Länderfinanzausgleich wieder im Streit 5. Workshop Jahrbuch für öffentliche Finanzen Auf dem Weg zu einem europäischen Grundgesetz 21. September 2012 Leipzig Prof. Dr. Thomas Lenk/ Dr. Martina Kuntze Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät Institut für Öffentliche Finanzen und Public Management Kompetenzzentrum Öffentliche Wirtschaft und Daseinsvorsorge 1
Europäisierung der Finanzpolitik Strukturelle Faktoren Finanzströme im Bundesstaat ESM Vertrag Fiskalvertrag Schuldenbremse, demografische Entwicklung, Steuerkraftunterschiede der Länder Schicksalsjahr 2020 Auslaufen der Finanzverfassung in ihrer jetzigen Form bis 2019 2
Europäisierung der Finanzpolitik Strukturelle Faktoren Finanzströme im Bundesstaat Primärer Finanzausgleich Steuerzuordnung Sekundärer Finanzausgleich Steuer(um)verteilung 3
Sekundärer Finanzausgleich: Länderfinanzausgleich 4
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Auszug: BZ, 16.09.2012 6
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Primärer Finanzausgleich Steueraufkommen als Ausgangsposition der Ausgleichswirkungen Steueraufkommen der Länder je Einw. in v.h. des Durchschnitts* * Länderanteile an den Gemeinschaftssteuern (ohne Umsatzsteuer), zzgl. Ländersteuern. Quelle: Eigene Darstellung nach Angaben des BMF (2012). 2011 vorläufige Abrechnung. 9
Primärer Finanzausgleich Wirkung des Umsatzsteuervorwegausgleichs Finanzkraft in v.h. der Ausgleichsmesszahl nach Umsatzsteuerverteilung und vor LFA Quelle: Eigene Darstellung nach Angaben des BMF (2012). 2011 vorläufige Abrechnung. 10
Sekundärer Finanzausgleich: Länderfinanzausgleich Wirkung des Länderfinanzausgleichs i.e.s. Finanzkraft in v.h. der Ausgleichsmesszahl nach Länderfinanzausgleich Quelle: Eigene Darstellung nach Angaben des BMF (2012). 2011 vorläufige Abrechnung. 11
Sekundärer Finanzausgleich: Länderfinanzausgleich Transfers im Länderfinanzausgleich in Euro/Einw. Quelle: Eigene Darstellung nach Angaben des BMF (2012). 12
Bewertung: Zahler und Empfänger im Finanzausgleich 2011 Einwohner Zahler (-) Zahler (-). Empfänger(+) Empfänger(+) in Mio in Mio. EUR in EUR je Einw. Flächenländer Zahlerländer 29,4-7.246-147 Hessen 6,07-1.804-297 Bayern 12,56-3.663-292 Baden-Württemberg 10,77-1.779-165 Empfängerländer Flächenländer West 33,61 896 27 Niedersachsen 7,93 204 26 Nordrhein-Westfalen 17,84 224 13 Rheinland-Pfalz 4 234 59 Saarland 1,01 120 118 Schleswig-Holstein 2,84 115 40 Flächenländer Ost 12,82 2.854 223 Brandenburg 2,5 440 176 Mecklenburg-Vorpommern 1,64 429 262 Sachsen 4,14 918 222 Sachsen-Anhalt 2,32 540 232 Thüringen 2,23 527 237 Stadtstaaten Stadtstaaten 5,93 3.497 590 Quelle: eigene Darstellung Berlin 3,48 3.043 875 in Anlehnung an Schulte, Bremen 0,66 516 782 JöFin 2012 Hamburg 1,79-62 -35 13
Bewertung: Verbleibende Steuereinnahmen nach LFA und BEZ 2010/2011 Steuereinnahmen* in v.h. je Einwohner der Flächenländer in EUR In % Flächenländer Zahlerländer 3.354 103,60% Hessen 3.382 104,50% Bayern 3.373 104,20% Baden-Württemberg 3.316 102,40% Empfängerländer Flächenländer West ohne NRW 3.141 97,00% Niedersachsen 3.161 97,60% Nordrhein-Westfalen 3.256 100,60% Rheinland-Pfalz 3.137 96,90% Saarland 3.133 96,80% Schleswig-Holstein 3.098 95,70% Flächenländer Ost 3.061 94,60% Brandenburg 3.100 95,80% Mecklenburg-Vorpommern 3.064 94,70% Sachsen 3.051 94,20% Sachsen-Anhalt 3.029 93,60% Thüringen 3.030 93,60% Stadtstaaten ohne Sonder BEZ, Steuereinnahmen der Länder in der Abgrenzung des Finanzausgleichsgesetzes mit tatsächlichen Einnahmen bei Grunderwerbsteuer und 7 Abs. 3 FAG zuzüglich Kfz Steuer Kompensation; Steuern der Gemeinden nach Kassenstatistik Stadtstaaten 4.374 135,12% Berlin 4.238 130,90% Quelle: eigene Darstellung Bremen 4.280 132,20% in Anlehnung an Schulte, Hamburg 4.673 144,40% JöFin 2012 14
