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Transkript:

DNotI Deutsches Notarinstitut Dokumentnummer: 14131 letzte Aktualisierung: 05.12.2002 EGBGB Art. 15, 25, 26 Türkei: Ehelicher Güterstand, gesetzliche Erbfolge, Möglichkeit des Abschlusses eines Erbvertrages I. Zum Sachverhalt Türkische Eheleute beabsichtigen, ein Grundstück mit Wohnhaus in Deutschland zu erwerben und zwar zu je ½-Anteil. Die Eheleute haben die Ehe in der Türkei geschlossen. Sie leben seit ca. 20 Jahren in Deutschland und haben vier gemeinsame Kinder. II. Fragestellung 1. Welcher Güterstand ist für diese Ehe maßgebend? 2. Ist es möglich, dass nach dem für die Ehe geltenden Güterstand die Eheleute das Objekt zu je ½-Anteil erwerben? 3. Können die Eheleute durch Ehevertrag einen deutschen Güterstand wählen? 4. Welches Recht gilt für die Erbfolge? Gilt eventuell für den in Deutschland belegenen Grundbesitz eine besondere Erbfolge? 5. Welche Erbfolge tritt ein, wenn ein Ehegatte verstirbt und keine letztwillige Verfügung errichtet worden ist? 6. Können die Eheleute durch Erbvertrag das deutsche Erbrecht wählen und sich gleichzeitig mit erbvertraglicher Bindungswirkung gegenseitig zu Alleinerben einsetzen? 1. Zum ehelichen Güterrecht III. Zur Rechtslage a) Das auf das eheliche Güterrecht anwendbare Recht Im Hinblick auf das eheliche Güterrecht verweist das deutsche Kollisionsrecht vorliegend auf das türkische Recht, da beide Ehegatten bei der Eheschließung ausschließlich türkische Staatsangehörige waren, Art. 220 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, S. 5, Art. 15 Abs. 1 i. V. m. Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB. Die Verweisung auf die türkische Rechtsordnung haben wir als sog. Gesamtverweisung unter Einschluss des türkischen Kollisionsrechts zu Deutsches Notarinstitut Gerberstraße 19 97070 Würzburg Telefon 09 31/3 55 76-0 Telefax 09 31/3 55 76-2 25 e-mail: dnoti@dnoti.de Internet: http://www.dnoti.de mr pool gutachten/14131.doc

Seite 2 verstehen, vgl. Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB. Es ist also zunächst zu prüfen, ob das türkische Internationale Privatrecht die Verweisung auf die türkische Rechtsordnung annimmt. Art. 14 türkisches IPRG (türk. Gesetzes Nr. 2675 über das internationale Privat- und Zivilverfahrensrecht vom 22.5.1982) bestimmt im Wortlaut: MADDE 14 Evlilik mallar hakk nda eºler ikametgâh veya evlenme an ndaki milli hukuklar ndan birini seçebilirler; böyle bir seçim yap lmam º olan hallerde evlilik mallar hakk nda evlenme an ndaki müºterek milli hukuk, müºterek bir milli hukukun bulunmad hallerde, evlenme an ndaki müºterek ikametgah hukuku, bu da bulunmad takdirde, mallar n bulunduu yer hukuku uygulan r. Evlenmeden sonra yeni bir müºterek hukuka sahip olan eºler, üçüncü kiºilerin haklar sakl kalmak üzere, bu yeni hukuka tabi olabilirler. Art. 14. Die Ehegatten können hinsichtlich ihres ehelichen Vermögens das Recht ihres Wohnsitzes oder eines ihrer Heimatrechte im Zeitpunkt der Eheschließung wählen; falls eine solche Wahl nicht getroffen wird, so wird hinsichtlich des ehelichen Vermögens an das gemeinsame Heimatrecht im Zeitpunkt der Eheschließung und, falls ein solches nicht vorhanden ist, an das des gemeinsamen Wohnsitzes zur Zeit der Eheschließung und, falls auch ein solcher fehlt, an das Recht des Ortes angeknüpft, an dem sich die Güter befinden. Ehegatten, die nach der Eheschließung eine neue gemeinsame Staatsangehörigkeit erwerben, können sich unter der Voraussetzung, dass die Rechte Dritter unberührt bleiben, diesem neuen Recht unterstellen. (Text und Übersetzung aus Riering, IPR-Gesetze in Europa, 1997, S. 344 ff.) Bei Nichtvorliegen einer Rechtswahl knüpft das türkische IPR ebenso wie das deutsche primär an die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Ehegatten zum Zeitpunkt der Eheschließung an und nimmt somit hier die Verweisung auf das türkische Recht an. Inwieweit Art. 14 türk. IPRG auch auf Altehen, also auf Ehen, welche vor Inkrafttreten des türkischen IPRG geschlossen worden sind, Anwendung findet bzw. welche Regelung vor Inkrafttreten des Gesetzes