Vorname, Name: Rainer Blöcher Betreuender Dozent: 65451 Kelsterbach Studiengang: Versicherung. Direktion Frankfurt



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Antworten in Anhang dieser Brief! Montag, 23. Juli 2012

Transkript:

Piraterie und Terrorismus auf See- Auswirkungen auf die internationale Seeschifffahrt und Versicherungswirtschaft Bachelorarbeit für die Prüfung zum Bachelor of Arts (BA) im Ausbildungsbereich Wirtschaft Duale Hochschule Baden-Württemberg Mannheim Vorname, Name: Rainer Blöcher Betreuender Dozent: Semesteranschrift: Lange Straße 22 Herr Lübbers-Veltmann 65451 Kelsterbach Studiengang: Versicherung Kurs: WVS 06 C Ausbildungsbetrieb: Zurich Versicherung (AG) Deutschland Direktion Frankfurt Abgabetermin: 02.03.2009

- 2 - Abstract Ziel der Arbeit ist es den Zusammenhang zwischen der Seeschifffahrt, der Globalisierung und der Weltwirtschaft sowie die Präventionsmöglichkeiten und die Aufgaben der Versicherungswirtschaft im Kampf gegen Piraterie und Terrorismus aufzuzeigen. Unter Berücksichtigung internationaler Verflechtungen werden die Auswirkungen durch Piraterie und Terrorismus auf die internationale Seeschifffahrt, die Präventionsmöglichkeiten sowie die Versicherungslösungen aufgezeigt. Die Risiken durch Piraterie und Terrorismus für die Seeschifffahrt werden durch einen kurzen, geschichtlichen Überblick, der Definitionen der Begrifflichkeiten sowie anhand riskanter geografischer Gebiete erläutert. Im Vordergrund der Betrachtung werden hierbei Öltanker aufgrund der aktuellen Geschehnisse auf den Weltmeeren als Beispiele erwähnt. Als Antwort im Kampf gegen Piraterie und Terrorismus auf See stellen Gegenmaßnahmen u. a. durch den Staat, der Staatengemeinschaft, der Organisationen und durch die Reeder eine wichtige Rolle zur Minimierung des Risikos dar. Neben der Risikominimierung gehört der Risikotransfer in Form der Versicherung der Risiken zu den Maßnahnen im Risikomanagement eines Unternehmens. Die Betrachtung der Versicherbarkeit solcher Risiken ist hierbei auf den deutschen Versicherungsmarkt gerichtet. Im Vordergrund stehen die Kasko-, Waren- und Lösegeldversicherung.

- 3 - Inhaltsverzeichnis Abstract... 2 Abkürzungsverzeichnis... 5 Abbildungsverzeichnis... 8 1 Globalisierung und Seeschifffahrt... 9 1.1 Globalisierung und Wirtschaft... 9 1.2 Gefahren auf See... 11 2 Piraterie und Terrorismus auf See... 15 2.1 Geschichte... 15 2.1.1 Geschichtlicher Überblick Piraterie... 15 2.1.2 Geschichtlicher Überblick Terrorismus auf See... 17 2.2 Definitionen... 20 2.2.1 Allgemein Piraterie und Terrorismus... 20 2.2.2 Definition Piraterie... 20 2.2.3 Definition Terrorismus... 21 2.2.4 Definition Tanker... 22 2.3 Riskante geografische Gebiete für Öltanker... 23 2.3.1 Allgemein... 23 2.3.2 Straße von Hormuz... 24 2.3.3 Straße von Malakka... 25 2.3.4 Suez-Kanal... 26 2.3.5 Straße von Bab el-mandab... 27 2.3.6 Türkische Straßen... 27 2.3.7 Panama-Kanal... 28 2.3.8 Häfen und Hafenanlagen... 29 2.4 Gefahren durch Piraterie und Terrorismus... 30 2.4.1 Gefahren durch Piraterie... 30 2.4.2 Gefahren durch Terrorismus... 34 3 Gegenmaßnahmen im Kampf gegen Piraterie und Terrorismus... 37 3.1 Rechtsprechung und Gegenmaßnahmen der Staatengemeinschaft... 37 3.1.1 Gegenmaßnahmen der Staatengemeinschaft gegen Piraterie... 37

- 4-3.1.2 Rome Convention for the Suppression of unlawful Acts against the Safety of maritime Navigation (SUA)... 39 3.1.3 Gegenmaßnahmen der Staatengemeinschaft gegen Terrorismus... 41 3.2 Institutionen im Kampf gegen Piraterie und Terrorismus... 43 3.2.1 International Maritime Organisation (IMO)... 43 3.2.2 International Maritime Bureau (IMB)... 43 3.3 Neue Gefahrenabwehrsysteme gegen terroristische Anschläge... 44 3.3.1 Hintergrund für neue Gefahrenabwehrsysteme... 44 3.3.2 Convention for the Safety of Life at Sea (SOLAS)... 45 3.3.3 International Ship and Port Facility Security-Code (ISPS)... 45 3.4 Präventive Abwehrmaßnahmen... 47 3.4.1 Technische Maßnahmen... 47 3.4.2 Bewaffnete Teams... 48 3.4.3 Verhaltensrichtlinien und Schulungen... 49 3.5 Risikomanagement... 51 4 Versicherungsmöglichkeiten von Piraterie und Terrorismus... 53 4.1 Allgemein... 53 4.1.1 Maritimer Versicherungsmarkt... 53 4.1.2 Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB)... 54 4.2 Versicherung... 55 4.2.1 Schiffskaskoversicherung (Hull and Machinery insurance)... 55 4.2.2 Warentransportversicherung (Cargo insurance)... 56 4.2.3 Kriegsversicherung für die Kasko- und Warentransportversicherung... 57 4.2.4 Lösegeldversicherung (Kidnap and Ransom)... 58 4.2.5 Sonstige betroffene Versicherungen... 59 4.2.6 Beispielszenario Piraterie und Terrorismus... 60 5 Fazit... 63 Anhang... 66 Literaturverzeichnis... 68

- 5 - Abkürzungsverzeichnis % Prozent Abb. Abbildung ADS Allgemeine deutsche Seeversicherungsbedingungen AGB Allgemeine Geschäftsbedingungen AIS Automatic Identification System Art. Artikel AVB Allgemeine Versicherungsbedingungen bbl/d barrel per day BJM Bundesjustizministerium ca. zirka CSO Company Ship Officer DTV Deutscher Transport Versicherungsverband EGVVG Einführungsgesetz Versicherungsvertragsgesetz EOKA Ethniki Organosis Kyprion Agoniston EU Europäische Union evtl. eventuell GASP Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik GDV Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft GG Grundgesetz HGB Handelsgesetzbuch i. V. m. in Verbindung mit IMB International Maritime Bureau IMO International Maritime Organization Incoterms International Commercial Terms ISPS-Code International Ship and Port Facility Security Code LLAR Low Level Armed Robbery lt. laut MARPOL Marine Pollution MCH Major Criminal Hijacking

- 6 - Mio. Millionen Mrd. Milliarden MLAAR Medium Level Armed Assault and Robbery NATO North Atlantic Threaty Organization OAE Operation Active Endaviour OEF Operation Enduring Freedom PFSO Port Facility Security Officer PFSP Port Facility Security Plan PLF Palestine Liberation Front PRC Piracy Reporting Center SOLAS Convention for the Safety of Life at Sea SRÜ Seerechtsübereinkommen SSO Ship Security Officer SSP Ship Security Plan Stz. Satz SUA Suppression of unlawful Acts against the Safety of maritime Navigation SSAS Ship Security Alert System tdw tons dead weight TEU Twenty-foot Equivalent Unit u. a. unter anderem u. U. unter Umständen ULCC Ultra Large Cruide Carrier US United States USA United States of America USD US Dollar o. V. ohne Verfasser v. Chr. vor Christus VLCC Very Large Cruide Carrier VN-SRÜ Vereinte Nationen-Seerechtsübereinkommen VN Versicherungsnehmer VR Versicherer

