Datenschutz ist Verbraucherschutz: Datenschutz beim Adresshandel Die Position der Wirtschaft Dr. Peter Rheinländer, LL.M.
Bilden die Positionen von Wirtschaft und Verbraucherschutz einen Gegensatz? Nein, denn Handel und Wirtschaft haben keine wirtschaftlichen Interessen daran, Adressdaten zu handeln. Für Versandhändler sind die Adressdaten ihrer Kunden ein unbezahlbares Gut, welches viel zu kostbar ist, um es aus der Hand zu geben. Adressen werden nicht verkauft oder als CD gehandelt. 2
Worum geht es dann? Die Nutzung fremder Adressdaten ist für Versandhändler und weite Teile der Wirtschaft überlebensnotwendig, um den natürlichen Kundenschwund aufzufangen und neue Kunden gezielt über das eigene Produktangebot zu informieren. Bsp.: Versender von Babybedarf Das gilt für den Mittelstand aber auch für Großkonzerne, soweit eine mediale Massenwerbung wirtschaftlich nicht darstellbar ist. Bsp.: Spezialfachzeitschriften, Medizinprodukte etc. Ein Einwilligungserfordernis würde dem Business to Business (B2B) die Geschäftsgrundlage entziehen. 3
Wie funktioniert Neukundenwerbung? Das Lettershopverfahren: Versandhaus Lettershop Adressbesitzer Werbemittel (Verarbeiter) Adressen verarbeitet und schickt Werbung an Kunden Neukundengewinnung mit adressierter Werbung wird über das sog. Lettershopverfahren vollzogen. Das werbende Unternehmen stellt dem Adressinhaber oder einem Dienstleister des Adressinhabers, dem Lettershop, sein Werbematerial zur Verfügung. Letzterer organisiert den Aussand. Die Adresse wird nicht übermittelt (Auftragsdatenverarbeitung), es findet kein Datenhandel statt. Das werbende Unternehmen erhält nur und erst dann Kenntnis von der Kundenadresse, wenn der Umworbene mit einer Bestellung reagiert. 4
Welche wirtschaftliche Bedeutung haben Lettershopverfahren und Listenprivileg? 2007 flossen ca. 11,5 Milliarden Euro in adressierte Werbesendungen. 46 Prozent der Ausgaben entfielen auf den Handel, 44 Prozent auf die Dienstleistungsbranche. Ein strikter Einwilligungsvorbehalt hätte zehntausende Arbeitsplätze entlang der gesamten Prozesskette adressierter Werbung bedroht: Werbeagenturen Druckereien Lettershops Post- und Logistikunternehmen werbende Unternehmen Volkswirtschaftlich: Da alternative wirtschaftliche Werbeformen nicht zur Verfügung stehen, würde die Nachfrageseite, die durch diese Werbemittel stimuliert wird, geschwächt. 5
Warum ist das Listenprivileg dennoch in der Diskussion? Die BDSG II Novelle wird in den Medien und der Öffentlichkeit als Reaktion auf die verschiedenen Datenschutzverstöße der vergangenen Monate verstanden. Das Anliegen der Bundesregierung, kriminellen Datenhandel zu unterbinden und Maßnahmen gegen Vollzugsdefizite bei der Einhaltung des geltenden Datenschutzrechtes zu ergreifen, verdient uneingeschränkte Unterstützung. Das Listenprivileg stand in keinem Zusammenhang mit den Datenschutzverstößen. Seine Abschaffung trägt nicht dazu bei, dass Datendiebstahl und kriminelles Handeln nicht mehr vorkommen. Bessere Überwachung statt zusätzlicher Verbote würde weiterhelfen. 6
Wie war die bisherige Rechtslage? Nach geltender Rechtslage ist die Nutzung und Übermittlung von personenbezogenen Daten grundsätzlich verboten. Bereits das alte BDSG erlaubt keine Weitergabe von Kontodaten, Telefonnummern, Email-Adressen, Profilen, etc. Eine Ausnahme bildet das in 28 Absatz 3 BDSG geregelte Listenprivileg. Dieses erlaubt die Nutzung von listenmäßig zusammengefassten Adressen, solange der Kunde nicht widerspricht (z.b. durch Eintrag in die Robinsonliste). Die Adresslisten dürfen jedoch lediglich reine postalische Daten sowie ein einziges Selektions-Merkmal enthalten (z. B. Kunde eines bestimmten Versandhauses oder z.b. Käufer von Tierbedarfsartikeln - Kombination verschiedener Merkmale unzulässig ). 7