galt, war aufgrund der uns zur Verfügung stehenden Quellen des türkische Rechts leider nicht ermittelbar. Es ist jedoch wohl davon auszugehen, dass in dem Fall, wenn wie hier beide Ehegatten türkische Staatsangehörige sind, sich das türkische Recht auch vormals als zuständig erklärt hat. b) Gesetzlicher Güterstand in der Türkei In der Türkei galt bislang als gesetzlicher Güterstand die Gütertrennung. Seit 1. Januar 2002 ist jedoch ein neues türkisches ZGB in Kraft getreten, das als gesetzlichen Güterstand die Errungenschaftsbeteiligung entsprechend dem Muster des schweizerischen Rechts statuiert, vgl. Art. 202 ff. türk. ZGB n. F.. Der Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung entspricht in etwa dem der Zugewinngemeinschaft des deut-

Seite 3 schen Rechts: Während des Güterstands bleibt das Eigentum der Eheleute getrennt, bei Beendigung des Güterstands entstehen Ausgleichsansprüche (Schotten, Das IPR in der notariellen Praxis, 1995, Rn. 411 zur Errungenschaftsbeteiligung nach Schweizer Recht). Dabei können Eheleute, welche in Errungenschaftsbeteiligung leben, jeweils zu Alleineigentum oder aber auch zu je ½-Anteil erwerben und über ihre Errungenschaft oder ihr Eigengut allein verfügen (vgl. auch Art. 223 türk. ZGB). Nach Art. 224 türk. ZGB haftet jeder Ehegatte für seine Schulden mit seinem gesamten Vermögen. I. Ü. besteht eine Übergangsfrist für vor dem 1.1.2002 geschlossene Ehen. Die Eheleute können eine Erklärung abgeben, dass sie nicht in den Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung wechseln wollen. Wird eine solche Erklärung innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes, also bis zum 1.1.2003, nicht abgegeben, so gilt der neue gesetzliche Güterstand als vereinbart, und zwar rückwirkend zum 1.1.2002. c) Möglichkeit der Rechtswahl zugunsten des deutschen Ehegüterrechts Das deutsche Recht gestattet in Art. 15 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB eine Rechtswahl zugunsten des Rechtes des Staates, in dem (zumindest) einer der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Aus der Sicht des deutschen Rechts wäre vorliegend somit eine Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts als dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts der Eheleute möglich. Diese Rechtswahl wird jedoch in der Türkei nur dann Anerkennung finden, wenn die türkische Rechtsordnung ebenfalls die Möglichkeit einer entsprechenden Rechtswahl vorsieht. Nach Art. 14 türkisches IPRG können die Ehegatten hinsichtlich des ehelichen Vermögens das Recht ihres Wohnsitzes oder eines ihrer Heimatrechte zum Zeitpunkt der Eheschließung wählen (vgl. Tekinalp, Der türkische Gesetzesentwurf über internationales Privat- und Zivilverfahrensrecht, RabelsZ 46 (1982), 26, 44). Allerdings ist der Gesetzeswortlaut im Hinblick auf die Möglichkeit einer Rechtswahl nicht ganz eindeutig. Es fragt sich insoweit, ob die Ehegatten eine entsprechende Rechtswahl nur im Zeitpunkt der Eheschließung vornehmen oder aber auch zu einem späteren Zeitpunkt das im Zeitpunkt der Eheschließung geltende Recht des Wohnsitzes oder eines ihrer Heimatsitze wählen können. Für die erste Alternative spricht, dass nach türkischem Verständnis das Ehegüterrecht wie im deutschen Recht grundsätzlich unwandelbar sein soll. Dies hat allerdings den deutschen Gesetzgeber nicht daran gehindert, eine nachträgliche Rechtswahl zuzulassen. Dafür, dass eine Rechtswahl auch nach der Eheschließung erfolgen kann, spricht zudem, dass gem. Art. 171 türkisches ZGB a. F. Eheverträge vor oder nach der Heirat geschlossen werden konnten (Schmellenkamp, in: Schotten, Das Internationale Privatrecht in der notariellen Praxis, 1995, Rn. 415). Hieraus darf u. E. geschlossen werden, dass auch das türkische Recht die Möglichkeit einer späteren Rechtswahl eröffnet und somit die Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts anerkennen wird, sofern die Eheleute bereits zum Zeitpunkt der Eheschließung ihren gemeinsamen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland hatten. Eine sichere Aussage kann jedoch hierzu nicht gemacht werden.

