Prozesskette zur Werkzeugauslegung *



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Werkzeug-/Formenbau, Finite-Elemente-Methode (FEM), Kunststoffe Prozesskette zur Werkzeugauslegung * Methode zur simulationsgestützten Auslegung und Optimierung von Werkzeugen mit Temperiersystemen S. Westhäuser, C. Eschey, M. F. Zäh Der Fachartikel stellt eine Methode zur Auslegung von Spritzgießwerkzeugen vor, in der die Vorteile der Spritzgieß-Simulationsprogramme mit denen von CFD-FEM (Computational Fluid Dynamics Finite- Elemente-Methode)-Programmen verbunden Auf diese Weise lassen sich die vielfältigen geometrischen Möglichkeiten in der Gestaltung und Auslegung der Temperiersysteme berücksichtigen, die durch die additiven Fertigungsverfahren in Form von konturnahen Temperierkanälen zur Verfügung gestellt A process chain for tool design A simulation-based method for design and optimization of tools, integrating temperature control systems In this paper, a method is presented, combining the advantages of injection moulding simulation programs and CFD-FEM-programs for constructing injection moulds. By this means, the almost unlimited geometric possibilities with regard to the configuration and design of the temperature control system, that are provided using additive manufacturing processes, can be fully taken into account. 1 Einleitung und Überblick Die Auslegung von Temperiersystemen in Spritzgießwerkzeugen erfolgt bis heute überwiegend mithilfe von analy - tischen Abschätzungen und beruht auf den Erfahrungswerten des jeweiligen Konstrukteurs. Da ideale Formfüllgrade der Kavitäten eine bauteilspezifische Anordnung der Temperierung bedingen, nimmt die Komplexität der Temperiersysteme kontinuierlich zu und macht damit oftmals zeit- und kostenaufwendige iterative Werkzeuganpassungen notwendig. Durch die Verwendung von konturnahen Temperiersystemen Dipl.-Ing. Sebastian Westhäuser M.Sc. Christian Eschey Prof. Dr.-Ing. Michael F. Zäh iwb Anwenderzentrum Augsburg Institut für Werkzeug - maschinen und Betriebswissenschaften TU München Beim Glaspalast 5, D-86153 Augsburg Tel. +49 (0)821 / 568-8344, Fax +49 (0)821 / 568-8350 E-Mail: sebastian.westhaeuser@iwb.tum.de oder christian.eschey@iwb.tum.de Internet: www.iwb-augsburg.de Dank Der präsentierte Ansatz wurde im Rahmen des Forschungs - projekts Prozesskette zur simulationsgestützten Auslegung von Werkzeugen mit konturangepassten Temperiersystemen (ProTEMP) entwickelt. Ein besonderer Dank geht an den Förderer dieses Projekts, die Bayerische Forschungsstiftung. Info * Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen wissenschaftlich begutachteten und freigegebenen Fachaufsatz ( Peer-Review ). lässt sich beispielsweise die Zykluszeit signifikant reduzieren und die Bauteilqualität hinsichtlich Verzug und Oberflächen verbessern [1]. Um die Herstellung von temperaturgeregelten Werkzeugen mit konturnahen Temperiersystemen wirtschaftlich gestalten zu können, ist eine virtuelle Auslegung des Werkzeuges unter Berücksichtigung des gesamten Spritzgießprozesses not - wendig. 2 Stand der Technik zur Werkzeugauslegung Im Bereich der simulationsgestützten Auslegung von Temperiersystemen für Spritzgießformeinsätze gibt es eine Reihe von Vorarbeiten, die Ihre Schwerpunkte auf verschiedene Bereiche der Simulation legen. Dimla, Camilotto und Miani beschäftigen sich mit der Ermittlung des optimalen und effizienten Temperierkanaldesigns [2]. Hierbei liegt der Schwerpunkt auf der Bestimmung der optimalen Anguss- und Kanalposition mithilfe der heuristischen Methode trial and error. Park und Pham entwickeln in ihrer Arbeit eine Methode zur gleichmäßigen Kühlung der gesamten Kavitätsoberfläche [3]. Sie fokussieren sich auf die Optimierung der Kühlkonfigura - tion für einzelne Subsysteme und vergleichen verschiedene Temperiersystemtypen. Ziel der Arbeit von Rännar ist es, die Anwendbarkeit von Optimierungsmethoden für die Spritzgießsimulation zu untersuchen [4]. Er vergleicht verschie - dene Temperiersystemkonzepte und ermittelt signifikante Prozessparameter mit Einfluss auf die Maßhaltigkeit. Die Ansätze und Untersuchungen weisen jedoch eine Reihe von Defiziten und Unzulänglichkeiten auf. So wird in keiner der bekannten Arbeiten eine durchgängige Betrachtung hinsichtlich Strömungsmechanik, Thermodynamik und Strukturmechanik durchgeführt. Der überwiegende Teil der Untersuchungen bezieht sich auf die Optimierung von konven - tionellen, also gebohrten Temperiersystemen. Die geome - trische Gestaltungsfreiheit, die sich durch den Einsatz der additiven Fertigungsverfahren ergibt, wird durch keinen der obigen Ansätze ausgenutzt. Außerdem erfolgt die thermische Auslegung des Spritzgießformeinsatzes in allen Arbeiten unter vereinfachter Berücksichtigung des Temperiermediums. Diese oben aufgeführten Defizite liegen hauptsächlich darin begründet, dass die Untersuchungen mit derzeit auf dem Markt verfügbaren Spritzgieß-Simulationsprogrammen durchgeführt worden sind. Bei diesen Programmen liegt der Fokus auf der Abbildung des eigentlichen Spritzgießprozesses, also der numerischen Beschreibung des Einspritzvorganges der plastifizierten Formmasse in die Kavität. Hierbei spielt die sogenannte Schmelzerheologie eine wesentliche Rolle. Mithilfe von geeigneten Materialgesetzen wird versucht, die stark scherdominierte Strömung der Kunststoffmasse zu modellieren. Das Werkzeug wird in diesen Betrachtungen jedoch nur sehr vereinfacht berücksichtigt. Der Wärmeübergang von der plastifizierten Formmasse auf die Kavität wird beispielsweise überwiegend mittels manuell gesetzter Wärmeüber- Copyright Springer-VDI-Verlag GmbH & Co. KG, Düsseldorf wt Werkstattstechnik online Jahrgang 101 (2011) H. 11/12 719

Bild 1. Modulbasierte Prozesskette für die Spritzgießwerkzeugauslegung gangskoeffizienten definiert. Eine Berechnung dieser Größen wird in den meisten Fällen nicht vorgenommen. Des Weiteren erfolgt weder für konventionelle noch für konturnahe Temperiersysteme eine Berechnung der Wärmeübergangskoeffizienten von dem Temperiermedium in das Werkzeug, da die Spritzgieß-Simulationsprogramme bislang keine Strömungsanalyse des Temperiermediums durchführen. Wie im Fall des Wärme - überganges zwischen der Formmasse und des Werkzeuges werden auch hier die Größen basierend auf Erfahrungswerten gesetzt. Dies kann insbesondere bei der Auslegung von komplexen, stark verzweigten, konturnahen Temperiersystemen, welche eine hohe turbulente Strömung besitzen, zu großen Berechnungsfehlern führen, da die Wärmeübergangskoeffi - zienten eine starke Abhängigkeit von der jeweiligen Strömungsgeschwindigkeit des Mediums im Kanal aufweisen. Aufgrund der fehlenden Strömungssimulation von am Markt befindlichen Spritzgießprogrammen können derzeit keine Aussagen zu den Strömungsbedingungen, beispielsweise Druck verlusten, im Kanal getroffen Entscheidend für eine gute Temperierwirkung ist die Anordnung der Temperierkanäle nahe der Werkzeugoberfläche, was durch die Anwendung von additiven Fertigungsverfahren ermöglicht werden kann. Eine Überprüfung der sich dabei einstellenden mechanischen Festigkeit des Werkzeuges durch eine Berechnung der auftretenden Werkzeugspannungen aufgrund des Einspritzdruckes sowie des Druckes im Temperierkanal kann mithilfe von Spritzgießprogrammen bislang jedoch nicht durchgeführt Daher beruht die strukturmechanische Auslegung des Werkzeuges auf empirischen Untersuchungen, wie sie beispielsweise in Kazmer [5] zu finden sind. Die Wechselwirkungen zwischen