Info dezember 2014 www.bdo.ch recht rationell interessant administriert xxxxx die Überentschädigungsfalle (3. Teil) Warum Arbeitgeber oft freiwillig zu viel lohn bezahlen Die korrekte Lohnfortzahlung bei unverschuldeter Verhinderung an der Arbeitsleistung ist im Personal- und Lohnwesen eine der schwierigen Herausforderungen. Gesetzliche Vorschriften im Bereich der Lohnfortzahlung sowie in Bezug auf die Sozialversicherungen müssen koordiniert werden. Nicht selten werden zu hohe Lohn(fort)zahlungen ausgerichtet. Es ist gängige Praxis in der Schweiz, bei Krankheit oder Unfall eine Lohnfortzahlung von 100 % des vereinbarten es auszurichten. Der gewohnte Lohn wird während Wochen oder allenfalls Monaten weiter ausgerichtet. Bei Taggeld-Auszahlungen durch die Versicherer erhöht sich je nachdem der ausbezahlte. Der Arbeitnehmende verdient dann also netto plötzlich mehr, als wenn er gearbeitet hätte. Das war früher anders. Rückblick auf frühere Zeiten Die heutige Situation lässt sich nur im zeitlichen Zusammenhang verstehen. Zur Zeit der industriellen Revolution wurde ein verunfallter Arbeiter fristlos und ohne Versicherungsleistungen entlassen, da der Fabrikherr nur gesunde Arbeiter brauchen konnte. 1912 genehmigt das Volk das Kranken- und Unfallversicherungsgesetz (KUVG). 1918 nimmt die SUVA, die erste Schweizer Sozialversicherung, ihren Betrieb auf. Die AHV folgte 1948. Die obligatorische Pensionskasse wurde im Rahmen des Dreisäulenkonzepts 1985 eingeführt. Die Mutterschaftsversicherung gibt es seit 2005. Eine gesetzliche Pflicht zum Abschluss einer Krankentaggeldversicherung gibt es zwar bis heute nicht, diese Versicherung wird jedoch freiwillig von fast allen Arbeitgebern abgeschlossen. und heute Bei diesen sukzessiven Ausbauten während der letzten hundert Jahren wurde jede Sozialversicherung isoliert betrachtet, eine Gesamtsicht fehlte. Nur dadurch ist die mangelhafte Koordination zu verstehen, welche wir heute sehen. Kommt dazu, dass die genaue Zusammensetzung der ausgerichteten Versicherungsleistungen oft nicht bekannt ist. Sichtbar ist jeweils nur der Gesamtbetrag des Taggelds. Heute wird der Arbeitsausfall durch Unfall oder Krankheit in den meisten Fällen vollumfänglich von den Sozialversicherungen und vom Arbeitgeber getragen. Mehr noch: In den meisten Fällen ergeben sich Überentschädigungen zu Gunsten des Arbeitnehmenden. Eine Überentschädigung entsteht, wenn der von Kranken oder Verunfallten ansteigt. Dies war sicher nicht die Absicht des Gesetzgebers und es erscheint auch nicht sachgerecht. Oft müssen die Arbeitskollegen oder kolleginnen während der krankheits- oder unfallbedingten Absenz Mehrarbeit leisten, um die Aufgaben erfüllen zu können. Diese Kollegen erhalten den normalen Lohn, während der Kranke oder Verunfallte je nachdem einen höheren erhält. Diese Überentschädigungen sind jedoch in der Regel weder für den Arbeitgeber noch für den Arbeitnehmenden ohne weiteres sichtbar. Warum das so ist, lässt sich am besten anhand eines Beispiels aufzeigen.