Seite 4 2. Zur Erbfolge a) Erbstatut Zunächst ist hier festzustellen, nach welchem Recht sich die Erbfolge richtet. Anknüpfungspunkt aus deutscher Sicht ist grundsätzlich das Heimatrecht des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes (Art. 25 Abs. 1 EGBGB). Jedoch ist der Vorrang unmittelbar anwendbarer Staatsverträge zu beachten (Art. 3 Abs. 2 EGBGB). Das auf die Erbfolge anwendbare Recht bestimmt sich im Verhältnis zur Türkei vorrangig nach den Bestimmungen in Anlage zu Art. 20 des Deutsch-Türkischen Konsularvertrages vom 28.5.1929 (Nachlassabkommen, RGBl. 1930 II, S. 747). Dieses Abkommen gilt laut Bekanntmachung vom 26.2.1952 (BGBl. II, S. 608) im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei fort (vgl. Dörner, ZEV 1996, 90 ff.). 14 Nachlassabkommen (Text bei Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, Internationales Erbrecht, Deutschland, Texte A II 2 Nr. 12; Staudinger/Dörner, BGB, Neubearb. 2000, Vorbem. zu Art. 25 f. EGBGB Rn. 169) bestimmt das auf die Erbfolge anwendbare Recht wie folgt: 14 (1) Die erbrechtlichen Verhältnisse bestimmen sich in Ansehung des beweglichen Nachlasses nach den Gesetzen des Landes, dem der Erblasser zur Zeit seines Todes angehörte. (2) Die erbrechtlichen Verhältnisse in Ansehung des unbeweglichen Nachlasses bestimmen sich nach den Gesetzen des Landes, in dem dieser Nachlass liegt, und zwar in der gleichen Weise, wie wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes Angehöriger dieses Landes gewesen wäre. Hiernach unterliegt die Erbfolge in das bewegliche Vermögen dem Heimatrecht der Erblasser, also türkischem Recht. Hingegen würde der in Deutschland belegene Grundbesitz nach deutschem Recht vererbt werden. Eine Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts gemäß Art. 25 Abs. 2 EGBGB für das in der Bundesrepublik Deutschland belegenes Grundvermögen hätte insoweit nur deklatorische Bedeutung. b) Gesetzliche Erbfolge nach türkischem Recht In der Türkei ist - wie bereits erläutert - zum 1.1.2002 ein neues Zivilgesetzbuch in Kraft getreten. Auf dem Gebiet des Erbrechts sind im Wesentlichen die Bestimmungen des bisherigen Rechts übernommen, jedoch sprachlich und redaktionell angepasst worden. Insbesondere hat sich auch die Nummerierung verändert. Demgemäß ergibt sich nunmehr aus Art. 499 türk. ZGB n. F., dass der überlebende Ehepartner den Erblasser neben den anderen Miterben zu 1/4 beerbt, wenn er neben Nachkommen des Erblassers erbt (Art. 499 Ziff. 1 türk. ZGB n. F.). Die vier Kinder des Erblassers teilen die verbleibende Erbquote zu unter sich gleichen Teilen (Art. 495 türk. ZGB n. F.).

