Währungssysteme. 1 Devisenbewirtschaftung



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Währungssysteme Die Währungsordnung (alternativ: das Währungssystem) eines Landes bezeichnet den gesetzlichen und institutionellen Rahmen, der den Geldverkehr im Inland und zwischen Inland und Ausland regelt. Was letzteres angeht, so unterscheidet man üblicherweise zwischen zwangsverwaltungs- und marktwirtschaftlich orientierten Systemen. 1 Devisenbewirtschaftung Nahezu alle Staatshandelsländer hatten bis vor kurzem und viele Entwicklungsländer haben noch heute Devisenbewirtschaftung. In einem solchen System besteht häufig eine Übergabepflicht von Devisen an den Staat zu einem in der Regel deutlich überbewerteten offiziellen Wechselkurs der Inlandswährung. Den Zugang zu Devisen regelt der Staat. Typisch für derartige Systeme ist ein schwächelnder offizieller Exportsektor, ein strangulierter und oftmals nur für Bonzen zugänglicher offizieller Importsektor und parallel dazu ein bisweilen mehr oder minder geduldeter riesiger Schwarzmarkt. Die Konsequenzen der Devisenbewirtschaftung sind in der Regel Fehlallokation der Ressourcen Kapitalflucht (z.b. durch Over- bzw. Underinvoicing) Nepotismus und Korruption. 2 Der Goldstandard Als Goldstandard bezeichnet man ein Währungssystem, bei der die jeweilige Währungseinheit in einer festgelegten Menge Gold der sogenannten Parität definiert ist und der Bürger das Recht hat, heimisches Geld zu dieser Parität in Gold oder umgekehrt Gold in Geld umzutauschen. Deckungsvorschriften Die Deckungsvorschriften für die jeweilige Währung können im Goldstandard sehr unterschiedlich sein: 100 Prozent Deckung (also eine reine Goldumlaufwährung) Fiduziärsystem: lediglich ein Bodensatz das sogenannte Vertrauenskontingent bleibt ungedeckt, der Rest ist zu 100 Prozent gedeckt Proportionalsystem: nur ein gewisser Prozentsatz der umlaufenden Geldmenge ist gedeckt; die Reichsbank hatte z.b. eine Dritteldeckung. Der klassische Goldstandard 1870-1913 England hatte schon Anfang des 18. Jahrhunderts de facto einen reinen Goldstandard, obwohl das Pfund eigentlich bimetallisch war. Silbermünzen waren jedoch im Vergleich zum Goldpreis überwertig geworden und deshalb vollständig aus dem Umlauf verschwunden, wie es Greshams Gesetz (Thomas Gresham, 1519-1579: Schlechtes Geld verdrängt das gute ) voraussagt. Seit der Gründung der Reichsbank 1876 und erleichtert durch den Diebstahl des französischen Staatsschatzes nach dem Krieg 1870/71 galt der Goldstandard auch im Deutschen Reich. Ende des 19. Jahrhunderts galt der Goldstandard in nahezu allen wichtigen Staaten der Welt. Wechselkurse Gilt in zwei Ländern A und B der Goldstandard, so kann der Wechselkurs zwischen deren Währungen nicht weit vom sogenannten Parikurs dem relativen Goldgehalt der beiden Währungen abweichen, weil z.b. ein Importeur immer die Alternative hat, die benötigte Auslandswährung statt über den Devisenmarkt durch Kauf von Gold im Inland und anschließenden Verkauf im Ausland zu erhalten. Die Marge, um die der tatsächliche Wechselkurs vom rechnerischen Parikurs nach oben oder unten abweichen kann, bevor Goldarbitrage einsetzt, hängt natürlich von der Höhe der