- 7 - WTC World Trade Center WFP World Food Program VVG Versicherungsvertragsgesetz z. B. zum Beispiel

- 8 - Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Transport- und Kommunikationskosten... 9 Abb. 2: Energiekosten... 10 Abb. 3: Seefracht... 11 Abb. 4: Sturmfolgen in der Meerenge von Gibraltar... 12 Abb. 5: Feuer auf einem Frachter bei Sylt... 12 Abb. 6: Monsterwellen (Freak Waves)... 13 Abb. 7: Piratenübergriff auf ein Handelsschiff im 19. Jahrhundert... 16 Abb. 8: Terroranschlag auf das World Trade Center 2001... 19 Abb. 9: Straße von Hormuz mit Alternativen Pipelines... 24 Abb. 10: Straße von Malakka... 25 Abb. 11: Suez-Kanal... 26 Abb. 12: Straße von Bab el-mandab... 27 Abb. 13: Türkische Straßen (Bosporus und Dardanellen)... 28 Abb. 14: Panama-Kanal... 29 Abb. 15: SIRIUS STAR... 31 Abb. 16: Gebiet der Entführung SIRIUS STAR... 32 Abb. 17: USS "COLE" nach dem Anschlag... 35 Abb. 18: VLCC "LIMBURG" in Flammen... 35 Abb. 19: "ACHILLE LAURE"... 39 Abb 20: Fregatte MECKLEMBURG VORPOMMERN... 42 Abb. 21: Untergang der Titanic... 45 Abb. 22: Schallkanone... 47 Abb. 23: Deutscher Transportversicherungsmarkt... 53

- 9-1 Globalisierung und Seeschifffahrt 1.1 Globalisierung und Wirtschaft Seit 200 Jahren, verstärkt in den letzten 50 Jahren, haben sich die internationalen Verflechtungen so verändert, dass die internationale Kommunikation sowie der internationale Handel alltäglich geworden sind. Mit der Globalisierung und den Verflechtungen wird der Prozess der weltweiten Arbeitsteilung verstanden. Dieses Voranschreiten der internationalen Verflechtungen wurde u. a. durch sinkende Transport- und Kommunikationskosten begünstigt. 1 Abb. 1: Transport- und Kommunikationskosten 2 Die Abb. 1 soll hierbei die Kostenentwicklung von Transport- und Kommunikationskosten verdeutlichen. So sind die Kosten von 1930 bis 1990 um 65% in der Seefracht, 88% im Lufttransport und von 1930 bis 1995 um 99,88% in der Telekommunikation gesunken. Gründe für die Kostensenkung bei der Telekommunikation sind neben den neuen Möglichkeiten, die sich u. a. durch das Internet per E-Mail ergeben, die gesunkenen Kosten für ein Telefongespräch. So kostete ein dreiminütiges Gespräch von London nach New York im Jahre 1930 noch über 244 US-Dollar, während es 2005 30 US-Cent kostete. Diese Kostenreduzierung bewirkte, dass die Zahl der Anrufe ausgehend von den USA ins Ausland seit den siebziger Jahren um das Neunfache anstieg. Insgesamt betrachtet 1 Vgl.: o. V. (Globalisierung, 2006) 2 Abb.: o. V. (Globalisierung,2006)

- 10 - entwickelte sich dadurch eine grenzüberschreitende, jederzeitige Erreichbarkeit weltweit. 3 Der Transportsektor ist durch die fortschreitende technologische Entwicklung geprägt. Neben dieser technologischen Entwicklung wirkten auch der Energiepreis und niedrigere Zollbelastungen positiv auf die Kosten. Abb. 2: Energiekosten 4 Wie in Abb. 2 zu erkennen ist, sind die Rohölpreise durch große Schwankungen gekennzeichnet. Gründe hierfür sind zum einen politische Ereignisse wie z. B. den Kriegen im Irak, zum anderen aber auch die höhere Nachfrage nach Erdölprodukten. Insgesamt betrachtet wurde der Warenhandel durch den relativ niedrigen Rohölpreis in den letzten Jahren begünstigt. Zudem führte die weltweite Marktliberalisierung durch das Absenken der Zollbelastungen zu günstigeren Rahmenbedingungen. Beispiele wie Freihandelszonen, der Binnenmarkt der EU, Kooperationen- und Integrationsbündnisse sowie regionale Handelsabkommen sind hier zu nennen. 5 Die sinkenden Transport- und Kommunikationskosten beeinflussen den Prozess der Globalisierung. Auswirkungen sind z. B., dass die Güter immer mehr weltweit transportiert werden und somit technische Entwicklungen schneller auf den Märkten erhältlich sind. Abschließend betrachtet führt die Globalisierung zu einer vernetzten Weltwirtschaft mit dem daraus resultierenden höheren Fracht- 3 Vgl.: o. V. (Globalisierung, 2006) 4 Abb.: o. V (Energiekosten, 2006) 5 Vgl.: o. V (Energiekosten, 2006)

- 11 - aufkommen. Die Abb. 3 soll hierbei das weltweit gestiegene Frachtaufkommen belegen. Sie zeigt auf, dass es nahezu zu einer Verdreifachung der weltweiten Seefrachttransporte zwischen den Jahren 1970 und 2004 gekommen ist. 6 Abb. 3: Seefracht 7 Der beschriebene positive Verlauf der Globalisierung ist von vielen Faktoren abhängig. Diese Faktoren können auch negativ beeinflusst werden. So können lokale Krisen aufgrund der vernetzten Wirtschaft zu Krisen in der Weltwirtschaft führen. 1.2 Gefahren auf See Als Gefahren auf See sind u. a. Naturgefahren wie Sturm, Feuer oder Riesenwellen sowie technisches Versagen oder die Gefahren, die durch den Faktor Mensch zustande kommen, zu nennen. Ein Beispiel für die Naturgefahr Sturm ist der Oktober 2008, als ein schwerer Sturm in Südspanien herrschte. Zwei Frachtschiffe, die FEDRA und die TAWE, sind durch den schweren Sturm in der Meerenge von Gibraltar auf Grund gelaufen. Die FEDRA brach auseinander, nachdem sie aufgrund des Sturmes gegen eine Felsküste gedrückt wurde (siehe Abb. 4). Folge war, dass etwa 200 Tonnen Öl ins Meer strömten. Aufgrund der entstandenen Ölteppiche 6 Vgl.: o. V. (Seefracht, 2006) 7 Abb.: o. V. (Seefracht, 2006)

- 12 - konnten die ansässigen Fischer mit ihren Booten nicht auslaufen und hatten dadurch einen finanziellen Schaden. Zudem wurden die Strände bei Tarifa verschmutzt. 8 Abb. 4: Sturmfolgen in der Meerenge von Gibraltar 9 Beispielhaft für die Naturgefahr Feuer ist der Oktober 1998, als der Holzfrachter PALLAS die bis dahin größte Umweltkatastrophe im Wattenmeer auslöste (siehe Abb. 5). Der Frachter, der voll mit Schnittholz geladen war, konnte erst nach über einem Monat gelöscht werden. 16.000 getötete Seevögel und 450 Tonnen Öl mussten aus dem Wrack sowie von den Stränden und auf dem Meer entfernt werden. 10 Abb. 5: Feuer auf einem Frachter bei Sylt 11 8 Vgl.: o. V. (Sturm, 2008) 9 Abb.: o. V. (Sturm, 2008) 10 Vgl.: o. V. (Feuer, 2008) 11 Abb.: o. V. (Feuer, 2008)

