BUNDESBLATT. der Großen National-Mutterloge Zu den drei Weltkugeln, Berlin. Logenhaus, Heerstraße 28

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Transkript:

BUNDESBLATT der Großen National-Mutterloge Zu den drei Weltkugeln, Berlin Logenhaus, Heerstraße 28 114. Jahrgang bundesblatt_01_16.indd 1 Heft 1 2016 05.02.16 13:05

Inhalt Willkommen 1 Aus der Großloge Mitteilungen der Redaktion 3 J. Luther: Humanitati 3 Die Vereinigten Großlogen von Deutschland (VGLvD) haben einen neuen Großmeister 11 C. Bosbach: Antrittsrede des neuen Großmeisters der VGLvD 13 Aus den Johannislogen G. Primke: Begrüßung zum Stiftungsfest am 21. Oktober 2015 18 A. Peter: Festvortrag anlässlich des 119. Stiftungsfestes am 21. Oktober 2015 20 B. Wiedenhaupt: Was bedeutet uns Weihnachten oder was uns Weihnachten bedeutet? 26 Aus fremden Federn Chr. Meier: Toleranz im Denken der Gegenwart und die Praxis der Freimaurer 30 Bücher Freimaurer-Wiki 42 R. Appel: Werkstatt für Freimaurer 43 Wir gratulieren 44 bundesblatt_01_16.indd 2 05.02.16 13:05

Willkommen Liebe Brüder, vielleicht bewegen wir auch schon eine ganze Menge, wenn wir Dinge nicht nur anders machen, sondern sie anders sehen. Wenn man die Chance hat, in einer neuen Umgebung oder nach tiefgreifenden Veränderungen noch einmal völlig von vorn anzufangen, dann ist der Neue sein doch oft auch unangenehm und mit Unsicherheiten verbunden. Wird das neue Ich gemocht, wenn man neue Freunde findet? Einfach ist das für niemanden. Aber deshalb Pläne und große Vorhaben schon am Anfang gleich ganz über den Haufen zu werfen? Das Wichtigste ist doch erst einmal, den eigenen Schweinehund und die eigene Angst zu überwinden, um sich neu zu erfinden. Denn auch untätig zu sein, kann uns schaden. Ein deutscher Wissenschaftler drückt es treffend aus: Krank werden wir erst, wenn wir die Chancen im Leben nicht nutzen können, Herausforderungen meiden oder immer in gleichen Bahnen schwimmen. Aha! Veränderung ist gut für uns! Also: Ziele formulieren, angehen, durchziehen. Aber irgendwann einen Strich machen und sagen: Seht her, ich bin der Neue, das gibt es nicht. Sich neu erfinden, dazu brauchen wir nicht nur den Rest von 2016, denn grundlegende Veränderung ist ein lebenslanger Prozess. Es ist auch in Ordnung, wenn wir ein ganz kleines bisschen vom Alten mit uns rumschleppen. Denn ein brauchbarer Kern steckt in uns allen! Vielleicht bewegen wir auch schon eine ganze Menge, wenn wir Dinge nicht nur anders machen, sondern sie anders sehen? Besonders gut wäre es, andere Menschen mal wieder mit einem neuen, offeneren Blick zu betrachten vielleicht haben die sich ja schon längst völlig neu verändert und neu erfunden, und wir haben es noch gar nicht mitbekommen? Also, geben wir nicht auf, uns immer wieder neu zu erfinden oder es zumindest zu versuchen uns und unserer Umwelt zuliebe. Ich halte es ganz mit dem deutschen Mathematiker Georg Christoph Lichtenberg, der es bereits im 18. Jahrhundert so formulierte: Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser werden wird, wenn es anders wird; aber so viel kann ich sagen, es muss anders werden, wenn es gut werden soll. 1 bundesblatt_01_16.indd 1 05.02.16 13:05

Das vergangene Jahr 2015 war geprägt von Feierlichkeiten zum 275. Stiftungsfest unserer Großloge. Eine Reihe von Brüdern waren eingebunden in unterschiedlichen Aufgaben, um dieses Fest zu einem ganz besonderen Fest werden zu lassen. Wer an den Veranstaltungen nicht teilnehmen konnte, kann es nachlesen in der letzten Ausgabe des Bundesblattes das als Sonderheft Ende des Jahres 2015 erschienen ist. Euer Bruder Hans-Werner Hellberg 2 bundesblatt_01_16.indd 2 05.02.16 13:05

Aus der Großloge Mitteilungen der Redaktion Zur Erleichterung der Arbeit bittet die Redaktion darum, die Beiträge 1) mit Titel und Autorenname sowie Namen der JL zu versehen 2) als Word-Dateien zu versenden (PDF-Dateien bedeuten unnötige Mehrarbeit. Humanitati Vortrag anlässlich der Jahresabschlussarbeit am 30. Dezember 2015, Leitung: NGM Br. Thomas Engel) Br. Jan Luther, Großredner der GNML Zu den drei Weltkugeln Ehrwürdigster National-Großmeister, ehrwürdigste, sehr ehrwürdige, ehrwürdige und geliebte Brüder alle in allen Euren Graden und aus allen Obödienzen. 53 Stunden bevor das Jahr 2015 zu einem weiteren Kapitel im Geschichtsbuch wird, haben wir uns hier zu unserer Jahresabschlussarbeit zusammengefunden. Wir, Brüder der Großen National-Mutterloge Zu den drei Weltkugeln, haben in diesem Jahr ohnehin den besonderen Hauch der Geschichte verspürt, konnten wir doch gemeinsam und legal das 275. Bestehen unserer Loge in verschiedensten Veranstaltungen begehen und auch feiern beides keine Selbstverständlichkeiten, wenn wir uns allein die letzten 100 ereignisreichen, teils dramatischen Jahre vor Augen halten, Kriege, Verbote, Teilung etc. Ein ganzes Quartett von Experten und Fachleuten hat uns in einem Symposium am 19. Juni unsere eigene Geschichte nebst Analyse der Gegenwart und möglicher Perspektiven aufgezeigt 3 bundesblatt_01_16.indd 3 05.02.16 13:05

unter dem Motto: 275 Jahre Große National-Mutterloge Zu den drei Weltkugeln Freimaurerei gestern heute morgen. Wenn wir heute also ein weiteres erkenntnisreiches Kapitel der Menschheit mit der Nr. 2015 auf der Habenseite verbuchen, beenden wir mehr als nur ein profanes Jahr. Wirft dieses doch weite, teils verpflichtende Schatten auf das kommende Jahr 2016. Humanitati, Dativ Singular von humanitas, was soviel bedeutet, wie: der Menschlichkeit. Warum wohl haben unsere Altvorderen genau dieses eine Wort in dieser grammatikalischen Form sowohl am alten Logenhaus unserer Großloge in der Splittgerbergasse 3 in Mitte als auch seit 1958 am hiesigen Standort anbringen lassen? Fast täglich hören und sehen wir in Nachrichtensendungen und in Zeitungsschlagzeilen von humanitären Katastrophen und humanitären Krisen. Abstrakte Fakten mit Schreckenscharakter. Jeder Besuch in diesem, unseren Hause hingegen verpflichtet uns jedes Mal aufs Neue der Humanität. Albert Schweitzer formulierte auf den individuell möglichen Rahmen fixiert: Humanität besteht darin, dass nie ein Mensch einem Zweck geopfert wird Gut ist, Leben erhalten und Leben fördern; böse ist, Leben vernichten und Leben hemmen. Der Zusatz aus dem Freimaurerlexikon von Br. Reinhold Dosch: Die freimaurerische Humanität stellt den Menschen und seine Wertung als Individuum in den Mittelpunkt, also die Anerkennung jedes Einzelnen ohne die Zufälligkeit der Geburt, des Standes und der Konfession. Soweit die Analyse. Br. Reinhold Dosch formuliert weiter, nun in Auftragsform: Die Freimaurer versuchen, die Welt menschlicher zu gestalten. Hierzu gehört zunächst die Selbsterziehung zu Menschenliebe und Toleranz; sodann das Bemühen, beides im Bruder- und Familienkreis zu praktizieren; und drittens der Versuch, die freimaurerische Humanität, also die Menschlichkeit, in alle Bereiche zu tragen, mit denen der Maurer in Berührung kommt. Zur Verwirklichung gehört die Wahrung der Menschenwürde und der Menschenrechte, die Forderung nach Gedankenund Gewissensfreiheit, menschlicher Anerkennung ohne Rassen- und Geburtsschranken, tätige Hilfe in der Not. Liebe Brüder, eine Million Menschen sind allein 2015 in unserem Land aufgenommen worden, um uns in diesem Sinne herauszufordern! Über 250.000 irren noch illegal und nichtregistriert umher. Auch das eine Herausforderung! Wie werden wir mit dieser menschlichen Herausforderung umgehen? Können wir es der staatlichen Autorität 4 bundesblatt_01_16.indd 4 05.02.16 13:05