Fazit I (zur Nivellierung) 1. Das geltende Ausgleichssystem nivelliert die tatsächliche Finanzkraft nicht vollständig. 2. Es bleiben erhebliche Unterschiede in der nach allen finanzkraftorientierten Ausgleichsstufen verfügbaren Finanzausstattung bestehen. 3. Dem Freistaat Bayern und dem Land Hessen, die die höchste Belastung im Länderfinanzausgleich tragen, verfügen mit deutlichem Abstand über die höchste Finanzkraft unter den Flächenländern. 15
BIP und Finanzkraft 2010/2011 gegenüber 1995/96 Zahlerländer Zuwachs BIP Zuwachs verbleibende Steuern in % in % Flächenländer Bayern +46,1 +44,4 Baden-Württemberg +40,5 +40,4 Hessen +39,1 +34,1 Empfängerländer Flächenländer West ohne NRW +32,8 +32,2 Nordrhein-Westfalen +32,0 +29,1 Flächenländer Ost +38,0 +25,1 Flächenländer insgesamt +37,5 +25,1 Quelle: Hubert Schulte, JöFin 2012 16
Fazit II (zu den Anreizwirkungen) Überdurchschnittliches Wirtschaftswachstums führt bei den Zahlerländern auch zu höheren Steuereinnahmen des jeweiligen Landes und seiner Gemeinden. 17
Fazit III (Umverteilungsanteil) Im Länderfinanzausgleich werden gemessen am Gesamtsteueraufkommen 1,3% Ländersteueraufkommen 3,5% umverteilt. Im Rahmen des sekundären bundesstaatlichen Finanzausgleichs liegt der Anteil des Länderfinanzausgleichs bei 23%. Ziel der Umverteilung ist ein Beitrag zur Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse. 18
Reformbedarf Länderfinanzausgleich vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und den vorangegangenen Erläuterungen zum Länderfinanzausgleich, empfiehlt sich perspektivisch lediglich eine 1. Tauglichkeitsprüfung hinsichtlich Einwohnergewichtung (insb. aufgrund der demografischen Entwicklung) 2. stärkere Berücksichtigung der kommunalen Situation im Länderfinanzausgleich 3. Reduktion der Transferströme 4. Berücksichtigung konjunktureller Wirkungen im Länderfinanzausgleich 21. September 2012 Prof. Dr. Thomas Lenk 19
Fokus Der Reformbedarf bei der primärer Steuerverteilung ist aufgrund der wesentlich größeren Volumina ausschlaggebender als beim LFA Anteile der einzelnen Stufen am aktiven Finanzausgleich (2011) Quelle: Eigene Darstellung nach Angaben des Statistisches Bundesamt (2012), Fachserie 14, Reihe 4 Quelle: bpb (2008). sowie des BMF (2012). 20
Reformbedarf bei primärer Steuerzuordnung Umsatzsteuerverteilung Steuervolumen am Gemeinschaftssteueraufkommen: ca. 50% (2011: ca. 47%) Umsatzsteuer als variables Instrument der Finanzverfassung Bemessungsgrundlage: Deckungsquoten zum Ausgleich notwendiger Ausgaben und laufender Einnahmen ggf. Kompensation der Länder durch strukturelles Nullverschuldungsgebot im Zuge der Schuldenbremse Berücksichtigung von Zinszahlungen für Kredite schmälern tendenziell Deckungsquote des Bundes Umsatzsteuermodifikation mittels erhöhten Aufkommensanteilen oder Festbeträge für Länder 21
vor dem Hintergrund der strukturellen Rahmenbedingungen und der zunehmenden Europäisierung der Finanzpolitik zeichnet sich bereits eine verstärkte Vertikalisierung ab, die sich in bestimmten Bereichen verstärken könnte Vertikalisierung bei bundesgesetzlichen Aufgabenstandards Fokus auf Aufgaben, bei denen Gesetzgebungs und Durchführungskompetenz sowie Finanzverantwortung auseinanderfallen (Bsp.: Geldleistungsgesetze) Gesetzgebungskompetenz: immanenter Einfluss auf Kosten maßgebliche Steuergesetzgebungs und damit Einnahmekompetenz beim Bund Fazit: Aufgabenübertragung auf den Bund zunehmende Vertikalisierung der Finanzströme 22
Länderfinanzausgleich wieder im Streit 5. Workshop Jahrbuch für öffentliche Finanzen 21. September 2012 Leipzig Prof. Dr. Thomas Lenk/ Dr. Martina Kuntze Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät Institut für Öffentliche Finanzen und Public Management Kompetenzzentrum Öffentliche Wirtschaft und Daseinsvorsorge 23