Teil nicht mehr benötigte oder unbrauchbare Waffen ab, während die wesentlichen Bestände unangetastet blieben.

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pa/dpa/db Koltermann Ein Soldat der kongolesischen Armee registriert Gewehre, die in einem Entwaffnungslager der UN-Mission MONUC gesammelt wurden (25. April 2005 in Bunia). Einem auch auf dem Balkan und in Afghanistan bekannten Muster folgend, gaben die Milizen allerdings zu einem erheblichen Teil nicht mehr benötigte oder unbrauchbare Waffen ab, während die wesentlichen Bestände unangetastet blieben. Die Vereinten Nationen sehen sich in der Demokratischen Republik Kongo einer Situation gegenüber, die eine dauerhafte Konfliktlösung erschwert. Nach vielen Jahren Krieg und Bürgerkrieg sind alle Konfliktparteien in den Wiederaufbau zu integrieren, um die Eskalation der Gewalt in den Griff zu bekommen. Bleiben Angebote für die Wiedereingliederung der Kämpfer in die zivile Gesellschaft vonseiten der Regierung und der internationalen Gemeinschaft aus, besteht die Gefahr, dass erneut bewaffnete Konflikte ausbrechen. Die Demokratische Republik Kongo ist ein Beispiel für die Schwierigkeit, von außen einen tragfähigen Friedensprozess in Gang zu setzen, abzusichern und zu moderieren.

Aktuelle Konfliktlösung in der Demokratischen Republik Kongo Die Friedensbemühungen der internationalen Gemeinscha in der Demokratischen Republik Kongo im Allgemeinen und der UN-Mission MONUC im Besonderen folgen den anspruchsvollen Interventionsstrategien, die die internationale Gemeinscha in den vergangenen zwei Jahrzehnten entwickelt hat. Ihre Umsetzung stellt die Akteure vor zahlreiche Herausforderungen. Dazu zählt unter anderem die hohe Zahl der Konfliktparteien. Im zweiten Kongo-Krieg waren es phasenweise Armeen von sieben Staaten, was die Friedensverhandlungen erschwerte. Auf kongolesischer Seite sind drei große Rebellengruppen (RCD, MLC, RCD-ML) sowie eine Vielzahl kleinerer bewaffneter Gruppierungen und Milizen beteiligt gewesen, die im Jahr 2001 ungefähr 90 000 nicht-staatliche Komba anten umfassten. Insbesondere die RCD durchlief einen Prozess der Zerspli erung, aus dem wiederum neue Rebellengruppen hervorgingen, die an den Friedensverhandlungen ebenfalls beteiligt werden wollten. Zusätzlich erschwert wurde eine Verhandlungslösung durch die unklaren politischen Zielsetzungen der Kontrahenten, die sich während des Krieges zunehmend mit wirtscha lichen Interessen überlappten. Nahezu alle Konfliktparteien engagierten sich in den von ihnen kontrollierten Gebieten in der Ausbeutung der großen Rohstoffvorkommen. Die materiellen Anreize der Kriegswirtscha waren ein Grund dafür, dass das Waffenstillstandsabkommen von 1999 zunächst nicht zur Einleitung eines Friedensprozesses führte. Das Konfliktmanagement der internationalen Gemeinscha konzentrierte sich in der Folgezeit auf die Vermi lung eines Mach eilungsabkommens zwischen der Regierung und ihren bewaffneten Herausforderern, das politische und wirtscha liche Anreize schaffen sollte, die Waffen niederzulegen und sich am Friedensprozess zu beteiligen. Diese mi lerweile in fast allen Konfliktländern praktizierte Form der Konfliktbearbeitung ha e schließlich den gewünschten Erfolg: Im Juni 2003 trat eine Übergangsregierung an, an der alle wesentlichen Akteure beteiligt waren. Sie führte die Demokratische Republik Kongo, bis die aus 111

