Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten

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Transkript:

Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Staatsminister Helmut Brunner Entziehen wir unserer Lebensgrundlage den Boden? 7. Juni 2011, München Es gilt das gesprochene Wort! Referat Presse Telefon 089 2182-2215 E-Mail presse@stmelf.bayern.de Ludwigstraße 2 80539 München Telefax 089 2182-2604 Internet www.stmelf.bayern.de

Anrede! Herzlich willkommen im Max-Joseph-Saal der Münchner Residenz zum Kongress Entziehen wir unserer Lebensgrundlage den Boden? Täglich verbrauchen wir in Bayern 16 ha (das sind 23 Fußballfelder), in Deutschland sind es rd. 115 ha (auch 95 ha werden genannt) landwirtschaftliche Fläche. Angesichts einer abnehmenden bzw. stagnierenden Bevölkerung ist dieser Verlust besorgniserregend; und gleichzeitig sterben die Innenbereiche von Dörfern und Städten aus. Seit 1960 gingen so für Siedlung und Infrastrukturmaßnahmen rd. 750.000 ha verloren. Bei einer durchschnittlichen Betriebsgröße von 28,4 ha ist das die Fläche von mehr als 26.000 Betrieben! Ist das alternativlos? Wann ist der Hunger gestillt? Das Bündnis für Flächensparen in dem über 40 Verbände und Organisationen zusammenarbeiten und das Flächensparforum leisten schon gute Arbeit. Aber wir brauchen hier einen echten Bewusstseinswandel! Der Flächenverbrauch muss weiter deutlich sinken! S e i t e 1

I. Bedeutung von Freiflächen Welchen Wert hat die Ressource Fläche? Sie ist nicht vermehrbar, sie ist inflationssicher und ein alter Spruch sagt: Liebe vergeht, Hektar besteht. Also, land- und forstwirtschaftliche Flächen sind unverzichtbar für: sichere Lebensmittelversorgung einer wachsenden Weltbevölkerung (plus 80 Mio. Menschen pro Jahr) nachhaltige klimafreundliche und sichere Energieversorgung (Energiewende braucht Fläche) den nachwachsenden Rohstoff Holz (bauen, heizen) Bindung des Treibhausgases CO 2 Hochwasserschutz und Grundwasserneubildung Lebensraum für bedrohte Flora und Fauna (Biodiversität) Erholungsraum nicht nur für Urlauber und die Entwicklungsperspektive des vitalen ländlichen Raums. Aus anderen Ländern der Welt wissen wir, dass die Stabilität eines Landes (Krisenfestigkeit) auch von den vorhandenen Produktionsflächen (und den produzierten Lebensmitteln S e i t e 2

und der sicheren Energieversorgung) abhängt. Studien bestätigen dies mittlerweile. II. Flächensparen bei Planen und Bauen Teilweise konkurrierende Ziele müssen gleichzeitig erfüllt werden. Notwendig sind damit eine gesamtgesellschaftliche Diskussion und eine neue optimierte Landnutzung; es geht immerhin um 85% unserer Flächen! War bauen auf der grünen Wiese in der Vergangenheit zu einfach und die Genehmigungen im Innenbereich zu überzogen? Haben wir das richtige Maß getroffen bei der Beruhigung der Innenstädte oder bei der Umnutzung denkmalgeschützter Gebäude? Vorrangiges Ziel muss es doch sein, Erschließungsmaßnahmen und Bauvorhaben möglichst flächensparend auszuführen. Umnutzung von leergefallenen Gebäuden und die Konversion brachgefallener Industrieund Militärflächen sollten absoluten Vorrang vor einem S e i t e 3

Neubau haben. Auf diesem Gebiet müssen wir noch konsequenter Handeln und neue Ideen entwickeln, z.b.: Handelssysteme für die Flächennutzung (vgl. Emissionshandel) Gewährung von Abrissprämien Änderung der Erschließungsgebühr Differenzierung der Grunderwerbs- und der Grundsteuer hinsichtlich Innen- und Außenbereich etc. Mit unserem Programm Dorf vital oder der Initiative Stadt Mitte des Innenministeriums geht die Staatsregierung neue Wege zur Revitalisierung der Dorf- und Stadtkerne also wieder Leben ins Zentrum bringen und nicht in Natur und Landschaft eingreifen! Die Bodenordnung aus meinem Haus hilft die Nutzungskonflikte einvernehmlich zu lösen. Und mit interkommunalen Allianzen lassen sich nicht nur Kosten sondern auch Flächen sparen. Inzwischen bieten viele Gemeinden bereits ein kommunales Flächenmanagement für Investoren an (kostenlose Datenbank im Internet vom Staat). Aber es sind weitere kreative Lösungen gefragt! S e i t e 4

