Bauteil-Entwickler nutzen Simulationen,



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TRENDS + MARKTCHANCEN Von der Idee bis zum Bauteil Trends + Marktchancen durch Simulationen, Teil 1 Simulationen dringen immer tiefer in die verschiedensten Konstruktions- und Fertigungsprozesse ein: So sind strukturmechanische Simulationen von Bauteilen mittels der Finite-Elemente-Methode (FEM) mittlerweile Standard. 3D-Füllsimulationen im Spritzguss werden immer häufiger eingesetzt. Die beiden Verfahren sind durch vereinfachte Kopplungsmöglichkeiten nahezu zusammengewachsen. Simulationen von Thermoform- und Blasformprozessen sowie neuere Möglichkeiten von strukturmechanischen FEM-Simulationen werden in einer späteren Ausgabe behandelt. Bauteil-Entwickler nutzen Simulationen, um die Funktionsgerechtigkeit und Zuverlässigkeit von Bauteilen und Baugruppen abzuschätzen; Kunststoffverarbeiter und Werkzeugbauer nutzen Simulationen, um die Machbarkeit von Fertigungskonzepten abzuschätzen und um wichtige Verfahrensparameter im Fertigungsprozess zu bestimmen. Strukturmechanische Simulationswerkzeuge mittels der FEM zur Festigkeitsberechnung von Konstruktionen liefern heute in vielen Bereichen gute oder sehr Bild: Autodesk/Moldflow gute Vorhersagen. Die FEM-Methodik ist daher in den letzten Jahren zum Standard geworden. Spritzgießsimulationen beschleunigen und optimieren die Produkt-, Prozess- und Werkzeugentwicklung bis zur Serienreife und senken zudem die Kosten, indem sie den Aufwand für Versuche, den Bau von Prototypen und Testläufe drastisch reduzieren. Mit FEM können konstruktive Problembereiche am Bauteil wie mangelnde Steifigkeit oder Festigkeit frühzeitig erkannt werden. Mit der Spritzgießsimulation können teure Momentaufnahme der Simulation des zeitlichen Verlaufs einer Form-Füllung mit Moldflow. Änderungsschleifen im Formenbau vermieden werden. Materialmengen können eingespart werden oder Zykluszeiten können verkürzt werden. Die Akzeptanz von Simulationen hat in den Betrieben stark zugenommen In den letzten Jahren hat die Akzeptanz der Simulation in kunststoffverarbeitenden Betrieben stark zugenommen, sagt Sven Theissen, Geschäftsführer der Plastics Engineering Group in Darmstadt. Der Ingenieurdienstleister, dessen neu gegründete Tochterfirma auch den Vertrieb von der Moldflow-Software von Autodesk übernommen hat, weiß aus langjähriger Industrie-Erfahrung, dass die Kosten für eine Simulation oft recht gering sind, aber der sich daraus ergebende wirtschaftliche Nutzen die Kosten oft um ein Mehrfaches übersteigt. Dazu zitiert er ein Beispiel, das von einem Automobilzulieferer mit eigenem Werkzeugbau stammt. Dort wurden zwei nahezu identische Werkzeuge gebaut, einmal mit und einmal ohne Simulation. Unter dem Strich kam dabei heraus, so Theissen, dass bei Simulationskosten von etwa 5 000 Euro der Weg ohne die Simulation gut 30 000 Euro teurer war und drei Wochen länger gedauert hat. Natürlich könne man nicht garantieren, dass es mit Simulation generell keine Änderungsschleifen gibt, aber in der Regel seien es weniger. Und das ist ja schon ein großer Vorteil, betont Theissen. Dazu kommen noch viele andere Vorteile wie höhere Sicherheit oder verminderte Risiken, die sich allerdings nicht so einfach beziffern lassen. Denn die Kosten für Probleme, von denen man nicht weiß, dass man sie gehabt hätte, kann man einfach nicht bilanzieren. Konstruktion, Werkzeugbau und Fertigung profitieren von Simulationen In Konstruktion, im Werkzeugbau und in der Fertigung will man mit Simulationsprogrammen für thermoplastische, duro- 14 Plastverarbeiter November 2009

