Grundlagen der Immunologie



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Grundlagen der Immunologie Geschichtliche Entwicklung Schon in der Antike erkannte man, dass Menschen, die eine Pesterkrankung überlebt hatten, kein zweites Mal erkranken würden. Im Mittelalter stellte sich heraus, dass auch eine überstandene Pockenerkrankung Schutz vor einer Neuinfektion bietet. Diese Erkenntnis führte dazu, dass erste Immunisierungsversuche gemacht wurden: Personen wurden mit Eiter von leicht an Pocken erkrankten Patienten infiziert (Variolation). Aber diese Versuche waren nicht von Erfolg gekrönt, denn die Geimpften erkrankten und der Verlauf der Erkrankung war ebenso gefährlich wie bei Nichtgeimpften. Erst 1798 erkannte der englische Landarzt Edward Jenner, dass seine Patienten, die die Kuhpocken, eine auf den Menschen übertragbare Pockenerkrankung des Rindes, überstanden hatten, für echte Pocken nicht mehr anfällig waren. Es gelang ihm, Menschen gegen echte Pocken zu immunisieren, indem er sie mit infiziertem Material aus Kuhpocken impfte (Vakzination, von lat.: vacca, Kuh). Fast hundert Jahre dauerte es danach noch, bis das Prinzip der Schutzimpfung besser erkannt wurde. Louis Pasteur untersuchte 1879 die Hühnercholera. Als er endlich die Erreger in Reinkultur hatte, kamen die Sommerferien. Danach wollte er seine Arbeit fortsetzen, musste aber feststellen, das seine Bakterien keine Hühner 4 mehr infizieren konnten. Also legte er neue Kulturen an und setzte seine Versuche fort. Als er die Hühner nun ein zweites Mal infizieren wollte, erkrankten sie ebenfalls nicht, ungeimpfte Tiere bekamen Cholera. Er erkannte jetzt die Bedeutung seiner virulenten und avirulenten Stämme der Bakterien. Damit war die Grundlage für weitere Schutzimpfungen gelegt. Innerhalb kurzer Zeit gab es Impfungen gegen Milzbrand, Wundrose und Tollwut. Diese Form der Impfung mit abgetöteten oder abgeschwächten Bakterien wurde Vakzination genannt, in Würdigung der Entdeckung Edward Jenners. Ebenfalls Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Antikörper entdeckt. Obwohl man die Moleküle noch nicht kannte, stellte man fest, dass Tiere, die eine Erkrankung durchgemacht hatten, im Serum einen Stoff besaßen, der sie gegen eine erneute Erkrankung schützte. Als Beweis injizierte man gesunden Tieren dieses Serum und infizierte sie anschließend mit dem Erreger. Die Tiere blieben gesund. Man nannte die schützenden Stoffe Antikörper. Wie sich in weiteren Versuchen herausstellte, sind sie hochspezifisch, d.h. sie schützen nur vor der Erkrankung, die die Produktion der Antikörper auslöste. Man nannte diese Form der Immunität humorale Immunität, da sie auf der Anwesenheit von Körperflüssigkeit beruht (lat.: humor). Erst im 20. Jahrhundert konnte die Struktur und die Wirkung der Antikörper aufgeklärt werden. Es zeigte sich, dass die Antikörper Proteine sind, die zur -- Globulinfraktion der Bluteiweiße gehören. Diese Immunglobuline unterteilen sich weiter in IgG, lgm, IgA, IgD und IgE. Sie können mit bestimmten Molekülstrukturen körperfremde Zellen und Strukturen (Antigene) erkennen und mit ihnen reagieren. Dies führt im Labor zur Agglutination der zellulären Antigene, in vivo in Verbindung mit Komplement zur Zytolyse, zur Phagozytose durch Makrophagen oder zur Neutralisation toxischer Substanzen. 1

Ein weiteres immunologisches Sytem konnte entdeckt werden, das Komplement- System. Es bewirkt, dass Zellmembranen durchlöchert werden, die Zellen dadurch aufquellen und schließlich platzen (lysieren). Ende des 19. Jahrhunderts entdeckte man bewegliche Zellen, die sich auf Fremdkörper zu bewegen, die Phagozyten oder Makrophagen. Damit war der Weg bereitet für die Erforschung der unspezifischen, zellulären Immunität. Konzept der Immunität Weitere Forschungen zeigten, dass es außerdem noch zwei Arten von Zellen gibt, die an der Immunantwort beteiligt sind, die T- und B- Lymphozyten. T-Lymphozyten stammen aus dem Thymus und sind für die spezifische, zelluläre Immunität verantwortlich. B-Lymphozyten stammen bei Vögeln aus der Bursa Fabricii und sind für die Produktion von Antikörpern zuständig, also die spezifische, humorale Immunität. Bei Menschen gibt es dieses Organ nicht, hier entwickeln sich die B-Lymphozyten im Knochenmark. Beide Arten von Lymphozyten entwickeln sich aus einer Stammzelle, die aus dem Knochenmark stammt. Sie entwickelt sich aus einer hämatopoetischen Stammzelle, von der auch alle anderen Zellen des Blutes abstammen. Obwohl B- und T- Lymphozyten unterschiedliche Aufgaben haben, beeinflussen sie sich gegenseitig und sind nicht in der Lage, ihre Aufgaben vollständig zu erfüllen, wenn ein Partner fehlt oder vermindert vorliegt. Außer im Blut findet man die Lymphozyten vorwiegend in den lymphatischen Organen. Dabei unterscheidet man primäre und sekundäre lymphatische Organe. In den primären lymphatischen Organen findet die Entwicklung, Prägung und Reifung der Lymphozyten statt, in den sekundären lymphatischen Organen die eigentliche lmmunreaktion. Lymphatische Organe Abb.: oben: lymphatische Organe bei Vögeln unten: lymphatische Organe beim Menschen aus: Immunologie, Spectrum-Verlag 2

