Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen. Phonetik, Phonologie. PD Dr. Alexandra Zepter
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- Nicole Bergmann
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1 Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen Phonetik, Phonologie PD Dr. Alexandra Zepter
2 Systemorientierte theoretische Linguistik Syntax Morphologie Phonetik/Phonologie Graphematik (Semiotik) Semantik Pragmatik: Textlinguistik
3 Überblick Phonetik und Phonologie (des Deutschen): Einstieg: Lautliche Struktur Artikulatorische Phonetik Phonologische Prozesse Phonologie Silbenphonologie Graphematik, orthographische Muster
4 Phonetik und Phonologie Forschungsgebiete, die sich mit der Lautsprache befassen, heißen Phonetik und Phonologie. Sprache Musik als System aus Lauten als System aus Tönen Wie klingt die deutsche Sprache?
5 Wie klingt die deutsche Sprache? Die deutsche Sprache ist eine akzentzählende Sprache (vgl. z.b. Türkisch: silbenzählend): klingt hart und kantig (vgl. die Aussprache von Haftpflicht, Zucker, schweigst) prototypisch ist der Trochäus: betont/unbetont (vgl. die Aussprache von Háse vs. Ayşé) Wechsel zwischen Kurz- und Langvokal: (vgl. die Aussprache von Hüte vs. Hütte) Mehrfachkonsonanz (Herbststrauß; vgl. Sprossvokale *Belume, Sterumpef)
6 Wie klingt die deutsche Sprache?
7 Varianz: Dialekte NRW
8 Dialekte NRW: Kölsch Superjeilezick Nä, wat wor dat doch fröher en superjeile Zick, mit Träne in d'r Auge loor ich manchmol zurück, bin ich hück op d'r Roll nur noch half so doll, doch hück Naach weiß ich nit wo dat enden soll.
9 Wo wird Deutsch gesprochen? Deutschland (Bundesdeutsch: Teutonismen) Österreich (österreichisches Deutsch: Austriazismen) Schweiz (Schweizerdeutsch: Helvetismen) Lichtenstein Als Minderheitensprache in: Belgien, Italien, Dänemark, Slowenien, Russland, etc.
10 Konstruktive Hörwahrnehmung Der Begriff Cocktail-Party-Effekt beschreibt die Fähigkeit des menschlichen Gehörs, sich auf die Signale einer Schallquelle zu konzentrieren, wenn mehrere Schallquellen gleichzeitig aktiv sind. So ist ein Mensch auf einer Cocktail-Party, wo viele Menschen gleichzeitig reden, in der Lage, sich auf nur einen Sprecher zu konzentrieren und alle anderen nicht wahrzunehmen.
11 Varianz und Kontinuum als Prinzip Kein Laut gleicht einem anderen! Laute sind keine klar abgrenzbaren (distinkten/diskreten) Einheiten, sondern sie bilden ein Lautkontinuum! Laut steht nicht neben Laut (> Klavier), wir finden eher Gleitlaute (> Violine): vgl. [u] [o] [a] Manche durch Abstraktion gewonnenen Laute können nicht isoliert artikuliert werden: vgl. [k], [p] Irrige Annahme durch Buchstabenwissen
12 Koartikulation Laute gleiten bei der Artikulation ineinander und beeinflussen sich im Redefluss wechselseitig Beispiel: Kind [k h ınt] Kunst [k h ʊnst]: Experimentelles Austauschen der beiden initialen Laute führt zu: [k h ʊınt] (dunklerer Klang) und [k h ıʊnst] (hellerer Klang) Während der Artikulation des ersten Lautes wird die des folgenden antizipiert: Dieses Sich- Beeinflussen der Laute nennt man Koartikulation.
13 Abbildung von Lauten? Eindeutiges Zeichensystem zur schriftlichen Fixierung aller möglichen Laute Internationale Lautschrift: IPA ( International Phonetic Alphabet ) Unglücklich: Es gibt mehrere Versionen... Die (alphabetische) Schrift bildet in vielen Fällen die Lautung nicht eindeutig ab Keine 1:1-Korrespondenz zwischen Laut und Buchstabe dazu später mehr...
14 R-Varianten /m/ vs. /h/
15 Phonologie Worum geht es in der Phonologie? Untersuchung der kleinsten (aus der Rede abstrahierbaren) lautlichen Segmente einer Sprache und der Prinzipien/Regeln der Struktur dieser Lautsegmente (welche Laute können zu welchen Worten kombiniert werden etc.)
