Logistics Service Award 2010

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Logistics Service Award 2010 Wettbewerbsbeitrag bauserve GmbH, Goldsteinstraße 114, 60528 Frankfurt MAB Development Deutschland GmbH, Schillerstraße 20, 60313 Frankfurt Baulogistik - Modell eines eigenständigen Dienstleistungsgewerkes für Großbaustellen am Beispiel des Bauprojektes PalaisQuartier in Frankfurt am Main Eingereicht am 08. Januar 2010 PalaisQuartier GmbH & Co.KG Verfasser: Dipl. Wirtsch.-Ing. Christine Höchsmann, bauserve-projektleitung am Bauvorhaben PalaisQuartier Andreas Goetz, Geschäftsführer bauserve GmbH

Inhaltsverzeichnis 1 Einführung... 3 2 Situation und Aufgabenbeschreibung... 3 2.1 Problemstellung... 3 2.2 Organisationsstruktur ausführender Firmen... 4 2.3 Planungsprozess... 4 2.4 Einsatz von Logistiksystemen... 5 3 Struktureller Aufbau des Modells eines eigenständigen Dienstleistungsgewerkes Baulogistik... 6 3.1 Idee und Leitbild der Baulogistik... 6 3.2 Leistungsbereiche der Baulogistik... 7 4 Das Bauvorhaben PalaisQuartier / Frankfurt am Main... 8 4.1 Die Bauteile und ihre Erschließung... 8 4.2 Randbedingungen und Ziele für Baulogistik... 8 4.3 Bauablauf und Vergabestruktur... 9 5 Inhaltlicher Ausbau des Modells eines eigenständigen Dienstleistungsgewerkes Baulogistik... 11 5.1 Planung baulogistischer Prozesse... 11 5.1.1 Traditionelle Logistikplanung... 11 5.1.2 Logistikplanung beim Bauvorhaben PalaisQuartier... 11 5.1.3 Effekte... 12 5.2 Realisierung und Steuerung baulogistischer Versorgungsprozesse... 13 5.2.1 Traditionelle Prozesse der Baustellenversorgung... 13 5.2.2 Baulogistische Versorgung beim Bauvorhaben PalaisQuartier... 14 5.2.3 Effekte... 16 5.3 Realisierung und Steuerung baulogistischer Entsorgungsprozesse... 17 5.3.1 Traditionelle Prozesse der Baustellenentsorgung... 17 5.3.2 Baulogistische Entsorgung am Bauvorhaben PalaisQuartier... 18 5.3.3 Effekte... 20 5.4 Sicherung der Baustelle... 22 5.4.1 Traditionelle Sicherung der Baustelle... 22 5.4.2 Zugangskontrolle und Bewachung beim Bauvorhaben PalaisQuartier... 22 5.4.3 Effekt... 22 5.5 Abschließende Bewertung... 23 Literaturverzeichnis... 24

1 Einführung 3 1 Einführung Viele Bauprojekte verlangen aufgrund ihrer Größe und Lage, der kurzen Bauzeit und knapp kalkulierter Baukosten von Beginn an ein logistisches Gesamtkonzept, das in allen Bauphasen eine reibungslose Ver- und Entsorgung der Baustelle garantiert. In der optimalen projektspezifischen Gestaltung der Baulogistik liegt ein erhebliches Rationalisierungspotenzial, da in der (Bau-)Praxis viele Produktivitäts- und Effizienzverluste bei der Bauausführung auftreten. Nicht nur Architektur, Termine, Kosten und Bauwerksqualität spielen eine entscheidende Rolle, auch Fragen des optimalen logistischen Ablaufes und ökologische Aspekte gewinnen zunehmend an Bedeutung. Das Ausschöpfen dieses Potenzials ist bislang schwierig, da eine Reihe branchenspezifischer Rahmenbedingungen die Bauindustrie prägen, die Hindernisse auf dem Weg zu innovativen Baulogistikkonzepten darstellen. Gründe hierfür sind Probleme der bauwirtschaftlichen Produktion und Struktur, die im Folgenden näher erläutert werden. Die beschriebene Dienstleistung beim Bauvorhaben PalaisQuartier stellt einen Meilenstein in der Entwicklung der Baulogistik dar. Das PalaisQuartier ist eine gemeinsame Projektentwicklung von MAB Development Group B.V. und Meyer Bergman, und wird über die PalaisQuartier GmbH & Co. KG als Projektgesellschaft von der MAB Development Deutschland GmbH realisiert. Die bauserve GmbH hat als ältestes Fachunternehmen den Kunden MAB Development Deutschland GmbH gewonnen und das vorliegende Logistikkonzept für das Großprojekt entwickelt und umgesetzt. Es orientiert sich zum einen am Bedarf des Bauherrn, Teilleistungen flexibel vergeben zu können ohne einen reibungslosen Ablauf des gesamten Projektes zu gefährden, zum anderen an den Anforderungen der vielen ausführenden Firmen. Durch den Erfolg des PalaisQuartier, aber auch anderer Projekte, ist diese Baulogistik zum Standard bei Großprojekten geworden und hat auch im Ausland Interesse geweckt. Die inhaltlichen Bestandteile des Logistikkonzeptes und die daraus resultierenden Effekte werden in den folgenden Kapiteln im Einzelnen beschrieben und mithilfe quantifizierbarer Effekte, die sich auf den gesamten Ablauf beziehen, bewertet. Nicht berücksichtigt wurden indirekte Effekte, die sich auf das Gesamtprojekt beziehen. Die entstandenen Wirkungen sind häufig schwer zu beziffern. Wie Diplomarbeiten gezeigt haben, sind die tatsächlichen Effekte oft höher als beschrieben. 2 Situation und Aufgabenbeschreibung 2.1 Problemstellung In der Regel werden in der Baubranche Großprojekte als Schlüsselfertigbau an einen Generalunternehmer (GU) vergeben. Zu seinen Vertragsleistungen zählen hierbei alle Gewerke, wie Rohbau, Fassade, Haustechnik, Ausbau, ggf. Fördertechnik und die Außenanlagen. Der GU-Vertrag wird üblicherweise mit einem Rohbauunternehmen geschlossen. Die Eigenleistung des Rohbaus beträgt allerdings nur 20-30% der Gesamtbauleistung. Die anderen Gewerke werden vom GU als Nachunternehmerleistungen weitervergeben. Organisation und Koordination der Nachunternehmer (NU) und somit das Risiko der Vertragserfüllung und Gewährleistung liegen in der Regel beim GU. Die Gewinnmargen der GU sinken, bedingt durch die sich abschwächende Baukonjunktur, seit den neunziger Jahren. Viele Bauunternehmen haben deswegen, auch aufgrund von schwer kalkulierbaren Rohstoff- und Lohnkosten, in den letzten Jahren Verluste gemacht. Sie reduzierten Ihre Kosten daraufhin in den Bereichen, die sie nicht unmittelbar betrafen: Arbeitsvorbereitung, Baustelleneinrichtung und baulogistische Hilfestellungen für die NU.

