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Transkript:

Seite 1/5 in vivo -- Das Magazin der Deutschen Krebshilfe vom 15.12.2009 Expertengespräch zum Thema Leukämie Dr. Karl-Anton Kreuzer ist heute bei uns. Schön, dass Sie zu uns gekommen sind. Schönen guten Tag. Sie sind Privatdozent, Sie sind Oberarzt am Zentrum für integrierte Onkologie am Universitätsklinikum in Köln. Meine erste Frage an Sie: Warum konnte bei Liliane K. nur noch eine Stammzelltransplantation helfen? Bei Frau K. war die Situation die, dass es zu einem Rückfall nach einer bereits sehr aggressiven Chemotherapie kam. In einer solchen Situation sind Heilungschancen ohne eine Stammzelltransplantation sehr, sehr gering, weswegen man sich dann eher für dieses aggressive Verfahren entscheidet. Wie haben Sie das beobachtet? War es schwierig für sie aus dieser kompletten Mutlosigkeit in den doch für sie eigentlich bekannten Optimismus zurückzukommen? Wenn Sie Frau K. zum ersten Mal kennen lernen, dann sind Sie eigentlich überrascht, was für eine patente und energiegeladene Frau Sie da vor sich haben. Das kann ich natürlich als behandelnder Arzt nur ganz eingeschränkt beurteilen, inwieweit es hinter dieser Fassade sicherlich auch den ein oder anderen schweren Rückschlag gegeben hat. Letztlich hat die Patientin das auf eine ganz bemerkenswerte Art und Weise bewerkstelligt. Herr Dr. Kreuzer, bevor wir beide gleich weitersprechen, haben wir für die Zuschauer noch weitere Informationen jetzt erst mal kurz zusammengefasst im Film. Sprecherin: Der Begriff Leukämie kommt aus dem Griechischen und bedeutet weißes Blut, denn die weißen Blutkörperchen spielen bei dieser Krankheit eine bedeutende Rolle. Unser Blut wird im Knochen-

Seite 2/5 mark gebildet. Bei einer Leukämie gelangen vermehrt unreife Blutkörperchen in den Kreislauf. Diese so genannten Blasten vermehren sich explosionsartig und verdrängen gesunde Blutzellen, eine Leukämie entsteht. Symptome der Erkrankung sind Fieber, geschwollene Lymphknoten, Blutarmut oder Blutungsneigung. Bei Leukämien unterscheidet man chronische und akute Formen. Chronische Leukämien verlaufen eher schleichend und werden oft nur zufällig entdeckt. Akute Leukämien entwickeln sich hingegen sehr rasch. Sie sind meist von schweren Krankheitssymptomen begleitet und betreffen vorwiegend jüngere Patienten. Jährlich gibt es deutschlandweit etwa 9.000 Neuerkrankungen. Da eine Leukämie den gesamten Organismus betrifft, kann sie nicht operiert werden. Im Mittelpunkt der Erkrankung steht deshalb die Chemotherapie. In schweren Fällen ist eine Knochenmark- oder Stammzellentransplantation erforderlich. Herr Dr. Kreuzer, ist die Form der Leukämie wie bei Frau K. eigentlich die bei Erwachsenen häufigste? Zum Glück nicht. Zum Glück sage ich deswegen, weil die häufigste Erwachsenen-Leukämie, die chronische lymphatische Leukämie, wesentlich weniger aggressiv verläuft als die Leukämie, die wir bei Frau K. beobachtet haben, und in vielen Fällen auch nicht so aggressiv behandelt werden muss. Dennoch ist gerade die, mit der wir es hier zu tun hatten, im aktuellen Fall, eine sehr aggressive, wenn nicht sogar die aggressivste Leukämie im Erwachsenenalter. Ist es bei den erwachsenen Leukämien so wie bei vielen Kinderleukämien, dass die Anlagen bereits im Mutterleib vorhanden sind? Das kann man mit Sicherheit jetzt nicht so behaupten. Es gibt zahlreiche genetische Untersuchungen, die unternommen worden sind, um dieser Frage hinterher zu gehen, ohne dass in irgendeiner dieser Untersuchungen festgestellt worden ist, dass es eine Assoziation gibt zwischen einer Veranlagung und der Wahrscheinlichkeit an einer Leukämie zu erkranken. Welche Anzeichen, welche Symptome gibt es denn für Erwachsenen-Leukämien? Akute Leukämien sind leider sehr tückisch, das heißt, sie machen sich sehr spät bemerkbar durch drei im Grunde wichtige Symptome. Das eine ist eine Blutungsneigung, die zustande kommt durch den starken Abfall an Blutplättchen, die normalerweise für die Blutgerinnung zuständig sind. Durch eine stark erhöhte Infektneigung viele Leukämie-Patienten kommen mit einer Lungenentzündung