Warum dient das Lettershopverfahren dem Verbraucherschutz? Grundrecht auf Informationelle Selbstbestimmung abgeleitet aus dem Auffanggrundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit - kontra Berufsfreiheit und auf Wettbewerb basierender freier Marktwirtschaft ohne Werbung kein Wettbewerb und keine Innovation Werbung ist immer nur dann eine Belästigung, wenn sie den Beworbenen nicht interessiert. Ein Werbebrief, der an eine ausgewählte Interessengruppe geschickt wird, ersetzt unzählige Hauswurfsendungen, Zeitungsanzeigen und Fernsehspots. Wenn der Bürger die Wahl zwischen breit gestreuter und interessengerecht zugeschnittener, adressierter Werbung hat, wird er letztere wählen. Diese Entscheidung muss aber der Gesetzgeber durch Ausnahmen vom Einwilligungsvorbehalt treffen, denn die formale Einwilligungslösung ist kein praktikabler Weg. 8
Wie ist die neue Rechtslage? Nach neuer Rechtslage ist adressierte Neukundenwerbung nur noch zulässig, wenn der Betroffene einwilligt. Ausnahmen hiervon gelten nur für den Business to Business (B2B), die Spendenwerbung und wenn die Stelle, die die Daten erstmalig erhoben hat, klarnamentlich benannt wird (Beipackwerbung, Empfehlungswerbung Lettershopverfahren). Die Einwilligung ist schriftlich zu erklären und in drucktechnisch deutlicher Gestaltung besonders hervorzuheben, wenn sie zusammen mit anderen Erklärungen erteilt wird. 9
Was ist an dem neuen Gesetz noch unstimmig? Unstimmige Interessenabwägung der neuen Regelung im Hinblick auf die durch 7 Abs. 2 UWG geregelten Sachverhalte Klarnamentliche Quellangabe ist datenschutzrechtlich ambivalent und widerspricht dem Grundsatz der Datensparsamkeit. Nach 28 Abs. 3 Satz 4 BDSG n.f. können Adressen auch ohne Einwilligung zu Werbezwecken übermittelt werden, wenn die Adressquelle klarnamentlich angegeben wird. Bei einer a majore ad minus-auslegung (das kleinere wird durch das größere mit geregelt) bedeutet dies, dass diese Ausnahme auch für die werbliche Adressnutzung im Lettershopverfahren gilt. 28 Abs. 3 Satz 5 BDSG erlaubt die Nutzung von Adresslisten "für fremde Angebote, wenn die für die Nutzung verantwortliche Stelle eindeutig erkennbar ist. 10
Wie bringt man die beteiligten Interessen miteinander in Einklang? Eine Neuregelung des Listenprivilegs sollte nicht allgemein die Verarbeitung oder Nutzung sondern konkret die Übermittlung von Daten zum Zwecke der Werbung oder Markt- und Meinungsforschung regeln. Unternehmen sollten bei der Werbung kooperieren dürfen, solange es dabei nicht zu einer Übermittlung der Daten kommt. Innerhalb von Konzernen sollte die Verwendung von Daten für Werbezwecke nicht allein deshalb erschwert werden, weil der Konzern in verschiedene juristische Gesellschaften aufgeteilt ist. 11
Fortsetzung: Wie bringt man die beteiligten Interessen miteinander in Einklang? Die Robinsonliste sollte im Gesetz verankert werden. Die Robinsonliste sollte es den Betroffenen ermöglichen, Werbung in bestimmten Interessengebieten zu erlauben und in anderen Bereichen zu verbieten. Soweit sich Unternehmen einem freiwilligen Datenschutzaudit unterwerfen, welches die Verbraucherinteressen garantiert, bedarf es keiner neuen Verbote. Wenn die Bedeutung der Einwilligung als Rechtsgrundlage ausgeweitet wird, dann bedarf es einfacher und rechtssicherer Möglichkeiten, um diese einzuholen. 12
Vielen Dank 13