III. Naturschutzrechtliche Kompensation Wenn wir weniger in Natur und Landschaft eingreifen, dann wären nicht so viele Ausgleichsflächen und Ersatzmaßnahmen notwendig. Auch das wirkt sich positiv auf die Konkurrenz um die knappen Erzeugungsflächen aus. Es geht doch heute längst nicht mehr um den Abbau von Produktionsüberschüssen durch Stilllegung! Ausgleich und Ersatz stehen für mich außer Frage, aber über das Wie muss diskutiert werden! Kernfragen sind: Können wir es uns noch leisten die besten Flächen aus der Produktion zu nehmen? Ist der Flächenumfang der entscheidende Maßstab oder ist nicht vielmehr die Qualität der ökologischen Aufwertung entscheidend? Wer kümmert sich um die Kompensationsflächen, um die ökologische Aufwertung dauerhaft zu erhalten? Wie können Eingriff und Kompensation zeitlich und räumlich entzerrt werden (Flächenpools für mehr Flexibilität)? S e i t e 5

Müssen Kompensationsflächen immer der Nutzung entzogen werden, oder können sie in Abläufe eines landwirtschaftlichen Betriebs integriert werden? Können Maßnahmen im Wald verstärkt als Kompensationsmaßnahmen herangezogen werden? Muss eine Kompensation für Veränderungen des Landschaftsbildes erfolgen? Wenn ja, wird das riesige Schwierigkeiten bei der von der Gesellschaft gewünschten Energiewende geben. Nicht, dass ich falsch verstanden werde: Ich bekenne mich ausdrücklich zu den im Naturschutzrecht verankerten Geboten und Prinzipien: Vermeidungsgebot, Verursacherprinzip und Kompensationsprinzip. Das Bundesnaturschutzgesetz eröffnet uns neue Chancen für ein intelligentes Flächenmanagement, indem künftig agrarstrukturelle Belange zu prüfen sind man könnte übrigens auch wertvolle Landwirtschaftsflächen schützen. Die vorrangige Prüfung, ob Ausgleich oder Ersatz durch Maßnahmen wie Entsiegelung S e i t e 6

Wiedervernetzung von Lebensräumen Bewirtschaftungs- oder Pflegemaßnahmen (zur dauerhaften Aufwertung der Natur bzw. des Landschaftsbildes) erbracht werden kann, ist sehr hilfreich. Es ist ein großer Erfolg, dass Ausgleich und Ersatz inzwischen gleichrangig ist. Aber ich hätte mir noch eine Gleichstellung des Ersatzgeldes gewünscht. Denn mit diesem Geld könnte man das Biotopverbundsystem vervollständigen und Maßnahmen dort ausführen, wo sie am sinnvollsten sind. Ein großes Potential sehe ich noch bei Bewirtschaftungsmaßnahmen. Hier kann eine kluge Kompensation erreicht werden, ohne Flächen aus der Nutzung zu nehmen. Beispiele sind produktionsintegrierte Konzepte wie die Anlage von Lerchenfenstern im Getreide der Umstieg auf ökologischen Landbau Waldumbau zu standortgerechten Wäldern und die Wiederherstellung von Auwäldern Oder anders ausgedrückt: Schützen durch nachhaltiges Nützen! Und dazu gehört Bauernland in Bauernhand! S e i t e 7

IV. Schluss In einem gesamtgesellschaftlichen Dialog haben wir erstmals das Leitbild einer nachhaltigen bäuerlichen Landwirtschaft in Bayern entwickelt. Um dies umzusetzen, braucht es auch ein intelligentes Flächenmanagement bei dem Qualität vor Quantität (in der naturschutzrechtlichen Kompensation) steht. Ich freue mich nun auf interessante Impulse, der Vertreter anderer Bundesländer und der 3 praktischen Beispiele zur intelligenten Umsetzung eines Flächenmanagements. Ich wünsche Ihnen eine informative Tagung mit zahlreichen Kontakten und Ideen für zukunftsfähige sinnvolle Lösungen. S e i t e 8