Schriftliche Stellungnahme von SOLWODI Roshan Heiler

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Transkript:

16 Schriftliche Stellungnahme von SOLWODI Roshan Heiler STELLUNGNAHME 16/1907 Öffentlichen Anhörung A09, A03, A19 Wirksame Bekämpfung von Menschenhandel nur in Verbindung mit nachhaltigen Maßnahmen zum Schutz und zur Unterstützung der Betroffenen möglich Richtlinienkonforme Umsetzung der Richtlinie 2011/36/EU am 01.07.2014 SOLWODI engagiert sich seit 1987 in Deutschland mit inzwischen 16 Beratungsstellen, einer Kontaktstelle und sieben Schutzwohnungen für ausländische Frauen und Mädchen in Notsituationen: Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution, Opfer von Beziehungsgewalt, von Zwangsheirat Bedrohte oder aus Zwangsehen Geflohene. In manchen Fällen wenden sich auch Migrantinnen wegen aufenthaltsrechtlicher Probleme oder Integrationsschwierigkeiten an die Beraterinnen. SOLWODI bietet ganzheitliche psychosoziale Betreuung und Beratung, sichere Unterbringung, Vermittlung juristischer und medizinischer Hilfe sowie Unterstützung bei der Rückkehr in die Heimatländer. Um effektiv helfen zu können, sind wir mit anderen Beratungsstellen und Organisationen im Inund Ausland vernetzt. Die SOLWODI Beratungsstelle in Aachen wurde 2011 eröffnet und ist in das übergeordnete Netzwerk von SOLWODI NRW mit weiteren Standorten in Duisburg, Oberhausen und Bonn eingebunden. Das Beratungsangebot von SOLWODI Aachen richtet sich an Frauen, die Opfer von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung nach 232 StGB geworden sind oder sich in der Prostitution in einer schwierigen Situation befinden. Neben der umfassenden Beratungstätigkeit stellt die regelmäßige aufsuchende Sozialarbeit (Streetwork) im Milieu einen wichtigen Arbeitsschwerpunkt dar. Ziel der aufsuchenden Arbeit ist es, über gesundheitliche Hilfsangebote, rechtliche Rahmenbedingungen, Krankenversicherungssystem, Aufenthaltsstatus und Integrationsmöglichkeiten zu informieren. Der Großteil der Frauen ist zwischen 21-30 Jahre alt und stammt aus Rumänien, Albanien, verschiedenen Ländern Lateinamerikas, verschiedenen afrikanischen Ländern und zu einem geringen Teil aus Deutschland. Dem hohe Anteil an Frauen mit Migrationshintergrund begegnet SOLWODI mit einem mehrsprachigen und interkulturell kompetenten Team, um auf die Anliegen der Frauen eingehen zu können. SOLWODI befürwortet die zeitnahe Umsetzung der Richtlinie 2011/36/EU, da sie neben einer Verbesserung der Strafverfolgung und der Verhinderung von Straftaten auch einen besseren Schutz der Opfer vorsieht. 1

1. Verbesserung des Aufenthaltsrechtes und Unterstützung für Opfer von Menschenhandel In Deutschland wird Opfern von Menschenhandel eine Aufenthaltserlaubnis erteilt und Sozialleistungen gewährt, wenn sie mit den Strafverfolgungsbehörden zu kooperieren. 1.1 Aufenthaltsrecht Derzeit erhalten Betroffene aus Drittstaaten eine Aufenthaltserlaubnis, wenn sie eine gerichtlich verwertbare Aussage gegen die TäterInnen machen. In vielen Fällen kommt es jedoch nicht zu Strafverfahren, da Betroffene einerseits aus Angst keine Aussage gegen die TäterInnen machen, andererseits Betroffenen zwar aussagebereit sind, die Aussage jedoch von den Strafverfolgungsbehörden nicht für gerichtlich verwertbar erachtet wird. Nicht selten wird das Verfahren auch aus Mangel an Beweisen eingestellt. Aus Gesprächen mit