Literatur. Phonologie V. Was bisher geschah. Heute:

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Transkript:

Literatur Phonologie V zurück zu den Merkmalen Féry, C. (2010) Phonologie des Deutschen. Eine optimalitätstheoretische Einführung. http://web.unifrankfurt.de/fb10/fery/teaching.html/phonologie ganz.pdf - Kapitel IV und V Gerrit Kentner 1 / 36 1 / 36 Was bisher geschah Heute: Zu Anfang: Phonetische Grundlagen Phonem- und Segmentbegriff distinktive Merkmale In den letzten Stunden: Suprasegmentalia Silbenstruktur Silbifizierung Silbengewicht (Mora) Fragen? Phonologie V zurück zu den Merkmalen Merkmalshierarchie Lernziele: 1. Analyse von komplexen Segmenten (Affrikaten, Diphthonge) 2. Argumente für und Darstellung von hierarchischer Merkmalsorganisation 2 / 36 3 / 36

Merkmale Merkmale Laute können als Bündel von Merkmalen beschrieben werden. Laute können als Bündel von Merkmalen beschrieben werden. Mit den Merkmalen der Zungenposition [vorn / hinten], [hoch / mittel / tief], der Lippenbeteiligung [gerundet / ungerundet] und der Gespanntheit [gespannt / ungespannt] und werden die Vokale des Deutschen erfasst. [@] ist ein neutraler Vokal, der für keine der Merkmale spezifiziert ist. Was bringt uns das? wir können natürliche Klassen definieren. Bei der Ich-Ach-Laut-Alternation ist ein einziges Merkmal ausschlaggebend (aber 5 Vokale mit dem Merkmal [+hinten] lösen den Prozess aus) Natürliche Klasse der hinteren Vokale: [u, U, o, O, a] 4 / 36 5 / 36 Merkmale Die kleinste phonologische Beschreibungseinheit ist also nicht das Segment / das Phonem, sondern das phonologische Merkmal. Merkmale sind potentiell bedeutungsunterscheidend: [do5 f - to5 f] [ki:l - ky:l]... Alle Konsonanten haben das Merkmal [onantisch] weitere Konsonantische Merkmale: Sonoranten Konsonanten Plosive Frikative Liquide Nasale Approximanten 6 / 36 7 / 36

Das Merkmal [+/- sonorant] unterscheidet Sonoranten von Konsonanten Das Merkmal [+/- sonorant] unterscheidet Sonoranten von +son Sonoranten Liquide Nasale Approximanten -son Plosive Frikative [+son]: Nasale: [n,m,n], Liquide: [l] und r-laute, Approximanten: [j], sowie alle Vokale [-son]: Plosive: [p,b,t,d,k,g,p], Frikative: [f,v,s,z,s,z,ç,x,x,h] 8 / 36 9 / 36 Das Merkmal [+ kontinuierlich] erhalten die Konsonanten, bei denen der Luftstrom oral ohne komplettes Hindernis fliesst Sonoranten Konsonanten Das Merkmal [+/- sonorant] unterscheidet Sonoranten von [+kontinuierlich]: Liquide: [l] und r-laute, Approximanten: [j], Frikative: [f,v,s,z,s,z,ç,x,x,h] Liquide +kont Approximanten -kont Nasale -kont Plosive +kont Frikative [-kontinuierlich]: Plosive: [p,b,t,d,k,g,p], Nasale: [m,n,n] 10 / 36 11 / 36

Das Merkmal [+/- stimmhaft] unterscheidet stimmhafte von stimmlosen Lauten [+stimmhaft]: alle Sonoranten und [b,d,g,v,z,z, (K)] [-stimmhaft]: [p,t,k,p,f,s,s,ç,x,x,h] 12 / 36 13 / 36 Affrikaten Vokale (1) [pf] Pfosten, Pflicht Topf, Kampf [ts] Zink, Zwang Hatz, Milz [ts] Tschingderassabum Matsch, Monosegmentale Analyse Affrikate in Ansatz und Koda (scheinbar gegen Sonoritätshierarchie in Koda) Affrikate in Konsonantenclustern (scheinbare Verletzung der Beschränkung über Reimpositionen) kein Problem mit monoseg. Analyse 14 / 36 15 / 36

Merkmalsmatrize i.ggs. zu Affrikaten werden Diphthonge bisegmental analysiert. Wieso? Sie besetzen zwei Reimpositionen in der Silbe! (komplexe Koda nach Diphthongen nicht erlaubt) 16 / 36 17 / 36 Assimilationsprozesse Zweidimensionale Darstellung: + erfasst phonetische Oppositionen + natürliche Klassen sind erfasst Keine phonotaktischen Prozesse erfasst (z.b. Assimilation) Nasalassimilation (2) /in/+/x/ m immaterial, impossible n insecure, insane N incognito, incorrect /N/ [ α Ort ] / C [α Ort] 18 / 36 19 / 36

