Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen B E S C H L U S S

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In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde

Transkript:

Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen Geschäftszeichen: 1 Ws 118/17 zu 3 Ws 128/17 Generalstaatsanwaltschaft Bremen zu 77 BRs 140/17 Landgericht Bremen B E S C H L U S S in der Strafvollstreckungssache gegen Verteidiger: hat der 1. Strafsenat durch den Richter am Oberlandesgericht Dr. Böger, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Schnelle und die Richterin am Amtsgericht Wolter am 17. Oktober 2017 beschlossen: Die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 15.08.2017 gegen den Beschluss der Strafkammer 77 als Kleine Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bremen vom 07.08.2017 wird auf Kosten des Verurteilten als unbegründet zurückgewiesen. G R Ü N D E: I. Das Amtsgericht Bremen hat den Verurteilten am 10.07.2015, rechtskräftig seit dem 12.10.2016, wegen Betrugs in Tateinheit mit Urkundenfälschung in sechs Fällen sowie wegen versuchten Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde, wobei die Bewährungszeit mit Beschluss vom selben Tag auf zwei Jahre festgesetzt wurde. Einbezogen wurde in diese

2 Verurteilung unter Auflösung der dortigen Gesamtfreiheitsstrafe die Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Bremen vom 27.02.2015, in dem der Verurteilte wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt wurde. Mit Urteil vom 17.01.2017 wurde der Verurteilte vom Amtsgericht Bremen wegen im Zeitraum vom 14.01.2016 bis zum 02.04.2016 begangener Taten des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt, die nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde. Ausweislich der Urteilsbegründung beruhten die tatsächlichen Feststellungen auf den glaubhaften geständigen Angaben des Angeklagten sowie den ausweislich des Sitzungsprotokolls erörterten Schriftstücken und Urkunden. Das Sitzungsprotokoll der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Bremen vom 17.01.2017 gibt eine geständige Einlassung des Angeklagten wieder. Der Verurteilte hat am 19.01.2017 gegen dieses Urteil Berufung eingelegt, ein Termin zur Hauptverhandlung über die Berufung wurde vom Landgericht Bremen auf den 11.01.2018 anberaumt. Die Bewährungsaufsicht wurde mit Beschluss vom 11.05.2017 wegen der Vollstreckung einer Rest-Ersatzfreiheitsstrafe vom Amtsgericht Bremen an das Landgericht Bremen abgegeben. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Bremen vom 15.06.2017 hat die Strafkammer 77 als Kleine Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bremen nach schriftlicher Anhörung des Verurteilten mit Beschluss vom 07.08.2017 die durch das Urteil des Amtsgerichts Bremen vom 10.07.2015 gewährte Strafaussetzung zur Bewährung im Hinblick auf die erneute Straffälligkeit des Verurteilten widerrufen. Zur Begründung führte das Landgericht aus, dass zwar die erneute Verurteilung vom 17.01.2017 noch nicht rechtskräftig sei, der Verurteilte die Tatvorwürfe aber in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Bremen vom 17.01.2017 glaubhaft eingeräumt habe. Gegen diesen Beschluss, der ihm am 10.08.2017 zugestellt wurde, wendet sich der Verurteilte mit seiner sofortigen Beschwerde vom 15.08.2017. Die Generalstaatsanwaltschaft Bremen hat am 19.09.2017 Stellung genommen und beantragt, auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten den Beschluss vom 07.08.2017 aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Bremen zurückzuverweisen. Da gegen das Urteil vom 17.01.2017 eine nicht auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung eingelegt worden sei, so dass auch ein Freispruch nicht ausgeschlossen werden könne, sei mit der erneuten Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung abzuwarten, bis eine rechtskräftige Verurteilung erfolgt bzw. ein nicht mehr zu widerrufendes glaubhaftes Geständnis abgegeben worden sei.

