Die Anordnung könnte den R in seinem in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 2. Fall GG gewährleisteten Recht auf Rundfunkfreiheit verletzen.

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Transkript:

Lösung Fall 4 Rundfunkfreiheit Hinweise 1. Der Fall ist angelehnt an BVerfG, NJW 1995, S. 184 ff. und BVerfG, NJW 2008, S. 977. 2. 169 Satz 2 GVG ist hier nicht zu prüfen, da es nicht um Fernsehaufnahmen während der Verhandlung geht, sondern nur um Aufnahmen vor und nach der Verhandlung sowie in den Verhandlungspausen. 3. Auch wenn es hier (auch) um das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Beteiligten geht, soll dies aber nicht vertieft werden, da diese Thematik später zu behandeln ist. Deshalb ist davon auszugehen, dass auf Grund der Anonymisierung und des Verzichts auf Nahaufnahmen eine Identifizierung so gut wie ausgeschlossen ist. Die Anordnung könnte den R in seinem in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 2. Fall GG gewährleisteten Recht auf Rundfunkfreiheit verletzen. A. Schutzbereich Die Rundfunkfreiheit umfasst die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk. I. sachlicher Schutzbereich Rundfunk =Veranstaltung und Verbreitung von Darbietungen aller Art für einen unbestimmten Personenkreis mit Hilfe elektrischer Schwingungen/physikalischen Wellen (Hörfunk, Fernsehen, aber auch Videotext, Bildschirmtext, Pay-TV); Darbietungen sind von Rundfunkunternehmen redaktionell verantwortete und aufbereitete Inhalte nicht nur die Berichterstattung im eigentlichen Sinn, sondern jede Vermittlung von Information und Meinung; irrelevant ist die Programmart; es spielt keine Rolle, ob die Sendung primär der Information, der Bildung, der Unterhaltung oder anderen Zwecken dient; auch Werbesendungen sind mittelbar geschützt, weil sie der Finanzierung von Programmfunktionen dienen geschützt werden alle wesensmäßig mit der Veranstaltung von Rundfunk zusammenhängenden Tätigkeiten, von der Beschaffung der Information und der Produktion der Sendungen bis hin zu ihrer Verbreitung; der Schutz erstreckt sich auf die dem Medium eigentümlichen Formen der Berichterstattung und die Verwendung der dazu erforderlichen technischen Vorkehrungen und die medienspezifische Informationsbeschaffung (Einsatz von Kameras und Mikrophonen); geschützt ist auch die Sammlung von Informationen und das Redaktionsgeheimnis dazu gehört es auch, sich über Vorgänge in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung zu informieren und darüber zu berichten C Fall 4 Lösung ausführlich 1

Die Befriedigung des Informationsinteresses der Öffentlichkeit an gerichtlichen Verfahren dient nicht nur der öffentlichen Meinungsbildung, sondern liegt auch im Interesse der Justiz, mit ihrem Verfahren und Entscheidungen öffentlich wahrgenommen zu werden (öffentliche Kontrolle von Gerichtsverhandlungen).Die Vermittlung des Erscheinungsbildes des Gerichtssaals kann den Bürgern eine der Befriedigung des Informationsinteresses dienende Anschaulichkeit von Gerichtsverfahren geben. Hier: Der R beabsichtigt die Berichterstattung im Fernsehen über das Geschehen im Rahmen der Gerichtsverhandlung. Die Berichterstattung über das Fernsehen stellt Rundfunk dar und das geplante Anfertigen der Filmaufnahmen im Sitzungssaal zur anschließenden Berichterstattung ist als Verwendung der dazu erforderlichen technischen Vorkehrungen vom Schutzbereich erfasst. II. persönlicher Schutzbereich - Träger des Grundrechts sind alle natürlichen und juristischen Personen sowie Personenvereinigungen (Art. 19 Abs. 3 GG), die eigenverantwortlich Rundfunk veranstalten und verbreiten; die Rundfunkfreiheit ist kein Grundrecht, das an Eigenschaften anknüpft, die nur natürlichen Personen wesenseigen sind, sondern seine Ausübung ist vielmehr kollektiv möglich, so dass die Rundfunkfreiheit in seinem Wesen auch auf juristische Personen gemäß Art. 19 Abs. 3 GG (siehe dazu Fall Pressefreiheit ) anwendbar ist - bei R handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt, also eine juristische Person des öffentlichen Rechts Eine öffentliche Anstalt ist eine Zusammenfassung personeller und sächlicher Mittel in der Hand eines Trägers öffentlicher Verwaltung, die einem besonderen öffentlichen Zweck dauernd zu dienen bestimmt sind. (P) Grundrechtsberechtigung juristischer Personen des öffentlichen Rechts siehe dazu Exkurs Grundrechtsberechtigung juristischer Personen des öffentlichen Rechts - Grundrechte gelten grundsätzlich nicht für juristische Personen des öffentlichen Rechts - in besonderen Fällen ist aber auch bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts das sog. personale Substrat bzw. die grundrechtstypische Gefährdungslage gegeben Hier: R ist ein öffentlich-rechtlicher Rundfunkveranstalter und damit eine juristische Person (Anstalt) des öffentlichen Rechts. Als Rundfunkveranstalter befindet er sich bezogen auf die Rundfunkfreiheit in einer grundrechtstypischen Gefährdungslage und kann sich damit auf die Rundfunkfreiheit berufen. B. Eingriff Hier: Durch die Beschränkung der Filmaufnahmen wird die Berichterstattung über den Prozess beeinträchtigt und eingeschränkt. Damit wird in den Schutzbereich der Rundfunkfreiheit eingegriffen. C Fall 4 Lösung ausführlich 2