Der Thymus liegt beim Menschen in der Brusthöhle über dem Herzen. In der Jugend ist er stark entwickelt und wiegt ca. 40 g. Nach der Pubertät nimmt die Größe ab und im Alter ist er kaum noch zu finden. Eingewanderte Stammzellen entwickeln sich im Thymus in mehreren Einzeischritten zu T-Lymphozyten. Neben Lymphozyten gibt es im Thymus viele epitheliale Zellen, die bei der Prägung der TLymphozyten eine große Rolle spielen. Beim Menschen gibt es keine Bursa Fabricil, aber die B- Lymphozyten entwickeln sich in der fetalen Leber und später im Knochenmark (Bursa-Äquivalent). Dort erfolgt auch die Ausreifung zu antikörperproduzierenden Plasmazellen. Lymphknoten findet man überall im Körper dort, wo Lymphgefäße verlaufen. Sie bilden hintereinandergeschaltete Filter, die die Lymphe von körperfremden Stoffen befreien, bevor sie in die Blutbahn zurückfließt. Im Lymphknoten findet man Primärlollikel und Sekundärfollikel. Die Primärfollikel bilden die inaktive Form. Dabei handelt es sich um eine Ansammlung von ruhenden B-Lymphozyten. Nach Antigenkontakt bildet sich in der Mitte des Follikels ein Keimzentrum, es entstehen die aktiven Sekundärfollikel. Im Keimzentrum befinden sich auch Makrophagen, die die Phagozytose übernehmen und Antigene präsentieren. Diese Antigenpräsentation ist ein wichtiger Schrift auf dem Weg zur humoralen Immunabwehr, also zur Produktion von Antikörpern. Zwischen den Follikeln liegen T-Lymphozyten und Retikulumzellen, die bei der zellulären Abwehr eine wichtige Rolle spielen. Abb.: Schematische Darstellung von Lymphknoten (oben) und Milz (unten) Aus: Immunologie, Spectrum-Verlag Die Milz ist das größte lymphatische Organ des Menschen, wiegt ca. 200 g und gilt als immunologischer Filter des Blutes. Das Blut fließt in ein Gerüst aus fein verzweigten Retikulumzellen und Retikulinfasem (rote Pulpa). Die zuführenden Arterien sind von der periarteriolären Lymphozytenscheide (PALS) umgeben, die auch Lymphfollikel enthält. Beides zusammen bildet die weiße Pulpa. In den PALS befinden sich vor allem T-Lymphozyten und antigenpräsentierende Zellen. In den peripheren Bereichen, die der roten Pulpa am nächsten liegen, sind zirkulierende B-Lymphozyten und kleine Primärfollikel, die nach Antigenkontakt zu Sekundärfollikeln werden. Die Milz entfernt alte Erythrozyten aus der Blutbahn und die Retikulumzellen und Makrophagen phagozytieren zirkulierende Antigene. Dies geschieht zwischen roter und weißer Pulpa. Das Blut fließt dann über venöse Sinus in die Vene und verlässt die Milz. 3