3 II. Die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 15.08.2017 gegen den Beschluss der Strafkammer 77 als Kleine Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bremen vom 07.08.2017 ist statthaft ( 453 Abs. 2 S. 3 StPO) sowie frist- formgerecht eingelegt ( 306 Abs. 1, 311 Abs. 2 StPO) und infolge der sich aus dem Widerruf ergebenden Beschwer für den Verurteilten damit zulässig. In der Sache bleibt sie jedoch ohne Erfolg, da das Landgericht zu Recht die Strafaussetzung zur Bewährung nach 56f Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB widerrufen hat. 1. Die gesetzlichen Voraussetzungen nach 56f Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB für einen Bewährungswiderruf wegen erneuter Straffälligkeit in der Bewährungszeit sind gegeben. a. Mit den Tatvorwürfen aus der erneuten Verurteilung vom 17.01.2017 liegen vom Verurteilten in der Bewährungszeit begangene Straftaten vor. Der Bewährungswiderruf wegen erneuter Straffälligkeit konnte im vorliegenden Fall auch ohne das Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung wegen dieser erneuten Straftaten erfolgen, da ein glaubhaftes und nicht widerrufenes richterliches Geständnis dieser Taten durch den Verurteilten vorliegt und das Gericht auf dieser Grundlage zur Überzeugung kommen konnte, dass der Verurteilte diese Taten begangen hat. aa. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte stellt es grundsätzlich einen Verstoß gegen die Unschuldsvermutung aus Art. 6 Abs. 2 EMRK dar, wenn ohne das Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung des zuständigen erkennenden Gerichts das die Strafaussetzung überwachende Gericht die Begehung einer Straftat in der Bewährungszeit durch den Verurteilten feststellt (vgl. EGMR, Urteil vom 03.10.2002 37568/97, juris Ls., NJW 2004, 43; Urteil vom 12.11.2015 2130/10, juris Ls., NJW 2016, 3645). Von diesem Erfordernis einer rechtskräftigen Verurteilung wegen der erneuten Taten sieht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte aber dann ab, wenn der Widerruf der Strafaussetzung auf ein Geständnis des Verurteilten gestützt wird, das zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht widerrufen war (vgl. EGMR, Urteil vom 03.10.2002, a.a.o., Tz. 65; siehe auch EKMR, Entscheidung vom 09.10.1991 15871/89, juris Ls., StV 1992, 282). Dagegen wäre es unzulässig, die Strafaussetzung zu widerrufen, wenn das Geständnis vor der Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung widerrufen wurde (vgl. EGMR, Urteil vom 12.11.2015, a.a.o., juris Ls. sowie Tz. 58 ff.). bb. Auch das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass der aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Grundsatz der Unschuldsvermutung für den Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung gemäß 56f Abs. 1 Nr. 1 StGB in der Regel erfordern soll,