C. Rechtfertigung I. Einschränkbarkeit (Schranken) - insb. Art. 5 Abs. 2 GG = allgemeine Gesetze, gesetzliche Bestimmungen zum Schutz der Jugend, Recht der persönlichen Ehre Bei einem qualifizierten Gesetzesvorbehalt fordert das Grundgesetz nicht nur, dass Eingriffe durch oder auf Grund Gesetzes (einfacher Gesetzesvorbehalt) erfolgen, sondern verlangt außerdem, dass das Gesetz an bestimmte Situationen anknüpft, bestimmten Zwecken dient oder bestimmte Mittel benutzt (weiteres Beispiel: Art. 11 Abs. 2 GG knüpft an bestimmte Situation an und dient bestimmten Zwecken) Daneben können die Eingriffsermächtigungen der Art. 9 Abs. 2, 18, 21 Abs. 2 GG für die Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 GG von Bedeutung werden; für die Meinungsfreiheit ist zudem Art. 17a GG zu beachten. II. Grenzen der Einschränkbarkeit (Schranken-Schranken) 1. Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlage a) Benennung der Rechtsgrundlage des Eingriffs Hier: 176 GVG b) Grundrechtsspezifische Anforderungen an die Rechtsgrundlage - allgemeines Gesetz : siehe dazu Fall 3 Pressefreiheit Hier: Ist 176 GVG ein allgemeines Gesetz? - es betrifft jedermann und richtet sich nicht speziell gegen Presse und Rundfunk und die davon umfassten Tätigkeiten - es dient dem Schutz der geordneten Rechtspflege, die den Prozess der Rechts- und Wahrheitsfindung sowie das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Prozessbeteiligten umfasst und dem Grundrechtsschutz der Medien nicht nachsteht allgemeines Gesetz (+) c) Allgemeine Anforderungen an die Rechtsgrundlage (1) formelle Verfassungsmäßigkeit (+) (2) materielle Verfassungsmäßigkeit - Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (in Ansehnung der generell abstrakt möglichen Beschränkung der Rundfunkfreiheit) C Fall 4 Lösung ausführlich 3

- Besonderheit bei Art. 5 Abs. 1 GG: Wechselwirkungstheorie : siehe Fall 3 Pressefreiheit Hier: - legitimer Zweck: Aufrechterhaltung der Ordnung im gerichtlichen Verfahren, störungsfreier Ablauf der Sitzung, ungehinderte Entscheidungsfindung (keine Show-Prozesse ; keine Ausübung von Druck durch die Medien), Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts (dazu später mehr) der Beteiligten; diese könnten durch ihre Darstellung in den Medien angeprangert und vorverurteilt werden; eine spätere Resozialisierung könnte erschwert werden - Mittel zur Erreichung des Zwecks: 176 GVG ermöglicht es dem Vorsitzenden, zur Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung - auch die Berichterstattung - beschränkende Anordnungen zu erlassen - Geeignetheit: beschränkende Anordnungen können die Ziele des 176 GVG fördern - Erforderlichkeit: beschränkende Anordnungen stellen dort, wo freiwillige Rücksichtnahme oder Zurückhaltung nicht vorzufinden ist oder die Umstände des Einzelfalls wie etwa ein außerordentlicher Andrang an Zuschauern oder Medienvertretern solche erfordern, die mildesten effektiven Mittel dar, um die Ordnung aufrecht erhalten zu können - Angemessenheit: in Ansehung generell abstrakt möglicher Beeinträchtigungen der Rundfunkfreiheit durch die dem Schutz der Ordnung und dem Persönlichkeitsrecht dienenden beschränkenden Anordnungen nach 176 GVG ist die Norm angemessen: insbesondere weil die weite Formulierung der Tatbestandsvoraussetzungen ( Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung ) einen weiten und ausreichenden Spielraum für den Einzelfall lässt, der den grundrechtlichen Gewährleistungen ausreichend Rechung tragen kann 176 GVG ist materiell verfassungsgemäß C Fall 4 Lösung ausführlich 4