plastische und elastische Kunststoffteile (auch mit metallischen Inserts) möglichst kostengünstige Fertigungsverfahren erzielen und mögliche Fertigungsprobleme vorab erkennen. Entsprechende Simulationsprogramme gibt es seit längerem schon für den Spritzguss und die Extrusion. Inzwischen gibt es sie auch für das Spritzprägen, für Blasform- sowie Thermoformund Kaschierprozesse oder auch das In- Mould-Graining-Verfahren (IMG). Bei der Spritzgießsimulation geht es vor allem darum, mögliche Probleme beim Füllen der Form zu erkennen. Das können schlecht füllende Rippen, ungleichmäßige Temperaturverteilungen im Bauteil (und im Werkzeug), Bindenähte im sichtbaren Bereich oder auch mögliche Luftblasen sein. Weitere Fragestellungen, die mittels Simulationen beantwortet werden können, sind der Entformungszeitpunkt, die Schwindung und der Verzug des Bauteils. Früher war die Simulation eine Domäne von hoch bezahlten Fachleuten. Heute wird der schwierigste und zeitaufwendigste Schritt, nämlich die Vernetzung des Modells mit FEM-Elementen, vom System weitgehend automatisch erledigt. Allerdings braucht man nach wie vor Fachwissen und Erfahrung, um die Ergebnisse und die Gültigkeitsbereiche von Simulationen bewerten zu können. Bereits die Ausgangsdaten müssen sehr sorgfältig ermittelt werden, damit man sich auf die Ergebnisse verlassen kann. Vor allem die rheologische Datengrundlage wie die pvt-daten der Kunststoffe (die Darstellung der Phasengrenzen eines Stoffes oder Stoffgemisches in Abhängigkeit von Druck p, Volumen V und Temperatur T), müssen möglichst exakt sein: Einige Anbieter wie Autodesk haben eigene Labors, in denen sie diese Werte in enger Zusammenarbeit mit den Kunststoffherstellern messen. Dabei müssen die Bedingungen, wie sie in der Spritzgießmaschine herrschen, mit den dort tatsächlich auftretenden Abkühlraten möglichst genau erfasst werden. Wo liegen die Trends? Weil Kunststoffteile heute immer komplexer werden und die Ansprüche an ihre Funktionalität und Qualität ständig steigen, wird auch die Simulation immer wichtiger und komplexer, erläutert Theissen. Oft müssen gegenläufige Anforderungen abgewogen werden: Man muss zum Beispiel bei einem Stoßfänger das Bauteilgewicht minimieren und gleichzeitig extrem hohe mechanische Anforderungen erfüllen. Höhere Oberflächenqualitäten sind ein weiterer wichtiger Motor für verstärkte Simulationen, sagt Theissen. Zweiter Schrittmacher ist der Kostendruck in der Automobilindustrie und bei deren Zulieferern. Die Minimierung der Wandstärken, um Gewicht und Die Kosten für Probleme, von denen man nicht weiß, dass man sie gehabt hätte, kann man einfach nicht bilanzieren. Sven Theissen, Geschäftsführer der Plastics Engineering Group Material zu sparen, erfordert Simulationen, ebenso wie die Notwendigkeit, die Zykluszeiten zu verkürzen. Verzugsanalysen sind wichtig, vor allem wenn man die problemlose Montagefähigkeit einer Baugruppe sicherstellen muss, berichtet Theissen. Neu entwickelte Funktionen der Simulationssoftware lösen sogar bis vor kurzem nicht zugängliche Probleme: Fließdynamische Phänomene aufgrund der Scherung der Schmelze in Verteilerkanälen (melt-flipper-phänomen) sind unter anderem mit der Einspritzgeschwindigkeit verknüpft und können dazu führen, dass auch bei natürlich balancierten Verteilersystemen nicht alle Kavitäten gleichmäßig gefüllt werden. Dies führt oft zu Qualitätsmängeln der Bauteile wie unterschiedlichem Oberflächenglanz, erklärt Theissen. Weniger Standard-Material, mehr kundenspezifische Kunststoffvarianten Als Trend auf der Materialseite wird, so Theissen, weniger Standard-Material eingesetzt, sondern verstärkt maßgeschneiderte, nahezu kundenspezifische Kunststoffvarianten beziehungsweise Komposite. Einen speziellen Trend zu faserverstärkten Kunststoffen hat er in seinem Unternehmen schon früh erkannt: Plastverarbeiter November 2009 15