Betroffenen wissen wir, dass zusätzlich zu den Belastungen, die u.a. aus traumatischen Erlebnissen und den Sorgen um die Familie im Herkunftsland resultieren, insbesondere die Unsicherheit um den Aufenthaltsstatus psychisch ein stark destabilisierender Faktor für Betroffene ist. Um eine vor Gericht verwertbare Aussage zu erhalten, ist jedoch ein/eine stabile Zeuge/Zeugin notwendig. Nachteilig auf die Aussagebereitschaft wirkt sich ebenso aus, dass Betroffenen nicht die Möglichkeit des Familiennachzuges eingeräumt wird. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn TäterInnen Familienangehörige der Betroffenen im Heimatland bedrohen, um eine Zeugenaussage der/des Betroffenen in Deutschland zu verhindern. In der Regel haben Betroffene keinen Anspruch auf Integrationsleistungen. Vom Zeitpunkt der ersten Aussage bei der Polizei bis zum Ende des Strafverfahrens können jedoch bis zu 3 Jahre vergehen. Über diesen langen Zeitraum bleiben Betroffene von Qualifizierungsmaßnahmen ausgeschlossen. Da jedoch der Wille zur Integration besteht, sind an dieser Stelle immer kreative Lösungen von Seiten der betreuenden Fachberatungsstelle gefragt (z.b. Sprachunterricht durch Ehrenamtliche), welche mit einem hohen Organisationsaufwand verbunden sind. Zwar haben Betroffenen Zugang zum Arbeitsmarkt, doch da der Aufenthaltstitel in der Regel immer nur für 6 Monate erteilt wird, besteht kaum die Möglichkeit, Betroffene in abhängige Beschäftigungsverhältnisse zu vermitteln. Ähnlich gestalten sich die Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche. Nach Beendigung des Strafverfahrens begründet ein Recht auf einen weiteren Aufenthalt nur, wenn im Herkunftsland für die/den Betroffene/n eine erhebliche Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Diese aus Gefährdungsgründen erteilte Aufenthaltserlaubnis ist an das Fortbestehen der Gefährdungslage gebunden und stellt keinen gesicherten Aufenthaltstitel für die Betroffenen dar. Ist die Gefährdungssituation nicht nachweisbar, müssen die Betroffenen ausreisen. Im Falle von minderjährigen Betroffenen aus Drittstaaten wird diesen nach geltender Rechtslage nur dann ein Aufenthaltsrecht erteilt, wenn sie mit den Strafverfolgungsbehörden kooperieren. Dies ist nicht im Einklang mit Artikel 14 Absatz 2 der Europaratskonvention zur Bekämpfung des Menschenhandels (ETS Nummer 197). 2

Demzufolge ist der Aufenthaltstitel für Opfer, die Kinder sind, soweit gesetzlich erforderlich, im Einklang mit dem Wohl des Kindes zu erteilen und gegebenenfalls unter denselben Bedingungen zu verlängern. 1.2 Unterstützung Betroffene von Menschenhandel erhalten nach geltender Rechtslage nur Zugang zur Sicherung des Lebensunterhaltes, wenn sie mit den Strafverfolgungsbehörden kooperieren. Aus den bereits genannten Gründen entscheiden sich Betroffene in vielen Fällen gegen eine Aussage gegen die TäterInnen. Insbesondere für Menschenhandelsopfer aus EU-Staaten fehlt eine bundesweit einheitliche Regelung in Bezug auf die Sozialversicherung. Entscheiden sich Betroffene dazu, keine Aussage zu machen, haben sie keinen Anspruch auf Sozialleistungen. In diesen Fällen kann die Sicherung des Lebensunterhaltes nur über Spenden der Beratungsstellen geleistet werden. 