überlassen, die Flüchtlingsproblematik für uns zu lösen? Was ist Flüchtenden, die Heimat und Eigentum aufgegeben haben, um zu überleben, hier an Mindeststandards zuzumuten und was ist einer humanitären Gesellschaft wie der unsrigen zuzumuten? Fragen wir uns ganz einfach selber, wie würden wir reagieren, wenn wir in einem Rettungsboot im Meer treibend Schiffbrüchige aufnehmen, bis das Boot selbst zu sinken droht und dann noch eine im Meer treibende Mutter mit Kind um Rettung fleht Keiner von uns wird diesen Gedanken mit einem befriedigenden Ergebnis zu Ende bringen. Was will ich damit zum Ausdruck bringen? Wir werden, um in unserem Sinne das nächste Jahr gemeinsam unserer Verpflichtung folgend zu einem guten Ende bringen zu können, Opfer bringen müssen, Opfer, die der Menschlichkeit zur Ehre gereichen und als Bespiele der Gesellschaft Ansporn sein können. Wilhelm von Humboldt formulierte: Wenn wir eine Idee bezeichnen wollen, die durch die ganze Geschichte hindurch in immer mehr erweiterter Gestalt sichtbar wird, so ist es die Idee der Humanität, das Bestreben, die Grenzen, die Vorurteile und einseitigen Ansichten aller Art, die sich feindselig zwischen die Menschen gestellt haben, aufzuheben und die ganze Menschheit ohne Rücksicht auf Nation, Religion und Farbe als einen großen, nahe verbrüderten Stamm, als ein zur Errichtung eines Zweckes der freien Entwicklung innerlicher Kraft bestehendes Ganzes zu bezeichnen. Liebe Brüder, nichts anders ist das Ziel unserer weltumspannenden Bruderkette. Humanitati: der Menschlichkeit verpflichtet; Unsere Gemeinschaft ist kein Selbstzweck. Wir suchen nach Erkenntnis und Erleuchtung in diesen heiligen Hallen und sind doch manchmal blind, ignorant und intolerant, wenn wir genau in unserem Sinne in der profanen Welt um uns herum herausgefordert werden. Das ist zwar menschlich, wie Goethe im Faust kurz resümiert: Solang er auf der Erde lebt, Es irrt der Mensch, solang er strebt! aber auch korrigierbar nach erfolgtem Erkenntnisgewinn. Gleich einem Motor, bei dem der Zündfunke genügt, um den Verbrennungsprozess im Zylinder explosionsartig in Gang zu setzen und damit das Gefährt vorwärts zu bewegen, so bewegt sich hier im Raum unter dem einen oder anderen Zylinder vielleicht auch der eine oder andere Gedanke in bestimmte Richtungen. Es muss ja nicht gleich der explosionsartige sein. Das Licht der Erkenntnis ist in keiner Darstellung als Flakscheinwerfer abgebildet worden eher als dezente Kerze - und 5 bundesblatt_01_16.indd 5 05.02.16 13:05

leuchtet individuell sehr verschieden. Rationale Schlussfolgerungen sind das eine, emotionsgeladene Befindlichkeiten das andere. Ängste, Sorgen, Befürchtungen, die nicht entkräftet werden, sind der Katalysator für falsche Schlussfolgerungen und Handlungen. Werden sie im Gegenteil noch angeheizt und befördert, kulminiert das schnell, aktuell in Fremdenhass. Am Beispiel der Judenverfolgung im Dritten Reich und der Reichspogromnacht am 9. November 1938 und der dann folgenden Deportations- und Vernichtungswelle sind die möglichen Auswirkungen auch in einer vormals gebildeten und aufgeklärten humanistischen Gesellschaft belegbar. Das haben Menschen mit Menschen getan! Menschen haben Menschen erschossen, vergast, vernichtet ohne Not aus einfachen ideologischen Grün den. Es waren Deutsche! Wie werden Menschen in Zukunft hier mit Menschen umgehen? Gehen wir von den bisher bekannten Bevölkerungsentwicklungsprognosen aus, so umfasste die Weltbevölkerung beim Jahreswechsel 2014/15 ca. 7,28 Milliarden Menschen. Nach dem Weltbevölkerungsbericht des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen wurde die Sieben-Milliarden-Menschen-Marke am 31. Oktober 2011 überschritten. Die Festlegung auf einen Tag ist dabei als symbolischer Akt zu verstehen, weil Schätzungen der Weltbevölkerung nur mit einer Bandbreite von 5 % mehr oder weniger möglich sind. Die UNO rechnet für den Zeitraum 2015 bis 2020 mit einem Bevölkerungswachstum von rund 78 Millionen Menschen pro Jahr. Die Vereinten Nationen erwarten also folgerichtig 2050 etwa 9,6 Milliarden Menschen auf dem Globus und prognostizieren zu Beginn des 22. Jahrhunderts eine Stabilisierung auf etwa neun Milliarden Menschen. Andere Prognosen sehen bis 2100 ein Anwachsen der Weltbevölkerung auf ca. 12 Mrd. Menschen voraus, wobei sich allein die Bevölkerung Afrikas von 1,1 Mrd. Menschen auf 4,3 Mrd. knapp vervierfachen soll. Das ist übrigens die Zahl der Weltbevölkerung im Jahre 1975, die ich damals in der Schule genannt bekam und die mir unvorstellbar groß vorkam. Ich las damals schon recht gerne und zu dieser Zeit gerade ein Buch aus der Reihe Weltall Erde Mensch vom damaligen Chef-Astronomen der DDR, Prof. Dieter Herrmann mit dem Titel Besiedelt die Menschheit das Weltall? Darin wurde als Basis der Thematik die Weltbevölkerungsentwicklung behandelt und festgestellt, dass die Bevölkerung jede Minute um 100 zunähme, was zu der absurden Folge käme, dass am 13. Juli des Jahres 2116 auf der 6 bundesblatt_01_16.indd 6 05.02.16 13:05