2 Situation und Aufgabenbeschreibung 4 Durch gesunkene Risikobereitschaft der GU und steigende Preise hat sich in den letzten Jahren auch die Vergabestruktur bei Großprojekten geändert. Häufig sind Bauunternehmen nicht mehr bereit, ein Projekt als Gesamt-GU über alle Gewerke und das damit verbundene Risiko zu übernehmen, oder nur zu einem deutlich höheren Preis. Mittlerweile vergeben viele Bauherren daher die Bauleistungen gewerkeweise oder teilen das Auftragsvolumen auf mehrere GU auf. Entscheidend ist, dass die Baunebenleistungen, etwa die Koordination und Steuerung der Ver- und Entsorgung, nun nicht mehr zentral von einem GU geschuldet werden, sondern von einem Erfüllungsgehilfen des Bauherrn übernommen und von den einzelnen NU ausgeführt werden müssen. 2.2 Organisationsstruktur ausführender Firmen Die Organisation der Bauausführung mit allen zugehörigen auch logistischen Nebenleistungen liegt grundsätzlich in der Verantwortung der ausführenden Unternehmen. In der Ausschreibung werden aber nur Grundzüge und Bedingungen festgelegt, unter denen die Ausführenden ihre Leistungen zu erbringen haben. Eine logistische Planung des Ablaufes ist das nicht und nur selten wird ein Steuerungsmodell bis zur Auftragserteilung vereinbart. Die Anforderungen der ausführenden Firmen werden oft nur unvollständig aufeinander abgestimmt. Es ist häufig Aufgabe der Einzelfirmen, sich die Rahmenbedingungen für ihre Arbeit bei Auftragsantritt selbst zu schaffen. Eine ganzheitliche, auf Produktivität ausgerichtete Planung ist selten. Koordinierende Aktivitäten fallen häufig in die Phase der Bauausführung und in den Verantwortungsbereich des operativen Leitungspersonals der Baustelle. Zu diesem Zeitpunkt bestehen meist nur noch begrenzte Möglichkeiten, Grundsätzliches zu ändern und vorausschauend zu agieren. Viele Firmen haben ihren Bauablaufplan bereits erstellt und mit den Arbeiten begonnen. In der Bauphase kann nur noch improvisiert und auf bereits vorhandene Probleme reagiert werden. 1 Exemplarisch lässt sich das Problem an der Entsorgung darstellen: Laut VOB (Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen) sind Reinigung und Abfallentsorgung Aufgabe der ausführenden Firmen. Hierzu zählen die Ordnung am eigenen Arbeitsplatz und das Beseitigen sämtlicher anfallender Abfälle. 2 Die vielen beteiligten Firmen stehen also gleichzeitig vor der gleichen Aufgabe. Das erfordert nach Abfallfraktionen und Firmen getrennte Abfallcontainer und -transporte zu den Sammelcontainern. Dadurch wird die auf einer Baustelle ohnehin sehr eingeschränkte Ressource Fläche weiter reduziert. Zudem wäre es wesentlich kostengünstiger, die Abfalltrennung über einen gemeinsamen Wertstoffhof mit Abrechnung nach Abfallverursacher zu organisieren. 2.3 Planungsprozess Die strikte Trennung von Planung und Ausführung macht es schwer, Prozesse nachhaltig zu optimieren: Objekt- und Fachplaner planen ein Projekt. Dann werden die Bauleistungen nach Fachlosen getrennt an einzelne Unternehmer vergeben. 3 Baufirmen verfolgen zwar im Rahmen der Arbeitsvorbereitung eigene logistische Ziele, doch steht die Aufgabenplanung für die eigene Bauleistung und -ausführung im Vordergrund nicht die der Nachunternehmer, da der Auftraggeber an dieser Produktivitätssteigerung nicht partizipiert. Für das Baustellenergebnis der ausführenden Firmen spielen geeignete Produktionsbedingungen und -prozesse eine große Rolle. Wie, wann und mit welcher Unterstützung Materiallieferungen angedient werden können, wie hoch die Entsorgungskosten oder der Steuerungsaufwand für Nebenleistungen sind, kann das Ergebnis bestimmen. Fehlt die Gesamtverantwortung für diese Aufgaben, fällt sie den einzelnen Ausführenden zu, die sich dann untereinander selbst koordinieren sollen. Wo aber die sachgerechte Führung fehlt und die Chance auf Vorteilsnahme zu Lasten anderer Firmen besteht, blockieren sich die Parteien schnell gegenseitig. Dies führt zu höheren Kosten in der Administration und zu Reibungsverlusten bei der Ausführung. 1 Vgl. Krauß, S. (2005), S. 25-31. 2 Vgl. Krauß, S. (2005), S. 27f. 3 Vgl. Krauß, S. (2005), S. 30f.

2 Situation und Aufgabenbeschreibung 5 2.4 Einsatz von Logistiksystemen Folge der heterogenen Firmenstruktur in Bauprojekten sind Produktivitätsverluste entlang des gesamten Prozesses, denen mit Logistiksystemen gezielt entgegengewirkt werden kann. Die vielen von Bauvorhaben zu Bauvorhaben wechselnden Firmen sind nicht in der Lage, sich auf einheitliche Logistiksysteme und Verfahren zu einigen. Ihnen fehlt die kritische Menge, um allgemein verbindliche Prozesse der Verund Entsorgung auf Baustellen zu verabschieden und Systeme zu entwickeln. Als Beispiel kann wieder die Entsorgung auf Baustellen herangezogen werden. Häufigstes Transportmittel für Abfall sind Schubkarren oder Hausmülltonnen. Sie sind verfügbar, aber mit 80-100 l Volumen alles andere als produktiv für Bauabfälle. Ein einheitliches Entsorgungssystem für ein Projekt kann sich nicht entwickeln, weil einzelne Unternehmen dies nicht durchsetzen und finanzieren können, die Projektlaufzeit zu kurz ist und Generalunternehmer kein Interesse daran haben, in einen Prozess zu investieren, der in den Verantwortungsbereich der NU gehört und zu einem pauschalen Festpreis vergeben wurde. Logistiksysteme beschränken sich daher hauptsächlich auf Anforderungen spezifischer Gewerke Das Ergebnis sind Produktivitätsdefizite, die Bauleistung, Kosten und Termine direkt beeinträchtigen. Einzelfallstudien über die Arbeitszeit des Bauhandwerks im Ausbau verdeutlichen das: Ein großer Teil der Arbeitszeit wird unproduktiv mit Tätigkeiten verbracht, die nicht unmittelbar der Bauleistung dienen (30,9% - Haupttätigkeiten, siehe Abbildung 1). 4 Abbildung 1 Durchschnittliche prozentuale Verteilung der Arbeitszeiten auf einer Baustelle im Wohnungs- und Gewerbebau (Ausbaugewerke). Abwesenheit 19,8% Sonstiges 5,6% Haupttätigkeiten 30,9% Der Bauhandwerker im Ausbau verbringt nur rund 1/3 der Zeit auf der Baustelle mit gewerkebezogenen Tätigkeiten. Nahezu 70% der Aktivitäten erwirtschaften keinen Wertzuwachs an der Bausubstanz aus Sicht des Bauherrn. persönlich bedingtes Unterbrechen 10,3% Transport 8,9% Wege 14,1% Aufräumen und Umräumen 5,8% störungsbedingtes Unterbrechen 3,5% Materialsuche 1,1% Primäre logistische Probleme (10,4%) beim Aufräumen und Umräumen, bei der Materialsuche und bei störungsbedingten Unterbrechungen können direkt durch die Logistik vermieden werden. Sekundäre logistische Probleme (23%), z.b. Wege und Transporte, können durch logistische Maßnahmen verbessert werden. Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Boenert, L. Blömeke, M. (2003), S. 278. Ein Drittel der Zeit ist personenbedingt und nicht zu optimieren (35,7% - persönlich bedingte Unterbrechungen, Abwesenheit und Sonstiges). Rund ein Drittel der gesamten Arbeitszeit kann also durch logistische Systeme optimiert werden kann (33,4% - Aufräumen und Umräumen, Materialsuche, störungsbedingte Unterbrechungen, Wege und Transporte). 5 Dies bildet das Optimierungsfeld baulogistischer Maßnahmen. 4 Vgl. Boenert, L. Blömeke, M. (2003), S. 277. 5 Vgl. Boenert, L. Blömeke, M. (2003), S. 277.