- 13 - Im April 2005 wurde das Kreuzfahrtschiff NORWEGIAN DAWN auf dem Weg zwischen den Bahamas und New York aufgrund einer Riesenwelle erheblich beschädigt. Die Welle erreichte etwa eine Höhe von 20 Meter und verursachte einen Sachschaden am Rumpf des Schiffes, zerschlug zwei Fenster und überflutete 62 Kabinen. Dabei wurden vier Personen leicht verletzt. Solche Riesenwellen haben das Potenzial bis zu 50 Meter hoch werden zu können. Sie entstehen durch Überlagerungen mehrerer einzelner Wellen (siehe Abb. 6). 12 Abb. 6: Monsterwellen (Freak Waves) 13 Das Kreuzfahrtschiff MONA LISA ist im Mai 2008 vor Lettland auf Grund gelaufen. Hintergrund für die Havarie sehen Experten entweder in einem individuellen Fehler (ausgelöst durch den Faktor Mensch) oder in einem technischen Versagen der Turbinen des Schiffes. Ein technisches Versagen der Turbinen nennen Nautiker einen Blackout, bei welchem das Schiff nicht mehr navigiert werden kann. 14 Der Faktor Mensch spielte im November 2008 bei einem schweren Zwischenfall auf dem russischen Atom U-Boot NERPA eine gravierende Rolle, als mindes- 12 Vgl.: o. V. (Superwelle, 2005) 13 Abb.: o. V. (Superwelle, 2005) 14 Vgl.: o. V. (Blackout, 2008)

- 14 - tens 20 Menschen ums Leben kamen und 21 Menschen verletzt wurden. 15 Während einer Testfahrt im Japanischen Meer hat ein Matrose das Feuerlöschsystem eingeschaltet, obwohl es hierfür keine Gründe gab. Aus dem System strömte das für den Menschen tödliche Kältemittel Freon aus. 16 Ermittler gehen davon aus, dass das Kältemittel zu den Todesfällen führte. Bei Freon handelt es sich um eine Kohlenwasserstoffverbindung, welche u. a. in Kühlschränken zum Kühlen verwendet wird. 17 Neben den bisher genannten Gefahren gibt es noch weitere Gefahren: Insbesondere die Gefahren der Piraterie und der Terrorismus fallen hierunter. Im nächsten Teil werden die Risiken behandelt, die durch Piraterie und Terrorismus auf See bestehen. Unter 1.1 wurde aufgezeigt, dass die Globalisierung und die Weltwirtschaft von verschiedenen Faktoren abhängig sind. Sie ist u. a. von den Kosten der Transporte von A nach B abhängig. Angenommen der Transport von Rohöl durch Öltanker wird auf einer Route auf den Weltmeeren aufgrund eines terroristischen Anschlags oder durch die Piraterie nachhaltig beeinflusst. Welche Folgen würde dies haben? Die jährliche Weltölproduktion betrug 2007 etwa 85 Millionen Barrel am Tag. 43 Millionen Barrel, also etwas mehr als die Hälfte der weltweiten Produktion wird mit Rohöltankern auf festen Seerouten transportiert. 18 Die Ausarbeitung der Folgen und die Auswirkungen auf die internationale Seeschifffahrt, die sich aus einem solchen Szenario ergibt, ist neben dem Aufzeigen der Präventionsmöglichkeiten sowie den Versicherungslösungen solcher Risiken ein Bestandteil dieser Arbeit. 15 Vgl.: o. V. (NERPA, 2008) 16 Vgl.: o. V. (Feuerlöschsystem, 2008) 17 Vgl.: o. V. (NERPA, 2008) 18 Vgl.: o. V. (Chokepoints, 2008)

- 15-2 Piraterie und Terrorismus auf See 2.1 Geschichte 2.1.1 Geschichtlicher Überblick Piraterie Ich müsste keine Schifffahrt kennen. Krieg, Handel und Piraterie, Dreieinig sind sie nicht zu trennen. 19 Diese beiden Sätze, stehend in Goethes Werk Faust, gesprochen von Mephistopheles, verdeutlichen die geschichtliche Existenz und die Bedeutung der Piraterie in ihren Facetten. Im antiken Griechenland galt die Piraterie als ein Handwerk wie es die Jagd und der Fischfang waren. 20 Dieses Handwerk der Piraterie wurde in der Antike für das römische Reich so bedrohlich, dass es zu Nahrungsengpässen hätte kommen können. Auf das Getreide aus Ägypten hatten es die Piraten abgesehen, welches das römische Reich mit Nahrung versorgte. Eine Flotte von 500 Schiffen und 20 Legionen unter der Führung von Gnaeus Pompeius ging gegen die Piraterie vor. Aufgrund des untergegangenen griechischen Reiches hausten die Seeräuber auf Kreta und Kilikien, wo um 70 v. Chr. keine Staatsmacht der Piraterie Einhalt gebieten konnte. Innerhalb weniger Monate konnte Pompeius aufgrund des militärischen Aufgebots die Handelsrouten frei und sicher machen. 21 Im Mittelalter, während der Blütezeit der Hanse, wird der Zusammenhang zwischen Krieg, Handel und der Piraterie deutlich. Häufige Kriege der Hansestädte und anderen Seemächten wurden nicht lediglich mit Kriegsflotten geführt, sondern auch mit Hilfe von Kaperbriefen an Seeräuberunternehmer. Allerdings wurde die Piraterie nach Beendigung des Krieges auf eigene Rechnung der Unternehmen weiterhin betrieben. 22 Ein weiterer Höhepunkt der Piraterie war die Zeit der Entdecker und Eroberer, als Länder wie Portugal, Spanien und England ihre Herrschaftsgebiete auf 19 Goethe, Johann Wolfgang (Faust, 2001), S.192 20 Vgl.: Artmann, Thomas; Berg, Dieter; Kratz, Tillmann et al. (Risikoanalyse, 2006), S.10 21 Vgl.: Kruse, Niels (Pompeius, 2008) 22 Vgl.: Stehr, Michael (Seekonflikt, 2004), S.6

- 16 - fremde Kontinente ausweiteten. Es war die Zeit vom 16.- 19. Jahrhundert, als der Seehandel aufblühte und die Piraten hohe Erträge erwarteten, auch im Auftrag des Staates. 23 Abb. 7: Piratenübergriff auf ein Handelsschiff im 19. Jahrhundert 24 Im 19. Jahrhundert wurde weltweit gegen die Piraterie vorgegangen. Die Staatspiraterie in Form von Kaperbriefen an private Unternehmen wurde, zumindest in Europa, 1856 im Vertrag von Paris rechtlich zur Kriegsführung geächtet. Komplett unterbunden werden konnte die Piraterie nicht, so dass die Gefahr der Piraterie auf See immer bestehen blieb. 25 In der heutigen Zeit ist das Thema der Piraterie aufgrund der Vorkommnisse und der Entwicklung in den letzten Jahren besorgniserregend. 2008 wurde mit 293 Schiffen (2007 263 Schiffe) der bisher höchste Wert von Piratenüberfällen in einem Jahr erfasst. Insgesamt wurden 2008 49 Schiffe (2007 18 Schiffe) entführt, 889 Geiseln genommen, 32 Seeleute verletzt, 11 getötet und 21 Seeleute werden noch vermisst. Die Verwendung von Schusswaffen ist von 72 Fällen in 2007 auf 139 Fälle in 2008 angestiegen. Die meisten Überfälle ereigneten sich mit 111 Vorfällen in Somalia. Nigeria folgt mit 40 Vorfällen allerdings wird darauf hingewiesen, dass die meisten Vorfälle in Nigeria nicht gemeldet werden. 23 Vgl.: Artmann, Thomas; Berg, Dieter; Kratz, Tillmann et al. (Risikoanalyse, 2006), S.11 24 Abb.: Artmann, Thomas; Berg, Dieter; Kratz, Tillmann et al. (Risikoanalyse, 2006), S.8-9 25 Vgl.: Stehr, Michael (Seekonflikt, 2004), S.7