Außer Thymus und Milz gibt es noch in vielen Organen lymphatisches Gewebe, z.b. im Rachen (Tonsillen), in den Schleimhäuten des Darms (Peyersche Plaques), der Atem- und Harnwege. Alle diese Gewebe werden unter dem Begriff Mukosa assoziiertes lymphatisches Gewebe (MALT) zusammengefasst. Sie üben lokale lymphatische Funktion an Stellen aus, an denen es häufig zu Kontakt mit Antigenen aus der Umwelt kommt. Prägung und Reifung der T-Lymphozyten Prä-Thymozyten, die Vorläuferzellen der T-Lymphozyten entwickeln sich im Knochenmark und in der fetalen Leber. Die Zellen sind durch das TdT-Enzym (terminale Desoxyribonuleotransferase) gekennzeichnet. Es unterscheidet sie von Zellen des myeloischen Systems. Bereits hier findet sich der T-Zell-Rezeptor (TCR). Er ist für die Erkennung körpereigener Antigene zuständig und besteht aus 2 Ketten, deren Gene auf unterschiedlichen Chromosomen liegen. Jede Kette hat konstante und variable Teile. Die Variabilität entsteht durch die Kombination verschiedener variabler Teilstücke, die dann mit den konstanten Teilen zusammengefügt werden. Beim Rearrangement kommt es durch Deletion, ungleichen Chromosomenaustausch und Inversion zur weiteren Variation. Bei reifen T-Lymphozyten besitzt der TCR vor allem - und -Ketten und nur sehr selten - und -Ketten. Abb.: T-Zell-Rezeptor Aus: Immunologie, Spectrum-Verlag Die Prä-Thymozyten wandern in den Thymus ein. Dort zeigen im weiteren Verlauf ihrer Entwicklung die Oberflächenantigene (cluster of Differentiation, CD) CD2 und CD7, später auch CDI, CD4, CD8 und den Antigenrezeptorkomplex CD3. Später geht CD1 wieder verloren und die T-Zellen spalten sich in zwei Populationen, die entweder CD4 oder CD8 positiv sind. CD4 tragen die Zellen der T-HelferPopulation, CD8 ist Kennzeichen der zytotoxischen T-ZelIen. In diesem Stadium gelangen die reifen T-Lymphozyten ins Blut. Während der Reifung im Thymus findet auch die Selektion der T-Zellen statt, d.h. sie lernen den Unterschied zwischen SeIbst und Nichtselbst kennen. Reife T-Lymphozyten erkennen fremde Antigene nur in Verbindung mit den körpereigenen MHC-Molekülen (MHC = Haupthistokompatibilitätskomplex, major histokompatibility complex). Der TCR muss also an ein MHC-Molekül der epithelialen Zellen des Thymus passen. Ist dies nicht der Fall, stirbt die T-Zelle ab. Ist die Bindung an MHC zu fest, stirbt die Zelle ebenfalls, da eine zu feste Bindung eine Autoaggression zur Folge haben könnte. Zellen, die eine mittelstarke Bindung mit dem passenden MHC-Molekül eingehen, können weiter reifen. Neben den MHC-Molekülen gibt es aber noch weitere Autoantigene. Mit diesen Autoantigenen dürfen die T-Lymphozyten nicht reagieren, dies könnte zur Selbstzerstörung des Körpers führen. Diese Zellen werden ausgemustert durch dendritische Zellen im Thymus, die die meisten Autoantigene tragen. Eine Reaktion mit einer dendritischen Zelle führt deshalb zum Zelltod. Durch diese Selektion gehen über 90% aller in den Thymus eingewanderten Thymozyten unter. 4

Abb.: Mechanismen der T-Zell-Selektion aus: Taschenatlas der Immunologie, Thieme-Verlag 5

Funktion der T-Lymphozyten In den Körper eingedrungene Antigene werden zuerst von Makrophagen aufgenommen. Diese binden die Antigene und bieten sie T-Lymphozyten an. Durch Kontakt mit dem Antigen und der antigenpräsentierenden Zelle werden die T-Lymphozyten aktiviert. Sie wachsen, teilen sich und produzieren Lymphokine, lösliche Botenstoffe, die die Durchlässigkeit der Blutgefäße erhöhen und weitere Makrophagen und Monozyten anlocken. Ein Teil der Zellen entwickelt sich zu Gedächtniszellen, die bei erneutem Antigenkontakt schnell mit dem Antigen reagieren können. Zytotoxische T-Lymphozyten (T-KiIler-Zellen) sind in der Lage, Zielzellen durch direkten Kontakt zu vernichten. Dabei müssen die Zielzellen dieselben MHC- Moleküle tragen, wie die T-Lymphozyten, d.h. es werden nur körpereigene Zellen angegriffen. T-Helferzellen reagieren mit ihrem TCR mit den MHC-Molekülen der Körperzellen. Diese Bindung wird durch den Rezeptor CD4 verstärkt. Durch die Reaktion mit dem Antigen werden T-Helferzellen aktiviert. Die TCR-nahen CD3-Moleküle induzieren die Freisetzung von Lymphokinen, die positiv auf die Proliferation der B-Lymphozyten und deren Entwicklung zu antikörperbildenden Plasmazellen wirken. Das CD4-Molekül spielt bei der HIV-Infektion eine wichtige Rolle. Es ist der Rezeptor, an den sich die Viren anlagern, um die Zelle zu infizieren. T-Suppressorzellen sind in der Lage, die Antikörperproduktion zu stoppen. Das System aus Helfer- und Suppressorzellen übt wichtige regulierende Funktion aus. Bei Störungen der zellvermittelten Immunität durch T-Lymphozyten kann es zu schweren, z.t. lebensbedrohlichen Erkrankungen kommen. Fehlen T-Helferzellen, wie dies bei AIDS der Fall ist, dann können auch Antikörper nicht in ausreichender Menge produziert werden und es kann zu schwersten bakteriellen Infektionen kommen. Bei Störungen der T-Suppressorzellen wird die Antikörperproduktion nur unzureichend gebremst. Die Folge sind Autoimmunerkrankungen. Alle diese Krankheiten, die durch vollständiges oder teilweises Fehlen der zeilvermitteiten Immunität entstehen, fasst man unter dem Oberbegriff lmmunmangelkrankheiten zusammen. Es kann auch zur bösartigen Entartung eines Zelltyps kommen, dadurch entstehen Tumoren (maligne Lymphome). NK- und K-Zellen Nicht nur die T-Killerzellen können Zielzellen direkt vernichten, es gibt auch noch zwei andere Arten von Lymphozyten, die dazu in der Lage sind: natürliche Killer- Zellen (NK-ZeIIen) und Killerzellen (K-Zellen). NK-Zellen erkennen Veränderungen der Zellmembran virusinfizierter Zellen und zerstören diese Zellen ohne vorherigen Kontakt mit dem Antigen und ohne Beteiligung von Antikörpern. Ihre Aktivierung erfolgt durch Interferone. Die Reaktion mit den ZieIzellen ist nicht an MHC-Moleküle gebunden, d.h. NK-Zelle und Zielzelle müssen keine übereinstimmenden Merkmale tragen. 6