Transportkosten und Umtauschgebühren ab. Der internationale Goldstandard war deshalb ein Währungssystem mit festen Wechselkursen innerhalb geringer Schwankungsbreiten. Die Berechnung des Parikurses mag mühsam aussehen, ist aber letztlich einfach. Z.B. galten im Deutschen Reich und in England DR: RM 2700,00 RM je kg Feingold; also: 2,70 RM je g Feingold UK: 3 17 Sh 10,5 P je Troy Unze Standardgold 1 ; also 0,13657 je g Feingold. Der Parikurs für das englische Pfund war also 19,77 RM. Funktionsweise des internationalen Goldstandard Dem internationalen Goldstandard werden eine Reihe automatischer Stabilisierungseigenschaften nachgesagt: Preisstabilisierung. Steigt oder fällt der relative Preis von Gold gegenüber den Preisen von Gütern, so wird Gebrauchsgold eingeschmolzen und der Zentralbank als Währungsgold angeboten bzw. umgekehrt. Als Folge steigt bzw. fällt die inländische Geldmenge, was die Güterpreise wieder steigen bzw. fallen läßt. Geldmengen-Preismechanismus (David Hume, 1711-1776). Dieser Mechanismus sorgt tendenziell für einen automatischen Zahlungsbilanzausgleich. Entwickelt sich in der Zahlungsbilanz z.b. ein Handelsbilanzdefizit, fließt Gold in das Ausland ab. Die heimische Geldmenge sinkt deshalb, während die im Ausland steigt. Das führt im Inland zu Preissenkungen und im Ausland zu Preissteigerungen, wodurch inländische Exporte im Ausland attraktiver und Importe ausländischer Güter im Inland weniger attraktiv werden. Einkommensmechanismus. Dieser Mechanismus dämpft ein entstehendes Handelsbilanzungleichgewicht. Entwickelt sich z.b. ein Handelsbilanzdefizit, so geht offenbar durch Importe mehr Kaufkraft an das Ausland verloren als umgekehrt durch die Exportnachfrage des Auslands im Inland hereinkommt. Das senkt das Einkommen des Inlands und steigert das des Auslands mit der Folge, daß die Importnachfrage im Inland sinkt und im Ausland nach den Exportgütern des Inlands steigt. Direkter internationaler Preiszusammenhang. Dieser Mechanismus im Jargon als law of one price bezeichnet besagt, daß bei Abwesenheit von Handelshemmnissen wie Zöllen jedes Gut weltweit (bis auf mögliche Transportkostenunterschiede) dasselbe kosten muß. Täte es das vorübergehend nicht, würde Güterarbitrage einsetzen und schließlich für den Ausgleich sorgen. Internationaler Konjunkturzusammenhang. Springt in einem Land die Konjunktur an z.b. aufgrund einer expansiven Einkommenspolitik oder eines Stimmungsumschwungs so bewirkt das wachsende Einkommen ein Wachstum der Importe und damit auch einen Einkommenszuwachs im Ausland. Die letzten drei genannten Mechanismen sind nicht auf den Goldstandard beschränkt, sondern funktionieren in jedem System fester Wechselkurse und abgeschwächt auch in Systemen mit flexiblen Wechselkursen. Tatsächliche Entwicklung Verglichen mit der Zeit des ganz anders ausgestalteten Bretton-Woods-Systems (siehe unten) in den 2-3 Jahrzehnten nach Ende des Zweiten Weltkriegs blieben während der Zeit des Goldstandards die Preise und Wechselkurse recht stabil. Vergleichsweise hoch waren dagegen die 1 Eine Troy Unze hat 31,103 g; englisches Standardgold hat 22 Karat und damit einen Feingehalt von 22/24. 2

Beschäftigungsschwankungen. Bemerkenswert ist allerdings, daß kaum Goldbewegungen stattfanden und die Geldpolitik der Zentralbanken trotz der Deckungsvorschriften keineswegs sklavisch den veränderten Goldbeständen folgte. Der restaurierte Goldstandard 1919-1931 Nach Ende des Ersten Weltkriegs und vor dem Hintergrund hoher Handelsbilanzdefizite der kriegführenden Nationen beginnt die Suche nach neuen Paritäten. Den Anfang machen 1919 die USA, die zu ihrer Vorkriegsparität zurückkehren, gefolgt von England, das nach kurzer Abwertungsphase und anschließend extrem kontraktiver Geldpolitik und hoher Arbeitslosigkeit (8-10 Prozent) schließlich 1925 zu der völlig überbewerteten Parität von 1717 (!) zurückkehrt. Es