16 Phonetik Worum geht es in der Phonetik? Empirisch-naturwissenschaftlich orientierte Disziplin, die die lautlichen Ereignisse und Prozesse sprachlicher Kommunikation unter den folgenden Aspekten untersucht: Artikulatorische Vorgänge der Sprachproduktion Struktur der akustischen Abläufe Neurologisch-psychologische Vorgänge der Sprachrezeption
17 Phonetik Artikulatorische Phonetik: untersucht die Erzeugung von Lautereignissen, und zwar von konkreten Artikulationsbewegungen im Mund, Rachen, Kehlkopf und Nasenraum Akustische Phonetik: untersucht die physikalischen Eigenschaften von Lautereignissen und bedient sich der Hilfsmittel der Elektroakustik Auditive Phonetik: untersucht die Wahrnehmung von Lautereignissen aus der Hörerperspektive
18 Artikulatorische Phonetik Beschreibungsmöglichkeit und Klassifizierung eines Lautsystems über Aspekte der Artikulation und der Audition die beiden obersten Klassen: Vokal ( klangvoll ) Keine Hemmnis des Luftstroms im Artikulationskanal (Lautgang, Vokaltrakt) Konsonant ( Geräuschlaut ) Bildung durch Verschluss oder Engebildung im Artikulationskanal
19 Variabilität des Lautinventars Beachte: Nicht jede Sprache verfügt über das gleiche Lautinventar! Generell gilt sowohl für Vokale als auch für Konsonanten: Jede Sprache wählt eine Untermenge von Lauten aus einem möglichen (universalen) Set.
20 Konsonanten: Klassifikationskriterien Artikulationsart totaler Verschluss plus Öffnung Plosiv Engebildung (Reibung) Frikativ Kombination von Verschluss, Öffnung und Engebildung (Reibung) Affrikate totaler Verschluss mit gesenktem Gaumensegel Nasal seitliche Engebildung Lateral wiederholter Verschluss Vibrant
21 Frikativ Reibelaute Plosiv Verschlusslaute Nasal Vibrant Lateral Affrikate Nasenlaut Schwinglaut/ Trillerlaut Seitenlaut Doppellaute
22 Konsonanten: Klassifikationskriterien Stimmbänder stimmlos vs. stimmhaft Artikulationsort Lippen Zähne Zahndamm harter oder weicher Gaumen Zäpfchen Kehlkopf
23 Konsonanten Artikulationsorte
24 Konsonanten Artikulationsorte
25 Konsonanten Artikulationsorte
26 Konsonanten im Deutschen
27 Konsonanten im Deutschen Interaktiver IPA-Chart:
28 Konsonanten im Deutschen
29 Übung: Artikulationsort bestimmen [p] [k] [z] [R] [ç] [f] [ʔ]
30
31 Übung Artikulationsort Artikulationsart
32 Übung Lösung Artikulationsort bilabial alveolar glottal uvular alveolar velar alveolar labiodental Artikulationsart Plosiv Nasal Frikativ Frikativ Lateral Frikativ Frikativ Frikativ
33 Übung Stimmbänder, Sonorität stimmhaft stimmlos [s] ʃ
34 Übung Stimmbänder, Sonorität stimmhaft stimmlos [s] ʃ [s] ʃ
35 Klassifikationskriterium Sonorität Turbulenz entsteht im Luftstrom hinter der Verengung derart wenig Schallfülle (Sonorität): Obstruenten in stimmloser oder stimmhafter Variante möglich Plosive Frikative Affrikate
36 Klassifikationskriterium Sonorität Konsonanten ohne Turbulenz sind sonor und können akustisch wie Vokale auch als Klänge gefasst werden: Son(or)anten immer stimmhaft Nasale Liquide Laterale Vibranten
37 Konsonantenvergleich Deutsch Farsi Zwei Beispiele für persische Laute, die nicht im deutschen Lautsystem vorkommen: stimmloser Trill (IPA-Markierung stimmlos: diakritisches Zeichen eines kleinen Kreises unterhalb des Lauts) stimmhafter Flap
38 Konsonantenvergleich Deutsch Farsi Zum Artikulationsort: (apiko-)alveolar (vorderer harter Gaumen) Beachte zur Artikulationsart: Trill: zählt zu den Vibranten (Vibranten sollten als Sonoranten eigentlich immer stimmhaft sein); schnelle Abfolge kurzer Verschlüsse und Verschlusslösungen, wobei die Zungenspitze gegen den Zahndamm oder den harten Gaumen flattert (vgl. das gerollte r ) Flap: kurzes einmaliges Schlagen der Zunge gegen den Artikulationsort