3 Struktureller Aufbau des Modells eines eigenständigen Dienstleistungsgewerkes Baulogistik 6 3 Struktureller Aufbau des Modells eines eigenständigen Dienstleistungsgewerkes Baulogistik 3.1 Idee und Leitbild der Baulogistik Baulogistik bezeichnet die branchenspezifische Ausprägung der Logistik in der Bauwirtschaft. 6 Das Verständnis von Baulogistik als Supply Chain Management stellt dabei die differenzierteste Betrachtungsweise dar, wird jedoch in der Praxis trotz wachsender Kenntnis über Strategien, Methoden und Praktiken zur integrierten Steuerung logistischer Ketten kaum angewendet. 7 In der Praxis ist gerade deswegen eine vorbereitende, projektübergreifende und prozessorientierte Betrachtung der baulogistischen Aufgaben dringend notwendig. Aufgabe der Baulogistik ist es, die auf einer Baustelle anfallenden logistischen Leistungen der ausführenden Firmen gebündelt zu planen, zu steuern und zu unterstützen. Damit ist eine Reorganisation bekannter Abläufe, logistische Optimierung und effiziente Gestaltung des Gesamtprozesses verbunden. Die Baustelle mit den untereinander verbundenen und von einander abhängigen Fertigungsprozessen bzw. Hauptleistungen steht dabei im Mittelpunkt der Betrachtung. Grundsätzlich ist die Bauausführung ein Gesamtprozess, der sich in etliche unterschiedliche Fertigungsprozesse untergliedern lässt. Es ist Ziel der Baulogistik, mit den ausführenden Firmen für jede Ressource einen möglichst optimalen Ver- und Entsorgungsprozess im Sinne eines ECR-Ansatzes 8 zu ermitteln, damit das Material zeitgerecht, in der richtigen Menge und Qualität am Verarbeitungsort zur Verfügung steht. 9 Das gleiche gilt für die Entsorgungskette. Die Baulogistik muss dafür sorgen, dass die Abfallbeseitigung sowie der Rücklauf der Lagerhilfsmittel und des Restmaterials produktiv und ohne Behinderung des Bauablaufs erfolgt (siehe Abbildung 2). Abbildung 2 Räumliche und zeitliche Abgrenzung des Fertigungsprozesses von den baulogistischen Prozessen. Lager außerhalb Baustelle Lager außerhalb des Bauwerks für Baustoffe / Bauelemente Bauwerk Verarbeitungs- / Montageort Pufferfläche für Lagerhilfsmittel (Rücklieferung) Umschlag Anliefern Anlieferzone Lager Ebene Etage Lager Ebene Etage Umschlag Entsorgen Wertstoffhof Baustellengrenze Baulogistische Versorgungskette Fertigung Informationslogistik Baulogistische Entsorgungskette Quelle: Eigene Darstellung. Der Unterschied und die besondere Herausforderung der baulogistischen Prozesse zur stationären Industrie liegen in den ständig wechselnden Bedingungen im Produktionsbetrieb Baustelle und den fluktuierenden Projektbeteiligten. Während die traditionelle Organisation von Bauleistungen Bauausführung 6 Vgl. Krauß, S. (2005), S. 13. 7 Vgl. Krauß, S. (2005), S. 21. i.v.m. Vgl. Schmidt, N. (2003), S. 142f. 8 Der ECR-Ansatz (Efficient Consumer Response) beschreibt ein Konzept der Kooperation zwischen Herstellern und Händlern zur Optimierung der Wertschöpfungskette. 9 Vgl. Krauß, S. (2005), S. 88-91.

3 Struktureller Aufbau des Modells eines eigenständigen Dienstleistungsgewerkes Baulogistik 7 und Unterstützungsprozesse als Einheit sieht, versucht die Baulogistik diese aufzubrechen. Wegen der Unterschiedlichkeit der Leistungen der Gewerke und der Ähnlichkeit der Unterstützungsprozesse liegt diese Arbeitsteilung auf der Hand. Für das Gelingen sind erstens leistungsfähige logistische Prozesse für den Bau erforderlich und zweitens eine Aufbau- und Ablauforganisation, die diese Potenziale unterstützt. Leider sind die rechtlichen Voraussetzungen für eine Standardvergabe in den Strukturen noch nicht gegeben. Obwohl die baulogistische Dienstleistung unbestritten zu einer Effizienzsteigerung des gesamten Bauablaufs führt, scheitert der Einsatz eines Baulogistikers häufig an der Weigerung aller Beteiligten, anteilig die Kosten zu tragen. Die oben aufgezeigten Aufgaben der Querschnitts-Dienstleistung Baulogistik kann ein objektiv zuverlässiger, gewerkeübergreifender Logistikdienstleister übernehmen, der für alle ausführenden Firmen möglichst gute Voraussetzungen schafft. Er koordiniert und unterstützt auf einer Großbaustelle die logistikrelevanten Nebenpflichten der beteiligten Ausbaugewerke gegenüber dem Auftraggeber mit Hilfe geeigneter informationstechnischer Instrumente. In der Regel plant und regelt er als Vertreter des Bauherrn gegenüber den Auftragnehmern sämtliche Bedingungen und Abläufe der optimalen Ver- und Entsorgung der Baustelle. Hierzu bietet es sich an, ein Logistikhandbuch als verbindliches Regelwerk zu erarbeiten, das ausnahmslos für alle auf der Baustelle beschäftigten Unternehmen und deren Mitarbeiter gilt und von jedem Auftragnehmer nachweislich an dessen NU als Vertragsbestandteil weiter zu geben ist. 3.2 Leistungsbereiche der Baulogistik In Anlehnung an das beschriebene Logistikverständnis wird das Aufgabenspektrum der Baulogistik in vier Leistungsbereiche unterteilt: Planung baulogistischer Ver- und Entsorgungsprozesse: Im ersten Schritt sind sämtliche baulogistischen Aktivitäten in Hinblick auf eine optimale Koordination und Steuerung der ausführenden Firmen zu planen. Ein entsprechendes Baulogistikkonzept wird bereits in der frühen Planungsphase mit dem Bauherrn abgestimmt und dann bis in die eigentliche Bauphase hinein stets verfeinert und angepasst. Realisierung und Steuerung baulogistischer Versorgungsprozesse: Die Aufgabe der Versorgungslogistik umfasst die termingerechte und kostengünstige Versorgung der Baustelle mit Hilfe eines geeigneten Steuerungskonzeptes. Dieses Konzept stellt klar definierte Anlieferbedingungen für alle Baufirmen auf, um dadurch einen optimalen, störungsfreien Materialfluss von den Projektlieferanten zur Einbaustelle zu garantieren. Realisierung und Steuerung baulogistischer Entsorgungsprozesse: Das erarbeitete Entsorgungskonzept wird umgesetzt, stetig in der Praxis geprüft und bei Bedarf angepasst. Eine Hauptaufgabe des Entsorgungskonzeptes ist es, einen reibungslosen Ablauf und die effiziente stoffliche bzw. energetische Verwertung des Bauabfalls zu gewährleisten. Sicherung und Zugangskontrolle der Baustelle: Neben der äußeren Sicherung und dem Schutz vor Diebstahl und Beschädigung ist die die Zugangskontrolle ein zentrales Element der Baustellensicherung, um illegale Beschäftigung und Schwarzarbeit zu vermeiden.