4 dass der Verurteilte wegen dieser neuen Straftat verurteilt worden ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.12.2004 2 BvR 2314/04, juris Rn. 3, NJW 2005, 817; Beschluss vom 12.08.2008 2 BvR 1448/08, juris Rn. 11, BVerfGK 14, 144). Dagegen soll der Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung wegen einer neuen Straftat auch ohne deren rechtskräftige Aburteilung zulässig sein, wenn der Verurteilte die neue Straftat glaubhaft gestanden hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.12.1989 2 BvR 1741/89, juris Rn. 4, NStZ 1991, 30; Beschluss vom 09.12.2004, a.a.o., Rn. 4; Beschluss vom 23.04.2008 2 BvR 572/08, juris Rn. 2; Beschluss vom 12.08.2008, a.a.o., Rn. 13). Für die Glaubhaftigkeit des Geständnisses soll im Einzelfall entscheidend sein können, ob der Verurteilte in der Folgezeit hieran weiter festgehalten hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.04.2008, a.a.o., Rn. 4; Beschluss vom 12.08.2008, a.a.o., Rn. 13). cc. In der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte wird diesen Vorgaben dem Grundsatz nach einheitlich gefolgt und es ist anerkannt, dass auch ohne das Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung ein Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung nach 56f Abs. 1 Nr. 1 StGB im Hinblick auf eine erneute Straffälligkeit erfolgen kann, wenn ein nicht widerrufenes glaubhaftes richterliches Geständnis vorliegt (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 18.08.2015 5 Ws 103/15, juris Rn. 4; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.12.2003 3 Ws 469/03, juris Rn. 12, NJW 2004, 790; OLG Hamm, Beschluss vom 30.04.2012 3 Ws 101/12, 102/12, juris Rn. 14; OLG Jena, Beschluss vom 29.10.2009 1 Ws 414/09, juris Rn. 13 f., OLGSt StGB 56f Nr. 52; OLG Köln, Beschluss vom 09.06.2004 2 Ws 209/04, juris Rn. 3 f., NStZ 2004, 685; OLG Nürnberg, Beschluss vom 17.05.2004 Ws 558/04, Ws 559/04, juris Ls., NJW 2004, 2032; OLG Oldenburg, Beschluss vom 14.10.2009 1 Ws 548/09, juris Rn. 7, NdsRpfl 2010, 92; Beschluss vom 20.01.2014 1 Ws 29/14, juris Rn. 7, StV 2014, 759 (Ls.); OLG Stuttgart, Beschluss vom 26.07.2004 4 Ws 180/04, juris Rn. 9, NJW 2005, 83; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 15.09.2004 1 Ws 343/04, juris Rn. 10 f., NStZ-RR 2005, 8; LK- Hubrach, 12. Auflage, 56f StGB Rn. 10; Fischer, 64. Auflage, 56f StGB Rn. 7; siehe auch die Rechtsprechung des Senats, Hanseatisches OLG in Bremen, Beschluss vom 18.12.2013 Ws 197/13; Beschluss vom 16.05.2014 1 Ws 51/14). Weitergehend werden teilweise auch geständige Angaben vor Strafverfolgungsbehörden ohne anwaltlichen Beistand des Verurteilten für hinreichend erachtet (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 19.05.2005 1 Ws 213/05, juris Rn. 4 f.), was aber schon im Hinblick auf die für den Bewährungswiderruf erforderliche Überzeugungsbildung des die Bewährungsaufsicht führenden Gerichtes erhebliche Bedenken aufwirft (ähnlich die Kritik bei LK-Hubrach, a.a.o.). Hat der Verurteilten sein Geständnis dagegen zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerruf über die Strafaussetzung zur Bewährung wirksam widerrufen, so kann dieses Geständnis den vorstehenden Grundsätzen zufolge nicht mehr zur Grundlage eines Widerrufs