Wir hatten schon immer sehr viele Projekte mit faserverstärkten Kunststoffen, weil hier die Verzugsprobleme besonders schwerwiegend und Optimierungen komplex sind. Bislang kam man hier ohne Prototypenwerkzeuge nicht aus, dass soll sich mit dem Konzept des Digital Prototyping zukünftig ändern. Bild: Hella Neue Entwicklungen in der Simulation für Faserverbundbauteile Speziell für Faserverbundbauteile sind neue Entwicklungen in der Simulation bedeutsam, und zwar das Zusammenwachsen der mechanischen FEM-Simulation und der 3D-Spritzgießsimulation als gekoppelte Methode. Hier wird zunächst in einer Spritzgießsimulation die Orientierung der Fasern im Bauteil berechnet. Diese räumliche Orientierung wird dann an die FEM-Software übergeben. Voraussetzung für diese aufeinander aufbauenden Simulationswerkzeuge von der CAD- Konstruktion über Spritzgießsimulation bis zu FEM-Berechnung ist die vollständige Datendurchgängigkeit. Der Datenexport und -import ist kaum standardisiert., stellt Theissen fest. Aber die Hersteller, die durchgängige Software- Systeme vom CAD bis zur Simulation anbieten, haben ineinander greifende oder durchgängige Lösungen entwickelt. Diese Datenschnittstellen funktionieren gut; Autodesk bietet aktuell eine Schnittstelle von Moldflow zu Ansys an, eine Schnittstelle zu Algor (Ende 2008 von autodesk übernommen) ist in Entwicklung. Langfristiges Ziel sollte es sein, dass auch die errechneten Simulationsergebnisse inklusive Historie wieder in das CAD-System zurückgespielt werden können, um Anpassungen für Folgeprozesse schnell und rationell ausführen zu können. Spritzgießsimulationen sind heute vergleichsweise einfach Zur Simulation von Spritzgießprozessen werden Softwareprogramme wie Autodesk Moldflow, Moldex oder Sigmastat am häufigsten eingesetzt. Früher konnte eine solche Software nur von erfahrenen Spezialisten bedient werden; heute sind das vergleichsweise einfache, intuitive Systeme. Die heutigen Programme ermöglichen eine echte 3D-Füllsimulation und weitere Berechnungen auf Basis der Volumenmodelle der Bauteile. Moderne Schnittstellen wie STEP (standard for the exchange of product model data) erlauben einen problemlosen Datenaustausch der Geometriedefinition und damit verbundener Daten des Produktmodells; die leistungsfähigeren Simulationsprogramme können aber auch native CAD-Daten einlesen. Die geometrische FEM-Vernetzung der Bauteile ist bei der Füllsimulation und bei der FEM-Festigkeitsberechnung übrigens unterschiedlich. In der Praxis spielt dies aber keine Rolle, weil dies automatisch umgerechnet wird. Günstige Software-Preise, bessere Ergebnisse und eine vereinfachte Bedienung der Programme sowie die steigenden Anforderungen an die Kunststoffverarbeitung werden dazu führen, dass die Spritzgießsimulation auch in kleineren Unternehmen zunehmend eingesetzt wird. Wolfgang Lynen, Industry Marketing Manager Manufacturing bei Autodesk Noch einfacher ist es, wenn die Spritzgießsimulation wie bei Autodesk Moldflow direkt in ein CAD-System integriert ist. Damit kann die Spritzgießsimulation direkt vom Bauteil-Konstrukteur oder auch vom Prozessexperten eingesetzt werden. Auch für speziellere Spritzgießverfahren wie das Zweikomponentenund das Sandwich-Verfahren, die Wasserinjektionstechnik (WIT) und Gasinjektionstechnik (GIT) gibt es zusätzliche Berechnungsmöglichkeiten, um