4 Das Bauvorhaben PalaisQuartier / Frankfurt am Main 8 4 Das Bauvorhaben PalaisQuartier / Frankfurt am Main 4.1 Die Bauteile und ihre Erschließung Mitten in Frankfurt am Main entsteht an einer der meistfrequentierten und umsatzstärksten Einkaufsstraßen Deutschlands eines der bedeutendsten Innenstadtprojekte Europas: das PalaisQuartier. Das städtebauliche Großprojekt startete im Jahre 2002 mit dem Kauf des 17.400 m² großen ehemaligen Telekom-Areals zwischen Zeil und Große Eschenheimer Straße durch die MAB Development. Im Juli 2004 begannen die Abbrucharbeiten, im September 2005 wurde der Grundstein gelegt und im September 2008 wurde Richtfest gefeiert. Im Februar 2009 eröffnete das Shopping-Center MyZeil. Das PalaisQuartier umfasst ein Gebäudeensemble mit einer Gesamtfläche von 226.000 m² BGF, das aus vier Gebäudeteilen sowie einer Tiefgarage besteht (siehe Abbildung 3): Bauteil A das nach historischem Vorbild wiedererrichtete Thurn und Taxis Palais: 11.000 m² BGF Bauteil B ein Büroturm: 48.000 m² BGF Bauteil C ein Hotelturm: 22.000 m² BGF Bauteil D das Shopping-Center MyZeil": 77.000 m² BGF Bauteil T eine Tiefgarage mit vier Ebenen: 55.000 m² BGF Abbildung 3 Baumaßnahme PalaisQuartier. Quelle: PalaisQuartier GmbH & Co. KG. Quelle: Eigene Darstellung. Ein Projekt dieser Größenordnung in extrem exponierter Innenstadtlage an der Hauptwache in Frankfurt am Main muss unter Berücksichtigung besonderer Randbedingungen geplant und realisiert werden. Es stellt höchste Anforderungen an Bautechnik, Koordination und Baulogistik. 4.2 Randbedingungen und Ziele für Baulogistik Folgende Randbedingungen waren aus Sicht der Stadt Frankfurt und des Bauherrn, der MAB Development Deutschland GmbH, im öffentlichen Bereich zu berücksichtigen: Innenstadtlage mit Anbindung an Fußgängerzone. Hohe Passanten- bzw. Kundenfrequenz der benachbarten Handelsbetriebe. Die Hauptverkehrsader der Innenstadt führt direkt an der Baustelleneinfahrt vorbei.

4 Das Bauvorhaben PalaisQuartier / Frankfurt am Main 9 Umbaumaßnahmen des Verkehrsknotenpunktes Innenstadt durch die Stadt Frankfurt/M. Beeinträchtigungen der Anlieger und der Umgebung minimieren. Viele Veranstaltungen der Stadt Frankfurt im Bereich der Hauptwache (ca. 250 m entfernt). Die beschriebenen Bedingungen und die in der Presse veröffentlichten Szenarien über die Auswirkungen auf das Baustellenumfeld stellten höchste Anforderungen an den Ablauf. Die Stadtverwaltung forderte vom Bauherrn noch vor Erteilung der Abbruchgenehmigung ein genaues Logistikkonzept, das Steuerungskonzepte und Belastungszahlen für den Verkehr umfassen sollte und mit dem Abbruchkonzept einzureichen war. Zusätzlich formulierte der Bauherr eigene Ziele für die Baulogistik, die eine frühzeitige und vollständige Planung der Abläufe erforderte: Die Baulogistik war so zu organisieren, dass der Bauherr in der Vergabestruktur an ausführende Firmen größte Freiheiten hatte. Optimierungspotenziale im Bauablauf sollten frühzeitig identifiziert werden, um so in der Planung berücksichtigt werden zu können. Die komplexe Baumaßnahme sollte logistisch so unterstützt werden, dass trotz der vielen parallel laufenden Arbeiten ein Höchstmaß an Produktivität erreicht wird. Behinderungen der ausführenden Firmen zwischen den Bauteilen sollten auf ein Minimum reduziert werden, um ein möglichst unabhängiges Arbeiten zu ermöglichen. Synergieeffekte aus gemeinsamer Nutzung von Infrastruktur sollten genutzt werden. Veränderungen im Ablauf der Erstellung der Bauteile sollten durch Flexibilität in der Logistik möglichst geringe Auswirkungen auf das Gesamtprojekt haben. Der Einsatz eines Logistikdienstleisters sollte der Bedeutung des Projektes Rechnung tragen und die Vermarktung unterstützen. Hohe Akzeptanz bei Nachbarn und Behörden sollte durch hohe Steuerungsqualität und geringe Belastungen erreicht werden. Diese Forderungen waren durch die Baulogistik mit dem straff geplanten Bauablauf in Einklang zu leisten. Das Konzept hierfür musste frühzeitig erstellt und in die Planung und Ausschreibungen für die Erstellung der Gebäude integriert werden. So mussten etwa Größe und Standorte der Kräne lange vor der Ausschreibung für die Gebäude A bis D festgelegt werden, damit ihre Gründung in die Geschossdecken der Tiefgarage eingeplant werden konnte. Als Logistikplaner beauftragte die MAB die bauserve, da diese bereits für andere Hochhausprojekte in Frankfurt innovative Logistikkonzepte entwickelt hatte. Das Leistungspaket umfasste zunächst die logistische Planung und wurde später auf die operative Ver- und Entsorgungslogistik sowie die Baustellenbewachung ausgeweitet. Im Laufe des Projektes wurde der Auftrag um weitere Dienstleistungsfunktionen erweitert, wodurch es gelang, die Schnittstellen innerhalb des Projektes zu reduzieren und neben der Projektsteuerung und Bauleitung auch die Baulogistik als Querschnittsfunktion einzurichten. Im Zuge der Planung und Ausführung entwickelte sich ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer, bei dem die Baulogistik bei allen Änderungen hinzugezogen wurde und zeitnah Alternativen aufzeigen und umsetzen konnte. Das Vertragsverhältnis erlaubte schnelle Reaktionen, da Einzelpreise für weitere Leistungen vereinbart wurden. Das Ergebnis war, dass in der Presse das Bauvorhaben nicht nur mit einer anspruchsvollen Architektur, sondern auch mit einer qualifizierten Baulogistik identifiziert wurde. 4.3 Bauablauf und Vergabestruktur Die Realisierung des Bauvorhabens begann mit dem Abbruch des alten Gebäudebestands sowie den Gründungsarbeiten in Deckelbauweise. Bei diesem Verfahren kann nach dem Bau einer Startdecke von