folgen Frankreich 1928 mit der Rückkehr zu einem unterbewerteten FF was das Pfund zusätzlich überbewertet und nach Hyperinflation am 15.11.1923 auch das DR mit der Umstellung zur Goldmark M (1 Bio. RM = 1 M) und der Rückkehr zur Vorkriegsparität von 4,20 M für den US$. Bis Mitte der Zwanziger kehren auch nahezu alle anderen europäischen Länder zur Goldparität zurück. Unrealistische Wechselkurse, die Belastung durch große, vom Außenhandel unabhängige Schuldentilgungsverpflichtungen, der Wettlauf bei der Einführung von Handelshemmnissen und das Absinken der Goldneuproduktion brachten den restaurierten Goldstandard schließlich zu Fall. Am 21. 9. 1931 suspendiert die Bank of England die Goldeinlösungspflicht und wertet das Pfund um 30 Prozent gegenüber dem US$ ab. Die USA stellen daraufhin ebenfalls ihre Goldverkäufe vorübergehend ein und werten ihrerseits schließlich trotz komfortabler Zahlungsbilanzposition den Dollar um 40 Prozent ab. Es beginnt ein Abwertungswettlauf und eine Phase der währungspolitischen Desintegration. Der Welthandel kollabiert: in den knapp über 4 Jahren zwischen Januar 1929 und März 1933 sinkt er um 78 Prozent. 3 Das Bretton Woods System Die Erfahrungen der währungspolitischen Desintegration veranlaßten die USA und Großbritannien, schon während des Zweiten Weltkriegs Verhandlungen über ein neues Weltwährungssystem zu beginnen. Zur Debatte standen der englische Keynes-Plan und der amerikanische White-Plan, die die unterschiedliche Ausgangslage der beiden Länder reflektierten: England. Ursprünglich Gläubigerland, inzwischen aber durch Krieg hoch verschuldet. Hohe Arbeitslosigkeit und der Verlust von Erträgen aus Übersee-Investitionen (Zerfall der Kolonien) ließen deutliche Handelsbilanzdefizite erwarten. USA. Devisen- und goldbestücktes Gläubigerland. Eine expansive Beschäftigungspolitik ließ keine wesentlichen Zahlungsbilanzprobleme erwarten. Bedrohlicher erschien die Aussicht auf eine weltweite Inflation als Folge einer ungezügelten Liquiditätsschöpfung. Der Keynes-Plan sah die Schaffung einer Clearing-Union mit festen Goldparitäten für die Mitgliedsländer, aber ohne Einlösungsverpflichtung und Kreditfazilitäten für die Gesamtheit der Mitglieder im Umfang von bis zu 36 Mrd. US$ vor. Sowohl Länder in Gläubigerposition gegenüber der Union als auch Schuldnerländer sollten von der Union mit Strafzinsen sowie wirtschaftspolitischen Auflagen zur Korrektur ihrer jeweiligen Zahlungsbilanzposition belegt werden können. Stark defizitäre Länder sollten zur Abwertung gezwungen werden können, während Ländern mit starker Überschußposition immerhin aufzuwerten empfohlen werden konnte. Defizitären Ländern sollte gestattet werden, Devisenbewirtschaftung im Handelsverkehr einzuführen. Der White-Plan sah dagegen die Schaffung eines Stabilisierungsfonds ohne Reserveschöpfung (Kreditrahmen) vor. Die Mitgliedsländer sollten Paritäten bestimmen und ihre (aufgrund von Bevölkerung, Sozialprodukt, Außenhandel und Reserveposition festgelegte) Quote in nationaler Währung in den Fonds einzahlen, die dann vom Fonds gegen Zins an Defizitländer ausgeliehen werden konnte. Defizitländer sollten mit wirtschaftspolitischen Auflagen belegt werden können, sollten aber nicht auf Devisenbewirtschaftung zurückgreifen dürfen. 3