2 Beispiel Heinz Lustenberger Heinz Lustenberger erleidet am 28. Februar 2014 einen Unfall. Vom 1. März bis 31. August 2014 kann er nicht arbeiten. Er hat zwei schulpflichtige Kinder und einen Geschäftswagen mit einem Kaufpreis von CHF 42 000. Obwohl im Arbeitsvertrag nur eine Lohnfortzahlung gemäss Obligationenrecht aufgeführt ist, bezahlt der Arbeitgeber während der ganzen Unfallzeit den vollen Lohn weiter. Die Lohnbuchhalterin erfasst die Versicherungsleistung resp. die Unfalltaggelder korrekt in der Lohnabrechnung. Die Lohnmeldung an die SUVA erfolgte zudem vollständig, was in der Praxis oft auch nicht der Fall ist. Häufig gehen Privatanteile für Geschäftswagen, Kinderzulagen, 13. Monatslohn usw. vergessen. Anhand dieses alltäglichen Beispiels zeigen wir die systematische Überentschädigung auf. Dazu stellen wir drei Lohnabrechnungen dar: Der Lohn vor dem Unfall und der Lohn während der ersten drei Monate nach dem Unfall und den darauf folgenden drei Monaten. Als kleine Vereinfachung stellen wir die beiden Karenztage (1. und 2. März 2014) nicht separat dar. Lohnabrechnung Herr Lustenberger vom Februar 2014 (vor dem Umfall) vom Februar 2014 100 % 8'000.00 AHV-Abzug (Basis = CHF 8 336) 5,15 % - 429.30 ALV-Abzug (Basis = CHF 8 336) 1,1 % -91.70 NBUV-Abzug (Basis = CHF 8 336) 1,21 % -100.85 Krankentaggeldversicherung (Basis = CHF 8 336) 1,45 % -120.85 Pensionskasse fix -612.00 Lohnabrechnung Herr Lustenberger vom April 2014 (nach dem Umfall) vom April 20141 100 % 8'000.00 SUVA Taggeld April 20142 7'522.15 Ausgleich SUVA Taggeld April 20143-7'522.15 AHV-Abzug (Basis = CHF 813.85)4 5,15 % - 41.90 ALV-Abzug (Basis = CHF 813.85) 1,1 % -8.95 NBUV-Abzug (Basis = CHF 813.85) 1,21 % -9.85 Krankentaggeldversicherung (Basis = CHF 813.85) 1,45 % -11.80 Pensionskasse fix -612.00 Bemerkungen 1 Der Arbeitgeber bezahlt weiterhin den vollen Lohn während der unfallbedingten Abwesenheit des Mitarbeitenden. bisher 7'715.50 2 Das SUVA-Taggeld umfasst den Monatslohn, den anteiligen 13. Monatslohn, die Kinderzulagen und den Privatanteil Auto. Davon wird 80 % ausbezahlt (80 % von CHF 8 000, CHF 666.65, CHF 400 und CHF 336 = CHF 7 522.15). Die Definition des UVG-Taggeldes findet sich in der entsprechenden Verordnung, Art. 22 UVV. 3 Da der Arbeitgeber den Lohn von CHF 8 000 weiterhin ausbezahlt, wird das Taggeld zur Senkung der Sozialversicherungsbasen eingebucht. Das Taggeld steht dem Arbeitgeber zu. 4 Die SUVA-Taggelder sind von den Sozialversicherungen, mit Ausnahme der Pensionskasse, befreit. Der Privatanteil für den Geschäftswagen unterliegt jedoch den Sozialversicherungen CHF 8000 + CHF 336 CHF 7 522.15 = CHF 813.85).