4 Das Bauvorhaben PalaisQuartier / Frankfurt am Main 10 dieser Ebene aus gleichzeitig in die Höhe und in die Tiefe gebaut werden. Am PalaisQuartier konnte somit der Rohbau aller vier aufgehenden Gebäude und der Tiefgarage leicht zeitversetzt starten. Die Bodenplatte im 5. Untergeschoss wurde geschlossen, als bereits die Hälfte der Geschosse der Hochhäuser gebaut und der Rohbau des Shopping-Centers abgeschlossen waren. Aus diesen planerischen Vorgaben ergaben sich zwei wesentliche Charakteristika für dieses Bauvorhaben: Zum einen waren parallel zu den Verkehrsströmen der Tiefbauarbeiten (Erdaushub) die Lieferungen für die Roh- und Ausbauarbeiten zu steuern. Dies stellte eine hohe Herausforderung für die Koordination des Ver- und Entsorgungsverkehrs dar. Zum anderen ergab sich aus der stufenweisen Ausschreibung und den verschiedenen Bauteilen eine Vergabestruktur, in der die Ausführungsarbeiten jeweils an unterschiedliche GU vergeben wurden. Deren Leistungsumfang war sehr unterschiedlich und orientierte sich an der Minimierung der Schnittstellen und der Qualität der Angebote. So wurde nur der Roh- und Ausbau der Bauteile A, B und T komplett an jeweils einen GU vergeben. Für die anderen Bauteile wurden gewerkespezifische GU eingesetzt. Dies führte im Bauteil D (Shopping-Center) dazu, dass insgesamt fünf verschiedene GU der Gewerke Rohbau, Fassade, TGA, Fördertechnik und Innenausbau eingesetzt wurden (siehe Abbildung 4). Abbildung 4 Integration der Baulogistik in die Organisationsstruktur des Bauvorhabens PalaisQuartier. Auftraggeber: MAB Development Deutschland GmbH Optimierte Baulogistik Bauteil A Bauteil B Bauteil C Bauteil D Bauteil T durch verbesserte Koordination und Unterstützung der logistikrelevanten Nebenpflichten GU (ohne Technik) A GU B GU Rohbau + Fassade C GU D1 GU D2 GU D3 GU D4 GU D5 GU (ohne Technik) T gewerkeübergreifender Logistikdienstleister Hauptpflichten des Auftraggebers 631, 640 BGB Abnahme des vertragsgemäß hergestellten Werkes Bezahlung der Vergütung Vertragsgemäße Herstellung des versprochenen Werkes Logistikrelevante Nebenpflichten des Auftraggebers 3 Nr. 1, 4 Nr. 1 Abs. 1, 4 Nr. 1 Abs. 2, 4 Nr. 4 VOB/B Sorge für Ordnung auf der (Gesamt-)Baustelle Koordination der Unternehmen Überlassung von Lager- und Arbeitsplätzen des Auftragnehmers (GU) 631 BGB Vertragsgemäße Herstellung des versprochenen Werkes des Auftragnehmers (GU) 4 Nr. 2 Abs. 1 Satz 1, 4 Nr. 2 Abs. 1 Satz 3 VOB/B Innere Organisation der Bauausführung Sorge für Ordnung auf seiner Baustelle (Arbeitsplatz) Entsorgung der Bauabfälle Quelle: Eigene Darstellung. In Anlehnung an Krauß, S. (2005), S. 28. Für den Baulogistiker stellte diese Aufbauorganisation mit neun Teil-GU für das gesamte Bauvorhaben eine außergewöhnliche Herausforderung dar, hatten doch alle Ansprüche an die gleichen geringen logistischen Ressourcen. Diese außergewöhnlich hohe Zahl von GU an einem Bauvorhaben führte zwangsläufig zu vielen Nachunternehmern und Lieferanten. Ohne einen Koordinator mit Prozesskompetenz und ohne verbindliche Verfahren für alle ausführenden Firmen waren eine optimale Ver- und Entsorgung der Baustelle und weitgehend behinderungsfreie Arbeitsbedingungen in der Infrastruktur nicht zu realisieren. Folgende Zahlen geben einen Einblick in das zu steuernde Volumen der Baustelle: Neun Teil-GU hatten insgesamt 840 Firmen inklusive Mieterausbau beauftragt. Für die in den letzten 3 Monaten täglich über 3000 Beschäftigten wurden täglich bis zu 190 Lkw gesteuert und bis zu 300 m³ Abfall entsorgt.

5 Inhaltlicher Ausbau des Modells eines eigenständigen Dienstleistungsgewerkes Baulogistik 11 5 Inhaltlicher Ausbau des Modells eines eigenständigen Dienstleistungsgewerkes Baulogistik 5.1 Planung baulogistischer Prozesse 5.1.1 Traditionelle Logistikplanung Die klassische Form der Baulogistikplanung ergibt sich aus der in 4 Nr. 2 Abs. 1 VOB/B normierten vertraglichen Nebenpflicht des Auftragnehmers: Danach kümmert sich jedes bauausführende Unternehmen im Rahmen der Arbeitsvorbereitung um die Ver- und Entsorgung im Zusammenhang mit seiner Leistung. Dabei gilt es zum einen, die Abläufe der Arbeiten zu bestimmen und Arbeitskräfte und Geräte einzuteilen, zum anderen geht es darum, die Materialanlieferung und die Bauabfallentsorgung logistisch zu planen. Da die Logistik üblicherweise erst von den ausführenden Firmen geplant wird, können Änderungen am Gesamtkonzept erst nach den Beauftragungen erfolgen. Zu diesem Zeitpunkt haben jedoch häufig andere Gewerke schon mit ihren Arbeiten begonnen. Modifizierungen des Bauablaufs in dieser Phase führen zu Mehrkosten, die der Bauherr natürlich scheut. Potenziale aus grundlegenden Änderungen, so positiv sie sich auch auf den Bauablauf auswirken könnten, bleiben daher ungenutzt. Dieses Ablaufschema beruht auf der Annahme, dass der jeweilige Auftragnehmer die Anforderungen und den Markt seines eigenen Leistungsbereiches am besten kennt: Bestehende, projektunabhängige Beziehungen zu Baustoffhändlern und Lieferanten sollen zu günstigeren Einkaufskonditionen führen ( economies of scale ). 10 Bei komplexen Bauvorhaben ist dieses Schema jedoch nicht praktikabel, da das Gesamtkonzept nicht ausreichend beachtet wird. Ein weiterer Nachteil ist, dass die autonome Planung, Steuerung und Durchführung der Logistikprozesse auf der Baustelle Konfliktpotenzial zwischen den Firmen birgt. Es fehlt an einer Logistikplanung, die eine übergeordnete, am Gesamtoptimum orientierte Koordination baulogistischer Abläufe und Ressourcen sicherstellt. Oftmals werden koordinierende Aktivitäten erst in die Phase der Bauausführung durch einen Streit um logistische Ressourcen ausgelöst. Statt vorausschauend zu agieren, kann dann nur noch auf bereits vorhandene Probleme reagiert und improvisiert werden. 11 5.1.2 Logistikplanung beim Bauvorhaben PalaisQuartier Der Bauherr nahm bauserve als Logistikplaner in die Planungsgruppe des Bauvorhabens auf, um logistischen Anforderungen der auszuführenden Gewerke frühzeitig Rechnung zu tragen. Dieses war für die Baubranche zu diesem Zeitpunkt noch sehr ungewöhnlich. Für alle Bauphasen wurde ein logistisches Gesamtkonzept mit Ver- und Entsorgungswegen, Umschlagspunkten und Verfahren der Steuerung entwickelt. Ein Ergebnis dieser Struktur war zum Beispiel die Auslegung der Ebenen Erdgeschoss und erstes Untergeschoss für eine Verkehrslast von SLW 30, obwohl diese für das spätere Gebäude nicht erforderlich war. Nur so konnte die Ver- und Entsorgung für die Tiefgarage über das Untergeschoss und für die aufgehenden vier Bauwerke über das Erdgeschoss parallel abgewickelt werden. Die bis zu 300 Baustellentransporte pro Tag sollten sich nicht behindern. Besonders auffällig war auch das Krankonzept, das lange vor der Beauftragung der Gebäudeausführung erstellt werden musste. Die Kräne mussten unter Berücksichtigung der Erfordernisse der einzelnen Bauteile und der räumlichen Gegebenheiten optimiert werden und sich dabei an das Gesamtsystem der Baustelle anpassen. Die Ergebnisse dieser Planung gingen in das Logistikkonzept und in die Ausschreibungen für die Bauausführung ein (siehe Abbildung 5). 10 Vgl. Krauß, S. (2006), S. 21. 11 Vgl. Krauß, S. (2006), S. 21.