1.3 Anmerkungen zum Referentenentwurf Bedauerlicherweise bleiben auch die geplanten Regelungen aus dem Referentenentwurf des Bundesministerium des Inneren vom 07.04.2014 Entwurf eines Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung hinter den Bedürfnissen, die der realen Lebenssituation der Betroffenen gerecht würden, zurück. Vorgesehen ist, dass die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach 25 Absatz 4 a Satz 3 AufenthG n.f. für Betroffenen von Menschenhandel erteilt werden kann, solange humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliches Interesse die weitere Anwesenheit des Ausländer im Bundesgebiet erfordern. Demnach wird Betroffenen die Möglichkeit eröffnet, den Aufenthalt nach Abschluss des Strafverfahrens zu verlängern. An dem grundsätzlichen Problem jedoch, nämlich der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nur in Verbindung mit der Kooperation mit der Strafverfolgung, ändert sich nichts. Es schließt nach wie vor diejenigen Betroffenen aus, die keine Aussage gegen die TäterInnen machen. Des weiteren handelt es sich hierbei um eine Ermessensnorm. D.h. die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis im Ermessen der zuständigen Behörde liegt. Das führt zu Unsicherheit bei den Betroffenen, da keine sichere Perspektive auf eine dauerhafte Lebensplanung in Aussicht gestellt wird. Ebenso wichtig für eine sichere Lebensplanung ist die Möglichkeit des Familiennachzug sowie die Teilnahme an Integrationskursen. Letzteres ist auch nach dem neuen Gesetzesentwurf nicht möglich. Abkoppelung der Erteilung des Aufenthaltstitels für erwachsene sowie minderjährige Opfer von Menschenhandel von der Rolle als Zeuge im Strafverfahren Verfestigung des Aufenthaltsstatus für Zeugen und Zeuginnen über das Ende des Strafverfahrens hinaus Möglichkeit des Familiennachzugs Zugang zu Integrationsleistungen 3

2. Informationen für und Erkennung von (potentiellen) Opfern von Menschenhandel (Artikel 11 Abs. 4 der Richtlinie) Immer wieder stellt sich die Frage, wie (potentiell) Betroffene erreicht, erkannt und über ihre Rechte informiert werden können. Betroffene von Menschenhandel haben aufgrund ihrer häufig prekären Aufenthaltssituation und fehlender Kenntnis von Sprache, Rechtssystem, sowie staatlichen und nichtstaatlichen Institutionen kein Wissen über Unterstützungs- und Hilfsangebote. Um dieses Informationsdefizit zu überwinden, sind niederschwellige Angebote notwendig, mit welchen (potentiell) Betroffene erreicht und über ihre Rechte informiert werden können. Hier hat sich die aufsuchende Sozialarbeit bewährt, welche von Mitarbeiterinnen von Fachberatungsstellen durchgeführt wird. Die Beratung von (potentiell) Betroffenen vor Ort ist deshalb von Bedeutung, da in vielen Fällen mangelnde Ortskenntnis oder der direkte Einfluss oder die Präsenz der TäterInnen verhindert, dass Betroffene selbständig Beratungsstellen aufsuchen. In vertraulichen Gesprächen werden Themen wie Aufenthalt, Gesundheit und Angst vor Gewalt durch Zuhälter und Schutzmöglichkeiten angesprochen. Nicht immer wenden sich Betroffene in einer Notlage direkt an die Polizei. Dies kann darin begründet liegen, dass sie im Heimatland schlechte Erfahrung mit Polizeibeamten gemacht haben oder weil die TäterInnen glaubhaft vermittelt haben, in Deutschland gute Verbindungen zur Polizei zu pflegen, weshalb im Falle einer Flucht keine Unterstützung von polizeilicher Seite zu erwarten sei. Daher wird im Rahmen der polizeilichen Kontrollmaßnahmen nur ein Teil von (potentiell) Betroffenen