mechanischer und thermischer Auslegung des Werkzeuges können damit bisher numerisch nicht durchgängig abgebildet und berücksichtigt 3 Modulbasierte Prozesskette für die Spritzgießwerkzeugauslegung Um den in Kapitel 2 dargestellten Herausforderungen zu begegnen, wird eine Methode gewählt, welche die Vorteile und Stärken verschiedener Simulationsprogramme miteinander kombiniert und auf diese Weise eine detailliertere Auslegung und Optimierung von Werkzeugen mit konturangepassten Temperiersystemen ermöglicht. Hierzu werden Simulationsdaten von einem Spritzgieß-Simulationsprogramm in ein CFD-FEM-Programm transferiert. Die gesamte modul - basierte Prozesskette für die Werkzeugauslegung ist in Bild 1 dargestellt. Sie untergliedert sich in sieben einzelne Modulbausteine, welche im Folgenden näher erläutert Im ersten Modul werden Eingabeparameter mit dem Ziel definiert, Parameterfenster für die statistische Planung der Simulationsläufe festzulegen. Des Weiteren ist es notwendig, die Wertebereiche der einzelnen Variablen sowie die Schrittweite, mit welcher diese Variablen variiert werden, zu definieren. Mögliche Parameter für die Spritzgießsimulation stellen Größen wie die Kühlzeit, Schmelzetemperatur und Kavitätsrandtemperatur dar. Auf Seite der CFD-FEM-Simulation kann zwischen Parametern, welche die Kanalgeometrie beschreiben (Länge und Durchmesser, Position der Kanäle im Raum) und denjenigen, welche die Strömungsbedingungen abbilden (Durchfluss, Druck, Temperatur), unterschieden Das zweite Modul enthält die statistische Planung der Simulationsläufe und dient dazu, eine Simulationsdatenbasis zu erschaffen. Mithilfe einer Sensitivitätsanalyse werden Para meter mit signifikantem Einfluss auf die Zielgrößen ermittelt. Darüber hinaus ist es durch diese Analysen möglich, den Wertebereich zu reduzieren, in welchem die Parameter variiert Dadurch wird der Aufwand bei der späteren Optimierung stark verringert. Das dritte Modul umfasst die Simulation des Bauteils. Hier werden die zur Simulation notwendigen CAD-Ausgangsdaten zur Verfügung gestellt und die zuvor definierten veränder - lichen Parameter berücksichtigt. Das Modul dient dazu, beispielsweise den Verzug und die Schwindung des Bauteils zu berechnen und eine Füllphasenanalyse durchzuführen. Durch das vierte Modul werden die Bauteileigenschaften optimiert. Bei dieser Optimierung stehen die mechanischen und optischen Eigenschaften des Bauteils, beziehungsweise des Artikels, im Fokus. Das Werkzeug selbst wird nur durch das Aufbringen von Randbedingungen in der Simulation berücksichtigt. Das Ziel dieser Optimierung ist es, die Prozesspara - meter zu ermitteln, welche eine gleichmäßige Temperaturverteilung im Bauteil bewirken, da sich hierdurch nachweislich Bauteileigenschaften wie Verzug und Oberflächenqualität verbessern. Damit sollten Bauteilbereiche mit gleichem Abstand zum Werkzeug gleiche Temperaturen besitzen. Eine entscheidende Rolle spielt hierbei die Kavitätsrandtemperatur (siehe Bild 2), welche unter anderem eine variable Größe im Optimierungsprozess darstellt. Die Erfahrungswerte bezüglich der Wertebereiche der einzelnen Parameter aus der statistischen Versuchsplanung werden an dieser Stelle verwendet. Im fünften Modul werden die in der Spritzgießsimulation optimierten, instationären Profile hinsichtlich Temperatur, 720 wt Werkstattstechnik online Jahrgang 101 (2011) H. 11/12 Copyright Springer-VDI-Verlag GmbH & Co. KG, Düsseldorf