5 gemacht werden (so ausdrücklich auch OLG Jena, a.a.o., Rn. 16; OLG Oldenburg, a.a.o.; OLG Zweibrücken, a.a.o.). Anderes muss allerdings dann gelten, wenn der Widerruf des Geständnisses zu einem Zeitpunkt erklärt wurde, zu dem er im Verfahren jedenfalls im Regelfall nicht mehr berücksichtigt werden kann, beispielsweise bei einem Widerruf nach wirksamer Beschränkung der Berufung auf das Strafmaß (vgl. OLG Oldenburg, a.a.o.; OLG Zweibrücken, a.a.o., Rn. 10 f.). dd. Hat der Verurteilte dagegen zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerruf über die Strafaussetzung zur Bewährung sein Geständnis (noch) nicht widerrufen, dann hindert die bloße Möglichkeit eines Geständniswiderrufs, auch wenn sie vom erkennenden Gericht noch zu berücksichtigen wäre, den Bewährungswiderruf nicht. Die bloß hypothetische Möglichkeit, dass der Verurteilte später im Laufe des Strafverfahrens nicht mehr an seinem Geständnis festhalten wird, ändert nichts an der Zulässigkeit des Bewährungswiderrufs, sofern zu diesem Zeitpunkt noch kein Widerruf des Geständnisses erfolgt ist (so ausdrücklich auch OLG Zweibrücken, a.a.o., Rn. 12). Ein Zuwarten bis zum möglicherweise noch Jahre dauernden rechtskräftigen Abschluss des neuen Verfahrens wäre bei Vorliegen eines nicht widerrufenen Geständnisses schwerlich dem Resozialisierungsgedanken dienlich, insbesondere wenn sich der Verurteilte über die Unvermeidlichkeit eines Widerrufs im Klaren ist oder sein muss und eine umgehende Verbüßung der zu widerrufenden Strafe anzustreben wäre (vgl. auch OLG Stuttgart, a.a.o., Rn. 7). ee. Insbesondere ist, insoweit auch entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft Bremen in ihrer Stellungnahme vom 19.09.2017, der Umstand einer unbeschränkt eingelegten Berufung im Verfahren wegen des neuen Tatvorwurfs nicht notwendigerweise einem Widerruf des erstinstanzlich erklärten Geständnisses gleichzusetzen bzw. dahingehend zu deuten, dass dieses Geständnis nicht auch in der Berufungshauptverhandlung wiederholt würde. Vielmehr ist in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte bisher maßgeblich darauf abgestellt worden, ob dem Vorbringen des Verurteilten in der Berufung oder im Verfahren über den Bewährungswiderruf über den bloßen Umstand der unbeschränkten Berufungseinlegung hinaus zugleich auch zu entnehmen ist, dass der Verurteilte von seinen bisherigen geständigen Angaben abrücken möchte (vgl. KG Berlin, a.a.o., Rn. 5 f.; OLG Jena, a.a.o., Rn. 15 f.; OLG Oldenburg, Beschluss vom 14.10.2009, a.a.o., Rn. 8; Beschluss vom 20.01.2014, a.a.o., Rn. 9; siehe auch OLG Stuttgart, a.a.o., Rn. 11). Diese Auffassung ist zutreffend: Auch mit der Einlegung einer unbeschränkten Berufung ist gerade nicht ohne weiteres gleichzeitig die Erklärung verbunden, das bereits vor Erlass des Urteils, nämlich in der Hauptverhandlung, erfolgte Geständnis solle keine Geltung mehr haben (vgl. KG Berlin, a.a.o., Rn. 8). Soll das einmal erklärte Geständnis nicht mehr als Grundlage für die Überzeugungsfindung des über den Bewährungswiderruf entscheidenden Gerichts dienen