die Herstellungsprozesse zu simulieren. Zusätzlich eingeführte Module für einzelne Branchen- und Nischenanwendungen haben die Verbreitung weiter gefördert. Obwohl die Akzeptanz der Simulationssoftware durch die Anwender bei Bauteil-Herstellern, Kunststoffverarbeitern Untersuchung der Gleichmäßigkeit des Füllungsverlaufs und des Druckbedarfs mit Moldflow und Werkzeugbauern in den letzten zehn Jahren sehr stark gewachsen ist, sieht Wolfgang Lynen, Industry Marketing Manager Manufacturing bei Autodesk, künftig noch mehr Einsatzmöglichkeiten. Autodesk hatte den profitablen Hersteller Moldflow und damit auch die gleichnamige Software im Juni 2008 übernommen. Dahinter stand vor allem das Ziel, eine durchgängige Lösung für die digitale Produktentwicklung anzubieten, speziell für den Formen- und Werkzeugbau. Der breitere Einsatz von Simulationssoftware in der Praxis ist aus zwei Gründen vorprogrammiert, so Lynen: Zum einen war früher der Einstiegspreis für Spritzgießsimulationssysteme sehr hoch. Das hat sich mit der Übernahme durch Autodesk positiv verändert. Wir haben die Moldflow-Module neu in Paketen zusammengefasst; in vielen Fällen ergaben sich dadurch Preissenkungen von etwa 50 Prozent. Zum anderen führt die Verbesserung der mathematischen Modelle, die vereinfachte Bedienung der Programme sowie vor allem die dramatisch steigenden Anforderungen an die Spritzgießfachleute hinsichtlich Entwicklungszeit, Qualität und Kosten dazu, dass mittlerweile die Spritzgießsimulation auch in kleineren Unternehmen eingesetzt wird. Moldflow-Funktionen wurden in die Formenbau-Software integriert Nach der Übernahme von Moldflow begann die Weiterentwicklung und Integration dieser Software in das Autodesk-Portfolio. Dazu wurden die drei wichtigsten und am häufigsten verwendeten Funktionen von Moldflow in die Formenbaulösung Autodesk Inventor Tooling eingebaut: Erstens die Simulation des Füllvorgangs. Eine zweite Funktion macht Vorschläge für die optimale Lage der Angusspunkte, wobei der Anwender die außen liegenden Oberflächen aussparen kann. Und drittens berechnet das System die Schwindung des verwendeten Materials in den unterschiedlichen Richtungen. 16 Plastverarbeiter November 2009

Die weitere Entwicklung der Software wird durch die Anwender, speziell die Zulieferer im Formenbau, getrieben. Sie müssen Daten aus einer Vielzahl von CAD-Systemen bearbeiten. Bei parametrischen Systemen geht aber beim Datenaustausch die Intelligenz der historien-basierten Parametrik verloren. Und dann wird es in der Regel oft schwierig, solche Daten zu ändern, beispielsweise wenn man die Wandstärke von Rippen ändern will, oder wenn man Entformungsschrägen hinzufügen muss. An einer Lösung dafür, der so genannten Direkt-Modellierung, arbeitet Autodesk. In einer vorläufigen Version können Autodesk-Kunden diese Software, Inventor Fusion genannt, bereits kostenlos testen. Bei Inventor Fusion kann der Konstrukteur mit dem Maus- Mit der Entformungssimulation können der frühest mögliche Entformungszeitpunkt und Basisdaten für eine optimale Konstruktion des Auswerfersystems ermittelt werden. Christoph Cohn, Geschäftsführer der Impetus Plastics Engineering Kursor wie mit einem Finger direkt am Modell ziehen und drücken. Er sieht direkt die Modelländerungen, und er muss keine Rücksicht nehmen auf die Reihenfolge, in der die einzelnen Features ursprünglich konstruiert wurden. Die prozessorientierte Simulationslösung Sigmasoft von Sigma Engineering aus Aachen basiert auf einer durchgängigen und intelligenten 3D-Volumenberechnung. Dabei können Werkzeugkomponenten wie