- 17 - So berichtet das IMB von 100 zusätzlichen unbestätigten Überfällen. In anderen Regionen der Welt hat die Anzahl der Piratenaktivitäten abgenommen. 26 2.1.2 Geschichtlicher Überblick Terrorismus auf See Wie weit ein geschichtlicher Rückblick zum Thema Terrorismus möglich ist, ist umstritten. Im Artikel [d]ie Römer waren Meister im Anti-Terror-Kampf 27 von Welt Online wird beschrieben, dass die Piraten des Mittelmeeres wie die heutigen Terrorgruppen supranational organisiert gewesen seien. Dies spiegelt sich darin wieder, dass Feinde Roms, wie Sertorius in Spanien oder König Mithridates von Pontus, zu den Verbündeten der Piraten gehörten. Die Zeit um 70 v. Chr. solle geprägt gewesen sein von starken antirömischen Stimmungen. Im Zusammenspiel der Piraten und den Feinden Roms wurde versucht, die derzeitige militärische Macht Roms zu schwächen. Neben der schon erwähnten Kriegsflotte der Römer im Kampf gegen die Piraterie, war es das Ziel von Pompeius den harten Kern der Piraten von den Mitläufern zu trennen. Diejenigen Piraten, die sich friedlich in die römische Ordnung integrierten, wurden in der damaligen Hauptregion der Seeräuber angesiedelt. Insgesamt bedeutete die Herangehensweise von Pompeius neben der vorausgegangenen militärischen Lösung auch eine politische und gesellschaftliche Lösung. Dies stärkte das römische Reich gegen die antirömischen Tendenzen jener Zeit. 28 Es ist eine Frage der Auslegung, ob es sich um einen Akt von Terrorismus oder Piraterie handelt. Hierzu gab es in der neueren Zeit einen Fall, der defizitäre seerechtliche Regelungen offenbarte. 29 Das portugiesische Schiff SANTA MA- RIA wurde 1961 auf hoher See bei Venezuela von politisch motivierten Tätern entführt. 30 Portugal claimed it an act of piracy, the UK insisted on the recogni- 26 Vgl.: o. V. (Piratenüberfälle, 2008) 27 Speckmann, Thomas (Römer, 2008) 28 Vgl.: Speckmann, Thomas (Römer, 2008) 29 Vgl.: Stehr, Michael (Seekonflikt, 2004), S.94 30 Vgl.: Anyanova, Ekaterina (Seerecht, 2008), S.24-25

- 18 - tion of this act as an act as political. The USA refused to acknowledge this act as an act of piracy. 31 Als Abriss folgen Beispiele von Anschlägen im Zeitraum von 1950 bis 1990: 1956/57 wurden durch die Ethniki Organosis Kyprion Agoniston (EOKA, Nationale Organisation zypriotischer Freiheitskämpfer) eine Yacht versenkt sowie ein Handelsschiff und ein Landungsschiff beschädigt. 1963 begann durch kubanische Castro-Gegner ein maritimer Guerilla- Krieg, indem mit Booten u. a. die sowjetischen Frachter MV LVOV und MV BAKU angegriffen und versenkt wurden. 1970, während des Vietnam-Krieges brachten zwei Besatzungsmitglieder den Frachter CULUMBIA EAGLE in ihre Gewalt. Die beiden Besatzungsmitglieder richteten ihre Tat als Protest gegen den Vietnam-Krieg. 1973 wird mit einer Sprengladung im Hafen von Beirut die SANYA von der palästinensischen Organisation Schwarzer September versenkt. 1975 beginnt auf den Philippinen ein Terrorfeldzug auf See. Hierunter fällt u. a. ein Übergriff auf das Schiff SUEHIRO MARU eines japanischen Holztransporteurs. Der Übergriff endete damit, dass sich die Entführer, nach tagelangen Verhandlungen und Drohungen des militärischen Eingreifens durch die philippinische Armee, ergaben. 1978 versuchte die palästinensische Organisation Al Fatah das Frachtschiff AGIOS DEMITROS mit drei Tonnen Sprengstoff und 42 Raketengeschossen in einen israelischen Hafen zu steuern. Verhindert wurde dieser Anschlag durch die Versenkung des Schiffes durch das israelische Militär vor Erreichen des Seehafens. 1982 explodiert die philippinische Fähre SANTA LUCIA aufgrund eines Bombenanschlages durch die Moro National Liberation Front. Zwei Menschen kamen bei diesem Anschlag ums Leben. 1982 beginnen in Nicaragua die Contras einen Guerillakrieg, indem sie u. a. die wichtigen Hafeneinfahrten verminten. 31 Anyanova, Ekaterina (Seerecht, 2008), S. 25

- 19-1984 werden 18 Schiffe im Roten Meer durch Minen erheblich beschädigt. Die Organisation Islamic Djihad bekannte sich dazu, die Minen gelegt zu haben. 32 In der jüngsten Vergangenheit, am 11. September 2001, ist etwas passiert, was sich vorher niemand vorstellen konnte. It was a day that many around the world would never forget. 33 Abb. 8: Terroranschlag auf das World Trade Center 2001 34 Es war ein Terroranschlag, welcher tagelang ununterbrochen durch die Medien ging. Mit Flugzeugen wurde der Einsturz des World Trade Centers in New York verursacht und in Washington das Pentagon beschädigt. Ein solcher Anschlag galt bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal in den schlimmsten Szenarien als denkbar. Welche Szenarien durch den Terrorismus auf See denkbar sind, musste nach diesem Tag des Terrors überdacht werden. Denn der maritime [ ] Terrorismus birgt ein Potenzial, das mit den schwersten Anschlägen der Vergangenheit durchaus zu vergleichen ist oder diese noch übertreffen könnte. 35 32 Vgl.: Stehr, Michael (Seekonflikt, 2004), S.89-93 33 Vgl.: o. V. (Terrortag, o. J.) 34 Abb.: o. V. (Terrortag, o. J.) 35 Schmalenberger, B., (Terrorismuspotenzial, 2006)

- 20-2.2 Definitionen 2.2.1 Allgemein Piraterie und Terrorismus Piraterie und Terrorismus haben gemeinsam, dass sie mit Gewalt versuchen ihre Ziele und Forderungen durchzusetzen. Der wesentliche Unterschied liegt in der Motivation: Während Piraten ihre Taten ausüben um sich selbst zu bereichern, üben Terroristen einen Übergriff auf ein Schiff aus um politische Forderungen durchsetzen zu können. 36 2.2.2 Definition Piraterie Die Definition Piraterie wird dadurch erschwert, dass Rechtstatbestände die Rechtsgrundlage liefern, was unter Piraterie verstanden wird. Aus dem Recht heraus wird zudem definiert, wie Piraten strafrechtlich verfolgt werden. In der heutigen Zeit existieren zwei Rechtsräume auf den Weltmeeren. Zum einen der Rechtsraum auf Hoher See, zum anderen die Ausschließlichen Wirtschaftszonen sowie Küstengewässer. Als Rechtsgrundlage auf Hoher See gilt das Völkerrecht. Dieses besagt, dass nach einem Überfall auf ein Schiff eine Strafverfolgung nach dem nationalen Recht der Schiffsnationalität stattfindet. Hierbei kann es u. U. zu Streitigkeiten kommen, wer für die Rechtsstreitigkeiten zuständig ist. Bei Küstengewässern gilt als Grundlage das nationale Recht des jeweiligen Küstenstaates oder subsidiär das Völkerrecht. Der Tatbestand Piraterie ist allerdings in den meisten Nationen selbst nicht näher bestimmt worden. 37 Das Völkerrecht definiert Piraterie in Art. 101 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen (VN-SRÜ) folgendermaßen: 38 Seeräuberei ist jede der folgenden Handlungen: [ ] jede rechtswidrige Gewalttat oder Freiheitsberaubung oder jede Plünderung, welche die Besatzung oder die Fahrgäste eines privaten Schiffes oder Luftfahrzeugs zu privaten Zwecken begehen und die gerichtet ist 36 Vgl.: Baaske, G.; Dreißig, D.; Hahne, J. et al. (Arbeitsschutz, 2006), S.108 37 Vgl.: Stehr, Michael (Seekonflikt, 2004), S.17-18 38 Vgl.: o. V. (Rechtsgrundlage Atalanta)