Ungarische Zahlen Zahl bis (Zahl) 1 egy egyhez 2 kettö kettöhöz 3 három háromhoz 4 négy négyhez 5 öt öthöz 6 hat hathoz 8 nyolc nyolchoz 9 kilenc kilenchez Welche Formen nimmt das Suffix an? Was determiniert die Form des Suffix? Türkisch Nom.sg Gen.sg Nom.pl Gen.pl ip ipin ipler iplerin Seil el elin eller ellerin Hand kız kızın kızlar kızların Mädchen Welche Formen nimmt das Suffix an? Was determiniert die Form des Suffix? Beachte: < ı > ist die orthographische Repräsentation eines hinteren hohen ungerundeten Vokals. 20 / 36 21 / 36 Bei der ungarischer und türkischer Vokalharmonie handelt es sich um Fernassimilation, bzw. Assimilation, die eine größere Domäne als das Segment betrifft. Die Formulierung einer Regel im Format A B / C fällt schwerer, als im Fall der Nasalassimilation im Englischen. Um den Prozess zu erfassen, brauchen wir eine nichtlineare Merkmalsrepräsentation. Selbst bei einfacher zu fassenden Prozessen, wie z.b. der Nasalassimilation, Auslautverhärtung erweist sich eine hierarchische Ordnung der Merkmale als günstig. Bei der Nasalassimilation wird nur ein Merkmal geändert, andere bleiben erhalten - d.h. bestimmte Merkmale sind von anderen Merkmalen unabhängig (bsp. Stimmhaftigkeit und Artikulationsort) Andere Merkmale stehen in einer Abhängigkeitsbeziehung (z.b. Sonoranz und Stimmhaftigkeit) 22 / 36 23 / 36

Merkmalsgeometrie Merkmalsgeometrie (3) Oberklassenmerkmale: a. [+/ konsonantisch] b. [+/ sonorant] c. [+/ approximantisch] Unterscheidung von Konsonanten und Vokalen Unterscheidung von und Sonoranten Unterscheidung von Approximanten und anderen Sonoranten (4) Unterklassen a. Laryngale Merkmale (Aspiration, Stimmhaftigkeit, Glottalität) b. Merkmale der Artikulationsart (Nasalität, Kontinuierlichkeit) c. Ortsmerkmale (Labial, Koronal, Dorsal) Die Unterklassen sind ahängig von den Oberklassen: z.b. sind Laute mit dem Merkmal [ kons] nie aspiriert, aber immer stimmhaft. Alle Laute haben einen Artikulationsort und eine Artikulationsart 24 / 36 25 / 36 26 / 36 27 / 36

28 / 36 29 / 36 Assimilation (5) Ein Beispiel aus dem Griechischen (nach Hall 2000) a. /e+t h lib+t h en/ [et h lip h t h en] (ich wurde gequetscht) Der labiale stimmhafte Plosiv... wird vor einem stimmlosen, aspirierten Plosiv... zu einem stimmlosen, aspirierten Plosiv laryngale Assimilation 30 / 36 31 / 36

Darstellung von Assimilation Darstellung von Assimilation gekappte Assoziationsline Merkmalsabtrennung gestrichelte Linie feature spreading = Ausbreitung von Merkmalen mit diesem Formalismus wird erfasst, dass ein Merkmal über verschiedene Segmente hinweg appliziert. Stichwort: Multiple Assoziation Was ist mit den anderen Merkmalen (Ort, Kontinuierlichkeit)?? sie bleiben in diesem Fall von der Assimilation unberührt Die supralaryngalen Merkmale sind unabhängig von den laryngalen Merkmalen; sie befinden sich sozusagen in einer anderen Dimension. 32 / 36 33 / 36 Darstellung von Assimilation Darstellung von Assimilation Nasalassimilation ([m] impossible, [n] insane, [N] incorrect ) /N/ /X/ [m] [X] Totale Assimilation +son +/-son +son +/-son Supralaryngal SL SL SL nasal C-Ort nasal C-Ort labial labial 34 / 36 35 / 36

Darstellung von Assimilation Aufgaben Totale Assimilation C /l/ +son Supralaryngal C-Ort koronal C /X/ +/-son Supralaryngal C-Ort koronal [+/ nasal] C C V [X] +/-son Supralaryngal C-Ort koronal [+/ nasal] Stellen Sie die folgenden Wörter in einer zweidimensionalen Merkmalsmatrize dar: Bank, Pfahl, Traum Schauen Sie sich die Daten zur Vokalharmonie im Ungarischen an und überlegen Sie, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede es zum Deutschen Umlaut gibt. Beispiele: Mauer Mäuerchen; Vater Väter; Angst ängstlich. Gibt es Suffixe, die immer Umlaut auslösen? -chen, -lich Vokalharmonie betrifft eine ganze Domäne, d.h. nicht nur direkt benachbarte Segmente. Kann so ein Prozess in der Merkmalsgeometrie dargestellt werden? Ideen? 36 / 36 37 / 36