3 Der Arbeitgeber hat, wie das in der Schweiz üblich ist, eine Prämienbefreiung ab dem 90. Tag mit der Pensionskasse vereinbart. Die Lohnabrechnungen für die Monate Juni bis August 2014 sehen deshalb anders aus. Lohnabrechnung Herr Lustenberger vom Juni bis August 2014 100 % 8'000.00 SUVA Taggeld 7'522.15 Ausgleich SUVA Taggeld -7'522.15 AHV-Abzug (Basis = CHF 813.85) 5,15 % - 41.90 ALV-Abzug (Basis = CHF 813.85) 1,1 % -8.95 NBUV-Abzug (Basis = CHF 813.85) 1,21 % -9.85 Krankentaggeldversicherung (Basis = CHF 813.85) 1,45 % -11.80 8'327.50 bisher Berechnung der Überentschädigung von Herrn Lustenberger Bezeichnung CHF Überentschädigung März bis Mai (3 x CHF 670.23) 2 010.69 Überentschädigung Juni bis August (3 x CHF 1 282.23) 3 846.69 Totalbetrag zu viel bezahlter 5 857.38 Die Überentschädigung macht einen wesentlichen Betrag aus. Deklaration des korrekten Lohnes im Unfall- oder Krankheitsfall Die richtige und vollständige Deklaration der prämienpflichtigen Lohnbestandteile wird von der AHV und der Unfallversicherung regelmässig überprüft. Die korrekte bzw. vollständige Deklaration der Löhne im Rahmen einer Taggeld-Anmeldung von Verunfallten wird jedoch kaum überprüft. Nur bei korrekter Lohndeklaration können die richtigen Taggelder von der Versicherung berechnet und ausbezahlt werden. Bei der Krankentaggeldversicherung gibt es unterschiedliche vertragliche Vereinbarungen. Es ist insbesondere darauf zu achten, dass alle versicherten Lohnbestandteile im Krankheitsfall auch deklariert werden. Bei der Unfallversicherung ist klar geregelt, dass auch der Naturallohn und die Kinderzulagen bei der Anmeldung eines Unfalls zu deklarieren sind. Zum Naturallohn gehört auch der Privatanteil für den zur Verfügung gestellten Geschäftswagen. Das ist bis zu einem gewissen Grad auch sachgerecht, unterliegen diese Privatanteile nach Art. 5 Abs. 2 AHVG als Naturallohn auch der AHV-Beitragspflicht und fliessen somit auch in die Lohnbasis der Unfallversicherung mit ein.
4 Zwei mögliche Lösungen Begrenzung der Lohnfortzahlung auf den üblichen Falls bei Krankheit oder Unfall 100 % des Lohnes bezahlt werden müssen (Gesamtarbeitsvertrag) oder freiwillig bezahlt werden gemäss Einzelarbeitsvertrag, ist die Begrenzung der Lohnzahlung auf den üblichen zu empfehlen. Die Lohnkappung wird heute von einem grossen Teil der Arbeitgeber durchgeführt, welche die Überentschädigung erkannt haben und diese als stossend empfinden. In der Regel erfolgt die Kappung des es ohne arbeitsvertragliche Basis. In diesem Falle bewegt sich der Arbeitgeber in einer heiklen Grauzone, denn im Arbeitsvertrag vereinbart ist der und nicht der. Eine Kappung bedeutet immer eine Reduktion des vertraglich vereinbarten s und ist somit im Grundsatz nicht zulässig. Gesetzliche Grundlagen oder eine Rechtsprechung zu diesem Thema gibt es bis heute nicht. Wir haben die Lohnkappung resp. den ausgleich im BDO Newsletter vom März 2011 im Detail beschrieben: Link: BDO Newsletter vom März 2011: Lohnrückvergütungen Mögliche vertragliche Vereinbarung im Arbeitsvertrag Die Lohnfortzahlung der Muster AG ist in jedem Falle betraglich so begrenzt, dass betroffenen Mitarbeitenden unter Berücksichtigung von Versicherungsleistungen, Beitragsbefreiungen und anderer Zuwendungen kein höherer