Bild 2. Transfer von optimierten Spritzgießparametern in die Werkzeugsimulation Wärmestrom und Druck in das Simulationsmodul für das Werkzeug (Modul 6) transferiert und dort als Randbedingungen für die CFD-FEM-Simulation aufgebracht. Das bedeutet, dass in der Werkzeugsimulation das Bauteil nur über die transferierten Randbedingungen aus der zuvor durchgeführten Spritzgießsimulation Berücksichtigung findet. Der Fokus liegt in diesem Modul auf der fluidmechanischen Analyse des Temperiersystems sowie der Berechnung des sich daraus einstellenden Temperaturfeldes im Werkzeug. Das Temperiersystem - design wird durch eine Spannungs- und Dehnungsanalyse des Werkzeuges abgesichert, um auf diese Weise etwaige Festigkeitsprobleme des Formeinsatzes aufzeigen zu können. Für die Optimierung des Temperierkanalsystems muss dieses als parametrisierte Geometrie vorliegen und die veränderlichen Parameter, welche im ersten Modul definiert worden sind, berücksichtigen. Weiterhin macht die Komplexität der Temperiersysteme eine effiziente Anwendung von Optimierungsstrategien nur möglich, wenn Reduktionsstrategien für die Kanäle verwendet und diese mithilfe von Ersatzmodellen abgebildet Im siebten Modul wird das Werkzeug beziehungsweise das Temperiersystem optimiert. Hierbei wird das Ziel verfolgt, die optimalen Kanalgeometrien und Strömungsparameter unter Berücksichtigung der aus der Spritzgießsimulation übergebenen instationären Profile zu ermitteln. Auch hier findet das aus der statistischen Planung der Simulationsläufe erhaltene Wissen über die Parametergrenzen Anwendung. Ein Abgleich der durch die modulbasierte Prozesskette für die Werkzeugauslegung erzielten Ergebnisse erfolgt mit realen Benchmarkgeometrien. Bild 3. Musterwerkzeug des Forschungsprojekts ProTEMP der Auswerferseite (links) und der Düsenseite (rechts) Copyright Springer-VDI-Verlag GmbH & Co. KG, Düsseldorf wt Werkstattstechnik online Jahrgang 101 (2011) H. 11/12 721

Bild 4. Links: konventionelles Temperiersystem der Auswerferseite, Mitte: konturnahes Temperiersystem der Auswerferseite, rechts: konventionelles Temperiersystem der Düsenseite 4 Ergebnisse Um einen Abgleich zwischen den Simulationsergebnissen und den experimentell ermittelten Messwerten zu ermög - lichen, wurde ein Musterwerkzeug konstruiert und aufgebaut. Dieses Musterwerkzeug (siehe Bild 3) basiert auf einem Kennzeichenträger, welcher so modifiziert wurde, dass er weitere durch das Spritzgießen schwer abzubildende Geo - metriemerkmale aufweist, beispielsweise Pyramiden, Kegel, Rippen unterschiedlicher Dicke, Schraubdome oder Hauptwanddicken-Änderungen. Darüber hinaus wurde der Formeinsatz für die Auswerferseite sowohl mit konventionellen, also gebohrten Kanälen, als auch mit konturnahen Temperiersystemen aufgebaut, um so die Temperierwirkung beider Varianten vergleichen zu können. Die konturnahen Temperierkanäle wurden mithilfe des additiven Fertigungsverfahrens Strahlschmelzen ( Laser - Cusing ) realisiert. Der Formeinsatz der Düsenseite wurde ausschließlich mit einem konventionellen Temperiersystem hergestellt. In Bild 4 ist links das Temperiersystem des Formeinsatzes der Auswerferseite zu sehen, welches konventionell gefertigt wurde. Das mittlere Bild zeigt den Verlauf des Kanalsystems, welches additiv hergestellt wurde. Rechts ist der Formeinsatz der Düsenseite dargestellt, welcher aufgrund der ebenen Oberfläche ausschließlich mit einem konventionell herge - stellten Kanalsystem ausgestattet worden ist. Die Formeinsätze sind mit entsprechenden Bohrungen für den Einbau von Messsensorik versehen. Die Temperatursensoren sind auf der Auswerferseite in unterschiedlichen Ab - ständen zur Kavität und im Fall der Düsenseite in unterschiedlichen Abständen zur Längsachse angeordnet, um so einen möglichst großen Messbereich abdecken zu können. Um eine erste Validierung der für die Werkzeugsimulation eingesetzten Modellierungs- und Simulationsmethodik mithilfe realer Messwerte durchzuführen, wurden das Aufheizund das Abkühlverhalten der Formeinsätze untersucht. Dazu wurden diese mit ungefähr 75 C warmem sowie mit ungefähr 10 C kaltem Wasser für jeweils 15 Minuten durchströmt. Das Bild 5. Beispielhafter Abgleich der Simulationswerte durch reale Messwerte mittels Thermografie 722 wt Werkstattstechnik online Jahrgang 101 (2011) H. 11/12 Copyright Springer-VDI-Verlag GmbH & Co. KG, Düsseldorf