Der Internationale Währungsfonds Auf der Konferenz von Bretton Woods (kleiner Kurort an der US-amerikanisch-kanadischen Grenze) einigte man sich schließlich am 22. 7. 1944 auf ein Weltwährungssystem, das im wesentlichen die Züge des White-Plans trug. Zeitgleich mit der Schaffung des Internationalen Währungsfonds (IMF = International Monetary Fund) sollten die Weltbank (WB) und die Welthandelsorganisation (WTO = World Trade Organization) als Spezialagenturen der Vereinten Nationen geschaffen werden. Während aber der Währungsfonds und die Weltbank tatsächlich gegründet wurden, dauerte es bis zur Gründung der WTO bis zum Jahre 1995. Die ursprüngliche Zielsetzung des Internationalen Währungsfonds war in Art. I der Articles of Agreement festgelegt: er sollte für die Ausweitung und angemessenes Wachstum des internationalen Handels zur Förderung der Beschäftigung und eines hohen Realeinkommens der Mitgliedsländer sorgen. Bemerkenswert daran ist, daß es ursprünglich nur um die Freizügigkeit des Handels also die Gewährleistung einer reibungslosen und ungehinderten Arbeitsteilung zwischen den Ländern nicht aber um einen freizügigen Kapitalverkehr ging. Nach den Statuten des Währungsfonds mußte jedes Land seine Parität (gegenüber Gold oder gegenüber dem US$) erklären und seine festgelegte Quote zu einem Viertel in Gold und zu drei Vierteln in heimischer Währung einzahlen. Bis zum ersten Viertel seiner Quote der sogenannten Goldtranche konnte sich ein Land beim Währungsfonds verschulden. Jede höhere Inanspruchnahme war allerdings mit zunehmend gravierenden wirtschaftspolitischen Auflagen verbunden. Paritätsänderungen bis zu 10 Prozent waren für Defizit- wie Überschußländern nicht zustimmungspflichtig, sofern begründet werden konnte, daß ein fundamentales Ungleichgewicht in der Zahlungsbilanz vorlag. Der Währungsfonds durfte Defizitländern, nicht aber Überschußländern eine Paritätsänderung empfehlen. Der Status eines Mitgliedslandes richtete sich nach dem Umfang, in dem es sich zur Konversion der heimischen Währung in Fremdwährung verpflichtete. Wie gesagt ging es nicht um die Kapitalbilanz-Konvertibilität, sondern nur um die Leistungsbilanz-Konvertibilität, und dabei auch nur um die sogenannte Ausländerkonvertibilität: ein sogenanntes Art. VIII-Land mußte sich verpflichten, Ausländern, die im Besitz von heimischer Währung aus Leistungsbilanztransaktionen waren, diese Beträge auf Verlangen in Devisen umzutauschen. Alle anderen Mitglieder sogenannte Art. XIV- Länder durften die bei ihrem Eintritt in Kraft befindliche Devisenkontrollen beibehalten, den wechselnden Gegebenheiten anpassen und auch wieder rückgängig machen. Das Bretton Woods System war ein System mit prinzipiell festen und nur selten veränderten Wechselkursen. In den ersten Jahrzehnten nach dem zweiten Weltkrieg war es noch weit entfernt von dem heute verbreiteten System unbeschränkter In- und Ausländerkonvertibilität. Anfangs gewährten nur wenige Art. VIII-Länder auch ihren Inländern Leistungsbilanz-Konvertibilität und noch weniger erlaubten einen freien Kapitalverkehr. Als aber im Laufe der Sechziger Jahre mehr und mehr Länder den Kapitalverkehr liberalisierten, geriet das Bretton Woods System mit seinen festen Wechselkursen zunehmend in Schwierigkeiten. Der Anfang vom Ende kündigte sich an, als Frankreich Mitte der Sechziger begann, seine US$-Reserven beim amerikanischen Schatzamt zum offiziellen Preis (von US$ 35 je Troy Unze) in Gold umzutauschen und die amerikanische Regierung unter Präsident Nixon nach massiven Goldabflüssen schließlich 1971 die gesetzliche Einlösungsgarantie für den US$ aufhob. Es dauerte dann noch bis zum März 1973, bis das Bretton Woods-System durch ein System prinzipiell flexibler Wechselkurse abgelöst wurde. Vorläufer 4 Die Europäische Währungsunion Die EWU hatte mehrere Vorläufer, die allesamt mehr oder minder glorreich scheiterten: Europäischer Wechselkursverbund. Gegründet 1972 auf der Grundlage des Werner- Plans, der die Schaffung einer europäischen Währungsunion bis 1980 vorsah. Die Mit- 4