ausbezahlt wird, als dies bei der Erbringung der vertraglich vereinbarten Arbeitsleistung der Fall wäre. Lohnfortzahlung von 80 % während einer beschränkten Zeit Die Lohnfortzahlung von 80 % ist die Lösung, welche der Gesetzgeber im Grundsatz vorsieht. Auf diese Lösung sind auch die Versicherungsleistungen ausgelegt. Bei einer Lohnfortzahlung von 80 % - ohne freiwillige Erhöhung auf 100 % durch den Arbeitgeber - gibt es keine Überentschädigungen. Bei Ausrichtung der Taggelder darf die anteilige Kürzung des 13. Monatslohns Ende Jahr nicht vergessen werden, da diese in den Taggeldern enthalten ist. Fazit Die Unfallversicherung ist gesetzlich geregelt und somit nicht disponibel. Die Leistungen der Krankentaggeldversicherung sollten auf den wirklichen Bedarf zugeschnitten werden. Die Frage z.b. ob variable Lohnbestandteile oder der Privatanteil Auto mitversichert werden soll, ist zu klären. Die Lohnmeldungen für die Taggeldberechnungen im Versicherungsfall müssen den prämienpflichtigen Lohnbestandteilen entsprechen. Wichtig erscheint uns, in Kenntnis der Fakten zu entscheiden, wie die Lohnfortzahlungen ausgerichtet werden sollen. Neben der Null-Lösung (alles so lassen wie es ist) stehen vor allem die Lohnkappung bei einer Lohnfortzahlung von 100 % oder die gesetzlich vorgesehene Lohnfortzahlung von 80 % zur Diskussion. Die Lohnkappung bei Lohnfortzahlung von 100 % sollte mit einer vertraglichen Lösung abgesichert werden. Bei jedem Krankheitsoder Unfallereignis ist zu berechnen, wann die gesetzliche bzw. vertragliche Lohnfortzahlung endet, damit nicht unwissentlich nicht geschuldete Löhne ausbezahlt werden.
5 Die Lohnfortzahlung von 80 % beinhaltet eine, wenn auch in Wirklichkeit sehr geringe, Beteiligung des Mitarbeitenden am Arbeitsausfall. Zu beachten gilt, dass die Lohnkürzung von 100 % auf 80 % durch geringere Sozialabgaben und durch Wegfall von Berufsauslagen zum grössten Teil kompensiert wird. Diese Lösung beinhaltet somit eine gewisse Lastenteilung zwischen den Sozialpartnern. Autor Co-Autoren Hanspeter Baumann, dipl. Treuhandexperte, Partner, BDO AG, Liestal Tel: 061 927 87 05, E-Mail: hanspeter.baumann@bdo.ch Marc Schaffner, lic. iur., Abteilungsleiter Recht, BDO AG, Aarau, Tel: 062 834 91 91, E-Mail: marc.schaffner@bdo.ch Rafael Lötscher, Sozialversicherungs-Fachmann mit eidg. Fachausweis, BDO AG, Zug, Tel: 041 757 50 00, E-Mail: rafael.loetscher@bdo.ch Haben Sie Fragen? Für Fragen oder bei Unklarheiten kontaktieren Sie bitte Ihren Kundenpartner oder eine unserer 32 Niederlassungen in Ihrer Nähe. http://www.bdo.ch/de/meta/standorte/ oder Tel. 0800 825 000 Hinweis Diese Publikation will einen Überblick vermitteln; sie enthält Informationen allgemeiner Art und kann eine individuelle Abklärung nicht ersetzen. Für den Inhalt wird keine Haftung übernommen. Es ist zu beachten, dass überlagernde Vorschriften bestehen können. Bei einer Verknüpfung mit einem früher erschienenen Newsletter ist die Rechtsentwicklung seit dem Erscheinen zu berücksichtigen. Copyright Ein Abdruck dieses Artikels (auch auszugsweise) ist nur mit schriftlicher Zustimmung von BDO und mit Quellenangabe gestattet. Bitte senden Sie uns ein Belegexemplar zu. Ansprechperson: Heidi Fundinger Tel: 044 444 35 09 E-Mail: heidi.fundinger@bdo.ch