II. Strukturen und Lebenswelten Die Aufarbeitung von Verbrechen in der Demokratischen Republik Kongo vor dem Internationalen Strafgerichtshof Am 6. Februar 2008 wurde in Kinshasa Mathieu Ngudjolo verha et, der dri e ehemalige Milizenführer aus der Zeit des Ituri-Konfliktes von Anfang 2003. Der im Oktober 2007 zum Oberst der Regierungsarmee FARDC (Forces Armées de la République Démocratique du Congo) ernannte Ngudjolo wurde unverzüglich vor den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag verbracht. Die Anklage lautete auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen: Von Januar bis März 2003 soll Ngudjolo als Chef der Lendu-Miliz FNI (Front Nationaliste et Intégrationniste) im Ituri-Distrikt Morde, systematische Plünderungen und Vergewaltigungen sowie den Einsatz zwangsrekrutierter Kindersoldaten gegen Angehörige der Ethnie der Hema befohlen haben. Grausamer Höhepunkt war ein von Ngudjolo organisierter Angriff auf das Hema-Dorf Bogoro am 24. Februar 2003, der mindestens 200 zivile Todesopfer forderte. In Ituri tobte noch nach Unterzeichnung eines Friedensvertrages Anfang 2003 ein blutiger Konflikt zwischen Hema und Lendu, in dem über 50 000 Menschen getötet und 500 000 vertrieben wurden. Die Kamp andlungen galten seinerzeit als Gefahr für den gesamten Friedensprozess im Kongo. Eine EU-Eingrei ruppe verhinderte mit der»operation Artemis«die weitere Ausdehnung des örtlichen Konfliktes. Ngudjolo, der im Juni 2005 die Miliz MRC (Mouvement Révolutionnaire Congolais) mit gegründet ha e, schloss im Juli 2006 als deren Anführer einen Vertrag mit der kongolesischen Regierung. Die Übereinkun legte die Entwaffnung seiner Milizen und deren Integration in die Regierungsarmee fest. Im Gegenzug wurden Ngudjolo Amnestie und ein Offizierdienstgrad in der FARDC zugesichert. Im März 2005 waren Germain Katanga und Thomas Lubanga verha et worden. Lubanga, führender Kopf der Hema-Miliz UPC (l`union des Patriotes Congolais) und Hauptwidersacher Ngudjolos im Ituri- Konflikt, soll 2002/03 Kindersoldaten zwangsrekrutiert und eingesetzt haben. Lubanga wurde im März 2006 nach Den Haag überstellt, Katanga folgte im Oktober 2007. Katanga, Anführer der Lendu-Miliz FRPI (Forces de Résistance Patriotiques en Ituri), muss sich unter an- 112

Aktuelle Konfliktlösung derem wegen der Teilnahme am Angriff auf Bogoro vor dem IStGH verantworten. Der IStGH wurde durch einen völkerrechtlichen Vertrag, das sogenannte Römische Statut, am 17. Juli 1998 ins Leben gerufen und nahm am 1. Juli 2002 seine Arbeit auf. Im Gegensatz zum ebenfalls in Den Haag ansässigen und für zwischenstaatliche Streitigkeiten zuständigen Internationalen Gerichtshof (IGH) zählt der IStGH nicht zu den Organen der Vereinten Nationen. Der IStGH ist zuständig für Verfahren wegen Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen, wenn der vorrangig zur Ermi lung und Strafverfolgung aufgerufene Staat nicht willens oder aber nicht in der Lage ist, seine Verantwortung selbst wahrzunehmen. Zudem muss der Staat, in dem eine Tat begangen wurde oder aus dem der Täter kommt, den IStGH allgemein anerkannt haben oder seine Gerichtsbarkeit im Einzelfall akzeptieren. Die Übergangsregierung der Demokratischen Republik Kongo hat als Vertragspartei des Römischen Statuts im April 2004 juristische Zuständigkeiten an den IStGH abgegeben. Der Anklagevertreter des IStGH kündigte am 23. Juni 2004 den Beginn der Untersuchungen im Kongo an. Heute sind selbst hochrangige FARDC-Angehörige nicht vor internationaler Ermi lung und Strafverfolgung sicher. Die kongolesische Regierung sicherte dem IStGH Anfang 2008 ihre weitere Unterstützung zu. Neben dem Ituri-Konflikt ist nun auch die juristische Aufarbeitung der bewaffneten Konflikte in den beiden Kivu-Provinzen denkbar. Ehemalige Milizenführer könnten sich schon bald Strafverfahren durch den IStGH ausgesetzt sehen, selbst wenn sie mi lerweile, wie Ex-Rebellengeneral Nkunda oder die ehemaligen prominenten Warlords und jetzigen FARDC-Obristen Cobra Matata und Peter Karim, in die FARDC übernommen worden sind. (mp) den Wahlen im Jahr 2006 hervorgegangene neue Regierung im Frühjahr 2007 ihre Arbeit aufnahm. Die politische Einbindung von Gewaltakteuren bei der Herstellung des Friedens ist allerdings nicht frei von Problemen. Ein Dilemma ist moralischer Art: Alle kongolesischen Konfliktparteien haben sich während des Krieges schwerster Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht. Über sie ist die internationale Gemeinscha hinwegegangen, um eine Befriedung des Landes 113