5 Inhaltlicher Ausbau des Modells eines eigenständigen Dienstleistungsgewerkes Baulogistik 12 Abbildung 5 Baustelleneinrichtungsplan des Bauvorhabens PalaisQuartier. Entladezoneneinfahrt Tiefgeschoss (alle Bauteile) Entladezone Bauteil B Baustellenzu- und -ausfahrten Wertstoffhof Entladezonen aller Bauteile entlang der Baustraße Nachtentladezone Zeil (Bauteil D) Quelle: Eigene Darstellung. Ein Logistikhandbuch legte die Rechte und Pflichten aller ausführenden Unternehmen auf der Baustelle einheitlich und verbindlich fest. So konnte die vertragliche Einbindung der Firmen in das Logistikkonzept der Gesamtbaustelle und die Durchsetzungsmöglichkeit sichergestellt werden. Das Logistikhandbuch war bis ins letzte Glied der NU zu vereinbaren, sodass alle Firmen nach den gleichen Spielregeln arbeiteten, unabhängig vom Einsatzort und Auftraggeber. 5.1.3 Effekte Aufgrund der frühzeitigen Planung der ver- und entsorgungsseitigen Materialflussketten und der damit verbundenen baulogistischen Abläufe, konnten logistische Probleme bereits in der Planungsphase aus Sicht der gesamten Baustelle bearbeitet und gelöst werden. Diese Vorgehensweise reduzierte Risiken, unterstützte einen produktiven, reibungsarmen Bauablauf und senkte Kosten. Die Effekte können dabei mit vorsichtigen Annahmen beziffert werden: Kostensenkung und Bauzeitverkürzung durch horizontales Verkehrskonzept Das Verkehrskonzept auf der Baustelle mit zwei Transportebenen im EG und 1.UG ermöglichte es, die Baumaßnahmen durch unabhängige Ver- und Entsorgungsprozesse verschiedener Lose in der Zeit des Aushubs und der größten Rohbauleistung zu parallelisieren. Verkürzung der Gesamtbauzeit um 2 Monate

5 Inhaltlicher Ausbau des Modells eines eigenständigen Dienstleistungsgewerkes Baulogistik 13 Kostensenkung und Bauzeitverkürzung durch vertikale Trennung der Bauleistungen Die Planung von gemeinsamen Dienstleistungs- und getrennten Bauprozessen ermöglichte dem Bauherrn eine baubegleitende Planung in einzelnen Bauteilen und eine sukzessive Ausschreibung und Vergabe von Bauleistungen. Dies reduzierte die Baukosten durch eine größere Bieterzahl. Verkürzung der mit 26 Monaten geplanten Hochbauzeit um 2 Monate Reduzierung der Baukosten durch Einzelvergaben um 3% Risikominimierung durch Planung und Steuerung in einer Hand Die durchgängige Logistikplanung und Steuerung des Gesamtbauvorhabens optimierte logistische Ressourcen und reduzierte Reibungsverluste, die bei der Vielzahl der Entscheider und handelnden Unternehmen unausweichlich gewesen wären. Baukostenreduzierung des Nachtragsvolumens aus Behinderungen um 3% Optimaler Nutzungsgrad der Baustelleneinrichtung Die Baustelle verfügte nicht über ausreichend Ressourcen für jedes Bauteil oder gar für jeden GU. Nur durch die übergeordnete Logistikplanung konnte ein optimaler Nutzungsgrad der Baustelleneinrichtung erzielt werden, was Mehrkosten verhinderte. Einsparung bei den Kosten der Baustelleneinrichtung von 1,5 Mio. 5.2 Realisierung und Steuerung baulogistischer Versorgungsprozesse 5.2.1 Traditionelle Prozesse der Baustellenversorgung Traditionell ist die Baustellenversorgung durch ihre dezentrale Planung, Steuerung und Ausführung gekennzeichnet. Jedes Unternehmen kümmert sich selbst um die Versorgung der Baustelle in Zusammenhang mit seinem Auftrag. Es ist herrschende Meinung in der Baubranche, dass dies besonders effizient sei, da jeder Unternehmer nur das in die Steuerung investiert, was ihm einen Nutzen bringt. Vier Bauphasen sind logistisch zu beurteilen, da sie unterschiedliche Merkmale aufweisen: 1. Abbruch und Aushub, 2. Rohbau, 3. Ausbau und 4. Mieterausbau. 1. Das Abbruch- und Aushubmaterial wird über Sattelzüge, häufig von selbständigen Unternehmern, transportiert. Da sie nach der Anzahl der Touren bezahlt werden, versuchen sie, möglichst schnell wieder an der Baustelle zu sein. Das dabei entstehende Kolonnen-Fahren der Lkw verursacht Staus und Wartezeiten. 2. Der Rohbau ist durch wenige ausführende Firmen, die Anlieferung von Baustahl und Schalung sowie durch gesteuerte Beton-Lieferfahrzeuge gekennzeichnet. Durch die Steuerung innerhalb des Gewerkes läuft dieser Prozess koordiniert ab. Konflikte entstehen mit dem Eintreffen der ersten Ausbauunternehmen. 3. Im Ausbau liefern eine Vielzahl von Einzel-Lkw an, die von unterschiedlichen Lieferanten unabhängig zur Baustelle geschickt werden. Eine Koordination dieser Lkw untereinander erfolgt selten, da diese Querschnittsfunktion auf der Baustelle meist nicht wahrgenommen wird. Das Ergebnis sind Staus und eine Überforderung der innerbetrieblichen Transportmittel. 12 4. Der Mieterausbau ist eine Steigerung des Ausbaus, der sich besonders schwierig gestaltet: In kurzer Zeit erscheinen eine Vielzahl kleiner Handwerksbetriebe, die unter großem Zeitdruck arbeiten, ohne ausreichend informiert zu sein oder sich an Regularien halten zu wollen. In dieser Zeit gibt es die 12 Vgl. Voigtmann, J.K. Bargstädt, H.-J. (2008), S. 134.

5 Inhaltlicher Ausbau des Modells eines eigenständigen Dienstleistungsgewerkes Baulogistik 14 höchste Frequenz von Einzeltransporten. Je höher der Anteil unkoordinierter Fahrzeuge, umso größer sind Wartezeiten und Staus. 13 Eine fehlende Steuerung der Transporte zur und von der Baustelle verursacht hohe Produktivitätsverluste, die sich in Wartezeiten, Materialschäden, Staus, hohen Emissionen von Abgasen und Lärm sowie Zusatzkosten in verschiedenen externen Bereichen zeigen. 14 5.2.2 Baulogistische Versorgung beim Bauvorhaben PalaisQuartier Zur Transportsteuerung wurden für die einzelnen Bauphasen passende Lösungen entwickelt. Diese Konzepte wurden mit dem Bauherrn abgestimmt und in das Logistikhandbuch so eingearbeitet, dass die Durchsetzung bei allen Firmen vertraglich möglich war. Um der Innenstadtlage und den Möglichkeiten der Baustelle Rechnung zu tragen, war nur Just-in-time- Versorgung möglich: Abgesehen von einer Wartespur vor der Baustellenzufahrt für drei bis vier Lkw, konnten auf der Baustelle weder größere Materiallager noch Fahrzeugpuffer eingerichtet werden. Für die einzelnen Bauphasen wurden folgende Konzepte verwirklicht: Abbruch und Aushub - Dem Problem der hohen Anzahl wiederkehrender Transporte wurde mit einem GPS-Transportsteuerungssystem begegnet. Dem Unternehmer stand es frei, alle Transporte über einen außerhalb der Stadt liegenden Kontrollposten zur Baustelle zu schicken oder ein GPS-System einzusetzen, das bauserve mit einrichtete. Das eingesetzte System ermöglichte eine kontinuierliche Fahrzeugdisposition, die trotz hoher Anforderungen, bspw. während der Fußballweltmeisterschaft 2006, im Zentrum Frankfurts keinen Stau verursachte. Abbildung 6 Beispiel GPS-Transportsteuerungssystem. Rohbau Quelle: eigene Darstellung. - Während der reinen Rohbauzeit koordinierten die Unternehmen ihre Beton-Sammeltransporte und die zugewiesenen Flächen selbst. Alle weiteren Einzeltransporte wurden gemäß dem u. a. Steuerungsverfahren des Ausbaus angemeldet und gesteuert. Ausbau - Während der Ausbauzeit waren alle Transporte einzeln (Ausnahme: Betonfahrzeuge) zu avisieren. Dies erfolgte per Fax mit einem Formblatt oder persönlich beim Projektleiter. Waren Entladekapazitäten verfügbar, wurde die Avisierung in dem bauserve-logistiksystem gebucht und bestätigt. Gab es Kollisionen mit anderen Lieferungen, wurde ein anderer Liefertermin oder eine andere Entladestelle vorgeschlagen. Angekündigte Großlieferungen konnten so bereits im Voraus für Randzeiten 13 Vgl. Voigtmann, J.K. Bargstädt, H.-J. (2008), S. 134. 14 Vgl. Krauß, S. (2006), S. 21-25.