Erde kein freier Platz mehr wäre, auf dem ein Mensch stehen könnte. Ich war zu dem Zeitpunkt recht froh, vor diesem Termin abzuleben und somit eventuell bis dahin noch eine Sitzplatzgarantie auf dem Planeten zu ergattern. Besorgniserregender fand ich dann den folgenden Vergleich mit der Tierwelt. Aus dem Studium der Populationsentwicklung von Tieren ist bekannt, dass ökologische Regelfaktoren ein unbegrenztes Wachstum verhindern. Das heißt, dass sich z.b. die Zahl der Beutetiere und Räuber gegenseitig so einstellt, dass eine relativ konstante Populationsstärke entsteht. Auch wenn der Mensch in diese Systeme eingreift, reguliert sich das Verhältnis nach einer gewissen Zeit durch die Vielzahl der natürlichen Regulative. Beispiel: In einem Naturschutzgebiet in Arizona hatte man sämtliche Raubtiere zum Schutz der dort lebenden Hirsche getötet, die Population nahm innerhalb von 20 Jahren von 5.000 Tieren auf 100.000 Tiere zu, brach dann aber relativ schnell in sich zusammen auf Grund von Krankheiten, Nahrungsmangel, genetischer Defekte, Parasiten ect. Am Ende stand numerisch ungefähr die Anfangspopulation allerdings in deutlich schlechterem genetischen Zustand als vorher. Nun, die natürlichen Regelfaktoren stellen für den Menschen kein Vermehrungshindernis mehr dar. Das künstliche Regulativ Krieg oder selbstgemachte Katastrophen sind hier wahrscheinlichere Wachstumshemmer. Gordon Rattray Taylor, US-Wissenschaftsautor, führte 1971 die Spiegelbestsellerliste im Bereich Sachbuch an mit dem Werk: Das Selbstmordprogramm, Zukunft oder Untergang der Menschheit Die zentrale Frage, so Taylor, lautete damals bereits nicht mehr: Können wir mit den Problemen fertig werden?, sondern: Können wir in der Zeit, die uns noch zur Verfügung steht, damit fertig werden? Oder ist es bereits zu spät? Oder wird, wenn wir überleben, diese Art Leben noch lohnend sein? Deshalb sollten unsere Politiker und Wirtschaftsplaner gezwungen sein, Taylors Buch sofort sehr gründlich zu studieren, resümierte seinerzeit der Zoologe und Tierforscher Bernhard Grzimek in einem Spiegelartikel zu Taylors Thesen und fährt fort: Noch immer erklären manche Techniker und Landwirtschaftsfachleute leichtfertig, der Massenvermehrung der Menschheit sei mit weiterer Steigerung der landwirtschaftlichen Erzeugung zu begegnen. Dabei nimmt die Fläche des bebaubaren Landes ständig ab, die Wüsten werden größer. Ehe die Menschen eingriffen, schwemmten die Flüsse jährlich 9,3 Milliarden Tonnen Erdboden ins Meer; heute sind es 24 Milliarden. 7 bundesblatt_01_16.indd 7 05.02.16 13:05

Nur etwa zehn Prozent der gesamten Landfläche der Erde sind wirklich kultivierbar, weitere zehn Prozent könnten noch mit einbezogen werden, würden aber bestenfalls niedrigere Erträge zu immer höheren Preisen liefern. Wir können die Bodenerträge je Hektar nur erhöhen, indem wir Maschinen, Energie, Unmengen künstlichen Düngers einsetzen. Damit wiederum brauchen wir rasch Vorräte auf, die in Jahrmillionen der Erdgeschichte in Form von Kohle, Erdöl, radioaktivem Gestein angesammelt worden sind. Taylor: Vorläufig ist es wahnsinniges Verhalten, die Energiereserven aufzubrauchen und auf ein technisches Wunder zu bauen, das uns vor dem Bankrott retten soll. Zitat-Ende. Wie gesagt, der Artikel erschien 1971! Zurück zur Relation der Bevölkerungsentwicklungszahlen: Um das Jahr 1800 betrug die Weltbevölkerung rund 1 Milliarde Menschen; um 1930 waren es 2 Milliarden; 1960 dann 3 Milliarden und im Jahr 1975 eben etwas mehr als 4 Milliarden. Am 11. Juli 1987 überschritt die Weltbevölkerung nach UN-Berechnungen die Zahl von fünf Milliarden Menschen. Um auf die damit verbundenen Probleme aufmerksam zu machen, wurde seit 1989 der 11. Juli eines jeden Jahres zum Internationalen Weltbevölkerungstag erklärt. Am 12. Oktober 1999 wurde nach UN-Berechnungen der sechsmilliardste Mensch auf der Erde geboren; am 31. Oktober 2011 der siebenmilliardste Mensch. Angesichts dieser Zahlen und der zu erwartenden Entwicklung der Bevölkerung außerhalb des fortpflanzungsunwilligen Europas ist die sogenannte Flüchtlingswelle des Jahres 2015 Richtung Europa nur eine leises Vorspiel dessen, was noch kommen könnte. Es gilt also im Sinne der Humanität, nicht die Auswirkungen der Flüchtlingsbewegungen auf unsere Gesellschaft zu beklagen, sondern die Migrationsursachen an der Quelle zu bekämpfen und Menschen in ihrer Heimat ein menschenwürdiges Leben in ihrem sozio-kulturellen Umfeld zu ermöglichen. Interessant ist übrigens die Entwicklung des Bevölkerungswachstums in den Ländern zu beobachten, die einen gewissen Lebensstandard erreicht haben, was nicht nur mit der Befriedigung materieller Bedürfnisse, sondern auch mit einem entsprechenden Bildungsniveau einher geht. Die Bevölkerungsentwicklung z.b. in Deutschland um 1900 hatte eine unglaubliche Steilaufwärtsbewegung hinter sich. Frauen gebaren traditionell immer noch viele Kinder, die aber auf Grund besserer Gesundheitsversorgung, besserer Ernährung und besserer Bildung der Eltern größtenteils die Kindheit überlebten und selbst erwachsen wurden. Die Bevölkerung wuchs also rasant. 8 bundesblatt_01_16.indd 8 05.02.16 13:05

Mit steigendem gesamtgesellschaftlichen Wohlstand sank die Geburtenrate. Die gleiche Entwicklung vollzog sich in Nordamerika, dann zeitlich verschoben in Südamerika und nun in Asien, besonders sichtbar in China. Hatte China 1970 814 Mio. Einwohner, waren es 2010 1,3 Mrd.. Mit durchschnittlich 1,8 Kindern pro Frau werden 2100 nur noch 941 Mio. Chinesen gezählt werden. Deutschland hat mit 1,3 Kindern pro Frau eine noch rapidere Negativentwicklung vor sich, wird nicht mit Zuwanderung (weltbevölkerungstechnisch: Umverteilung) gegengesteuert. Schauen wir auf Somalia, 1970 mit 3,6 Mio. Einwohnern bevölkert. Bei einer Geburtenrate von 6,3 Kindern pro Frau werden wir bei einer gegenwärtigen Bevölkerung von 9,3 Mio. im Jahr 2100 89 Mio. Somalier zu erwarten haben. 60 % der Bevölkerung am Horn von Afrika lebt heute übrigens noch als Nomaden, fern von klassischen Bildungseinrichtungen. Uns stehen also in diesem Jahrhundert noch gewaltige Umbrüche allein auf dem afrikanischen Kontinent schon wegen der zu erwartenden Bevölkerungsentwicklung bevor. Andererseits hat gerade Afrika gewaltige Potentiale. Ich denke nur an die Energiequelle Sahara. 500km² Wüste mit Solaranlagen ausgestattet würden an einem Tag den Energiebedarf Europas von einem Jahr erzeugen. So die Ausgangsprognose optimistischer Projekte europäischer Energieerzeuger. Lediglich der Leistungsverlust durch die lange Trassenführung und letztlich die instabilen politischen Verhältnisse im nördlichen Afrika stoppten eine zeitnahe Realisierung. Welche Kraft könnte also ein sich z.b. in diesem Projekt einiges Afrika für den aufstrebenden Kontinent ziehen!? Humanitäres Handeln hat also in erster Linie mit Wissen, der Wissensvermittlung und der auf Wissen basierenden Kooperation zum gegenseitigen Vorteil zu tun. Hilfe zur Selbsthilfe, z.b. die Ausbildung von Flüchtlingen, die dann ihre Heimat in Zukunft wieder aufbauen können und die erlernten Werte und Lebensnormen mitnehmen und als humanitäres Exportgut in ihren Ländern etablieren. So kann eine gesellschaftliche Herausforderung eine Chance werden und woanders gesellschaftliche Veränderungen zum Positiven zur Folge haben wenn wir es gemeinsam nur richtig anpacken. Lasst uns also, liebe Brüder, das nächste Jahr, das Jahr 2016 optimistisch beginnen und als Chance betrachten. Das Resultat wird sein, was wir daraus gemacht haben werden! Der Menschlichkeit verpflichtet! Und um am Ende noch eine andere, zeitliche Relation mit auf dem Weg zu geben: 9 bundesblatt_01_16.indd 9 05.02.16 13:05