NK-Zellen tragen sowohl Marker von T-Lymphozyten (CD3, CD4, CD8), als auch Marker anderer Zellen (CD11 der myeloischen Zellen, Fc-Rezeptor). Sie gehören weder zu den B-, noch zu den T-Lymphozyten, daher bezeichnet man sie auch als Null-Zellen. Auch die Killerzellen gehören zu den Null-Zellen. Sie erkennen über ihren Fc- Rezeptor antikörpermarkierte Zellen und vernichten sie. Die drei Arten der zellvermittelten Immunität (T-Killerzellen, NK- und K-Zellen) spielen die Hauptrolle in der Bekämpfung entarteter Körperzellen (Krebszellen) indem sie die Zellen zerstören. Entwicklung der B-Lymphozyten Ein wichtiger Teil des lmmunsystems sind die B-Lymphozyten, die Träger der humoralen Immunität. Die humorale Abwehr ist vor allem gegen Bakteren, Viren und Toxine gerichtet und gründet sich auf die Antikörper. B-Lymphozyten entwickeln sich beim Menschen im Knochenmark aus der lymphatischen Stammzelle. Zuerst entstehen Pro-B-Zellen, die die Stammzellassoziierten Antigene CD34 und CD117 exprimieren. Gleichzeitig tragen sie aber auch das für B-ZelIen typische Antigen CD19. Die nächste Entwicklungsstufe ist die Prä-B-ZeIIe. Auf dieser Stufe beginnt die Synthese von Immunglobulinketten ( -- Kette vom IgM-Molekül). Die nächste Differenzierungsstufe nennt man Virgin-B-- Zelle, da sie noch keinen Kontakt mit Antigenen hatte. Auf ihrer Oberfläche werden komplette lgm-lmmunglobuline exprimiert. Die weitere Reifung und Differenzierung ist antigengesteuert. Jede B-Zelle besitzt nur Rezeptoren (lgm) für eine Art Antigen. Reagieren die lgm-moleküle auf der Oberfläche mit Autoantigenen, sterben die B-Zellen durch Apoptose (programmierter Selbstmord der Zelle). Diese Autoantigene werden von Stromazellen des Knochenmarks präsentiert. Die anderen B-Zetlen verlassen das Knochenmark und wandern in die T-ZeIl-reichen Bereiche der peripheren lymphatischen Organe. Hier findet durch die T-Zellen eine weitere Selektion statt. Die B-Zellen, die von den T-Zellen keine Überlebenssignale bekommen, sterben, die anderen wanderen in Lymphfollikel. Auf der Zelloberfläche werden jetzt lgd-moleküle exprimiert. Die B-Zellen rezirkulieren ständig zwischen Knochenmark und sekundären lymphatischen Organen, bis sie auf ein passendes Antigen treffen. Meist findet der Erstkontakt mit dem Antigen in den T-ZeII-reichen Zonen der Lymphknoten oder im mukosa assoziierten lymphatischen Gewebe (MALT) statt. Makrophagen oder dendritische Zellen präsentieren das Antigen den BLymphozyten. Nach Kontakt mit dem Antigen wandern die B-ZeIlen in die Lymphfollikel. Dort entsteht ein Keimzentrum, in dem sich die B-Lymphozyten sehr schnell vermehren und zu Pro-Plasmazellen proliferieren. Dazu ist die Hilfe von T-Helferzellen nötig. Die endgültige Ausreifung der Plasmazellen findet wieder im Knochenmark oder in Schleimhäuten statt. Die primären Plasmazellen produzieren IgM-Antikörper, die die gleiche Bindungsregion aufweisen wie das Oberflächenimmunglobulin. Die Antikörper sind also spezifisch, d.h. nur gegen ein bestimmtes Antigen gerichtet. Später gehen die Plasmazellen dazu über, andere Immunglobuline (lgg, lgd, IgA 7

oder IgE) zu produzieren. Die Antigen-Bindungsstelle entspricht aber auch bei diesen Molekülen dem ursprünglichen Antigenrezeptor. Wenn im Verlauf einer Infektion der Antigenstimulus wieder verschwindet, nimmt auch die Produktion der Antikörper ab, die stimulierten B-Lymphozyten werden in B- Gedächtniszellen umgewandelt, die bei erneutem Antigenkontakt sehr viel schnellere und stärkere Antikörperproduktion induzieren. Abb.: Entwicklung der B-Lymphozyten Aus: Taschenatlas der Immunologie, Thieme-Verlag 8