5 Inhaltlicher Ausbau des Modells eines eigenständigen Dienstleistungsgewerkes Baulogistik 15 geplant werden, zu denen auch der innerbetriebliche Transport ungestörter durchgeführt werden konnte. - Alternativ zum Avisierungsformular wurde die Internet-basierte Online-Avisierung OLAV eingesetzt. Hier konnte der angemeldete Besteller sich die Stammdaten der Baustelle und bereits vergebene Liefertermine ansehen und daraufhin seine Avisierung online vornehmen (siehe Abbildung 7). Dieser hohe Informationskomfort wurde gerade von den technischen Gewerken bis zu 80% angenommen. Der Service war bis 48 Stunden vor dem gewünschten Liefertermin verfügbar. So wurde eine frühzeitige Planung honoriert. Kurzfristigere Avisierungen mussten weiterhin über die o. a. Möglichkeiten vorgenommen werden. Abbildung 7 Ablaufschema Avisierung Beispiel Avisierung. Ausführendes Unternehmen Erstellt Avisierung bestätigt beantragt informiert Lieferant Spediteur Veranlasst pünktliche Lieferung Avisierungsformular liefert Prüft Entladefenster Vergibt Entladezeit erstellt Lieferpläne Aushang Bauleitung Baustelleneinfahrten informiert überwacht Baustelleneinfahrt Abgleich der Daten Prüfung Entladebereitschaft Entladezone- Baustelle Entladung Online-Avisierung Quelle: eigene Darstellung. Quelle: eigene Darstellung. - Die Information über alle Transportvorgänge eines Tages wurde in einer Avisierungsliste aus dem Logistiksystem erstellt. Der Plan wurde an zentraler Stelle ausgehängt und den Torposten für die Einfahrt kontrolle übergeben. Er stellte die Basis aller Steuerungsmaßnahmen der Bauleitung und der Verantwortlichen der verschiedenen Gewerke dar. Die zu beliefernden Firmen konnten danach ihr Personal zum Transport der Waren von der Entladezone zum Verarbeitungsort bereit halten. Abbildung 8 Beispiel Avisierungsliste. Quelle: eigene Darstellung. - Zwei weitere Maßnahmen reduzierten die Anzahl von Lkw auf der Baustelle: Zum einen wurden Kleinlieferungen über Paketdienste vom Sicherheitspersonal angenommen und an den Adressaten weitergeleitet. Zum anderen wurden mit einer Großspedition gute Konditionen für gebündelte Zustellungen vereinbart. Ziel war es, analog zu der Citylogistik, die vielen täglich eingehenden Sen-

5 Inhaltlicher Ausbau des Modells eines eigenständigen Dienstleistungsgewerkes Baulogistik 16 dungen mit bis zu 5 Paletten gemeinsam auf einem Fahrzeug angedient zu bekommen. Das Angebot wurde von einigen Bestellern angenommen und wird zukünftig noch intensiver mit mehreren Speditionen verfolgt. - Um die Entladung der Liefer-Lkw zu beschleunigen, konnten die Unternehmen ab der Ausbauphase auf die Entladeunterstützung mit Stapler zurückgreifen. Dieser Service konnte verhindern, dass die Logistikflächen durch viele Stapler der ausführenden Firmen zusätzlich eingeengt wurde. Mieterausbau - Da der Mieterausbau (ebenso wie der Ausbau) palettierte Sendungen auf die Baustelle schickt, wurden die Verfahren des Ausbaus fortgeführt. Als Besonderheit dieser Phase zeigte sich jedoch, dass die Firmen häufig am Morgen geringe Materialmengen in eigenen kleinen Lkw (bis 3,5 to) mitbrachten. Um das Volumen dieser teilweise nicht separat avisierten Sendungen abwickeln zu können und Staus im Berufsverkehr zu vermeiden, wurden die größeren Lieferungen in die Mittagszeit gelegt. - Um die Entladezeit in der Anlieferzone und Transportzeit in die Etage zu verkürzen, wurden den Ausbaufirmen ergänzend zu den Handhubwagen sog. Palettenfahrhilfen von bauserve zur Verfügung gestellt. Das reduzierte die Verweildauer der Lkw in den Entladezonen um 50%. Die Transporte konnten im Gegensatz zum Einsatz mit wenigen Handhubwagen auf diese Weise parallel durchgeführt werden. 5.2.3 Effekte Die Koordination aller Transporte hatte große Auswirkungen auf die Abläufe innerhalb der Baustelle, das Umfeld sowie den fließenden Verkehr durch die Innenstadt. Trotz der verschiedenen Verantwortlichen in den Bauteilen und des hohen Transportaufkommens konnte der Verkehr durch Steuerung der Anlieferungen auf die gesamten 24 Stunden eines Tages entzerrt werden (siehe Abbildung 9). Diese relativ hohe, aber gleichmäßige Auslastung der Entladezonen wirkte sich auch auf den innerbetrieblichen Transport von Sendungen und Abfall (z.b. auf die Auslastung der Aufzüge) positiv aus. Liefersteuerung und Transportunterstützung ermöglicht kurze Bauzeit Die Steuerung des Verkehrs über die gesamte Tages- und Nachtzeit sowie die Unterstützung mit Staplern, Lagerflächenreservierung, Bauaufzugssteuerung und Transporthilfen ermöglichte es, den sonst üblichen Flaschenhals Ver- und Entsorgungslogistik zu entschärfen und die Funktionalität der Baulogistik sicherzustellen. So konnten Verzögerungen im Bau noch aufgefangen werden. Reduzierung der Bauzeit um 1 Monat Abbildung 9 Untersuchung der Zeitpunkte der Anlieferung (avisiert) am 16.02.2009. A - Zeitpunkte der Anlieferung im Stundentakt B - Zeitpunkte der Anlieferung im 3h-Intervall 18 40 16 35 Anzahll der Avisierungen nach Lieferzeit 14 12 10 8 6 4 2 Anzahll der Avisierungen nach Lieferzeit 30 25 20 15 10 5 0 00:00 01:00 02:00 03:00 04:00 05:00 06:00 07:00 08:00 09:00 10:00 11:00 12:00 13:00 14:00 15:00 16:00 17:00 18:00 19:00 20:00 21:00 22:00 23:00 0 00:00:00 03:00:00 03:00:00 06:00:00 06:00:00 09:00:00 09:00:00 12:00:00 12:00:00 15:00:00 15:00:00 18:00:00 18:00:00 21:00:00 21:00:00 24:00:00 Uhrzeit Uhrzeit Intervall Quelle: eigene Darstellung.