Unser Jahr 2016 wird übrigens das Jahr 5777 des jüdischen Kalenders, das Jahr 4713 der chinesischen zyklischen Ära, das Jahr 1541 seit dem Untergang des weströmischen Reiches, das Jahr 1437 des mohammedanischen Kalenders, das Jahr 525 seit der Landung des Kolumbus in Amerika und das Jahr 225 des französischen Revolutionskalenders sein. Zeit und deren Empfindung ist also auch immer relativ und auch das ist relativ menschlich. Und damit ist meine Zeit in diesem Jahr an diesem Pult abgelaufen. 10 bundesblatt_01_16.indd 10 05.02.16 13:05

Die Vereinigten Großlogen von Deutschland (VGLvD) haben einen neuen Großmeister. Von 2015 bis 2018 steht der Kölner Bruder Christoph Bosbach der Dachorganisation der deutschen Freimaurerei vor. 11 Berlin, im November 2015. Ein würdiges und beeindruckendes Fest mit gelebter internationaler Brüderlichkeit. So könnte man die Veranstaltungen und Festivitäten rund um die Wahl und Einsetzung des neuen Großmeisters der VGLvD in einem Satz bezeichnen. Fast 50 Delegationen aus aller Herren Länder waren angereist, um der deutschen Freimaurerei die Ehre zu geben und ein Zeichen völkerverbindender Brüderlichkeit zu setzen. Einmal wieder wurde klar: Freimaurerei kennt und spricht nur eine Sprache, sie eint nicht nur lehrart-, sondern auch kultur- und nationenübergreifend. Der bisherige Großmeister, Bruder Rüdiger Templin, schied nach zwei Amtszeiten turnusgemäß aus dem Amt. An den Stuhl- und Logenmeistern der Republik war es daher nun, am 31. Oktober 2015 auf Empfehlung des Senats einen neuen Großmeister zu wählen. Der Senat machte von seinem Recht Gebrauch, einstimmig nur einen einzigen Kandidaten zu empfehlen bereits im Vorfeld ein angenehm harmonisches Signal und Symbol. Diese Empfehlung war der Kölner Bruder Christoph Bosbach von der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland. Nachdem dieser hier schon jahrelang Logenmeister in seiner Mutterloge Freimut und Wahrheit zu Cöln war und anschließend die Große Landesloge viele Jahre als Erster Landesgroßaufseher und damit als Vorstandsmitglied mit prägen durfte, stellte er sich den 184 Wahlberechtigten vor. Nahezu damit übereinstimmende 174 Stimmen entfielen auf ihn. Zum Stellvertretenden Großmeister wurde Bruder Bernd Brauer von der Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer gewählt. Schon die Organisation des Wochenendes zeigte, worauf der neue Großmeister und sein Team Wert legen werden: Freimaurerei als Harmonie in der Vielfalt begreifen und sie so auch leben und vertreten. Trennendes beseitigen und Verbindendes fördern. Die Veranstaltungen waren daher gleich mäßig in verschiedenen Logenhäusern, nämlich denen von 3WK, GLL und AFuAM, platziert und fanden nicht an einem Ort statt. Zentraler Punkt der abendlichen Festivitäten war das Abbundesblatt_01_16.indd 11 05.02.16 13:05

ba-hotel, in dem es brüderliche Gespräche auf allen Ebenen und genauso intensiven, wie interessanten und spannenden Austausch gab. In seiner Antrittsrede zur feierlichen Einsetzung am Sonntag, dem 1. November 2015, machte der neue Großmeister vor insgesamt fast 300 anwesenden Brüdern und knapp 50 weltweit angereisten Delegationen viele wichtige Punkte zu Themen auf seiner Agenda. Neben einem ausdrücklichen Dank an den Vorgänger war das neue Motto der kommenden Amtsführung auf dem Programm. Angelehnt an den Namen seiner Mutterloge, will Bruder Christoph Bosbach Mit Freimut und Wahrheit auf zu neuen Ufern. Anspruchsvoll, und da haben er und sein Team viel zu tun. Die Vereinigten Großlogen sind traditionsgemäß hauptsächlich für zweierlei zuständig: Die Repräsentanz und Vertretung der deutschen Freimaurerei nach außen sowie die Öffentlichkeitsarbeit. Beides sind zentrale und brandaktuelle Themen. Nachdem die deutsche Geschichte des letzten Jahrhunderts die Freimaurerei langfristig nachteilig beeinflusst hat, konnten sich das gesamtgesellschaftliche Bild von ihr und die Mitgliederzahlen zwar moderat, aber keineswegs je wieder so erholen, wie es wünschenswert und notwendig wäre. Hier und an vielen weiteren Themen setzen die Vereinigten Großlogen an und entlasten damit die fünf Mitgliedslogen enorm, die ihre eigene wichtige Arbeit um die zwei zuvor genannten Punkte etwas entlasten und sich damit auf lehrartspezifische Themen konzentrieren können. 12 bundesblatt_01_16.indd 12 05.02.16 13:05

Antrittsrede des neuen Großmeisters der VGLvD, Christoph Bosbach, zur feierlichen Einsetzung am 1. November 2015 Br. Christoph Bosbach, Großmeister der VGLvD 13 Ehrwürdigste Großmeister, meine lieben Brüder in all Euren Graden, bitte sehen Sie es mir an dieser Stelle nach, wenn ich nicht alle Brüder mit den Ihnen gebührenden Anreden begrüße. Zum einen würde das sicher sehr lange dauern, zum anderen aber würde es differenzieren und genau das möchte ich vermeiden. Unterschiedliche Anreden zeigen nicht nur unterschiedliche Erkenntnisgrade und Funktionen an, sondern ebenso weisen sie hin auf unterschiedliche Obödienzen und Lehrarten in einer doch eigentlich großen und vereinten freimaurerischen Bruderschaft in den Vereinigten Großlogen der Freimaurer von Deutschland. Und für die Einheit in der Vielfalt möchte ich mit meiner Arbeit stehen. Es ist mir eine unendliche Freude, Sie alle hier zu sehen. Besonders und noch einmal ausdrücklich begrüße ich aus tiefem Respekt unsere ausländischen Gäste. Die Brüder der Vereinigten Großlogen von Deutschland sind froh und stolz, Sie alle hier unter uns zu haben! Dies ist sicherlich einer der wichtigsten und großartigsten Tage in meinem Leben. Und wenn ich Sie alle anschaue, dann sehen ich viele Brüder unter Ihnen, die ich seit vielen Jahren kenne und die mich in den vergangenen fast 25 Jahren meiner Zugehörigkeit zur freimaurerischen Bruderkette auf Teilen meines Weges begleitet haben, aber vor allem auch noch weiterhin begleiten werden, wie ich hoffe. Für Ihre Unterstützung in den vergangenen Jahren bedanke ich mich ganz besonders bei den Mitgliedern des Senats der VGLvD und den Großmeistern unserer Mitgliedsgroßlogen. Sie alle haben mir Ihr Vertrauen geschenkt und mich zur Wahl für dieses hohe Amt einstimmig nominiert. Meinen aufrichtigen Dank dafür! Und an aller erster Stelle bedanke ich mich aus aufrichtigem Herzen für das Vertrauen, dass mir die Brüder Vorsitzende Meister durch Ihre Wahl entgegen gebracht haben. Ich werde mich nach bestem Wissen und Gewissen bemühen, Ihren Erwartungen gerecht zu werden. In der Zeit meiner Mitarbeit im Vorstand der GLL FvD habe ich viel von den Brüdern dort lernen dürfen, und insbesondere Bruder Achim Strassner habe ich an dieser Stelle viel zu verdanken. Auch die Gespräche mit Br. Pobundesblatt_01_16.indd 13 05.02.16 13:05