Struktur der Antikörper Antikörper sind hochmolekulare Proteine, die zum größten Teil in der y-globulinfraktion des Blutes vorkommen. Deshalb werden sie auch Immunglobuline (Ig) genannt. Die Grundstruktur aller Immunglobuline ist recht ähnlich. Jeder Antikörper besteht aus 4 Proteinketten, zwei schweren und zwei leichten. Es gibt 5 Arten von schweren Ketten, die man mit,,, und bezeichnet. Entsprechend heißen die Immunglobulinklassen IgA, IgG, IgM, IgD und IgE. Zusätzlich gibt es zwei Arten von leichten Ketten, - und -Ketten. Die zwei identischen leichten und zwei identischen schweren Ketten werden durch Disulfidbrücken und elektrostatische Kräfte zusammengehalten. Jede Kette zeigt in sich mehrere Abschnitte (Domänen) mit Faltungen, die ebenfalls durch Disulfidbrücken stabilisiert werden. insgesamt ergibt sich eine dreidimensionale Struktur in Form eines Y. An den beiden Schenkeln des Y sitzen die Antigenbindungsstellen des Antikörpers an der ersten Domäne. Durch die große Variabilität der Reihenfolge der Aminosäuren in diesem Teilstück ist eine sehr große Anzahl von Spezifitäten möglich. Abb. oben: Aufbau des IgG-Moleküls; aus: Taschenatlas der Immunologie, Thieme-Verlag Abb. Rechts: IgG-Subklassen; aus: Immunologie, Spectrum-Verlag Die Antigenbindungsstelle eines Immunglobulins bezeichnet man auch als F(ab)-Teil, den konstanten Teil als Fc-Teil. Viele Zellen, die an der lmmunabwehr beteiligt sind, haben auf ihrer Oberfläche Rezeptoren für diesen Fc-Teil, d.h. sie können antikörpermarkierte Zellen erkennen und binden. Bei Makrophagen führt dies zur Phagozytose der Zellen. Innerhalb der lmmunglobulinklassen kann man verschiedene Subklassen unterscheiden. Die Antikörpermoleküle unterscheiden sich dabei vor allem in der Anzahl und Lage der Disulfidbrücken. So gibt es beim menschlichen lgg-molekül 4 Subklassen. 9

Abb.: Menschliche Immunglobuline Aus: Immunologie, Spectrum-Verlag 10

lgg: lgg ist das am häufigsten vorkommende Immunglobulin. Es liegt in einer Konzentration von 8-18 g/l im Plasma vor (80% der Serumimmunglobuline). Es ist aufgrund seiner geringen Molekülgröße in der Lage, die Plazentaschranke zu passieren und ist damit für die Immunität des Neugeborenen besonders wichtig. Es kann aber auch zum Morbus hämolyticus neonatorum (Mhn) kommen, wenn ein lgg gegen ein Antigen des Ungeborenen gerichtet ist (z.b. Rhesusunverträglichkeit). Je nach Subklasse kann lgg mehr oder weniger gut Komplement binden und kann unterschiedliche Folgereaktionen auslösen. Im Verlauf einer Infektion wird lgg erst nach einigen Tagen gebildet, bleibt aber dann über einen längeren Zeitraum, z.t. lebenslang nachweisbar. In vitro ist lgg nicht in der Lage, Zellen direkt zu agglutinieren. Es benötigt dazu Hilfsstoffe. Man spricht deshalb auch von inkompletten Antikörpern. IgA: Im Plasma liegen die meisten lga-moleküle als Monomere vor, ca 15% sind jedoch Dimere, die durch eine J-Kette (Joining) miteinander verbunden sind. Bei lga- Molekülen, die in die Galle, den Speichel, die Tränenflüssigkeit, den Schleim des Magen-Darm-Trakts und die Muttermilch abgegeben werden, liegt zusätzlich noch ein weiteres Protein vor, die sekretorische Komponente. Das Protein wird in der Leber oder in Darmzellen gebildet und an das IgA-Molekül gekoppelt. lgm: lgm liegt im Plasma in seiner pentameren Form vor. Die einzelnen Ig-Moleküle werden dabei durch die J-Kette miteinander verbunden. Aufgrund seiner Größe ist das Molekül nicht in der Lage, die Plazenta zu passieren. lgm bindet mit sehr hoher Affinität Komplement. Die Konzentration im Plasma beträgt 0,6-2,8 gil. Nach Antigenkontakt wird zuerst IgM gebildet. Nach einigen Tagen nimmt die Konzentration jedoch wieder ab und die Konzentration des lgg nimmt zu. Auf der Oberfläche der reifen B-Lymphozyten sitzt lgm in monomerer Form als klassischer Antigen-Rezeptor. In vitro sind lgm-antikörper in der Lage, Zellen direkt zu agglutinieren, man spricht deshalb von kompletten Antikörpern. IgD: IgD ist zusammen mit lgm das häufigste Membranimmunglobulin menschlicher B-Lymphozyten. Seine Funktion im Serum ist nicht genau bekannt. IgE: Freies IgE kommt im Plasma nur sehr selten vor. Die IgE-Molekül sind vor allem an basophile Granulozyten und Mastzellen gebunden. Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Abwehr von Parasiten und bei Allergien. Bei Allergikem findet man IgE auch auf Epithelzellen der Bronchial- und Gastrointestinalschleimhaut.. Wird z.b. Blütenstaub eingeatmet, wird das Allergen von spezifischen IgE-Molekülen sofort gebunden. Dadurch wird die Mastzelle aktiviert und gibt aus zahlreichen Bläschen im Zytoplasma pharmakologisch wirksame Substanzen, z.b. Histamin frei. Diese führen zu einer Erweiterung der Blutgefäße und zu einer erhöhten Gefäßdurchlässigkeit. Sitzen auf den Mastzellen besonders viele lge-moleküle, kommt es zu einer stärkeren Reaktion und damit zur Allergie. 11

