anlage bei Übergeschwindigkeit nach oben abgebremst. Hier wird nach Auslösen der Bremse je nach Geschwindigkeit der Bremsdruck aufgebaut und die Anlage so auf Puffergeschwindigkeit abgebremst. Sie kann für Anlagen bis zu einer Nenngeschwindigkeit von 2,0 m/s eingesetzt werden. Heinrich Reiter Mai 2006 13
EN81-80 80 5.9.4 Übergeschwindigkeit des aufwärtsfahrenden Fahrkorbs und unkontrollierte Fahrbewegung bei geöffneten Türen Wie sind die soeben vorgestellten Produkte in Verbindung mit den in der EN 81-80 geforderten Maßnahmen zu sehen? Wir erinnern uns, dass in dieser Norm Nachrüstung von Altanlagen ggf. die Stillstandsüberwachung des Fahrkorbs an der Haltestelle gefordert wird. Dies kann mit folgenden Sicherheitselementen realisiert werden kann: Heinrich Reiter Mai 2006 14
Zur Auslösung der Fangvorrichtung, der Schienenbremse oder der Treibscheibenbremse muss ein Geschwindigkeitsbegrenzer mit Absinkschutz bzw. Absinkverhinderung eingesetzt werden. Der Absinkschutz muss an jeder Haltestelle aktiviert werden, damit er den Begrenzer bei unkontrollierter Bewegung blockiert (Abbildungen 7 und 8). Findet beim Einsatz der Fangvorrichtung in Verbindung mit dem Geschwindigkeitsbegrenzer eine unerlaubte Bewegung an der Haltestelle statt, kommt der Fahrkorb im ungünstigsten Fall nach 30 cm zum Stehen. Diese Strecke ist die Summe aus dem Weg, den der Begrenzer bis zum Klemmen des Begrenzerseiles und die Fangvorrichtung bis zum Bremsen mittels der Bremsbacken benötigen. Um die Anlage wieder im Betrieb zu nehmen, muss der Fahrkorb anschließend mit größerem Aufwand aus dem Fang herausgezogen werden. Über die Stillstandsüberwachung mittels der Schienen- oder der Treibscheibenbremse liegen mir keine Informationen vor. Heinrich Reiter Mai 2006 15
Abbildung 7 Begrenzer BODE Typ 8 mit Absinkschutz Fangvorrichtung COBIANCHI PC14DA Schienenbremse WITTUR EBRA20 Treibscheibenbremse SAV TSB 2000 Heinrich Reiter Mai 2006 16
Abbildung 8 Geschwindigkeitsbegrenzer mit Absinkschutz Heinrich Reiter Mai 2006 17
Bei der BODE Seilbremse kommt ein speziell für diesen Fall entwickeltes Steuerungsmodul SMC14 zum Einsatz (Abbildung 9). Über eine Andruckrolle, die mit zwei Sensoren bestückt ist und an den Tragseilen oder dem Begrenzerseil anliegt, wird die unkontrollierte Bewegung des Fahrkorbs an der Haltestelle registriert. Die Sensoren werden über das Modul nach dem Einfahren in die Haltestelle aktiviert. Nach einer Strecke von 10 cm wird die Seilbremse geschlossen, und der Fahrkorb kommt zum Stillstand. Die Rückstellung in den Betriebszustand erfolgt über Knopfdruck und ist daher sehr einfach und nicht arbeitsaufwendig. Ein Nebeneffekt dieses Steuerungsmoduls ist die Registrierung der Übergeschwindigkeit mittels der Sensoren. Die Geschwindigkeiten werden durch Lernfahrten an der Anlage eingestellt. Die Auslösegeschwindigkeit liegt bei Nenngeschwindigkeit + 20%. Für die Seilbremse sind auch Fremdprodukte als Erfassungssysteme auf dem Markt, die an der Antriebswelle angebracht werden. Bei diesen Systemen wird jedoch ein eventuelles Durchrutschen der Seile über die Treibscheibe nicht registriert. Heinrich Reiter Mai 2006 18
Abbildung 9 Seilbremsensteuerung SMC14 mit Andruckrolle zur Kontrolle des Stillstandes in der Etage und Geschwindigkeitsmessung Andruckrolle mit Sensoren an den Tragseilen Seilbremsensteuerung SMC14 zur Auswertung Seilbremse SB 200 Heinrich Reiter Mai 2006 19
Noch einige Worte zu dem Auslöseelement bei der Überwachung der Übergeschwindigkeit und des Stillstandes (Abbildung 10). Bei allen Systemen wird die Auslösung der Sicherheitseinrichtung direkt oder indirekt über den Geschwindigkeitsbegrenzer durchgeführt. Dem Geschwindigkeitsbegrenzer wird bei dem Auslösen des Fangs nach oben sehr viel zugemutet, denn wir erinnern uns, dass beim Fang nach oben die Kabine nur auf Puffergeschwindigkeit abgebremst werden muss. Das heißt im Umkehrschluss, dass das Begrenzerseil bei blockiertem Begrenzerrad durch die Seilrille rutschen muss, obwohl die Form der Keilrille dem entgegenwirkt. Daher sollte die Keilrille des Begrenzers, der für den Fang nach oben eingesetzt wird, auch immer gehärtet sein. Heinrich Reiter Mai 2006 20
Abbildung 10 Begrenzer mit Fernauslösung und rückstellbarem Vorabschalter Heinrich Reiter Mai 2006 21
Die notwendige Einrückkraft wird bekanntlich mit dem Begrenzerspanngewicht erzeugt. Hier treten ebenfalls Probleme auf, wenn das Spanngewicht an der Führungsschiene befestigt wird. Bedingt durch den Zug nach oben wird bei einem Gewicht, das für die Abwärtsrichtung allemal ausreichend ist, die Durchzugskraft erheblich verringert. Nun müsste man das Gewicht für den Aufwärtsfang entsprechend erhöhen, was wiederum zur Folge hätte, dass wir an die Grenze der Seilsicherheit kommen, und der Begrenzer in die Knie gezwungen werden könnte. Beim Einsatz entsprechender Rückhaltevorrichtungen an der Spannrolle wird das Problem der zu geringen Durchzugskraft zwar gelöst, jedoch kann man deren Wirkungsweise nicht in eine Berechnung einfliesen lassen. Hier helfen nur praktische Testergebnisse, die bei der Inbetriebnahme auch Anerkennung finden sollten. Heinrich Reiter Mai 2006 22
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Für Fragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. Heinrich Reiter Mai 2006 23