pitz, Br. Stolz werden mir immer im Gedächtnis bleiben. Die Brüder Paul Litteral, James Barret, Eddi Guevarra, Alan Wainwright und Bill Beardmore haben mir in den vergangenen 3 Jahren eine wunderbare Welt der brüderlichen Gemeinsamkeit gezeigt. Br. Stephan Roth-Kleyer und Br. Thomas Engel haben mich gelehrt, stets alle Optionen und Eventualitäten abzuwägen und erst dann in Ruhe und mit Besonnenheit Entscheidungen zu treffen. Als Rheinländer weiß ich es zu schätzen, wenn mich der eine oder andere unter meinen Brüdern mit viel Toleranz gerne mal auf den Teppich zurück geholt hat. Dank dafür aus unterschiedlichster Sicht an den Bruder Karl Engelhart und die leider bereits verstorbenen Brüder Georg Charley Wetzel und Bodo Raschke. Unter unseren ausländischen Gästen befinden sich Brüder, zu denen ich inzwischen bereits eine freundschaftliche Beziehung über die brüderliche Gemeinsamkeit hinaus empfinde. Diejenigen, die ich meine werden sich sicherlich angesprochen fühlen Der Ehrwürdigste Alt-Großmeister, Br. Templin war ein bewundernswerter Vorreiter und Ziehvater mit diplomatischer Erfahrung und Weitsicht. Eine tiefe Verbeugung zu den Brüdern meiner Heimatloge in Köln. Der Name meiner Heimatloge und das Ziel meiner Arbeit sollen am Ende auch 14 den Leitsatz bilden, unter den ich meine Arbeit in den kommenden Jahren stellen möchte: Mit Freimut und Wahrheit auf zu neuen Ufern! Die Magna Charta belegt die Arbeit der VGLvD durch die ausdrückliche Erwähnung der Öffentlichkeitsarbeit und der Pflege der Beziehungen zu den ausländischen Großlogen mit im Wesentlichen zwei Themenbereichen. Die Förderung der Harmonie und der brüderlichen Liebe im Inneren unter den Großlogen und allen Brüdern der deutschen Freimaurerei bleibt dabei eine selbstverständliche Herzensaufgabe für uns alle. Diesen Herausforderungen werden wir in den kommenden Monaten und Jahren nach bestem Wissen und Gewissen gerecht werden. Wir haben uns zu einem wunderbaren und äußerst kompetenten Team zusammengefunden und werden auch als solches alle uns gestellten Aufgaben angehen. Ich freue mich auf die Arbeit und gehe mit viel Motivation, Enthusiasmus und Engagement gemeinsam mit diesem Team der VGLvD auf dem Weg voran. Ich werde versuchen mir selbst dabei stets treu zu bleiben und immer mit Freuden jede ehrlich gemeinte und konstruktive Kritik wie auch jede Idee und jeden Vorschlag gerne annehmen und immer ein offenes Ohr zeigen. Die Freimaurerei bietet ihren Mitgliedern sicherlich eine spirituelle und mobundesblatt_01_16.indd 14 05.02.16 13:05

ralische Perspektive, welche aber nicht notwendigerweise religiös ist. Sie ermutigt ihre Mitglieder, sich mehr für die Gemeinschaft zu engagieren, sie ist aber sicherlich kein Ersatz für Parteien, Gewerkschaften, Vereine oder Universitäten. Keinesfalls soll sie eine Interessengemeinschaft sein. Solche Missverständnisse schmälern die Bedeutung der Freimaurerei und es ist nicht überraschend, dass sie in den letzten 50 Jahren fast die Hälfte ihrer Mitglieder verloren hat. Ihre schwindende Anziehungskraft liegt aber nicht allein an solchen Verständnisfehlern, oder an einem, angeblich, verminderten Interesse an Spiritualität in der westlichen Gesellschaft. Wäre das der Fall, hätten religiöse Sekten und Gruppierungen, die neue Wege zur Transzendenz anbieten, nicht solchen Zuspruch. Wir dürfen nicht vergessen, dass fast gleichzeitig mit Gründung der modernen Freimaurerei die Befürworter zentralistischer und autoritärer Gedanken ihre Feindseligkeit, wenn nicht gar ihren Hass gegenüber der humanistischen und egalitären Natur und dem freidenkenden Geist der Freimaurerei zum Ausdruck gebracht haben. Die erste päpstliche Bulle wurde im Jahr 1738 veröffentlicht! Ihr folgten in über zwei Jahrhunderten Versuche der Verleumdung und der Destabilisierung, die das Bild der Freimaurerei immer weiter verzerrten. Diese Angriffe auf die Freimaurer brannten sich durch ihren Verfolgung durch die Nazis und die Kommunisten des Sowjetblocks in das Gedächtnis der Europäer ein. So ist es nicht überraschend, dass Uneingeweihte, und in manchen Fällen sogar Freimaurer, die tiefe Bedeutung und den besonderen Sinn dieser Bewegung nicht mehr verstehen oder es missdeuten. Die moderne Freimaurerei fordert ihre Mitglieder auf, an sich selbst zu arbeiten und Verantwortung gegenüber der Menschheit zu übernehmen, wie es keine andere Organisation tut. Sie bietet ihren Adepten eine ganz besondere Methode der Einführung und Anleitung. Um aber zu erkennen, ob die Freimaurerei auch im 21. Jahrhundert wirklich noch einen Sinn ergibt, müssen wir das Wesentliche betrachten. Das ist aber nicht, immer wieder die Geschichte mit Ihren berühmten Mitgliedern heranzuziehen, sondern die überaus wertvollen Themen der Freimaurerei nach nunmehr fast 300 Jahren in die kommenden Jahrzehnte zu führen. Wir haben also nicht nur die Aufgabe über den möglichen Sinn und Unsinn einer solchen Thematik nachzudenken und zu diskutieren. Wir müssen bei allem, was wir tun auch unsere Aufgaben in der Gesellschaft, oder zumindest die in unsere Organisationen von der Gesellschaft hineininterpretierten Aufgaben wahrnehmen, sie annehmen 15 bundesblatt_01_16.indd 15 05.02.16 13:05