Seite 5 Eine Erhöhung der Erbquote der überlebenden Ehefrau aufgrund von 1371 Abs. 1 BGB kommt nicht in Betracht, da dafür die Anwendung deutschen Güterrechts Voraussetzung wäre. Bei übereinstimmender türkischer Staatsangehörigkeit der Eheleute ist jedoch das türkische Güterrecht anwendbar (Art. 15 Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB; Art. 14 des türkischen Gesetzes Nr. 2675 über das Internationale Privat- und Zivilverfahrensrecht, vgl. auch oben). c) Möglichkeit einer erbvertraglich bindenden letztwilligen Verfügung Wie bereits oben ausgeführt, findet hier hinsichtlich des in der Bundesrepublik Deutschland belegenen unbeweglichen Vermögens das deutsche Erbrecht Anwendung und hinsichtlich des sonstigen Vermögens, also insbesondere auch hinsichtlich des in Deutschland belegenen beweglichen Vermögens das türkische Erbrecht. Insoweit tritt eine Spaltung der Nachlassmassen ein (allgemein zur Nachlassspaltung: Palandt/Heldrich, BGB, 62. Aufl. 2003, Art. 25 EGBGB Rn. 9; ausführlich Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB Rn. 723 ff.). Jedes Erbstatut befindet demnach für sich darüber, wer zu gesetzlichen Erben mit welcher Quote berufen ist oder durch Verfügung von Todes wegen zu Erben berufen werden kann (Schotten, Das Internationale Privatrecht in der notariellen Praxis, 1995, Rn. 269). Die Pflichtteils- und Noterbrechte sind grundsätzlich für jeden Nachlass getrennt nach den Normen des jeweils maßgebenden Erbstatuts zu bestimmen (Schotten, a. a. O.). Auch ist es möglich über die verschiedenen Nachlässe (unbewegliches Vermögen in Deutschland, sonstiges Vermögen) unterschiedliche Verfügungen von Todes wegen zu errichten. Demnach wäre es beispielsweise denkbar, hinsichtlich des unbeweglichen Vermögens in Deutschland einen Erbvertrag zu errichten und hinsichtlich des sonstigen Vermögens die gesetzliche Erbfolge eintreten zu lassen oder eine anderslautende letztwillige Verfügung zu treffen. Für die Eheleute unterliegt daher ein Teilnachlass (Immobiliarvermögen in Deutschland) dem deutschen Recht, während für das sonstige Vermögen (bewegliches Vermögen) das türkische Recht anwendbar ist. Insbesondere für das in Deutschland belegene Immobiliarvermögen stehen damit unproblematisch die Gestaltungsmöglichkeiten des deutschen Erbrechts zur Verfügung. Insoweit kann also ein Erbvertrag auf der Basis des deutschen Rechts mit gegenseitiger Alleinerbeinsetzung der Eheleute geschlossen werden. Hinsichtlich des sonstigen Vermögens gilt das türkische Erbrecht. Die ses ist im Wesentlichen dem schweizerischen Erbrecht nachgebildet. Das türkische Erbrecht kennt als erbrechtliche Gestaltungsformen das einfache Testament sowie den Erbvertrag. Erbrechtliche Gestaltungsmittel im türkischen Erbrecht sind u. a.: Erbeinsetzung, Vermächtnis, Teilungs- und Ausgleichsanordnung, Auflage, Bedingung, Ersatz- und Nacherbschaft, Ernennung eines Willensvollstreckers, Stiftungsgründung, Anerkennung eines außerehelichen Kindes sowie der Widerruf einer letztwilligen Verfügung (vgl. Serozan, ZEV 1997, 473, 476). aa) Erbvertrag nach türkischem Recht Der Erbvertrag ist auch nach türkischem Sachrecht zulässig. Die Reform des türkischen ZGB zum 1.1.2002 hat insoweit zu keinen inhaltlichen Veränderungen