39 Konsonanten Vokale Beschreibungsmöglichkeit und Klassifizierung eines Lautsystems über Aspekte der Artikulation und der Audition die beiden obersten Klassen: Vokal ( klangvoll ) Keine Hemmnis des Luftstroms im Artikulationskanal (Lautgang, Vokaltrakt) Konsonant ( Geräuschlaut ) Bildung durch Verschluss oder Engebildung im Artikulationskanal
40 Vokale Klassifikationskriterien Artikulationsort vorn, zentral oder hinten im Mundraum Zungenlage hoch, mittel, tief; geschlossen vs. offen Rundung der Lippen gerundet, ungerundet Muskelspannung der Zunge gespannt, ungespannt Quantität Kurzvokal, Langvokal Oral oder nasal nasal: Gaumensegel gesenkt, Luft strömt durch die Nase
41 Vokale im Deutschen Vokaltrapez
42 Zungenstellung und Öffnungsgrad
43 Lippenstellung: +/ gerundet
44 +/ Muskelspannung der Zunge
45 Vokale im Deutschen Muskelspannung der Zunge vs. Quantität? Achtung: (gespannt; lang) und (ungespannt; kurz) fällt im deutschen Vokalsystem meist zusammen! Doch es gibt Ausnahmen: vgl. Forelle, Militär (kurz; gespannt) Gespanntheit als Basis für Länge: Betonung eines gespannten Vokals Langvokal
46 Vokale im Deutschen
47 Vokale im Deutschen Interaktiver IPA-Chart:
48 Vokale im Türkischen Vokaltrapez
49 Vokale im Türkischen
50 Nasale Vokale in französischen Lehnwörtern Vergleiche: Refrain Pointe Cousin Parfum Engagement Restaurant Orange Bonbon Jargon Kokon
51 Zentralvokale = Reduktionsvokale [ə] [ɐ] Die Zentralvokale haben eine herausragende Bedeutung für die Struktur deutscher Wörter: Sie bilden bei Zweisilbern das Zentrum der zweiten Silbe (Tante, Kanne, Mutter, Wagen). Es entsteht der typische Trochäus: betonte erste Silbe, unbetonte zweite Silbe.
52 Zentralvokale = Reduktionsvokale [ə] [ɐ] Transkribieren Sie die Wörter: <verwandeln> <werfen>
53 Zentralvokale = Reduktionsvokale [ə] [ɐ] Transkribieren Sie die Wörter: <verwandeln>: <werfen>: [fɛɐ. van.dəln] [ vɛɐ.fən]
54 Phänomene der Verschriftung Schwa-Vokal als <i> in Löwi Vokalisiertes r als <ie> in Tigie Ebenso in Yeisbie Knacklaut als <y> in Yeisbie
55 Phonetische Transkription
56 Phonologische Prozesse Wenn wir sprechen, artikulieren wir nicht Laut für Laut. Vielmehr interagieren die lautlichen Elemente mit ihren Nachbarn. Hierdurch entstehen neue Lautstrukturen. Explizitlautung: Umgangslautung: <lieben> [li:bən] <lieben> [li:bm]
57 Phonologische Prozesse Neutralisierung: Reduktion eines Merkmals: Die phonologischen Kontraste werden aufgehoben. Bekanntes Beispiel ist die Auslautverhärtung: <b, d, g, v, z> werden zu [p, t, k, f, s] Beispiel: <Sand> [zant]
58 Phonologische Prozesse Spirantisierung: Hier werden Plosive im Auslaut zu frikativen Lauten. Beispiel: <König> [ kø:.nɪç]
59 Phonologische Prozesse Tilgung: Bestimmte Laute werden in bestimmten Positionen phonetisch nicht realisiert. Das betrifft v. a. den Schwa-Vokal: Beispiel: <malen> [ma:.ln]
60 Phonologische Prozesse Epenthese: hier wird ein Laut eingefügt, um die Aussprache zu vereinfachen. Beispiel: <Hemd> [hɛmpt]
61 Phonologische Prozesse Assimilation (Angleichung): Progressive Assimilation: Hier löst ein Lautsegment bei einem nachfolgenden Laut eine Veränderung aus: <Hupen> [hu:.pm] Regressive Assimilation: Hier löst ein Lausegment bei einem vorherigen Laut eine Veränderung aus: <Angabe> [ʔaŋga:bə]
62 Übung Phonologische Prozesse?
63 Übung Lösung
64 Epilog
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