Einlegeteile, Kerne oder Kühleinsätze einfach und schnell in das Simulationsmodell zusätzlich integriert werden. Die realen thermischen, rheologischen und mechanischen Einflussfakto- infodirect Mehr über Spritzgiess-Simulation Drei Interviews, die der Plastverarbeiter im Zusammenhang mit diesem Beitrag geführt hat, können Sie auf unserer Internetseite nachlesen. Wir befragten: S. Theissen von Plastics Engineering über die Einstiegsbedingungen für betriebseigene Simulationen, W. Lynen von Autodesk über die Datendurchgängigkeit und Digital Prototyping und Dr. G. Hartmann von Sigmasoft über die Entwicklungsstrategie für seine Simulationsprogramme. infodirect-suche 1109PVsimulation auf www.plastverarbeiter.de Plastverarbeiter November 2009 17

WER MACHT WAS MIT SPRITZGIESS-SIMULATIONSPROGRAMMEN? Gründe für Spritzgieß-Simulationen: Technik und Kosten optimieren Fragt man danach, wer was mit Spritzgießsimulationen macht, kann man grob zwei unterschiedliche Personengruppen ausmachen. Erstens Techniker wie Bauteilentwickler, Fertigungsspezialisten und Werkzeugbauer sowie zweitens Personen, die primär wirtschaftliche beziehungsweise kalkulatorische Fragestellungen lösen wollen. In der ersten Gruppe geht es vor allem um Zusammenhänge mit rheologischen Gegebenheiten: Die Bauteilentwickler interessieren sich vor allem für die Bauteilgestaltung, etwa Wandstärken, sowie Bindenahtlagen und Faserorientierungen zur strukturmechanischen Auslegung des Bauteils. Die Kunststoffverarbeiter wollen vor allem Fragen zur Formteilqualität und der Prozessstabilität klären. Die Werkzeugbauer erwarten durch die Simulationen eine Hilfestellung für die Werkzeugauslegung. Dazu gehören die optimale Schmelzeverteilung, die Werkzeugtemperierung und die Lage der Entlüftungseinsätze. Die andere Gruppe interessiert sich primär für wirtschaftliche Fragestellungen zur Kostenkalkulation von Formteilen und Werkzeugen. Bei der Formteilkalkulation geht es beispielsweise um Schussgewichte, Zykluszeiten oder das Material. Bei der Werkzeugkalkulation geht es beispielsweise um die Zahl der Kavitäten oder die Schließkraft. ren werden so exakt bestimmt und in der viskoelastischen Verzugsberechnung berücksichtigt. Somit kann das Design von Kunststoffteilen, das Werkzeugauslegung und die Prozessführung parallel zum Entwicklungsprozess virtuell optimiert werden. Ein Highlight der rheologischen Simulation mit der Software ist die Visualisierung der Schmelzehistorie, erläutert Dr. Götz Hartmann, Geschäftsführer der Sigma Engineering. Dadurch können insbesondere bei Sichtteilen, Oberflächenqualitäten präziser analysiert aber auch Vorhersagen, hinsichtlich der prozessbedingten mechanischen Stabilität eines Formteils besser getroffen werden, ergänzt Andreas Schmedding, Vertriebsund Marketing-Manager des Software- Unternehmens. Die dreidimensionale Kopplung von Formteil und Werkzeugkomponenten beschreibt exakt die thermischen Auswirkungen auf das Fließund Abkühlverhalten eines Formteils. Kostspielige thermische Einsätze zur konturnahen Kühlung mit dem Ziel, Zykluszeiten zu reduzieren, lassen sich dadurch zielgerichteter auch im Hinblick auf das dadurch veränderte Fließverhalten bewerten beziehungsweise optimieren. Die bereits seit 2007 integrierte viskoelastische Verzugsberechnung berücksichtigt darüber hinaus die behinderte Schwindung des Formteils im Werkzeug und damit die tatsächliche Spannungsrelaxation bei der Abkühlung auf Raumtemperatur. Die seit März dieses Jahres verfügbare Version 4.7 erweiterte die Leistungsfähigkeit der Software weiter: Der Entformungsvorgang kann simuliert werden und