erkannt. Durch den Kontakt der während der aufsuchenden Sozialarbeit zwischen Mitarbeiterinnen und (potentiell) Betroffenen entsteht, kommt es immer wieder vor, dass Betroffene sich direkt den Mitarbeiterinnen anvertrauen und entsprechende Schritte zum Schutz der Betroffenen eingeleitet werden können. Mit dem Ziel, einen größtmöglichen Teil von (potentiell) Betroffenen zu erreichen und gegebenenfalls zu erkennen, sollten die Strukturen der aufsuchenden Sozialarbeit ausgebaut werden. Bereitstellung von Mitteln für niederschwellige Angebote/aufsuchende Sozialarbeit für verbesserten Zugang zu Informationen für (potentiell) Betroffene Erstellung von mehrsprachigem Informationsmaterial, welches auch durch BehördenmitarbeiterInnen bei Kontrollen verteilt werden kann Bereitstellung von Mitteln zur Deckung von Dolmetscherkosten 3. Recht auf Opferentschädigung Nach geltender Rechtslage des deutschen Opferentschädigungsgesetzes (OEG) haben nur Betroffene Anspruch auf Entschädigung, wenn sie in Deutschland Opfer körperlicher Gewalt geworden sind. Dies schließt sowohl diejenigen Betroffenen aus, die von den TäterInnen durch massive psychische Gewalt unter Druck gesetzt, sowie solche, die bereits im Heimatland Gewalt erfahren haben. Empfehlung: Erweiterung der Ansprüche auf staatliche Rehabilitationsleistungen nach dem OEG für alle Opfer von Menschenhandel 4

4. Zeugnisverweigerungsrecht für Mitarbeiterinnen von Fachberatungsstellen Mitarbeiterinnen von Fachberatungsstellen für Betroffene von Menschenhandel unterliegen zwar der Schweigepflicht, haben jedoch kein Zeugnisverweigerungsrecht vor Gericht. In der Praxis bedeutet dies, dass Beraterinnen im Strafverfahren als Zeuginnen geladen werden können und Auskunft über Gespräche mit den Betroffenen geben müssen. Für die Arbeit mit Betroffenen ist jedoch ein Vertrauensverhältnis zwischen Beraterin und Betroffener unabdingbar. Dieser Umstand belastet erheblich das gewachsene Vertrauensverhältnis zwischen Beraterin und Betroffener. Erweiterung der strafprozessualen Möglichkeiten des Zeugnisverweigerungsrechts um die Berufsgruppe der Beraterinnen von spezialisierten Fachberatungsstellen 1 5. Verbesserung der Datenlage zum Ausmaß von Menschenhandel Während die Anzahl der Opfer im Bundeslagebild des BKA rückläufig ist, ist diese Entwicklung nicht für die von SOLWODI betreuten Betroffenen zu verzeichnen, vielmehr sind hier die Zahlen konstant oder teilweise steigend. Es ist hinreichend bekannt, dass das polizeiliche Hellfeld nur einen Ausschnitt des tatsächlichen Ausmaßes des Menschenhandels in Deutschland wiedergibt. Für ein vollständigeres Bild der Situation sollten die Informationen/Daten/Angaben welche Fachberatungsstellen in diesem Bereich erheben, ergänzend hinzugezogen werden. Hierzu gehören die Zahlen derjenigen Betroffenen, die nicht von offiziellen Stellen als solche identifiziert wurden. Einführung einheitlicher Datenerhebungsmethoden für die Erstellung vergleichbarer Statistiken für Fachberatungsstellen Zentrale Koordination/ Datensammlung aller Daten der Fachberatungsstelen Dunkelfeldforschung für ein verbessertes Verständnis über quantitatives und qualitatives Ausmaß von Menschenhandel in Deutschland unter Einbeziehung der Angaben von nichtstaatlichen Institutionen 1 Unaufgeforderte Stellungnahme des KOK e.v. zur öffentlichen Anhörung Menschenhandel und Zwangsprostitution in Europa 5