Depressionsspezifische Kosten und deren Einflussfaktoren auf der Basis von GKV-Routinedaten K. Kleine-Budde 1, R. Müller 1, J. Moock 1, A. Bramesfeld 2, W. Rössler 3 1 Kompetenztandem Vernetzte Versorgung, Innovations-Inkubator Lüneburg, Leuphana Universität Lüneburg 2 Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung 3 Psychiatrische Universitätsklinik Zürich, Klinik für Soziale Psychiatrie Essen, 12.09.2012
Einleitung und Fragestellungen Einleitung Psychische Erkrankungen im Allgemeinen nehmen an Bedeutung zu Depressionen sind die häufigste Form psychischer Erkrankungen Studien zeigen sowohl hohe Kosten bei den Leistungsträgern als auch auf volkswirtschaftlicher Ebene durch Arbeitsausfall Anhand eines Datensatzes zu Depressionen wurden die depressionsspezifischen Kosten untersucht und deren Einflussfaktoren identifiziert Fragestellungen: Wie hoch sind die Kosten, die direkt auf die Depression zurückzuführen sind? Welche Einflussfaktoren auf die depressionsspezifischen Kosten lassen sich identifizieren? 1
Methodik - Daten Retrospektive Datenanalyse aus Krankenkassensicht Datenquelle: Abrechnungsdaten einer Krankenkasse aus den Jahren 2007 bis 2009 Versicherten-Einschlusskriterien: Volljährigkeit Durchgängig versichert Personen mit valider Depressionsdiagnose (ICD-10 F32 oder F33) in jedem Jahr, die wie folgt definiert wurde: eine stationäre und ambulante Depressionsdiagnose innerhalb eines Quartals oder zwei ambulante Depressionsdiagnosen zwei verschiedener Ärzte innerhalb eines Quartals oder oder zwei Depressionsdiagnosen im ambulanten oder stationären Bereich innerhalb von zwei aufeinanderfolgenden Quartale Vorhandene Daten: Versichertenstammdaten: Alter, Geschlecht, Wohnort, Versicherungsart und -zeit Ambulante Daten Quartal ICD-10-Code EBM-Punkte Stationäre Daten Tag ICD-10-Code Kosten in Euro Arzneimittel Tag PZN, ATC-Code Kosten in Euro PIA Tag Kosten in Euro Sonstige LE Tag Kosten in Euro 2
Methodik - Kostenanalyse Eingeschlossene Leistungen Kostenkategorie Depressionsspezifische Kosten Ambulante Leistungen Arzneimittel Stationäre Leistungen PIA Die Kosten wurden nicht inflationiert und spiegeln somit die Kosten des jeweiligen Jahres wider Ambulante Leistungen Einschluss, sofern F32/F33 dokumentiert* Antidepressiva, Beruhigungsmittel, sonstige Psychopharmaka Hauptdiagnose F32/F33 Alle Inanspruchnahmen * Kosten aus ambulanten Leistungen ergaben sich aus den mit einem Punktwert von 3,5048 Cent bewerteten EBM-Punkten Vorliegen der summierten EBM-Punkte und ICD-10-Diagnosen pro Arzt und Quartal Einzelne, vom Arzt abgerechnete Leistungen, lagen nicht vor psychiatrische FÄ, Psychotherapeuten Allgemeinmediziner, sonstige Fachärzte Sofern in einem Quartal eine Depressionsdiagnose des jeweiligen Arztes kodiert wurde, wurden alle Kosten in die Analyse eingeschlossen Sofern in einem Quartal eine Depressionsdiagnose des Arztes kodiert wurde, wurden die Kosten gewichtet mit einem Verhältnis, das sich aus der Anzahl der Depressionsdiagnosen an allen Diagnosen des jeweiligen Arztes ergibt 3
Methodik - verallgemeinerte lineare Schätzungsgleichungen (GEE) Ziel: Identifizierung von Prädiktoren auf die depressionsspezifischen Kosten Aufgrund des Studiendesigns (insbesondere der Längsschnittdaten) sind lineare Modelle nicht adäquat Die Prozedur verallgemeinerte lineare Schätzungsgleichungen erweitert das allgemeine lineare Modell, sodass auch korrelierte Längsschnittdaten berücksichtigt werden können Soziodemographische Merkmale Geschlecht Wohnort Alter Versicherungsart Depressionsspezifische Merkmale Dreistellige Diagnose (F32.x vs. F33.x) Schweregrad GEE Depressionsspezifische Kosten (gammatransformiert) Zeit 4
Ergebnisse Charakteristika der Studienpopulation (2007) Frauen Männer Gesamt N 90.903 26.317 117.221 Geschlecht 77% 23% Alter 65 Jahre 61 Jahre 64 Jahre Versicherungsart Wohnsitz Diagnose Schweregrad Arbeitnehmer 15% 18% 15% Rentner 72% 64% 70% Arbeitslose 7% 11% 8% Sonstige 7% 7% 7% Stadt 31% 30% 30% Land 69% 70% 70% F32 73% 74% 73% F33 27% 26% 27% Schwer 9% 10% 10% Mittel 15% 17% 15% Leicht 6% 6% 6% Nicht näher bezeichnete Episode 70% 67% 69% 5