- 21 - I. auf Hoher See gegen ein anderes Schiff oder Luftfahrzeug oder gegen Personen oder Vermögenswerte an Bord dieses Schiffes oder Luftfahrzeuges; II. an einem Ort der keiner staatlichen Hoheitsgewalt untersteht, gegen ein Schiff, ein Luftfahrzeug, Personen oder Vermögensgegenwerte [ ]. 39 Das Völkerrecht definiert somit Piraterie als einen Akt, der der persönlichen Bereicherung dient. Er umfasst zudem Körperverletzung, Tötung, Vergewaltigung und Freiheitsberaubung. Nicht eingeschlossen in der Definition ist, wenn Terroristen versuchen durch ihre Überfälle ihre terroristischen Aktivitäten zu finanzieren. Daher ist der Begriff der Piraterie zu trennen von der Begrifflichkeit Terrorismus. Ein Nachteil der Definition Piraterie durch das Völkerrecht ist, dass es nicht übergreifend überall gilt, sondern lediglich in den Seegebieten, in denen die Hoheitsrechte eines Küstenstaates nicht gelten. Daher kommt es vor, dass die Auslegungen der Definition Piraterie unterschiedlich in den einzelnen Ländern gesehen wird und sogar teilweise noch nicht definiert wurde. 40 2.2.3 Definition Terrorismus Für den Begriff Terrorismus gibt es keine eindeutige Definition. Selbst nach dem Ereignis vom 11. September, als sich die Vereinten Nationen darauf einigten, dass Terrorismus eine Bedrohung für den Weltfrieden darstellt, wurde bis zum heutigen Zeitpunkt keine strafrechtlich relevante Definition vereinbart. Strittig ist die von den islamischen Staaten geforderte Ausnahme, Befreiungsbewegungen nicht als Terrorismus zu definieren. 41 Des einen Terrorist ist des anderen Freiheitskämpfer 42. Radikale Organisationen sind der Auffassung, dass ein berechtigter Widerstand nicht mit dem Terrorismus verglichen werden darf. Manche islamische Staaten tolerieren diese Sichtweise. Für andere Nationen ist ein Anschlag auf unschuldige Menschen ein Verbrechen. Die USA und die EU 39 o. V. (Rechtsgrundlage Atalanta, 2008) 40 Vgl.: Stehr, Michael (Seekonflikt, 2004), S.19-21 41 Vgl.: Oltmanns, Jan (Terroismusdefinition, 2004) 42 Oltmanns, Jan (Terroismusdefinition, 2004)

- 22 - haben sich an einer einheitlichen Definition des Begriffes Terrorismus versucht, um eine einheitliche strafrechtlich relevante Definition im Rechtssystem implementieren zu können 43. Sie lautet: Als terroristischer Akt werden Handlungen angesehen, deren Ziel es ist, die die Bevölkerung der betroffenen Staaten einzuschüchtern und ihre Regierungen einzuschüchtern. 44 Diese Definition der USA und der Europäischen Union unterstellt, dass lediglich die Motivation auf politischer Ebene ein Akt des Terrorismus ist. Eine weitergehende Definition könnte folgendermaßen lauten: Terrorismus ist ein Akt, dessen Ziel es ist, sowohl politische, kulturelle oder religiöse Ziele durchzusetzen ohne sich persönlich bereichern zu wollen. Solch eine weit gefasste Definition hat zum Nachteil, dass Bürgerrechtler befürchten, dass diese Definition zu einem Missbrauch führen kann, indem es zu unbegründeten Inhaftierungen kommt. 45 2.2.4 Definition Tanker Ein Tanker ist ein Frachtschiff, welcher halbflüssige, flüssige oder gasförmige Produkte transportiert. Daher gibt es Erdöltanker, Produktentanker, Chemikalientanker und Flüssiggastanker. Produktentanker dienen zum Transport verschiedener Ölarten oder anderer Flüssigkeiten, welche nicht aggressiv sind. Aggressive Flüssigkeiten, wie Säuren oder Laugen, werden in Chemikalientankern transportiert. In den Flüssiggastankern werden verflüssigte Gase transportiert und in den Erdöltankern Erdöl. 46 Tanker lassen sich zudem nach ihrer Größe unterscheiden. Es gibt folgende Tankergrößen: Die Handysize- und Handymax-Schiffe haben eine Ladungskapazität von 30.000 und 59.999 tdw, die Panamax-Schiffe zwischen 60.000 und 79.999 tdw, die Aframax-Schiffe zwischen 80.000 und 119.999 tdw, die Suezmax-Schiffe zwischen 120.000 und 199.999 tdw und die Very Large Cruide Carrier (VLCC) und Ultra Large Cruide Carrier (ULCC) über 200.000 tdw. Die Welt- 43 Vgl.: Oltmanns, Jan (Terroismusdefinition, 2004) 44 Oltmanns, Jan (Terroismusdefinition, 2004) 45 Vgl.: Oltmanns, Jan (Terroismusdefinition, 2004) 46 Vgl.: o. V. (Tanker, o. J.)

- 23 - tankerflotte bestand 2008 aus 3.480 Tankern mit einer Gesamttragfähigkeit von 367,68 Mio. tdw. 47 Konzentrieren wird sich die Arbeit auf die Rohöltanker, die den größten Anteil der Tonnage bei den Tankern darstellt. Die Entwicklung der Tanker ist geprägt durch neue Anforderungen des Rohölmarktes sowie vom Umweltschutz. Das bedeutet, dass die Schiffe in den letzten Jahrzehnten zunächst immer größer wurden. In den 70er Jahren erreichten Rohöltanker eine Größe von 500.000 tdw. Je nach Schiffsgröße wurden ab dem Baubeginn 1974 die Größe der einzelnen Tanks in einem Schiff auf 30.000 bis 40.000 tdw begrenzt, um einen möglichen Austritt von Rohöl zu begrenzen. Durch das internationale Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung (MARPOL, Annex I) wurden für Neubauten von Tanker weitere neue Regeln für den Umweltschutz aufgestellt. Dies betrifft u. a. den Aufbau der Tankschiffe. Ein Beispiel hierfür ist, dass gefordert wird, dass Tankschiffneubauten mit einer Doppelhülle gebaut werden sollen. 48 2.3 Riskante geografische Gebiete für Öltanker 2.3.1 Allgemein Zu den riskanten geografischen Gebiete für Öltanker auf See gehören die so genannten Chokepoints, die Nadelöhre der Weltmeere, wie sie die Straße von Hormuz, die Straße von Malakka, der Suez-Kanal, die Straße von Bab el- Mandab, die türkischen Straßen und der Panama-Kanal darstellen. Kommt eine dieser Straßen zum Stillstand aufgrund von Terrorismus oder Piraterie, so hat dies unmittelbare Auswirkungen auf die internationale Seeschifffahrt und auf die Weltwirtschaft. 49 47 Vgl.: Niefund, Michael (Schiffsmarktreport, 2008) Hamburg, Der Tankerreport, S.40,42,44,46-47,51 48 Vgl.: Bornemann, S; Dietrich, J.O.; Kaps, H.; Lüdicke et al. (GAUSS, 2008), S.59-62 49 Vgl.: o. V. (Chokepoints, 2008)

- 24-2.3.2 Straße von Hormuz Die Straße von Hormuz liegt zwischen dem Oman und dem Iran und verbindet den Persischen Golf mit dem Golf von Oman (siehe Abb. 9). Im ersten Halbjahr 2008 waren täglich Tanker mit einer Beladung von etwa 17 Millionen bbl/d Rohöl auf dem Seeweg durch diese Seestraße unterwegs. Dies entspricht etwa 20% des weltweit gehandelten Öls oder 40% des über die See gehandelten Rohöls. An ihrer engsten Stelle ist die Straße 21 Meilen breit. Hauptsächlich wird das Öl nach Asien, den USA und nach Europa transportiert. Kommt es zu einem Stillstand auf diesem Seeweg, so wäre die Folge, dass ein Ausweichen auf andere Routen die Reisedauer verlängern würde. 50 Abb. 9: Straße von Hormuz mit Alternativen Pipelines 51 Alternativ zum Seeweg könnte der Transport über Pipelines (in der Abb. grüne Linien) erfolgen. So zum Beispiel durch die 745 Meilen lange, so genannte Ost- West-Pipeline mit einer Kapazität von 5 Millionen bbl/d, der Pipeline zum Roten Meer mit einer Kapazität von 290.000 bbl/d, die Wiederinstandsetzung der Irak- Pipeline durch Saudi-Arabien mit einer Kapazität von 1,65 bbl/d sowie die Nutzung der Pipeline zum Libanon mit einer Kapazität von 0,5 Millionen bbl/d. Eine 50 Vgl.: o. V. (Chokepoints, 2008) 51 Abb.: o. V. (Chokepoints, 2008)