Antikörper im Labor Aufgrund ihrer Spezifität eignen sich Antikörper gut zur qualitativen und quantitativen Bestimmung einzelner Bestandteile in einem Gemisch. Mit Hilfe spezifischer Antikörper lassen sich z.b. Bakterienantigene, Virusantigene, Toxine oder membrangebundene Antigene nachweisen. Bei der Reaktion der Antikörper mit dem Antigen bilden sich Immunkomplexe, die sichtbar gemacht werden können. Zellgebundene Antigene können in Form einer Agglutination der Zellen nachgewiesen werden. lmmunkomplexe lassen sich als Präzipitate erkennen. Die Voraussetzung für diese Reaktion ist, dass das Antigen mehrere identische antigene Determinanten besitzt (multivalente Antigene). Antikörper können mit ihren zwei Antigen-Bindungsstellen (divalent) mit den Antigenen große Netze bilden. Voraussetzung dafür ist ein optimales Verhältnis zwischen Antigen und Antikörper. Heidelberger und Kendall untersuchten 1935 den Zusammenhang zwischen der Konzentration von Antigenen und Antikörpern. Dabei stellten sie fest, dass lösliche Immunkomplexe entstehen, wenn zu viele Antigene oder zu viele Antikörper vorhanden sind. Die löslichen Immunkomplexe fallen nicht aus. Nur bei einem optimalen Verhältnis von Antigen und Antikörper bilden sich unlösliche lmmunkomplexe, die ausfallen und als Präzipitate sichtbar werden. An einer Kurve kann dieser Sachverhalt gut dargestellt werden. Der Nachweis von Präzipitaten oder Immunkomplexen stellt die Grundlage aller immunchemischen Nachweismethoden dar. Abb.: Heidelberger-Kurve aus: Immunologie, Spectrum-Verlag Bei der Antigenbestimmung dient der Antikörper als Reagenz, bei der Antikörperbestimmung das Antigen. Liegt jedoch die Konzentration des nachzuweisenden Antikörpers oder Antigens zu niedrig, d.h. im ersten Teil der Heidelberger-Kurve, dann kann man keine Präzipitate nachweisen, sondern man ist auf Hilfsmittel angewiesen, die die AG-AK-Reaktion sichtbar machen. Dazu wird ein Reaktionspartner markiert. Radioisotope, Enzyme, fluoreszierende Moleküle stellen dazu geeignete Marker dar. Aber auch die Messung der Lichtstreuung durch gebildete Immunkomplexe erlaubt den Nachweis geringer Mengen. Diese Verfahren lassen sich sehr gut automatisieren. Es gibt heute zahlreiche Varianten dieser Methoden, die für spezielle Fragestellungen besonders geeignet sind. Von besonderer Bedeutung ist dabei natürlich die Qualität der Antikörper. 12

Polyklonale Antikörper Polyklonale Antikörper werden aus den Seren von immunisierten Spendern oder Tieren gewonnen. Sie werden im Körper nach Kontakt mit einem Antigen von verschiedenen Plasmazellklonen gebildet. Ein Antigen weist aber in der Regel viele verschiedene Determinanten (Epitope) auf. Gegen jede dieser Determinanten werden Antikörper gebildet. Jeder Plasmazellklon bildet immer nur monospezifische Antikörper. Die verschiedenen Antikörpermoleküle sind daher alle gegen das Antigen gerichtet, unterscheiden sich aber in ihrer Spezifität. Es ist nicht auszuschließen, dass verschiedene Antigene einzelne gleiche Determinanten besitzen. Der entsprechende Antikörper reagiert also mit verschiedenen Antigenen. Man spricht hier von Kreuzreaktion. Bei immunologischen Untersuchungen stört dies u.u. das Ergebnis. Die verwendeten Antikörper sollten daher keine Kreuzreaktion zeigen. Abb.: Antikörper gegen verschiedene Epitope eines Antigens aus: Immunologie, Spectrum-Verlag Bei polyklonalen Antikörpern hat man immer eine Mischung verschiedener Antikörper gegen ein Antigen. Zusätzlich sind im gewonnenen Serum noch viele andere Antikörper vorhanden, die nicht gegen das Antigen gerichtet sind. Alle nicht benötigten Antikörper müssen entfernt werden, um ein gebrauchsfähiges Antiserum zu erhalten. Da polyklonale Antikörper aus den Seren von Menschen oder Tieren gewonnen werden, kann die Affinität (Stabilität einer einzelnen AG-AK-Bindung) und die Avidität (Stärke der Bindung eines multivalenten Antigen durch multivalente Antikörper) bei jeder neuen Charge unterschiedlich sein. Der Vorteil dieser polyklonalen Antiseren besteht jedoch auch in der Vielfalt der Antikörper. Es gibt nämlich immer AK, die stärker an das Antigen binden als andere. Mit polyklonalen Antikörpern hat man diese AK immer mit dabei, d.h. wenn das Antigen vorhanden ist, wird es bestimmt von einigen Antikörpern fest gebunden und kann daher nachgewiesen werden. 13