II. Strukturen und Lebenswelten zu erreichen. Die Aufarbeitung von Kriegsverbrechen und anderem Unrecht gilt jedoch heute als wichtiger Bestandteil einer langfristigen Konsolidierung von Frieden. Es bleibt unklar, ob es zu einer systematischen rechtlichen Aufarbeitung im Kongo kommen wird und wie sie aussehen könnte. Immerhin wurden bislang die allesamt aus Ituri stammenden Milizenführer Thomas Lubanga, Mathieu Ngudjolo Chui und Germain Katanga an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag überstellt. Ob sich hochrangige Mitglieder der kongolesischen Regierung zu verantworten haben werden, bleibt ebenso abzuwarten wie die Frage, ob es auch innerhalb des Landes zu Initiativen der Aufarbeitung der Kriegsverbrechen kommen wird. Zwar existiert eine Wahrheits- und Versöhnungskommission, wie sie in anderen Nachkriegsländern geschaffen wurde, nur hat sie ihre Arbeit noch nicht aufgenommen. Ein weiteres Problem des Mach eilungsabkommens ist politischer Natur. Die Konfliktparteien, die sich über Jahre bekämp ha en, fanden sich in einer Allparteienregierung wieder, in der sie zusammen arbeiten sollten, um den Friedensprozess voranzubringen. Wechselseitiges Misstrauen und entgegengesetzte Interessen setzten der Funktionsfähigkeit und Effizienz der Regierung enge Grenzen. Daher war es nicht verwunderlich, dass die Phase der Übergangsregierung (2003-2006) keine wesentlichen politischen Fortschri e erbrachte. Dies traf vor allem auf die Reform, genauer den Au au des Sicherheitssektors zu, der zwei Elemente umfasst: erstens die Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration von Komba anten (auch»ddr-prozess«genannt;»ddr«steht für Disarmament, Demobilisation und Reintegration), und zweitens den Au au nationaler Armee- und Polizeieinheiten. Beide Prozesse stellen eine notwendige Bedingung für die Errichtung eines staatlichen Gewaltmonopols und damit für eine dauerha e Befriedung des Landes dar. Die Übergangsregierung legte erst im Mai 2005 ihren Plan zum Au au einheitlicher nationaler Streitkrä e vor. Dank der Unterstützung diverser Geberländer konnten bis Ende 2005 immerhin sechs der geplanten zwölf integrierten Brigaden formiert werden. Deren Durchsetzungskra erwies sich allerdings als äußerst begrenzt. Die Gründe hierfür waren niedrige und unregelmäßige Soldzahlungen, unzulängliche Ausrüstung sowie 114

Aktuelle Konfliktlösung die Abhängigkeit von der aktiven Unterstützung der UN-Mission im Kongo. Die Hauptursache für diese Defizite war die Korruption innerhalb von Armeeführung und Regierung. Nur unwesentlich effizienter gestalteten sich Reform und Au au der nationalen Polizeieinheiten. Neben der Regierung sind die mäßigen Fortschri e auch den internationalen Gebern zu verdanken. Belgien, Südafrika, Angola und die EU führten einzelne Projekte im Bereich der Sicherheitssektorreform durch. Die mangelnde Koordinierung dieser bilateralen Maßnahmen verhinderte aber grei are und breitenwirksame Resultate. Auch der»ddr-prozess«stand vor großen Problemen, insbesondere im Hinblick auf die soziale und wirtscha liche Reintegration der rund 100 000 ehemaligen Komba anten, die nicht in die Armee integriert werden wollten oder konnten. Zwar sollte jedem ehemaligen Komba anten eine Demobilisierungsprämie in Höhe von 410 US-Dollar zustehen, doch nur wenige erhielten diese»friedensdividende«, die eine Rückkehr in das zivile Leben erleichtert hä e. Ähnlich wie in anderen Postkonfliktländern war die Gefahr daher groß, dass das Ausbleiben versprochener Hilfsmaßnahmen die Komba anten dazu veranlassen könnte, sich erneut bewaffneten Gruppen anzuschließen. Dies verdeutlicht, inwieweit der Umgang mit Gewalt und die Bearbeitung von Kriegsfolgen nicht nur militärische, politische und rechtliche Herausforderungen sind. Mi el- und langfristig ist die Herstellung einer tragfähigen Friedensordnung zudem eine entwicklungspolitische Aufgabe. Auch nach den erfolgreichen und insgesamt weitgehend friedlich verlaufenen Wahlen im Jahr 2006 und dem Amtsantri der neuen Regierung bleibt die Demokratische Republik Kongo mit gewaltigen Problemen konfrontiert. Sie gehen nicht nur auf fast ein Jahrzehnt bewaffneter Konflikte zurück, sondern ebenso auf die vorangegangenen Jahrzehnte, die geprägt waren von Diktatur und Misswirtscha unter Staatspräsident Mobutu. Die Festigung des Friedens und der Au au effektiver staatlicher Strukturen in der Demokratischen Republik Kongo werden noch viele Jahre in Anspruch nehmen. Denis Tull 115