abgekühlte Bauteile können nachträglich wieder aufgeheizt werden (2nd Heat Cycle). Mit der Entformungssimulation wird die Formteilstabilität des Bauteils beim Entformen untersucht beziehungsweise der frühest mögliche Entformungszeitpunkt ermittelt. Die Entformung kann bei dünnwandigen Bauteilen, vor allem bei kurzen Zykluszeiten, problematisch sein, erklärt Christoph Cohn, Geschäftsführer Impetus Plastics Engineering in Aachen, die neben ihrem Stammsitz in Aachen ein Kunststoff-Simulationszentrum in Bad Aibling betreibt. Zudem können mit Hilfe dieser Funktionalität Basisdaten für eine optimale Konstruktion des Auswerfersystems erhalten werden. Qualitätssteigerungen durch erweiterte Thermiksimulationen Mit der erweiterten Thermiksimulation kann die spätere Aufheizung des Bauteils (Tempern) etwa bei einer Verchromung unter Berücksichtigung der fortlaufenden Spannungsrelaxation und Kristallisation simuliert werden. Dadurch können also mögliche Bauteilverformungen durch eine erneute thermische Belastung berechnet werden, ergänzt Cohn. Generell ist es für die Fertigungsqualität eines Formteils wichtig, neben der Füllsimulation auch einen thermisch homogenen Wärmehaushalt im Vorfeld des Werkzeugbaus zu kontrollieren, so Cohn weiter und: Durch die Kombination der 3D-Füllsimulation mit der thermischen Werkzeugauslegung wird die Qualität der Bauteile beachtlich gesteigert und die Zykluszeit reduziert. Auch der taiwanesische Software-Hersteller Coretech Systems hat seine 3D-Si- mulationssoftware Moldex, die in Deutschland von Simpatec vertrieben wird, weiter entwickelt. Mit dem Modul edesign können Füllanalysen, Nachdruckberechnungen, Abkühlsimulationen und Verzugsanalysen (ausgehend von einer STL-Datei des Bauteils) aus jedem CAD-System erstellt werden. Schwindungs- und Verzugsberechnungen werden für faserverstärkte Kunststoffe, mit zunehmender Faserlänge und -menge, zunehmend schwieriger. Für unverstärkte, homogene Kunststoffe sind die Ergebnisse sehr nahe an der Realität, für verstärkte Kunststoffe muss man entsprechende Berechnungen nach wie vor kritisch bewerten, meint Cohn. Die Softwareentwickler wollen daher den Verzug realitätsnaher berechnen. Moldex hat eine entsprechende Methodik entwickelt, diesen Verzug besser berechnen zu können. Sie beruht darauf, Eigenspannungen basierend auf einem viskoelastischen Materialgesetz zu berechnen, die eine Relaxation der inneren Spannungen im Übergang Schmelze/Festkörper berücksichtigt, erklärt Cohn. Weitere Neuerungen sind Module zur Optimierung der Prozessbedingungen in Bezug auf die optischen Eigenschaften eines spritzgegossenen Kunststoffs (beispielsweise für Linsen) oder für die Verformung beziehungsweise Verschiebung dünner Kontaktdrähte beim Umspritzen von integrierten Schaltungen. Auch in Moldex gibt es seit neuerem ein Programm für eine zeitabhängige Berechnung der Abkühlung, mit der das Aufheizen/Abkühlen bestimmter Werkzeugsektionen simuliert werden kann. Dies ermöglicht es, mikrostrukturierte Oberflächen besser abzubilden, die Eigenschaften von Bindenähten zu verbessern oder Bauteile mit geringen Wanddicken herzustellen. Dr. Dieter Wirth KONTAKT Sven Theissen, Geschäftsführer, Plastics Engineering Group, theissen@pe-group.de Wolfgang Lynen, Industry Marketing Manager Manufacturing, Autodesk, autodesk@fortispr.de Christoph Cohn, Geschäftsführer, Impetus Plastics Engineering, c.cohn@impetus-engineering.de Andreas Schmedding, Verkaufs- und Marketingmanager, Sigma Engineering, a.schmedding@sigmasoft.de Cristoph Hinse, Geschäftsführer, Simpatec, c.hinse@simpatec.com 18 Plastverarbeiter November 2009