6 können, bedarf es mithin einer entsprechenden Erklärung des Verurteilten, die über die bloße unbeschränkte Berufungseinlegung hinausgeht. ff. Ergeben sich für das über den Bewährungswiderruf entscheidende Gericht bei einem nicht widerrufenen Geständnis keine Zweifel an der Wirksamkeit des Geständnisses aufgrund der Urteilsgründe oder dem Vorbringen des Verurteilten im Verfahren über den Bewährungswiderruf, so kann dieses Geständnis die Überzeugung des Gerichts tragen, dass der Verurteilte die neuen Taten begangen hat und daher die Bewährung zu widerrufen war (vgl. OLG Hamm, a.a.o., Rn. 24; OLG Stuttgart, a.a.o., Rn. 11, OLG Zweibrücken, a.a.o., Rn. 12). Fehlt es an jeglichen solchen Umständen oder entsprechendem Vorbringen des Verurteilten, so ist das Gericht nicht gehalten, die Glaubhaftigkeit des Geständnisses zu bezweifeln. gg. Nach diesen Grundsätzen konnte das Landgericht aufgrund des vom Verurteilten in der Hauptverhandlung vom 17.01.2017 erklärten umfassenden und widerspruchsfreien Geständnisses zu der Überzeugung kommen, dass der Verurteilte die ihm in jenem Verfahren vorgeworfenen neuen Taten begangen hat. Der Verurteilte hat weder im Berufungsverfahren noch im Verfahren über den Bewährungswiderruf einen Widerruf dieses Geständnisses erklärt und auch der Umstand der unbeschränkten Berufungseinlegung ist nicht einem solchen gleichzusetzen. Es liegen auch keine Anhaltspunkte in den Urteilsgründen oder im sonstigen Vorbringen des Verurteilten vor, die Zweifel an diesem Geständnis begründen würden. b. Das Gericht widerruft die Strafaussetzung zur Bewährung nach 56f Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB nur dann, wenn sich durch die in der Bewährungszeit von der verurteilten Person begangene Straftat zeigt, dass sich die nach 56 Abs. 1 S. 1 StGB der Strafaussetzung zugrunde liegende Erwartung nicht erfüllt hat, dass der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Grundsätzlich wird diese Erwartung durch jede in der Bewährungszeit begangene Tat von nicht unerheblichem Gewicht in Frage gestellt (vgl. BGH, Beschluss vom 18.06.2009 StB 29/09, juris Rn. 4, NStZ 2010, 83; KG Berlin, Beschluss vom 29.11.2000 5 Ws 774/00, juris Rn. 5; Fischer, 64. Auflage, 56f StGB Rn. 8; siehe auch die Rechtsprechung des Senats, Hanseatisches OLG in Bremen, Beschluss vom 08.11.2016 1 Ws 146/16). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall vom Landgericht zu Recht angenommen worden: Der Verurteilte ist vielfach vorbestraft und hat im Bewährungszeitraum wiederum mehrere einschlägige Taten begangen. Zudem hatte auch das Amtsgericht Bremen im Urteil vom 17.01.2017 die dortige Freiheitsstrafe nicht zur Bewährung ausgesetzt; der Anschluss an diese Prognoseentscheidung begegnet keinen Bedenken (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom

7 17.05.2004 Ws 558/04, juris Ls., NJW 2004, 2032; siehe auch die Rechtsprechung des Senats, Hanseatisches OLG in Bremen, Beschluss vom 25.05.2012 Ws 37/12; Beschluss vom 08.11.2016-1 Ws 146/16), zumal auch aus dem Bericht des Bewährungshelfers sich keine positivere Prognose ergibt und der Verurteilte selbst nichts dazu vorgebracht hat, woraus sich eine solche positive Erwartung ergeben würde. c. Von dem Widerruf der Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe war auch nicht gegen Maßnahmen nach 56f Abs. 2 StGB abzusehen. Dabei nimmt der Senat in ständiger Rechtsprechung an, dass ein Verurteilter von einem Widerruf der Strafaussetzung unter Anwendung des 56f Abs. 2 StGB nur unter strengeren Voraussetzungen als denen verschont werden kann, die für eine Strafaussetzung nach 56 Abs. 1 StGB maßgebend sind (siehe Hanseatisches OLG in Bremen, Beschluss vom 24.01.1974 Ws 197/73, juris Ls., MDR 1974, 593; zuletzt Beschluss vom 28.08.2017 1 Ws 100/17). Dies entspricht dem systematischen Ausnahmecharakter des 56f Abs. 2 StGB. Seine Anwendung setzt voraus, dass das Gericht, sei es aufgrund einer bereits eingetretenen positiven Veränderung der Lebensverhältnisse des Verurteilten, sei es aufgrund neuer Auflagen und Weisungen zu der Überzeugung gelangt, er werde endgültig von Straftaten Abstand nehmen und ein geordnetes Leben führen. Diese Überzeugung kann nur gewonnen werden, wenn objektiv eine hohe Wahrscheinlichkeit für ein künftiges Wohlverhalten des Verurteilten vorliegt (vgl. Hanseatisches OLG in Bremen, a.a.o.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt und es ist auch nichts zu deren Vorliegen vorgetragen worden oder sonst ersichtlich. 2. Die Kostenentscheidung beruht auf 473 StPO. gez. Dr. Böger gez. Dr. Schnelle gez. Wolter