- 25 - weitere Variante wäre, dass das Öl vom Irak in die Türkei gepumpt werden würde, um das Rohöl von dort aus per Schiff weiter zu transportieren. 52 2.3.3 Straße von Malakka Die Straße von Malakka liegt zwischen Indonesien, Malaysia und Singapur. Sie stellt den kürzesten Seeweg zwischen dem Persischen Golf und den asiatischen Märkten wie China, Japan oder Südkorea dar. 2006 wurden 15 Millionen bbl/d Rohöl durch diese Straße befördert. Ihre engste Stelle ist 1,7 Meilen breit. Über 50.000 Schiffe fahren jährlich durch die Straße von Malakka. Wäre diese Straße nicht mehr schiffbar, so müsste nahezu die Hälfte der Weltflotte eine längere Route in Kauf nehmen. 53 Abb. 10: Straße von Malakka 54 Varianten wären um den indonesischen Archipel herum durch die Lambok- Straße, liegend zwischen den Inseln Bali und Lambok oder durch die Sunda- Straße zwischen Java und Sumatra. Eine zukünftige Variante für den Transport von Rohöl ist eine Pipeline durch den Norden von Malaysia und der südlichen Grenze von Thailand, die den derzeitigen Tankerverkehr durch die Straße von Malakka um 20% reduzieren soll. 55 52 Vgl.: o. V. (Chokepoints, 2008) 53 Vgl.: o. V. (Chokepoints, 2008) 54 Abb.: o. V. (Chokepoints, 2008) 55 Vgl.: o. V. (Chokepoints, 2008)

- 26-2.3.4 Suez-Kanal Der Suez-Kanal mit einer Länge von 120 Meilen liegt in Ägypten und verbindet das Rote Meer mit dem Mittelmeer. 2006 wurden auf diesem Seeweg 4,5 Millionen bbl/d Rohöl transportiert. Dies entspricht einer Anzahl von über 3.000 Öltransporten und 25% der Gesamtkapazität des Schiffsverkehrs durch den Kanal. Die engste Stelle des Kanals ist 1.000 Fuß breit. Daher können größere Tanker diesen Kanal nicht durchfahren. 56 Abb. 11: Suez-Kanal 57 Die derzeitige Alternative, die Suez-Mediterranean Pipeline zwischen dem Roten Meer und dem Mittelmeer mit einer Kapazität von 3,1 Millionen bbl/d ist nahezu ausgelastet. Größere Tanker, für die der Weg durch den Kanal nicht möglich ist, müssen um das Kap der Guten Hoffnung, was insgesamt ein zusätzlicher Seeweg von 6.000 Meilen bedeutet. 58 56 Vgl.: o. V. (Chokepoints, 2008) 57 Abb.: o. V. (Chokepoints, 2008) 58 Vgl.: o. V. (Chokepoints, 2008)

- 27-2.3.5 Straße von Bab el-mandab Die Straße von Bab el-mandab liegt zwischen dem Horn von Afrika und dem Mittleren Osten. Sie ist eine der strategisch wichtigsten Seestraßen zwischen dem Mittelmeer und dem Indischen Ozean zwischen Yemen, Djibouti und Eritrea. Die Wasserstraße verbindet das Rote Meer mit dem Golf von Aden. An ihrer engsten Stelle ist sie 18 Meilen breit. Transportiert wurden 2006 3,3 Millionen bbl/d Rohöl. 59 Abb. 12: Straße von Bab el-mandab 60 Eine Alternative zum Seeweg bietet derzeit die East-West Pipeline durch Saudi- Arabien mit einer Gesamtkapazität von 4,8 Millionen bbl/d. 61 2.3.6 Türkische Straßen Die Türkischen Straßen (Bosporus und Dardanellen) verbinden das Schwarze Meer mit dem Mittelmeer. Der 17 Meilen lange Wasserweg in der Türkei ist an seiner engsten Stelle eine halbe Meile breit. Aufgrund dieser Enge ist dieser Wasserweg eine der gefährlichsten Seestraßen der Welt, der hohe Anforderun- 59 Vgl.: o. V. (Chokepoints, 2008) 60 Abb.: o. V. (Chokepoints, 2008) 61 Vgl.: o. V. (Chokepoints, 2008)

- 28 - gen an die Navigation stellt. Mit jährlich 50.000 Schiffen, davon 5.500 Öltanker, gehören die Türkische Straßen zu den Wasserwegen mit dem höchsten Verkehrsaufkommen weltweit. Sie gehört zur Exportroute für die Ölproduktion vom Kaspischen Meer zum Weltmarkt. 2,4 Millionen bbl/d werden auf diesem Seeweg transportiert. Aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens auf dieser Straße und aufgrund der Probleme für die Navigation sind einige Pipeline-Projekte in Entwicklung. 62 Abb. 13: Türkische Straßen (Bosporus und Dardanellen) 63 2.3.7 Panama-Kanal Der Panama-Kanal verbindet den Pazifischen Ozean mit dem Atlantischen Ozean. 2006 wurden durch diesen Seeweg 0,5 Millionen bbl/d transportiert. In der heutigen Zeit spielt der Panama-Kanal aufgrund der immer größer werdenden Tanker eine nicht mehr so große Bedeutung für Öltanker. Einige der derzeitig größten Öltanker können bis zu fünfmal größer sein als es die Maximalkapa- 62 Vgl.: o. V. (Chokepoints, 2008) 63 Abb.: Vgl.: (Chokepoints, 2008)

- 29 - zität auf dem Kanal zulässt. Der Kanal ist 50 Meilen lang und an seiner engsten Stelle 110 Fuß breit. Rund 14.000 Schiffe durchqueren den Kanal jährlich. 64 Abb. 14: Panama-Kanal 65 Im September 2007 wurde der Ausbau des Kanals von der Regierung Panamas beschlossen. Fünf Milliarden USD wird der Ausbau kosten. Trotz dieses Ausbaues werden die großen Öltanker weiterhin den Seeweg über die Straße von Magellan, Cape Horn oder der Drake-Passage in Kauf nehmen müssen. Alternativ zu diesem Seeweg gibt es seit 1982 eine Trans-Panama Pipeline mit einer Kapazität von 800.000 bbl/d. 66 2.3.8 Häfen und Hafenanlagen Neben diesen Nahtstellen sind weltweit die Häfen und Hafenanlagen als riskante geografische Gebiete zu nennen. Eine Hafenschließung aufgrund von Terrorismus oder Piraterie hätte massive Auswirkungen. Ein Szenario wäre beispielsweise die Annahme, dass eine Dirty Bomb aufgrund eines terroristischen Anschlages in einer Hafenanlage explodiert. Neben den direkten Verletzten und Todesopfern aufgrund der Explosion würde die radioaktive Verseuchung dazu führen, dass der Hafen für mehrere Wochen geschlossen werden müsste. Öko- 64 Vgl.: o. V. (Chokepoints, 2008) 65 Abb.: o. V. (Chokepoints, 2008) 66 Vgl.: o. V. (Chokepoints, 2008)