2. Verfassungsmäßigkeit der Anordnung - Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Hier: - legitimer Zweck: Aufrechterhaltung der Ordnung im gerichtlichen Verfahren, insbesondere störungsfreier Ablauf der Sitzung, Minimierung der Störungen durch Medienvertreter und deren Gerätschaften; ungehinderte Entscheidungsfindung, Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Beteiligten - Mittel zur Erreichung des Zwecks: Begrenzung der Filmaufnahmen - Geeignetheit: zwar ist von Aufnahmen außerhalb der Verhandlung, um die es hier geht, keine weitgehende Beeinträchtigung der richterlichen Entscheidungsfindung und der Beiträge der Prozessbeteiligten zu befürchten (die Beteiligten sprechen und handeln in Abwesenheit der Kameras); aber Störungen im äußeren Ablauf der Sitzung und Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrecht der Beteiligten sind nicht vollends auszuschließen, so dass die Einschränkung ein taugliches Mittel zur Bekämpfung dieser Gefahren darstellt - Erforderlichkeit: der Persönlichkeitsschutz erfordert aber kein völliges Filmverbot, ihm ist durch die Anonymisierung und den Verzicht auf Einzel- und Großaufnahmen bereits ausreichend Rechnung getragen; eine Gefahr, dass zahlreiche Kamerateams um möglichst eindrucksvolle und exklusive Bilder wetteifern und sich wechselseitig bedrängen und dadurch den Ernst des Strafverfahrens und die Würde der Angeklagten missachten, ist schon durch vorgeschlagenen Lösung gebannt, nämlich dass lediglich 3 Personen den Sitzungssaal betreten sollen Anordnung war nicht erforderlich, es war ein milderes genauso effektives Mittel ( Pool- Lösung mit Anonymisierung und Verzicht auf Nahaufnahmen) vorhanden C Fall 4 Lösung ausführlich 5

D. Ergebnis Die Anordnung verletzt den R in seinem Grundrecht der Rundfunkfreiheit. wenn man darauf abstellt, dass die Anordnung erforderlich war, geht die Prüfung weiter: - Angemessenheit: jedenfalls ist die Anordnung aber unangemessen: die verbleibenden Gefahren für die äußere Ordnung des Strafverfahrens und das Persönlichkeitsrecht der Beteiligten rechtfertigen keine so umfassende Einschränkung von Filmaufnahmen und die Rundfunkfreiheit wird unangemessen eingeschränkt; es besteht ein großes Informationsinteresse der Öffentlichkeit an allen Verhandlungstagen, nicht nur zu Beginn der Sitzung am ersten Tag; es geht um ein Strafverfahren mit hoher öffentlicher Aufmerksamkeit, das sich von der gewöhnlichen Kriminalität abhebt, es besteht ein anerkennenswertes Interesse, auch einen optischen Eindruck von diesem Verfahren der Öffentlichkeit zu übermitteln und der Nachwelt zu erhalten; die verbleibenden Gefahren für die von 176 GVG geschützten Rechtsgüter sind insgesamt nicht besonders hoch einzuschätzen; auch ein einzelnes Kamerateam kann zwar durch ungebührliches Verhalten, zudringliche Aufnahmen, unpünktlichen Aufund Abbau der Geräte etc. die Ordnung der Sitzung stören und das Persönlichkeitsrecht der Anwesenden gefährden, in diesem Fall könnte der Vorsitzende der Strafkammer aber Anweisungen geben bzw. im konkreten Fall reagieren C Fall 4 Lösung ausführlich 6