und im Sinne der allgemeinen Verpflichtungen im Rahmen der Globalisierung auch umsetzen. Wir tragen also auch eine dementsprechende Verantwortung gegenüber der profanen Welt in unserem Tun, der wir nachkommen sollten. Die ganze Welt ist im Aufbruch. Das sind keine Annahmen, das sind Fakten. Informationen verbreiten sich über moderne Technologien in Millisekunden über den ganzen Erdball. Menschen kommunizieren miteinander, die, wenn sie sich überhaupt persönlich kennen, teils tausende von Meilen voneinander entfernt leben. Unsere Kinder sind so aufgewachsen. Unsere Kinder gehen mit dem, was wir neue Technologien oder neue Medien nennen in einer Selbstverständlichkeit um, die es uns nicht erlauben wird, dies nicht auch zu tun oder zumindest uns zu bemühen es zu tun, wenn wir denn aus dieser jungen Generation unsere zukünftigen Mitglieder gewinnen wollen. Und eine Alternative haben wir nicht, denn dies ist die einzige existierende Generation. Die Freimaurerei hat einen festen Platz in der Gesellschaft. Ich würde mit Ihnen allen gerne gemeinsam diesen Platz weiter ausbauen, ihm mehr Bedeutung zukommen lassen und ebenso mehr Ansehen verschaffen. Wir haben den Suchenden unter den Menschen durch unseren Bund sehr viel zu geben, wir müssen uns nur finden lassen und Zugang zu unseren Logen aufzeigen, damit wir den uns gestellten Aufgaben auch gerecht werden können. Im Wandel der Zeit dürfen wir nicht in der Vergangenheit verharren, sondern sollten unseren Platz in der Zukunft suchen und einnehmen. Mit Ruhe und Bedacht sich den Aufgaben der Gegenwart und Zukunft zu stellen auf einem Weg im Kontext der gesellschaftlichen Herausforderungen; Das ist die Aufgabe! Wir alle wissen, was echte Freimaurerei bedeutet und was sie ist. Was ist Freimaurerei? Daheim ist sie Güte Im Geschäft ist sie Ehrenhaftigkeit In Gesellschaft ist sie Höflichkeit In der Arbeit ist sie Anständigkeit Für den Unglücklichen ist sie Mitleid Gegen das Unrecht ist sie Widerstand Für den Schwachen ist sie Hilfe Dem Gesetz gegenüber ist sie Treue Gegen den Unrecht tuenden ist sie vergessen Für den Glücklichen ist sie Mitfreude Vor Gott ist sie Ehrfurcht und Liebe. Von einer festen Basis, mit hohen Werten und mit beiden Füßen auf dem Boden sollten wir den Herausforderungen gewachsen sein. Bei diesem Ausblick will ich es belassen. Die kommenden Wochen und Monate werden zeigen, ob wir den gesetzten Zielen tatsächlich gerecht werden können. Ich ersuche für mich und mein 16 bundesblatt_01_16.indd 16 05.02.16 13:05

Team Ihrer aller Toleranz, Geduld, Verständnis und Nachsicht, wenn wir an der einen oder anderen Stelle die in uns gesetzten Erwartungen doch nicht oder nur zum Teil erfüllen können. Wir tun sicherlich unser Bestes und ich hoffe, es wird in den meisten Fällen ausreichen, denn mehr können wir nicht geben Schon jetzt nehmen Sie bitte meine besten Wünsche und Grüße mit auf Ihren Weg nach Hause. 17 bundesblatt_01_16.indd 17 05.02.16 13:05

Aus den Johannislogen Begrüßung zum Stiftungsfest am 7. Oktober 2015 Br. Günter Primke, JL Zu den drei Seraphim i. Or. Berlin Zum Stiftungsfest der Johannisloge Zu den drei Seraphim heiße ich Sie alle herzlich willkommen. Unsere Zeit ist gekennzeichnet durch ein Stichwort: Flüchtlinge. Wo sind wir? Diese Frage stellte mir ein junger Mann und er erwartete eine Antwort. Also zeige ich ihm auf einem Stadtplan den Ort unseres Gesprächs. Seine Reaktion: keine. Auch die an der Wand befindliche Deutschlandkarte lockt noch keine Reaktion hervor. Die Europakarte ebenfalls nicht. Also der Weg zu einer Weltkarte mit Darstellung der Kontinente. Nun zeigt er mit seinem Finger auf sein Heimatland und erzählt, dass er auf der Flucht vor der bevorstehenden Verhaftung von einem Verwandten an die Landesgrenze gebracht wurde. Von dort ging es zu Fuß oder mit abenteuerlichen Fahrzeugen tage-, wochen-, monatelang bis an eine Küste. Nach langer Zeit gelang es ihm, auf einem Boot einen Platz zu erlangen, das mehrere Tage unterwegs zu einer anderen Küste war. Der dortige Aufenthalt war für ihn anstrengend und er versuchte, wieder weiterzukommen. Ein Bus nahm ihn mit, fuhr lange Zeit durch ein für ihn unbekanntes Land. oder waren es Länder? Er wechselte noch mehrfach die Transportmittel bis er in eine große Stadt kam, dort registriert wurde und für eine ungewisse Zeit Unterkunft nehmen durfte. Wie heißt diese Stadt? Wie das Land? Bei der Nennung seines Heimatlandes und der Hauptstadt wird mir klar, welche Strapazen dieser junge Mann auf sich genommen hat, um seinen Peinigern zu entkommen. Er hat nur einen Wunsch Freiheit. Freiheit vom Joch einer Regierung, die die jungen Männer zwingt, als Kindersoldaten die jetzt Mächtigen zu stützen. Wer hört bei diesen Worten nicht die Worte der Freiheitsglocke im Schöneberger Rathaus: Ich glaube an die Unantastbarkeit und die Würde jedes einzelnen Menschen. Ich glaube, dass allen Menschen von Gott das gleich Recht auf Freiheit gegeben wurde. Ich verspreche, jedem Angriff auf die Freiheit 18 bundesblatt_01_16.indd 18 05.02.16 13:05

und der Tyrannei Widerstand zu leisten, wo auch immer sie auftreten mögen. Es ist dieser Drang nach Freiheit, der diesen jungen Mann aus seiner Heimat bis zu uns kommen ließ. Er weiß nicht, was ihn hier noch erwartet, aber er ist sich im Klaren darüber, dass er hier Freiheit finden kann. Und nicht nur Freiheit von dem Unrecht in seinem entfernten Heimatland, sondern auch Freiheit zum Erlernen eines Berufes oder zum Studieren. Er möchte sein Leben selbst gestalten in dieser, für ihn noch rätselhaften, Gesellschaft, der Wille ist da. Diese Menschen fliehen aus Angst. Sie können unter den jetzigen Zuständen in ihren Heimatländern nicht leben. Flucht hat es schon immer gegeben. Bereits im Alten Testament werden Fluchten geschildert, zumeist im Verlaufe einer kriegerischen Handlung. Uns als Christen ist die Flucht nach Ägypten bekannt, die die Heilige Familie mit dem neugeborenen Jesuskind unternehmen muss, wie sie von Matthäus im 2. Kapitel geschildert wird. Diese Flucht ist auch eine Flucht vor dem sicheren Tod. Und manche von uns Älteren erinnern sich noch an die letzten Kriegsjahre in Deutschland, an Flucht und Vertreibung nach dem letzten Krieg, und sind dankbar für 70 Jahre Frieden. Die Situation der heutigen Flüchtlinge ist zumeist ähnlich. Krieg und Zerstörung im eigenen Land, das ihnen keine Heimat mehr sein kann. Man rettet sich mit dem buchstäblichen nackten Leben. Diese durch die Ereignisse stark traumatisierten Menschen bedürfen unserer Hilfe. Sie wollen ein würdiges Leben leben. Viele werden auch, wenn sich die Situation in ihren Heimatländern bessert, den Weg zurückfinden, dann mit den Erfahrungen aus unserem Land. Es ist an uns, dafür zu sorgen, dass dieses Bild unseres Lebens ein beispielhaftes sein kann. Als Freimaurer haben wir sehr schnell die Worte Humanität und Toleranz auf den Lippen. Nun ist es an uns, diesen Worten Handlungen folgen zu lassen. Diese uns anvertrauten Flüchtlinge können unser ganzes Rechts- und Verwaltungssystem nicht verstehen. Dazu fehlen ihnen die einfachsten Sprach- und Rechtskenntnisse. Sprache ist die Voraussetzung für alles Lernen bei uns. Es hilft nur die persönliche Unterstützung und das Hilfsangebot. Unsere Bruderkette schließt diese Menschen mit ein. Alles andere wären leere Worthülsen. und so sollte es nicht sein. Nur wer Werte weitergibt, kann Werte bewahren. In diesem Sinne wünsche ich uns allen ein gelingendes Maurerjahr. 19 bundesblatt_01_16.indd 19 05.02.16 13:05