5 Inhaltlicher Ausbau des Modells eines eigenständigen Dienstleistungsgewerkes Baulogistik 17 Kontinuität des Versorgungsprozesses Die verschiedenen Maßnahmen optimierten die Abläufe, steigerten die Produktivität der am Bau Beschäftigten durch einen geringeren Anteil für Nebentätigkeiten und senkten so Kosten aus Sicht der gesamten Baustelle. Die Just-in-time-Versorgung und der täglich gelebte Dienstleistungsansatz führten dazu, dass keine übergroßen Mengen auf die Baustelle geliefert wurden und somit kein Material auf den geringen verfügbaren Flächen gehortet wurde. Den ausführenden Firmen war bewusst, dass dank der standardisierten Steuerung, bauserve kurzfristige Anlieferungen manuell steuern konnte. Dies war bei weniger als 20% der Transporte (im Mieterausbau deutlich höher), die sich nicht an die avisierten Zeiten hielten oder aus Verkehrsgründen nicht halten konnten, notwendig. Als Ansatz der Bewertung wurde eine Leistungssteigerung der Beschäftigten von 2,5% angenommen. Reduzierung der Kosten für Transportaufwand / Wartezeit 2,3 Mio. Ökologische Aspekte Die Steuerungsmaßnahmen verminderten natürlich auch die Emissionen und entlasteten so das Baustellenumfeld. Hier sind besonders die vermiedenen Staus des Durchgangsverkehrs anzusprechen. Es wurde der Stadt zugesichert, nicht mehr als 300 Lkw/Tag durch die Innenstadt zu schicken. Die gleichmäßige Verteilung über den Tag verhinderte eine Überforderung der Lichtsignalsteuerung. Dadurch wurde auch die Geräusch- und Lichtemission reduziert. Bei Bedarf wurden Schwerlasttransporte und Großbetonagen mit Verkehrsbehörde und Polizei abgestimmt und auch gesteuert. Emissionsminderung nicht bewertet 5.3 Realisierung und Steuerung baulogistischer Entsorgungsprozesse 5.3.1 Traditionelle Prozesse der Baustellenentsorgung Die Verantwortung für eine optimale und vertragsgerechte Entsorgung (gemäß VOB) von Bauabfall liegt bei den beteiligten Firmen. Sie sind verpflichtet, ein eigenes Entsorgungskonzept aufzustellen, die Abfalltrennung nach den einzelnen Materialgruppen und -fraktionen (gemäß dem KrW-/AbfG) zu kontrollieren sowie den Transport und die gesetzliche Verwertung selbst zu organisieren. Insbesondere auf Großbaustellen gilt jedoch: Getrennte Entsorgungskonzepte behindern den Bau und erhöhen die Kosten der Abfallbeseitigung. Bei der Vielzahl der beteiligten Unternehmen und der damit verbundenen hohen Leistungsdichte können kaum getrennte Wertstoffhöfe eingerichtet werden. Zudem ist der Abfall nur bei intensivster Überwachung den Firmen zuzuordnen. Aus kleinen Abfallmengen wachsen schnell Abfallberge, für die niemand mehr verantwortlich sein möchte. Es folgt die Suche nach Verursachern, ärgerlicher Schriftverkehr oder das Ringen um Kompromisse, die meist zu Lasten der Auftraggeber gehen. Es fehlt in der Baustellenentsorgung des Ausbaus an Logistikprozessen und einer klaren Organisations- und Verantwortungsstruktur, die den ungeliebten Prozess optimiert und die Gesamtkosten minimiert. Der Entsorgungsprozess ist häufig von folgenden Merkmalen geprägt: 15 Hohe logistische Anforderungen aufgrund der baulichen Enge in innerstädtischen Lagen. Hohes tägliches Abfallaufkommen durch kurze Bauzeit. Termindruck favorisiert Versorgung und Ausführung gegenüber der Entsorgung. Fachgerechte und gesetzliche Forderungen der Fraktionstrennung von Bauabfall. Hohes Risikopotenzial bei unsachgemäßer Abfallentsorgung. Kein (für die Branche geeignetes) durchgängiges Entsorgungssystem verfügbar. Schwaches Regelwerk zur Überwachung der Entsorgung während des Bauablaufes. 15 Vgl. Lipsmeier, K. Ghabel, M. (1999), S. 362-367.

5 Inhaltlicher Ausbau des Modells eines eigenständigen Dienstleistungsgewerkes Baulogistik 18 5.3.2 Baulogistische Entsorgung am Bauvorhaben PalaisQuartier Aufgrund der Komplexität und Größe des Bauvorhabens PalaisQuartier sah der organisatorische Aufbau der Entsorgungslogistik die bauserve als zentralen Entsorgungsdienstleister vor. Sie hatte über alle Bauphasen hinweg und für alle am Bau beteiligten Unternehmen eine reibungslose und kostensparende Entsorgung für den Baustellenbetrieb zu gewährleisten. Ziel der bauserve-entsorgungsstrategie war es, die ausführenden Firmen durch ein produktives Entsorgungssystem auf den z. T. langen Wegen zum Wertstoffhof zu unterstützen. die Baustelleneinrichtung durch das Entsorgungssystem zu entlasten. die Entsorgungskosten durch eine hohe Abfalltrennungsquote zu reduzieren. die ausführenden Firmen durch eine verursachungsgerechte Kostenbeteiligung auf das Zielsystem auszurichten. alle gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen. Für Trennung und Transport der Abfälle bis zur Übergabe am Wertstoffhof sowie für die Reinigung des Arbeitsplatzes war der jeweilige Auftragnehmer verantwortlich. Der Abfall wurde in einer Pauschale durch den Bauherrn bezahlt: Die ausführenden Firmen konnten Abfall, soweit er in getrennten Abfallfraktionen abgeliefert wurde, kostenfrei bei bauserve entsorgen. Für Mischabfall mussten die verursachenden Firmen eine sog. Sortiergebühr entrichten. Die bauserve stellte im Zuge ihrer Steuerungs- und Koordinationsfunktion während der gesamten Bauzeit geeignete Behälter für die effiziente Entsorgung bereit. Für den Rohbau erhielten die Auftragnehmer kranbare 7m³-Mulden. Für den Ausbau standen den Firmen rollbare Kleincontainer (660 l), sog. rolcos, für die Etagenentsorgung zur Verfügung. Ab dem Wertstoffhof wurden je nach Möglichkeit und Bedarf 7-36m³-Container für den Transport zum Entsorger bereitgestellt. Die Entsorgungsvorgänge verliefen in den Bauphasen wie folgt: Entsorgung des Bodenaushubmaterials: Wurde in Kapitel 5.2.2 - Baulogistische Versorgung beim Bauvorhaben PalaisQuartier - bereits erläutert. Entsorgung in der Rohbauphase: In dieser Phase wurden den ausführenden Firmen kranbare Mulden übergeben, die durch bauserve zurückgenommen und wie o.a. abgerechnet wurden. Entsorgung in der Ausbauphase: In der innerbetrieblichen Ausbauphase liegt das Hauptaugenmerk auf der permanenten Entsorgung getrennt in Abfallfraktionen und der Entsorgungslogistik. bauserve hat hierfür das Entsorgungssystem rolco entwickelt. Dabei handelt es sich um rollbare Behälter, die baubegleitend eine effiziente Entsorgung des Abfalls aus den Etagen ermöglichen. Jedes Unternehmen erhält kostenfrei eigene Behälter, um ein falsches Sparen zu verhindern. Durch Nummerierung und Verschließbarkeit kann jede Firma ihre Entsorgung selbst gestalten und hat so auch die Kosten zu vertreten.