Monoklonale Antikörper Monoklonale Antikörper entstammen einem einzigen Plasmazellklon. Sie sind alle gleich und gegen nur eine antigene Determinante des Antigens gerichtet. Das Antiserum ist monospezifisch, Kreuzreaktionen kann man bei sorgfältiger Wahl des Antikörpers ausschließen. Die Affinität des Antikörpers zum Antigen ist konstant. Um monoklonale Antikörper zu erhalten, muss man antikörperproduzierende Zellen aus der Milz eines immunisierten Tieres (z.b. Maus) mit Plasmozytomzellen verschmeizen. Plasmozytomzellen sind Zellen eines Plasmazelltumors, die sich ungehemmt vermehren. Die Verschmelzung gelingt durch engen Kontakt der Zellen in einem Fusionsgemisch, das eine bis zehn Milzzellen pro Plasmozytomzelle enthält. Um die Fusion zu erleichtern, wird Polyethylenglykol (PEG) zugesetzt. Nach einiger Zeit sieht man miteinander verklebte Milz- und Tumorzellen (Hybridzellen) im Medium. Diese werden nun vorsichtig isoliert, indem man kleine Portionen in Mikrotiterplatten als Zellkulturen ansetzt. Gibt man in die Kulturen ein spezielles Medium (HAT-Medium), überleben nur die fusionierten Zellen. Nach 2-3 Wochen kann man hybride Zellklone (Hybridome) erkennen. Nun muss untersucht werden, ob Hybridome dabei sind, die den gewünschten Antikörper produzieren. Wenn dies der Fall ist, wird eine normale Zellkultur angelegt. Nach weiteren Selektionen kann man sicher sein, dass die produzierten Antikörper nur aus einer Hybridomzelle stammen, man hat eine Zellkultur, die monoklonale Antikörper produziert. Die weitere Anzüchtung des Zellklons ist in biotechnischen Anlagen möglich, so dass auch die gewinnung großer Mengen identischer Antikörper gelingt. Auch die Kultur in Versuchstieren ist möglich. Dazu werden den Tieren die Hybridomzellen injiziert. Sie bilden daraufhin einen Tumor, der die gewünschten Antikörper produziert. Indem man die Serumproteine des Tieres entfernt, erhält man ebenfalls monoklonale Antikörper. Abb.: Produktion monoklonaler Antikörper aus: Immunologie, Spectrum-Verlag 14

Das Komplementsystem Schon Ende des vorigen Jahrhunderts machte man die Beobachtung, dass Bakterien während der Inkubation in frischen Serum abstarben. Man machte zwei Faktoren dafür verantwortlich: einen hitzestabilen Faktor, die Antikörper, wie sich später herausstellte und eine hitzelabilen Faktor, der bei 56 C seine Aktivität verlor. Diesen Faktor nannte man Komplement, da er die Wirkung. des hitzestabilen Faktors komplettierte. Später stellte sich heraus, dass das Komplement aus einem System von mindestens 18 Proteinen bestand, die zusammen etwa 4% der Plasmaeiweiße ausmachen. Es stellt den wichtigsten Effektormechanismus der unspezifischen Abwehr dar. Körperfremde Organismen aktivieren beim Eindringen in den Körper das Komplementsystem. Über eine Reihe von aktiven Proteinkomplexen und Peptiden kommt es dann zur Vernichtung der eingedrungenen Mikroorganismen. Das Komplementsystem kann über zwei Wege aktiviert werden, den klassischen Weg und den alternativen Weg. Der klassische Weg beginnt mit der Bindung von lgg oder lgm an ein Antigen. Die anderen lmmunglobuiine sind nicht in der Lage, Komplement zu aktivieren. Handelt es sich bei dem Antigen um eine Zelle, führt die Aktivierung entweder zur direkten Zytolyse qer Zelle oder zur Markierung und anschließenden Phagozytose. Lösliche Antigene bilden mit Antikörpern Immunkomplexe, die durch die Markierung mit Komplement ebenfalls von Phagozyten erkannt und beseitigt werden. Der alternative Weg wird durch Mikroorganismen aktiviert, ohne dass Antikörper beteiligt sind. Das Endresultat ist auch dabei die Phagozytose oder Lyse der Mikroorganismen. Die einzelnen Komplementfaktoren werden mit C bezeichnet. Zusätzlich erhalten sie noch eine Nummer zwischen 1 und 9, die der Reihenfolge ihrer Entdeckung entspricht. Beim alternativen Weg gibt es noch die Faktoren B, D und P. Als lnhibitoren gehören der C1 -Esterase-Inhibitor (C1 -INH), das C4-bindende Protein und die Faktoren 1 und H zum Komplementsystem. Die meisten Faktoren liegen als inaktive Proenzyme im Plasma vor. Durch die Aktivierung werden verschiedene Fragmente abgespalten, die biologische Effekte ausüben, z.b. Erhöhung der Gefäßpermeabilität, Chemotaxis, Kontraktion der glatten Muskelfasern u.a. Diese Spaltprodukte nennt man Anaphylatoxine. Abb.: Wirkung der Komplement-Spaltprodukte aus: Taschenatlas der Immunologie, Thieme-Verlag 15