Die EWU gliedsländer mußten sich verpflichten, ihre tatsächlichen Wechselkurse untereinander um nicht mehr als +/- 2,25 Prozent von ihren Paritäten abweichen zu lassen. Europäisches Wechselkurssystem. Neuauflage 1979 eines Paritätengittersystems mit bilateral festen, aber anpassungsfähigen Wechselkursen. Drohte ein Wechselkurs die zulässige Brandbreite von wiederum +/- 2,25 Prozent zu verlassen, bestand eine gegenseitige Interventions- und Beistandsverpflichtung. Unter dem Eindruck massiver Spekulationswellen gegen das britische Pfund und die italienische Lira wurde die zulässige Bandbreite schließlich 1992 auf +/- 15 Prozent vergrößert. Auf der Grundlage des Vertrags von Maastricht (1992) über die Schaffung einer europäischen Wirtschafts- und Währungsunion wurde mit Beginn des Jahres 1999 das Europäische Währungssystem in die Tat umgesetzt. Technisch gesehen ist es eine Währungsunion mit nach innen einheitlicher Währung dem Euro und flexiblen Wechselkursen nach außen. Für Deutschland, das knapp über die Hälfte seines Außenhandels mit Ländern der Euro-Zone bestreitet; bedeutet es, daß ungefähr die Hälfte des Außenhandels zu festen Wechselkursen und die andere Hälfte zu flexiblen Wechselkursen abgewickelt werden. Die Mitgliedschaft in einer Währungsunion bringt für ein Land bedeutende Vorteile, vor allem Wegfall des Wechselkursrisikos im Innenverkehr, Wegfall von Transaktionskosten (Umtauschkosten), bessere Vergleichbarkeit von Preisen, aber auch gewichtige Nachteile, nämlich Verlust des Wechselkurses als Instrument der Wirtschaftspolitik im Innenverkehr Verlust der währungspolitischen Unabhängigkeit nicht mehr die Bundesbank sondern die EZB bestimmt über die Geldpolitik Tendenz zu Trittbrettfahrerverhalten, sofern das nicht vertraglich verhindert wird. In diese Richtung zielt der vor allem auf Betreiben Deutschlands (mit Finanzminister Theo Waigel) beschlossene Stabilitäts- und Wachstumspakt von 1997, in dem für die Mitgliedsländer der EWU insbesondere zwei bedeutsame Obergrenzen für die Höhe der Nettoneuverschuldung und der gesamten Staatsschulden festgelegt wurden: 3 Prozent vom BIP für die Nettoneuverschuldung (das Defizit aller Ebenen) 60 Prozent vom BIP für die gesamten Staatsschulden. Diese beiden Grenzen sind nicht unabhängig voneinander: auf lange Frist müßte nämlich das BIP eines Landes mit einem stetigen 3 Prozent-Defizit um mindestens 5 Prozent wachsen, um nicht den 60 Prozent-Deckel für die gesamten Staatsschulden zu überschreiten 2. Problematischer ist allerdings, daß die 3 Prozent-Grenze starr, d.h. insbesondere unabhängig von der jeweiligen Konjunkturlage fixiert wurde und damit womöglich eine antizyklische staatliche Ausgabenpolitik bei schwacher Konjunktur verhindert. 2 Das ist leicht nachzuvollziehen: Belaufen sich die Staatsschulden D 0 bereits auf 60 Prozent des BIP also D 0 = 0,6 BIP 0 und verschuldet sich der Staat in der laufenden Periode um weitere 3 Prozent des BIP, so steigen die Schulden auf D 1 = D 0 + 0,03 BIP 0 = 0,63 BIP 0. Steigt nun das BIP um 5 Prozent, so daß wir BIP 1 = 1,05 BIP 0 haben, so errechnet sich die neue Staatsschuldenquote als D 1 /BIP 1 = 0,63 BIP 0 / 1,05 BIP 0 = 0,6. Langsameres Wachstum ließe die Schuldenquote offenbar über 60 Prozent ansteigen. 5