Ergebnisse depressionsspezifische Kosten pro Person in 500 400 300 200 487 28% 50% 2% 453 33% 42% 2% 436 31% 40% 4% Ø 459 PIA Arzneimittel Stationär Ambulant 100 0 20% 24% 26% 2007 2008 2009 Auch über den Zeitverlauf bleiben die Kosten für stationäre Aufenthalte und Medikamente die wichtigsten Komponenten auch wenn der Anteil der stationären Kosen über den Zeitverlauf abnimmt. Die Kosten für ambulante Leistungen und PIA steigen hingegen. 6
Ergebnisse Kosten nach Alter und Geschlecht in 800 770 723 700 600 713 650 702 678 598 562 Frauen Männer 500 400 300 442 403 392 381 296 260 Ø 486 (Männer) Ø 450 (Frauen) 200 100 0 18-29 30-39 40-49 50-59 60-69 70-79 80 Alter in Jahren Kosten für Medikamente steigen bis zur Altersklasse 40-49 Jahre, danach sinken sie. Alle anderen Kostenkomponenten sinken mit steigendem Alter. In der ältesten Subgruppe waren die Kosten für Medikamente die teuerste Komponente, in allen anderen Subgruppen verursachten stationäre Aufenthalte die höchsten Kosten. 7
Ergebnisse Kosten nach Schweregrad und Diagnose in 1.800 1.600 1.400 1.729 in 1.800 1.600 1.400 PIA Sationär Arzneimittel Ambulant 1.200 1.000 800 600 400 200 0 53% 326 23% 39% 14% 44% 23% leicht 819 mittel 75% 15% 9% 36% schwer 215 6% 53% nicht näher bezeichnet 1.200 1.000 800 600 400 200 0 894 61% 294 25% 21% 41% 31% 16% F32.x F33.x Diagnose Schweregrad Drei Viertel der Kosten bei Personen mit einer schweren Depression und 61% der Kosten bei einer rezidivierenden Depression (F33.x) sind auf stationäre Kosten zurückzuführen. Bei Personen mit einer leichten Depression und mit einer einzelnen Episode ist der Großteil auf ambulante Leistungen zurückzuführen. 8
Ergebnisse ambulanter Bereich gesamt und differenziert nach Schweregrad 200 in 200 in 185 psychiatrische FÄ Psychotherapeuten Hausärzte 150 150 145 42% 153 sonstige FÄ 100 50 0 95 41% 23% 31% 2007 5% 108 42% 25% 28% 2008 5% 112 44% 25% 27% 2009 Der Kostenanteil des psychiatrischen FA hat über den Beobachtungszeitraum zugenommen. Der Kostenanteil des HA dagegen ist gesunken. 5% 100 50 0 44% 35% 15% leicht 5% 40% 14% mittel 4% 52% 22% 21% schwer 5% 77 40% 15% 40% 6% Schweregrad nicht näher bezeichnet Psychotherapeutische Leistungen werden vorwiegend von Personen mit einer leichten und mittelschweren Diagnose in Anspruch genommen. 9
Ergebnisse - Prädiktoren der depressionsspezifischen Kosten Positiver Einfluss Koeffizient KI (95%) Geschlecht (Mann) Stadt Arbeitslos Rentner Andere Versicherungsart Schwere Episode Mittelgradige Episode 0,135 0,041 0,230 0,031 0,010 0,053 0,087 0,047 0,127 0,237 0,201 0,272 0,003-0,040 0,047 1,565 1,517 1,613 0,865 0,823 0,908 Depressionsspezifische Kosten Negativer Einfluss Alter Alter * Mann F32 Nicht näher bezeichnete Episode Zeit Koeffizient KI (95%) -0,017-0,018-0,016-0,002-0,004-0,001-0,571-0,594-0,549-0,233-0,268-0,197-0,002-0,009 0,006 10
Zusammenfassung und Diskussion Zusammenfassung Die depressionsspezifischen Kosten beliefen sich im Ausgangsjahr auf 487 pro Person, wobei die Kosten über den Beobachtungszeitraum hinweg sanken. Diese Kostensenkung ist auf eine Reduktion der stationären Kosten zurückzuführen. Kosten für stationäre Behandlungen machten den Großteil der Kosten aus, obwohl über den gesamten Beobachtungszeitraum hinweg nur 5,6% der Studienpopulation in stationärer Behandlung war. Personen mit einem schweren Krankheitsverlauf verursachen höhere Kosten als andere Personen. Limitationen Die beschriebene Studienpopulation ist nicht repräsentativ für Deutschland. Konservative Einschlusskriterien bewirken, dass nur diejenigen Patienten eingeschlossen wurden, die dauerhaft in Behandlung waren. Aufgrund von Datenrestriktionen konnten nicht alle möglichen Leistungen eingeschlossen werden, die aufgrund einer Depression angefallen sein könnten. Eine Kontrollgruppe ohne psychische Erkrankung war nicht vorhanden, sodass ein Kontrollgruppenvergleich nicht stattfinden konnte. 11
Ansprechpartner Katja Kleine-Budde Leuphana Universität Lüneburg Rotenbleicher Weg 67 D-21335 Lüneburg +49.4131.677-7714 katja.kleine-budde@inkubator.leuphana.de www.leuphana.de 12