Seite 3/5 zum ersten Mal ins Krankenhaus. Und durch eine allgemeine Abgeschlagenheit, die Ausdruck ist des Mangels an rotem Blutfarbstoff. Ebenfalls eine typische und sehr frühe Reaktion des Körpers auf die akute Leukämie. Und es ist, glaube ich, ganz wichtig mit der Therapie sofort zu beginnen, wenn die Leukämie festgestellt worden ist. Aber welche Therapiemöglichkeiten gibt es mittlerweile? Das ist ganz, ganz wichtig, dass man eine Leukämie nicht nur früh erkennt, sondern auch sehr, sehr früh und rasch anfängt mit der Behandlung. Bis dato stehen nur verschiedene Chemotherapien zu Verfügung, die sich unterscheiden in der Zusammensetzung der Wirksubstanzen, und als aggressives Verfahren die allogene Stammzelltransplantation, das heißt der komplette Austausch des Blutbildungssystems des Patienten durch das eines Spenders. Und wie können da die Nebenwirkungen gering gehalten werden? Welche Möglichkeiten hat man da? Bezüglich der Behandlung der Nebenwirkung wurden in den vergangenen Jahren ganz erheblich Fortschritte gemacht. Die Möglichkeit dieses Verfahrens ist nämlich in der Tat ganz abhängig von den Nebenwirkungen gewesen für lange Zeit. Die subjektiv empfundenen Nebenwirkungen, wie Übelkeit, wie man sie von früher kannte, sind weitgehend gebannt. Wir haben es jetzt eigentlich ausschließlich nur mit den Folgen der unterdrückten Blutproduktion zu tun, die wir natürlich als Ärzte in der Chemotherapie auch selber produzieren. Würden Sie sagen, die einzig wirkliche Chance auf Heilung ist immer noch die Stammzelltransplantation? Das kann man generell so nicht sagen, weil es verschiedene Risikogruppen gibt bei akuten Leukämien. Es gibt Patienten die haben das Glück eine so genannte Niedrig-Risiko-Konstellation aufzuweisen. Dort reicht in der Regel eine Chemotherapie alleine. Bei den so genannten Hoch-Risiko- Konstellationen ist eine Stammzellentransplantation allerdings unumgänglich. Warum wird die Stammzellentransplantation eigentlich nur bis zum 60. Lebensjahr durchgeführt?

Seite 4/5 Diese Feststellung stimmt zum Glück nicht mehr ganz. Inzwischen transplantieren die meisten Transplantationszentren bis zum 70. Lebensjahr. In ganz, ganz vereinzelten Fällen auch darüber hinaus, wenn ein Patient biologisch deutlich jünger ist. Aber warum genau die Beschränkung? Das Verfahren der Stammzellentransplantation wird giftiger und aggressiver, je älter der Patient ist, das heißt, das Risiko, dass ich durch die Therapie dem Patienten Schaden zufüge, steigt. Und ab einem gewissen Alterswert ist das Risiko so hoch, dass es nicht mehr vertretbar ist. Wie sieht es überhaupt mit der Rückfallquote aus bei diesen Erwachsenen-Leukämien? Auch das ist sehr, sehr abhängig von der einzelnen Risiko-Konstellation, die der Patient aufweist. Es gibt Leukämien, die sind extrem gut behandelbar, die haben eine 80-prozentige Quote. Es gibt Leukämien, die sind trotz der Chance einer Transplantation hochgradig gefährdet für einen Rückfall, da liegt der Rückfall bei 60 bis 70 Prozent. Wenn ein Patient das Allerschlimmste überstanden hat, wie bei Frau K., spricht man dann davon, dass die Patientin/der Patient geheilt ist? Den Terminus Heilung verwenden wir in dieser Hinsicht sehr, sehr vorsichtig als Ärzte, weil wir nie ganz sicher sein können, dass sie nach so einer Erkrankung definitiv für immer wegbleibt. Man kann sagen, dass, wenn der Patient fünf Jahre lang nach Abschluss der Therapie keinen Rückfall erlitten hat, dann sind die Chancen für eine Heilung sehr, sehr gut. Hätten Sie vielleicht noch einen abschließenden Rat, den Sie gerne loswerden würden? Wir können leider bezüglich der Diagnostik und Früherkennung von Leukämien keinen Rat geben. Das größte Anliegen, was wir als behandelnde Ärzte haben in dem Zusammenhang, ist, dass sich möglichst viele Spender zu Verfügung stellen, das heißt, dass möglichst viele Leute sich bei der

Seite 5/5 deutschen Knochenmarkspenderdatei registrieren und tatsächlich dann als Spender in Frage kommen. Herr Dr. Kreuzer, herzlichen Dank für die Informationen, für das Gespräch.