Festvortrag anlässlich des 119. Stiftungsfestes am 21. Oktober 2015 Br. Armin Peter, JL Drei Lichter im Felde i.or. Berlin Ich freue mich sehr, dass so viele Brüder aus verschiedenen Logen und Obedienzen heute den Weg zu uns gefunden haben. Unsere Loge Drei Lichter im Felde wurde im Jahr 1896 gestiftet. Damit sind wir noch vergleichsweise jung. Und dennoch sind 119 Jahre eine lange Zeit, vor allem, wenn man bedenkt, dass die Freimaurerei auf deutschem Boden seither zwei Kriege und zwei Diktaturen überstehen musste. Bis heute ist unsere Loge rege besucht, sie wächst und gedeiht auch im 21. Jahrhundert. Damit liegen wir nicht gerade im weltweiten Trend, denn viele Logen sind überaltert und fragen sich händeringend, weshalb nur der Nachwuchs ausbleibt. Selbst in Freimaurerhochburgen wie den USA sind seit einigen Jahrzehnten deutlich sinkende Mitgliedszahlen zu beobachten. Es stellt sich also ganz allgemein die Frage, wie die Freimaurerei ihre Anziehungskraft in der modernen Zeit behalten und potentiellen Suchenden begreiflich machen kann. Die Freimaurerei hat sich insgesamt wenig bis gar nicht an den jeweiligen Zeitgeist angepasst. Ihre Rituale, Sitten und Gebräuche sind im Wesentlichen dieselben geblieben wie vor 100 oder 200 Jahren. Dennoch ist der konstante Wandel der Zeiten nicht spurlos an uns Freimaurern vorübergegangen. Zu Gründungszeiten unserer Loge kommunizierte man per Brief, Telegramm und Fernsprecher. Heute schicken wir in Sekundenbruchteilen Nachrichten über das Internet um die Welt, telefonieren mobil und können jederzeit per Videoanruf mit Freunden, Bekannten und Brüdern auf anderen Kontinenten in Kontakt treten. Dass Logen mittlerweile eine Internetseite haben und sich zum Teil auch in sozialen Netzwerken präsentieren, wäre bis vor ca. 10 Jahren noch undenkbar gewesen. Und doch, es hilft: Viele jüngere Brüder, mich selbst eingeschlossen, haben so ihren Weg in eine Loge gefunden. Zugleich jedoch wirft diese Entwicklung die Frage auf, wie wir Freimaurer unser Verhältnis zur Öffentlichkeit gestalten sollten. Einerseits legen wir großen Wert auf Verschwiegenheit und Geheimhaltung. Andererseits gibt es Logen, die sogar Videoaufnahmen ihrer Tempelarbeiten ins Internet stellen. Einerseits verraten wir keinem unsere geheimen Symbole. Andererseits füllt wissenschaftliche und fiktive Literatur über die Freimaurerei ganze Regale bzw. Server. 20 bundesblatt_01_16.indd 20 05.02.16 13:05

Ganz allgemein gesprochen, handelt es sich bei der Freimaurerei um eine brüderliche Organisation, die es sich zum Ziel gesetzt hat, to make a good man better (einen guten Mann noch besser zu machen). Dies geschieht, indem eine Anzahl moralischer Prinzipien gelehrt werden, die sich in einem klug durchdachten, aber komplexen Geflecht von Symbolen verstecken und Schritt für Schritt erschlossen werden wollen. In zahlreichen Ländern nimmt die Freimaurerei jedoch eine zweite Rolle ein, durch die Logen in der Regel weit größere Aufmerksamkeit erfahren: Die Wohltätigkeit. Durch konkrete Projekte, Spendenaufrufe und Benefizveranstaltungen wird das Konzept der Freimaurerei für viele Bürger greifbar und verständlich. Und etliche Brüder sehen in diesem zivilgesellschaftlichen Engagement ihre Hauptaufgabe, die sie getreulich erfüllen. Dies führt zu einer seltsamen Bipolarität: Während sich die Wissenschaft für den karitativen Aspekt der Freimaurerei interessiert, ihn vor dem historischen Hintergrund der Bruderschaft beleuchtet und sinkende Mitgliederzahlen auf das allgemein nachlassende zivilgesellschaftliche Engagement zurückführt, wird die Aura des Geheimnisvollen und Mysteriösen häufig in einer Art Infotainment ausgeschlachtet. Man denke nur an die Romane von Dan Brown, diverse Filme oder Serien mit Freimaurerbezug oder reißerische Dokumentationen auf Youtube über die Geheimnisse der Freimaurer. Dass diese Sensationsheischerei nicht immer freundlich und oft sogar grob verleumderisch daherkommt, dürfte jeder von Ihnen, meine Brüder, sehr gut wissen. Nicht einmal die tatsächlichen Geheimnisse unserer Bruderschaft sind vor dieser Sensationslust sicher. Schon lange vor dem Aufkommen des Internets wurden die geheimen Handzeichen der Freimaurer der Öffentlichkeit präsentiert. Dem amerikanischen Politikwissenschaftler Robert Putnam zufolge ist das Fernsehen der Katalysator für einen immer stärkeren Trend zu individueller sozialer Isolation. Das klingt erst einmal abstrakt. Aber stellen wir es uns einmal konkret vor. Folgt man Putnams Logik, so kann man zu dem Schluss kommen, dass etliche potentielle Freimaurer zuhause vor dem Bildschirm sitzen und wegen dem Getöse auf den Bildschirmen ihrer Fernseher oder Smartphones gar kein Ohr mehr haben für die leisen Zwischentöne der Welt da draußen. Die öffentliche Diskussion und Abwägung eines jeden Themas wird in einer Demokratie als durchaus gesund angesehen. Putnam zufolge hat der Aufstieg der Massenmedien jedoch zum Entstehen einer ungesunden Republik beigetragen, wie Joshua Gunn schreibt. 21 bundesblatt_01_16.indd 21 05.02.16 13:05