sich zeitlich ändernde Temperaturprofil der Kavität wurde mithilfe einer Thermografiekamera über den gesamten Zeitraum erfasst. Zusätzlich wurden Temperaturwerte mittels der in die Formeinsätze eingebrachten Thermoelemente dokumentiert. Zur virtuellen Abbildung des Aufheiz- und Abkühlvor - ganges wurde eine thermische Simulation der Formeinsätze durchgeführt. Dabei wurde die Strömung der Temperiersysteme mithilfe einer CFD-Simulation abgebildet. Auf diese Weise ist es möglich, die Temperaturverteilung im Werkzeug sowie die Druckverteilung auf die Temperierkanalwände zu berechnen. Die Eingangswerte für die Simulation, beispielsweise Durchfluss oder Temperatur des Temperiermediums, sind in den realen Versuchen ermittelt worden. In Bild 5 ist am Beispiel des konventionellen Formeinsatzes der Auswerferseite an derselben Stelle der Temperatur - verlauf der realen Messwerte den simulierten Ergebnissen gegenübergestellt. Es ist erkennbar, dass die beiden Kurven eine sehr hohe Übereinstimmung aufweisen. 5 Fazit Durch die Anwendung einer modulbasierten Prozesskette sowie die Aufteilung in Spritzgieß- und Werkzeugsimulation zur simulationsgestützten Auslegung von Spritzgießwerkzeugen sollen Unzulänglichkeiten von derzeit am Markt verfügbaren Spritzgieß-Simulationsprogrammen erheblich reduziert Die entwickelte Methodik sieht ein zweistufiges Vorgehen für die Werkzeugauslegung vor. Im ersten Schritt wird der eigentliche Spritzgießprozess optimiert. Durch den anschließenden Transfer von Kavitätsrandwerten (Temperatur, Druck und Wärmestrom) werden die zur Werkzeugauslegung benötigten Randbedingungen der Werkzeugsimulation zur Verfügung gestellt. Mithilfe von Optimierungsverfahren wird das Temperiersystem so ausgelegt, dass es die für den optimierten Spritzgießprozess notwendigen Eigenschaften des Werkzeuges in den physikalisch möglichen Grenzen gewährleisten kann. Ein Abgleich mit realen Messwerten hat bereits erfolgreich gezeigt, dass die zur Werkzeugauslegung verwendeten Modellierungs- und Simulationsmethoden in der Lage sind, sowohl das thermische als auch das strömungsmechanische Verhalten der Musterwerkzeug-Formeinsätze und ihrer Temperiersysteme abzubilden. Im Fokus der weiteren Arbeiten steht die Generierung einer Schnittstelle zum Transfer der Kavitätsrandbedingungen aus der Spritzgieß- in die Werkzeugsimulation. Überdies werden bereits Untersuchungen durchgeführt, welche sich mit der Anwendung von Optimierungsalgorithmen für beide Simulationsbereiche beschäftigen.? Literatur [1] Menges, G.; Michaeli, W.; Mohren, P.: Spritzgießwerkzeuge Auslegung, Bau, Anwendung. 6. Auflage. München: Carl-Hanser- Verlag 2007 [2] Dimla, D. E.; Camilotto, M.; Miani, F.: Design and optimization of conformal cooling channels in injection moulding tools. Journal of Materials Processing Technology 164-165 (2005), pp. 1294-1300 [3] Park, H. S.; Pham, N. H.: Design of Conformal Cooling Channels for an Automotive Part. International Journal of Automotive Technology 10 (2009) No. 1, pp. 87-93, Berlin, Springer-Verlag. University of Ulsan, Korea, 2008 [4] Rännar, L.-E.: On Optimization of Injection Molding Cooling. Dissertation, Norwegian University of Science and Technology, Trondheim, 2008 [5] Kazmer, D. O.: Injection mold design engineering. München: Carl-Hanser-Verlag 2007 Copyright Springer-VDI-Verlag GmbH & Co. KG, Düsseldorf wt Werkstattstechnik online Jahrgang 101 (2011) H. 11/12 723