- 30 - nomisch gesehen hätte dies u. a. zur Folge, dass Güter nicht mehr an diesem Hafen abgefertigt werden können, Hafenarbeiter ihren Job verlieren würden, Unternehmen Konkurs gehen würden, sowie hohe Kosten für die Dekontamination sowohl der Hafenanlage als auch der Umgebung entstehen würden. Insgesamt betrachtet würde ein solcher Anschlag eine Schwächung der Wirtschaft für die Region des Hafens bedeuten, evtl. sogar für das gesamte Land bis hin zu Auswirkungen auf die gesamte Weltwirtschaft. 67 2.4 Gefahren durch Piraterie und Terrorismus 2.4.1 Gefahren durch Piraterie Die Gefährdung durch Piraterie wird nach dem International Maritime Bureau (IMB) in drei Level, welche sich an der Schwere des Angriffs orientieren, unterschieden: Low Level Armed Robbery (LLAR), Medium Level Armed Assault and Robbery (MLAAR) und Major Criminal Hijacking (MCH). 68 LLAR: Kleinere Überfälle von allein operierenden Banden in Häfen oder auf Reede in der Nacht. Die Banden sind auf leichte Beute wie Geld oder Wertsachen aus. Sie sind bewaffnet mit Stich-, Hieb- und Schusswaffen. MLAAR: Überfälle in Häfen oder küstennahen Gewässern von Banden, welche sich organisiert strukturiert haben, indem sie u. a. mit dem Hafenpersonal gute Beziehungen pflegen. Ziel der Banden bei einem solchen Überfall ist es, mehr als leichte Beute oder Wertsachen aus der Aktion zu bekommen. MCH: Bei MCH handelt es sich um international strukturierte Organisationen, die Schiffe mit der Ladung kapern. Die Organisation muss hierbei Kontakte zum Hafenverwaltungspersonal haben, als auch mit der Polizei in Verbindung stehen, da die Piraten u. a. die gekaperten Schiffe neu benennen und mit gefälschten Papieren an andere veräußern. 69 67 Vgl.: Braunberger, Gerald (Hafenanschlag, 2006) 68 Vgl.: Baaske, G.; Dreißig, D.; Hahne, J. et al. (Arbeitsschutz, 2006), S.108 69 Vgl.: Möllers, M.H.W.; van Oyen, R. Ch. (Hrsg.) (Öffentliche Sicherheit, 2007), S.5-6

- 31 - Piraten selbst nutzen bei einem Übergriff Schwachstellen eines Schiffes aus. So haben Schiffe mit einer geringen Geschwindigkeit, mit einem niedrigen Freibord, keiner oder schwach ausgeleuchteten Bordwand ein erhöhtes Überfallrisiko. 70 Für die Ausmaße von Piratenübergriffe konzentriert sich die Arbeit auf das Küstengebiet von Somalia. Im September 2008 wurde von Somalias Piraten ein Very Large Crude Carrier (VLCC) überfallen. Es handelte sich um die SIRIUS STAR (siehe Abb.15). 71 Abb. 15: SIRIUS STAR 72 Der Tanker fährt für den staatlichen saudischen Ölkonzern Aramco unter liberianischer Flagge. Die Besatzung auf dem Supertanker bestand zu diesem Zeitpunkt des Überfalls aus 25 Mitgliedern. Das Schiff selbst war mit zwei Millionen Barrel Rohöl beladen, das einen Wert von ca. 100 Mio. USD hatte; etwa ein Viertel der Menge, die Saudi-Arabien täglich exportiert. Besorgniserregend an diesem Überfall ist, dass sich der Überfall nicht direkt vor der Küste Somalias ereignete 73, sondern im Indischen Ozean, 450 Seemeilen vor der ostafrikani- 70 Vgl.: Baaske, G.; Dreißig, D.; Hahne, J. et al. (Arbeitsschutz, 2006), S. 109. 71 Vgl.: Wetzel, Hubert (Überfall SIRIUS, 2008) 72 Abb.: Wetzel, Hubert (Überfall SIRIUS, 2008) 73 Vgl.: Wetzel, Hubert (Überfall SIRIUS, 2008)

- 32 - schen Küste. 74 Das IMB äußerte sich folgendermaßen: Im Golf von Aden konnte das Problem leichter unter Kontrolle gebracht werden, weil das ein vergleichsweises kleines Gebiet ist, das überwacht werden muss. 75 Nun muss auch der Indische Ozean überwacht werden. Abb. 16: Gebiet der Entführung SIRIUS STAR 76 Erreicht werden konnte der Übergriff auf die SIRIUS STAR durch Tarnung so genannter Mutterschiffe, die von den Piraten früher gekapert wurden und unverdächtig erscheinen, da sie von den Fregatten nicht als Piratenschiffe auszumachen sind. Technische Probleme werden von den Piratenschiffen vorgetäuscht, damit sich die Mutterschiffe an ihre Opfer annähern können. Mit Schnellbooten hinter den Mutterschiffen greifen die Seeräuber an. Vermutet wird zudem, dass die Piraten Informationsquellen in der ganzen Welt verteilt haben, die es ihnen ermöglichen, Schiffsrouten und Schiffsladung der möglichen Opfer zu erhalten. 77 Für einen Überfall auf einen Supertanker gab es zuvor Indizien. Piraten haben vor dem erfolgreichen Übergriff auf die SIRIUS STAR zwei Supertanker angegriffen. Es handelte sich um einen japanischen Tanker, welcher von den Piraten beschossen wurde und um einen iranischen Tanker, der von den Piraten verfolgt wurde. Beide Tanker konnten den Piraten 74 Vgl.: Dietrich, Johannes (Piratenindustrie, 2008) 75 Wetzel, Hubert (Überfall SIRIUS, 2008) 76 Abb.: o. V. (Piratenhafen, 2008) 77 Vgl.: Dietrich, Johannes (Piratenindustrie, 2008)

- 33 - entkommen. 78 Nach der Entführung der SIRIUS STAR steuerten die Piraten den Tanker in den somalischen Hafen Eyl, der als Rückzugsgebiet für Piraten gilt, da in diesem Hafen mehrere gekaperte Schiffe vor Anker liegen. 79 Anfänglich waren die Lösegeldforderungen der Piraten niedrig. Mittlerweile betragen die Lösegeldforderungen mindestens 1 Mio. USD für ein Schiff, die bezahlt werden. 80 Für den Supertanker SIRIUS STAR wurden nach zwei Monaten Entführung im Januar 2009 3 Mio. USD Lösegeld an die Seeräuber bezahlt, die anfänglich 25 Mio. USD verlangten. 81 Nach Freigabe der SIRIUS STAR sind acht Piraten im Indischen Ozean in ihrem Boot gekentert, fünf von ihnen ertranken und mit ihnen auch der Anteil am millionenschweren Lösegeld. Drei der Piraten haben das Ufer schwimmend erreicht. 82 Aufgrund der höheren Gefahr durch die Piraterie im Golf von Aden, wurden die Versicherungsprämien für den Schiffstransport durch dieses Gebiet erhöht. Daher nehmen einige Reeder Umwege in Kauf, indem sie ihre Schiffe um das Kap der guten Hoffnung fahren lassen. 83 Lässt der Reeder bzw. Charterer seine Schiffe den Umweg fahren, dann fahren die Schiffe nicht mehr durch den Suez- Kanal. Somit werden die Einnahmen durch die Kanalgebühren für Ägypten reduziert, die derzeit mit rund USD 5,2 Mrd. etwa die gleiche Höhe der Einnahmen erreichen wie durch den Tourismus. Durch den Umweg um das Kap der guten Hoffnung dauert die Fahrt etwa 20 Tage länger als bisher. Da aber die Schiffsflotte von der Anzahl her begrenzt ist, wird es bei einem dauerhaften Umweg zusätzlich zu Mehrkosten kommen, die sich im Endeffekt auf den Verbraucher auswirken. 84 Aufgrund dieser Tatsachen hat der Bundestag beschlossen im Rahmen der EU-Mission Atalanta, dass sich die Bundesmarine am Horn von Afrika daran beteiligt, für sichere Seewege in dieser Region zu sorgen, indem gekaperte Schiffe befreit und Piraten festgenommen werden. 85 78 Vgl.: Wetzel, Hubert (Überfall SIRIUS, 2008) 79 Vgl.: o. V. (Piratenhafen, 2008) 80 Vgl.: Dietrich, Johannes (Piratenindustrie, 2008) 81 Vgl.: o. V. (Lösegeldzahlung, 2009) 82 Vgl.: o. V. (Piraten ertrinken, 2009) 83 Vgl.: Von Tiesenhausen, Friederike (Globale Herausforderung, 2008) 84 Vgl.: Hecking, Claus; Krümpel, Mark; Saleh, Heba et al. (Umwege, 2008) 85 Vgl.: o.v. (Kabinettsbeschluss, 2008)