Klassischer Weg der Komplementaktivierung Die wichtigsten Aktivatoren sind gebundenes IgG und IgM. An die lmmunglobuline lagert sich Cl an. Dieses besteht aus den 3 Komponenten Clq, Cir und Cis. Clq bindet an den Fc-TeiI der Immuqglobuline. Dadurch entsteht der aktivierte Faktor C1r, der seinerseite C1s aktiviert. C1s (C1-Esterase) spaltet einerseits C4 in C4a und C4b, andererseits C2 in C2a und C2b. C4b und C2a bilden zusammen einen Komplex, C4b2a, die klassische C3-Konvertase. Diese spaltet von C3 das Fragment C3a ab und bildet zusammen mit C4b2a einen weiteren Komplex, die C5- Konvertase. Die Hemmung der Aktivierung findet auf der Stufe von C1 durch den C1 -Esterase- Inhibitor und auf der Stufe der C4b2a-Komplexbildung durch C4-bindendes Protein und Faktor 1 statt. Abb.: Komplementaktivierung aus: Taschenatlas der Immunologie, Thieme-Verlag 16

Alternativer Weg der Komplementaktivierung Kleine Mengen von C3 werden ständig im Plasma hydro!ysiert. Dabei wird C3 in C3a und C3b gespalten. Bindet sich das entstandene C3b an Mikroorganismen, kann der alternative Weg der Komplementaktivierung ausgelöst werden. Der Faktor D bewirkt durch Reaktion mit C3b die Spaltung des Faktors B in Ba und Bb. C3b verbindet Sich mit Bb zur C3-Konvertase des alternativen Weges, C3bBb. Durch den Faktor P (Properdin) wird dieser Komplex stabilisiert. Gleichzeitig wird dadurch die weitere Spaltung von C3 gefördert (AmpIifizierung). Durch weitere Anlagerung von C3b an die C3-Konvertase entsteht die C5-Konvertase des alternativen Weges, C3bBb3b. Lytische Terminalsequenz Beide C5-Konvertasen spalten C5 in C5a und C5b. C5b verbindet sich mit den beiden Komplementfaktoren C6 und C7 zu einem hydrophoben Komplex, der sich in der Lipidschicht von Zellen gut verankert. Danach binden auch noch die Faktoren C8 und C9 und es entsteht der C5b-9-Komplex, der zuerst eine lockere, später jedoch eine feste Bindung mit der Zellmembran eingeht. C9 bildet dabei Polymere von bis zu 14 Molekülen. Der gesamte Komplex wird nun als Membranangriffskompiex (MAK) bezeichnet. Dieser ist in der Lage, die Zellmembran zu durchlöchern. so dass Wasser in die Zelle eindringen kann, was zum Platzen der Zelle (Lyse) führt. Die Zelle ist aber in der Lage, sich bis zu einem gewissen Grad vor der Lyse zu schützen. Dazu gibt es in der Membran bewegliche Moleküle, CD59, die die stabile Bindung des C5b-C9-Komplexes und die Polymerisation des C9 hemmen. Abb.: lytische Terminalsequenz aus: Taschenatlas der Immunologie, Thieme-Verlag 17

Regulation der Komplementaktivierung Um Komplementangriffe auf körperejgene Zellen zu verhindern, gibt es im Serum verschiedene Proteine, die als Inhibitoren oder Inaktivatoren wirken. Der C1 -lnhibitor wurde schon genannt. Daneben gibt es den Komplementabbau-beschleunigenden Faktor (decay-accelerating-factor, DAF), der die Bindung von C2 an C4b verhindert und die Aufspaltung bereits vorhandener C4b2a-Komplexe fördert. Ein weiterer Rezeptor, CR1, hat ähnliche Wirkung, zusätzlich fördert er die Spaltung von C4b durch das Enzym F1. F1 spaltet außerdem auch C3b in C3c und C3dg. Das Spaltprodukt C3d bleibt auf der Zellmembran und kann dort nachgewiesen werden. Der Nach)weis von C3d ist der Beweis für überstandene Komplementaktivierung. C3b kann normalerweise nicht nachgewiesen werden, da es nach seiner Entstehung entweder sofort in die C5-Konvertase eingebaut wird oder sofort gespalten wird. Abb.: Hemmung der Komplementaktivierung aus: Taschenatlas der Immunologie, Thieme-Verlag Oft endet die Aktivierung von Komplement auf der Stufe von C3b. Die betroffenen Zellen sind beladen mit Komplement-Produkten, d.h. sie sind markiert, opsoniert und werden deshalb von Makrophagen phagozytiert und venichtet. Dies gilt auch für lmmunkomplexe. Damit ist gewährleistet, dass es nicht zu einer übermäßigen Zunahme von lmmunkomplexen im Blut kommt. 18