Seite 6 geführt. Nach der neuen Fassung des türk. ZGB ist die Rechtsgrundlage Art. 527, 545 ff. ZGB Türkei H. Erbverträge I. Erbeinsetzung und Vermächtnis Art. 527 n. F. (1) Der Erblasser kann sich durch Erbvertrag einem andern gegenüber verpflichten, ihm oder einem Dritten seine Erbschaft oder ein Vermächtnis zu hinterlassen. (2) Er kann über sein Vermögen frei verfügen. (3) Verfügungen von Todes wegen oder Schenkungen, die mit seinen Verpflichtungen aus dem Erbvertrag nicht vereinbar sind, unterliegen jedoch der Anfechtung. B. Erbvertrag I. Form Art. 545 n. F. (1) Der Erbvertrag bedarf zu seiner Gültigkeit der Form der öffentlichen letztwilligen Verfügung. (2) Die Vertragschließenden haben gleichzeitig dem Beamten ih ren Willen zu erklären und die Urkunde vor ihm und den zwei Zeugen zu unterschreiben. II. Aufhebung 1. Unter Lebenden a) Durch Vertrag oder letztwillige Verfügung Art. 546 n. F. (1) Der Erbvertrag kann von den Vertragschließenden jederzeit durch schriftliche Übereinkunft aufgehoben werden. (2) Der Erblasser kann einseitig einen Erbeinsetzungs- oder Vermächtnisvertrag aufheben, wenn sich der Erbe oder Be dachte nach dem Abschluss des Vertrages dem Erblasser gegenüber eines Verhaltens schuldig macht, das einen Enterbungsgrund darstellt. (3) Die einseitige Aufhebung hat in einer der Formen zu erfolgen, die für die Errichtung der letztwilligen Verfügungen vorgeschrieben sind. b) Durch Rücktritt vom Vertrag Art. 547 n. F. Wer aufgrund eines Erbvertrages Leistungen unter Lebenden zu fordern hat, kann, wenn sie nicht vertragsgemäß erfüllt oder sichergestellt werden, nach den Bestimmungen des Obligatio nenrechtes den Rücktritt erklären. 2. Vorabsterben des Erben oder Vermächtnisnehmers Art. 548 n. ff.

Seite 7 (1) Erlebt der Erbe oder Vermächtnisnehmer den Tod des Erblassers nicht, so fällt der Vertrag dahin. (2) Ist der Erblasser zur Zeit des Todes des Erben aus dem Vertrage bereichert, so können die Erben des Verstorbenen, wenn es nicht anders bestimmt ist, diese Bereicherung herausverlangen. bb) Pflichtteilsrecht Anders als im deutschen Recht ist das Pflichtteilsrecht im türkischen ebenso wie im schweizerischen Recht nicht ein auf Geldzahlung gerichteter Anspruch gegen den testamentarischen Erben, sondern ein echtes Noterbrecht. Diese sieht für den Noterben eine dingliche quotale Beteiligung am Vermögen des Erblassers vor, die durch die Noterben mittels gerichtlicher Klage geltend gemacht werden kann und zu einer echten Miterbenstellung führt. Pflichtteilswidrige Verfügungen sind dementsprechend nicht eo ipso nichtig. Sie werden lediglich durch die gerichtlich zu erhebende Gestaltungsklage soweit herabgesetzt, dass das Noterbrecht des Berechtigten gewahrt bleibt. Nach Art. 506 Nr. 1 n. F. des türkischen ZGB beträgt die Noterbquote für einen Nachkommen die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruches. Das danach entscheidende gesetzliche Erbrecht bestimmt für den Fall des Zusammentreffens des überlebenden Ehegatten mit Kindern für den überlebenden Ehegatten eine Erbquote von 1/4, während der Restnachlass von 3/4 zu gleichen Quoten an die Kinder geht (Art. 499 Nr. 1 n. F., 495 n. F. türk. ZGB, vgl. i. E. oben). Daraus ist ggf. die Noterbquote der vier Kinder zu bestimmen.