- 34 - Neben der EU-Mission beteiligen sich Verbände aus den USA, Russland, Indien und China beim Kampf gegen die Piraterie. Die neusten Erkenntnisse der ersten Januarwoche zeigen bisher auf, dass der Einsatz von Kriegsschiffen zur Sicherung der Seewege ihr Ziel verfehlen könnte. Die somalischen Piraten treten aggressiver auf- sie machen schneller Gebrauch von Schusswaffen und versuchen mit Hilfe von Computer-Hackern die Marineverbände auf falsche Fährten zu locken. 86 2.4.2 Gefahren durch Terrorismus Als Gefahren durch Terrorismus auf See sind u. a. zu nennen; der Transport von Waffen oder gefährlichen Stoffen durch Terroristen, die Nutzung des Schiffes selbst als Bombe in Hafenanlagen oder an Ölplattformen, die Versenkung von Schiffen, damit der Schiffsverkehr in Seestraßen oder Hafenanlagen blockiert wird sowie Schiffsentführungen um z. B. politische Ziele und Forderungen durchsetzen zu können. 87 Aus dem Terrorismusjahresbericht vom US- Außenministerium geht hervor, dass für die USA und deren Verbündete eine große terroristische Bedrohung von der Terrorganisation Al Quaida ausgeht. 2007 wurden von Al Quaida 5.400 Zivilisten verletzt oder getötet. Laut dem Bericht werden Terroristen von Iran, Syrien, Sudan, Nordkorea und Kuba unterstützt. Insgesamt wurden 2007 22.600 Menschen getötet. Die meisten Terroranschläge gab es im Irak mit 6.200 und in Afghanistan mit 1.200 Anschlägen. 88 Beispiele für Anschläge der Al Quaida auf See sind die Anschläge auf die USS COLE und auf die VLCC LIMBURG. 89 Das amerikanische Kriegsschiff USS COLE befand sich im Oktober 2000 zur Betankung in einem Hafen in Yemen. Ein Boot, mit Sprengstoff beladen, näherte sich dem tankenden Schiff, ohne dass die Wachen misstrauisch wurden. Die Wachen haben daher die Sicherheitsmaßnahmen der US-Navy nicht konse- 86 Vgl.: o. V. (Piratenabschreckung, 2009) 87 Vgl.: Baaske, G.; Dreißig, D.; Hahne, J. et al. (Arbeitsschutz, 2006), S.108 88 Vgl.: o. V. (Al Quaida, 2008) 89 Vgl.: Hess, Sigurd (Seesicherheit, o. J.), S.4

- 35 - quent durchgeführt, da sie das Boot überhaupt näher kommen ließen. Ergebnis war, dass die Sprengladung auf dem Boot ein großes Leck in das Kriegsschiff riss (siehe Abb.17). 17 Menschen starben bei diesem Anschlag. 90 Abb. 17: USS "COLE" nach dem Anschlag 91 Im Oktober 2002 befand sich der Tanker VLCC LIMBURG mit etwa 300.000 Tonnen tdw wenige Meilen von der Küste Yemens entfernt. Ein Speedboot (schnelles Motorboot) näherte sich dem Tanker, explodierte am Schiff und riss ein Loch in die Bordwand. 92 Abb. 18: VLCC "LIMBURG" in Flammen 93 Folge des terroristischen Anschlages auf die VLCC LIMBURG war, dass das Schiff in Flammen aufging (siehe Abb. 18) und Rohöl in den Golf von Aden floss. Ein Seemann kam bei diesem Anschlag ums Leben, der Rest der Mannschaft konnte sich retten. 94 Wirtschaftlich hatte der Anschlag auf die VLCC LIMBURG zur Folge, dass die Versicherer die Prämien für Schiffsreisen in den Yemen verdreifachten. Einige Liniendienste hatten daraufhin beschlossen, Hä- 90 Vgl.: Stehr, Michael (Seekonflikt, 2004), S.99 91 Abb.: o. V. (USS- COLE, 2004) 92 Stehr, Michael (Seekonflikt, 2004), S.99-100 93 Abb.: o. V. (LIMBURG, 2002) 94 Vgl.: Stehr, Michael (Seekonflikt, 2004), S.99-100

- 36 - fen in Yemen nicht mehr anzusteuern. Als Ersatz hierfür steuerten sie Häfen in den Nachbarländern an. Für Yemen selbst hatte dies negative Folgen für den Im- und Export, da sich der Umsatz von zuvor 43.000 TEU auf 3.000 TEU pro Monat reduzierte. Dieser Verlust entspricht etwa 1% des Bruttoinlandproduktes der Volkswirtschaft Yemen. 95 Terroranschläge sind eine weltweite Gefahr. Nach dem Tankeranschlag auf die VLCC LIMBURG gab es Warnungen sowie eine Terrordrohung im Herbst 2002, dass ein Anschlag an der Küste Norddeutschlands stattfinden könnte. Beispielsweise wäre ein denkbares Horrorszenario für den Hamburger Hafen, dass Terroristen mehrere Chemikalientanker entführen und sie im Hamburger Hafen explodieren lassen. 96 95 Vgl.: Stehr, Michael (Seekonflikt, 2004), S.113 96 Härpfer, Susanne (Weltschifffahrtsorganisation, 2003), S.1

- 37-3 Gegenmaßnahmen im Kampf gegen Piraterie und Terrorismus 3.1 Rechtsprechung und Gegenmaßnahmen der Staatengemeinschaft 3.1.1 Gegenmaßnahmen der Staatengemeinschaft gegen Piraterie Auf Grundlage der derzeitigen Situation vor Somalia hat am 19.12.2008 der Deutsche Bundestag in seiner 197. Sitzung mit 491 Ja-Stimmen, 55 Nein- Stimmen und 12 Enthaltungen den 27. Tagesordnungspunkt angenommen. Es handelte sich hierbei um die Entscheidung, ob sich deutsche Soldaten an der Operation Atalanta beteiligen. 97 Grundlage der Operation ist das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen von 1982 und der [Resolution ] 1846 (2008) vom 2. Dezember 2008 und nachfolgender Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen in Verbindung mit der Gemeinsamen Aktion 2008/851/GASP des Rates der Europäischen Union vom 10. November 2008. 98 Das Seerechtsübereinkommen (SRÜ) ist ein umfangreiches Übereinkommen der Vereinten Nationen (VN), in welchem Regelungen getroffen werden zu vielen Bereichen des Seevölkerrechts. 99 In Artikel 101 VN-SÜR wird Piraterie definiert, in Art. 105 (1), 107 und 111 VN-SÜR wird dargelegt, dass Kriegsschiffe aller Staaten bei Piratenangriffen auf Hoher See eingreifen dürfen, den Angriff auf das eigene oder anderer Schiffe abwehren dürfen bzw. müssen sowie die Befugnis die Täter unschädlich zu machen. 100 Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verabschiedete am 02.12.2008 auf Hinweis früherer Resolutionen die Resolution 1846. In der Resolution wird dargelegt 101, dass die Seeräuberei und bewaffnete Raubüberfälle auf See gegen Schiffe für die [ ] wirksame Leistung humanitärer Hilfe an Somalia, die internationale Seeschifffahrt und die Sicherheit der der gewerblichen Seeschifffahrt 97 Vgl.: o V. (Atalanta Beschluss, 2008) 98 o. V. (Drucksache 16/11337, 2008) 99 Vgl.: o. V. (Seerechtsübereinkommen, 2007) 100 Vgl.: o. V. (Rechtsgrundlage Atalanta, 2008) 101 Vgl.: o. V. (Resolution 1846, 2008)