Trotz allen öffentlichen Lärms um die Freimaurer bleibt jedoch die Frage: Warum sind viele Menschen heute weniger motiviert, in Parteien, soziale Gruppen oder eben die Bruderschaft der Freimaurer einzutreten und sich dort zu engagieren? Vielleicht hat dies tatsächlich mehr mit Geheimhaltung und Mysterien zu tun, als wir glauben. Man nimmt gemeinhin an, dass ein Zusammenhang zwischen öffentlicher Debatte und bürgerlichem Engagement besteht. Wenn über ein Thema öffentlich diskutiert wird, kann der Einzelne daraus Informationen gewinnen und sich eine Meinung über Dinge bilden, die sein Leben oder das der Gesellschaft in irgendeiner Weise beeinflussen. Dies wiederum motiviert den Einzelnen dann möglicherweise dazu, sich für ein Ziel zivilgesellschaftlich zu engagieren. Aber was, wenn zivilgesellschaftliches Engagement auch einen Hauch des Geheimnisvollen braucht, um attraktiv zu wirken? Ist es so undenkbar, dass die neuen Möglichkeiten der Öffentlichkeit, die durch Internet und Massenmedien noch verstärkt werden, auch deshalb zu einer Schwächung des zivilgesellschaftlichen Engagements beitragen, weil sie gleichsam zu einer Verpuffung jedes Mysteriums beitragen? Gerade bei den Freimaurern, die vor allem durch ihre jahrhundertelange Verschwiegenheit und Geheimhaltung erfolgreich und anziehend waren, liegt dieser Schluss nicht allzu fern. Das Problem, dass allzu große Öffentlichkeit für eine geschlossene Gesellschaft darstellen kann, ist uns Freimaurern wohlbekannt: Das maurerische Geheimnis schafft ein gemeinsames Band um die Brüder. Und es ist nicht so sehr der isolierende Effekt von neuer Technologie und Massenmedien, sondern vielmehr zu große Öffentlichkeit, die diese Gemeinschaft bedroht. Ein Beispiel: Die Freimaurerei kennt eine Reihe geheimer Rituale, Passwörter und Handzeichen. Obwohl diese explizit dem Grundsatz der Verschwiegenheit und Geheimhaltung unterliegen, kann jeder sie ohne große Mühe mit einer einfachen Google-Suche herausfinden. Was also sollte Freimaurer davon abhalten, selbst auch in aller Öffentlichkeit über diese gar nicht mehr so geheimen Geheimnisse zu sprechen? Dafür gibt es nur einen einzigen Grund: Das Geheimnis selbst ist in der modernen Freimaurerei nichts anderes als ein Symbol, es steht für Treue und Weiterentwicklung des eigenen Geistes. Jeder in diesem Raum hat bei seiner Aufnahme das feierliche Versprechen abgelegt, die Geheimnisse unserer Bruderschaft keinem zu offenbaren. Dabei ist es völlig unerheblich, dass auch Profane unsere Geheimnisse im Internet aufstöbern oder in Bibliotheken nachlesen können. Was zählt ist, dass 22 bundesblatt_01_16.indd 22 05.02.16 13:05

wir gegenüber den Brüdern unser Wort gehalten haben. In anderen Worten, wir Freimaurer behalten Geheimnisse aus Respekt vor der Königlichen Kunst für uns. Diese Reputationsethik wird durch den formalen Vertrag eines zu haltenden Versprechens bekräftigt. Das feierliche Versprechen dient als rhetorisches Mittel des gemeinschaftlichen Bandes, der eigentliche Inhalt des Geheimnisses tritt dabei in den Hintergrund. Ein freier Mann kann dem natürlichen Argwohn anderer gegenüber seiner Person entgegentreten, indem er ein Geheimnis zuverlässig für sich behält. Das freimaurerische Geheimnis hat somit einen direkten Einfluss auf den guten Ruf des freien Mannes. Er ist ein guter Bruder, weil er sein Wort hält; und das zählt mehr als der eigentliche Inhalt des Geheimnisses selbst. Damit soziales Kapital entsteht, muss das Geheimnis als formale Beziehung zwischen Menschen verstanden werden. Das Geheimnis schafft Gemeinsamkeit, es wird für immer respektiert, unabhängig von den Umständen, und schafft sich dadurch eine eigene Öffentlichkeit, die stets nach Neuem aus dieser geschlossenen Gesellschaft giert. Ganz gleich, wie viel davon bereits irgendwo nachzulesen steht. Jürgen Habermas führt die Entstehung des Ideals einer demokratischen, öffentlichen Sphäre auf das Zusammenspiel von Öffentlichkeit und Geheimhaltung zurück. Dieser Strukturwandel der Öffentlichkeit entstand ursprünglich im Privaten. Die Freimaurerlogen, Kaffeehausclubs oder Lesezirkel des 18. Jahrhunderts waren die ersten Vorboten einer demokratischen Öffentlichkeit. Habermas Argumentation folgend bestand also das wichtigste Element der Logen nicht so sehr in der politischen Gleichheit aller Mitglieder, sondern vielmehr in ihrer Exklusivität im Verhältnis zur politischen Sphäre des Absolutismus jenseits der Logentore. Soziale Gleichheit war zunächst nur als Gleichheit außerhalb des existierenden Staates möglich. Die Zusammenkunft von Privatleuten in einem öffentlichen Raum (in anderen Worten: die Republik), wurde demnach im Geheimen vorweggenommen, da diese öffentlichen Räume zunächst hauptsächlich hinter geschlossenen Türen existierten und existieren konnten. Nur geschützt von den Toren des Tempels, gesichert durch Passwörter und Handzeichen, waren ihre Teilnehmer geschützt vor der absolutistischen Justiz oder den Verfolgungen durch die Kirchen. Nur dort war es möglich, frei und offen über Philosophie, Wissenschaft, aber auch Politik oder Religion zu diskutieren. Gerade weil die Bruderschaft ein so entschiedener Befürworter von Republikanismus und Demokratie war und ist, erhält sie auch heute noch das Bekenntnis zu einer 23 bundesblatt_01_16.indd 23 05.02.16 13:05

weitgehenden Trennung von Kirche und Staat aufrecht. Die frühe demokratische Öffentlichkeit, zu der auch unsere Logen zählten, musste sich so lange der Geheimhaltung bedienen, bis sich die Methoden der rationalen Abwägung und des privaten Urteils weithin durchgesetzt hatten. Beide haben im Übrigen auch dazu beigetragen, durch immer offensivere Forderungen nach Transparenz sorgfältig gehütete Staatsgeheimnisse zu enthüllen. Kurz gesagt: Die Idee einer demokratischen Öffentlichkeit begann im Geheimen und wurde durch Geheimnisse erst ermöglicht. Was ist davon heute, im 119. Jahr unserer ehrwürdigen und geliebten Loge Drei Lichter im Felde, übrig geblieben? Haben wir nicht das Ideal einer bürgerlich-aufgeklärten, demokratischen Gesellschaft längst erreicht und uns somit selbst überflüssig gemacht? Auf den ersten Blick wäre man versucht, die letzte Frage uneingeschränkt zu bejahen. Wir alle genießen nie dagewesene politische Rechte und Freiheiten. Keiner muss staatliche Verfolgung fürchten, wenn er öffentlich seine Meinung äußert. Und dennoch: Die Loge ist mittwochs gut gefüllt. Denn wir sind eben mehr als eine Partei, ein Charity-Club oder ein Stammtisch. Auch heute noch hat die Freimaurerei ihren Mitgliedern einiges zu bieten. Die Arbeit an sich selbst, eine stärkere Fokussierung auf das Wesentliche im Leben und der Austausch mit Gleichgesinnten in den sicheren Bahnen festgelegter Rituale sei hier genannt. Die Freimaurerei kann sich als Teil der Informationsgesellschaft den technischen Neuerungen nicht verschließen. Positive Aspekte werden bereits integriert. So sind etwa verbesserte Kommunikationsmöglichkeiten der weltweiten Bruderkette sehr förderlich, und Suchende können das Internet nutzen, um sich über uns zu informieren. Gleichzeitig ist der Bund aber im positiven Wortsinne konservativ. Er bewahrt eine gewisse Exklusivität und Geheimniswahrung. Nur so können unsere Logen, wie schon seit Jahrhunderten, das Auge im Sturm des profanen Lebens bleiben. Maßvolle Kommunikation und gelassene Verschwiegenheit schließen einander nicht aus. Liebe Brüder, ich wünsche uns allen, dass der Freimaurerei dieser Spagat im Kommunikationszeitalter auch weiterhin gelingt. 24 Quellen: Joshua Gunn: Death by Publicity: U.S. Freemasonry and the Public Drama of Secrecy, Rhetoric. Public Affairs Vol. 11, No. 2, 2008, pp. 243-278. Jürgen Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellbundesblatt_01_16.indd 24 05.02.16 13:05