Zweckverband Schienenpersonennahverkehr Münsterland (ZVM).



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Transkript:

52 6. Tarifsystem, Erlöse und Aufwand 6.1 Vorbemerkung Die Kosten des öffentlichen Personennahverkehrs stehen zunehmend in der öffentlichen Diskussion: Sei es aus Sicht der Fahrgäste, die ihre Erwartungen an ein attraktives Fahrpreissystem haben - sei es aus Sicht der Kommunal-, Landes- und Bundespolitik, die den Aufwand des ÖPNV für die öffentlichen Haushalte kritisch sehen. Im nachfolgenden Kapitel soll in groben Zügen die heutige Finanzierung des ÖPNV in Münster und im angrenzenden Münsterland beleuchtet und dabei speziell das Fahrpreissystem des Münsterlandtarifes vorgestellt werden. 6.2 Tarifsystem und Erlöse Seit Mai 2000 gilt im Münsterland (als einem von insgesamt 9 Kooperationsräumen für den ÖPNV in Nordrhein-Westfalen) mit dem Gemeinschaftstarif, der im Münsterland als Münsterlandtarif vermarktet wird, ein einheitliches Tarifsystem für den städtischen und regionalen Bus- und Bahnverkehr. Angeboten wird dieses einheitliche Preissystem in Münster und den vier Münsterlandkreisen sowie für Fahrten nach Enschede, Osnabrück, Haltern und entlang des Korridors Rheda-Wiedenbrück in Ostwestfalen von den Partnerunternehmen der Verkehrsgemeinschaft Münsterland. Stadtwerke Münster, Regionalverkehr Münsterland, Westfalen Bus, Kraftverkehr Münsterland C. Weilke, DB-Regio (Regionalbahn Westfalen), Euregio-Verkehrsgesellschaft (EVG), StadtBus Bocholt GmbH Verkehrsbetrieb Schäpers sowie über einen Kooperationsvertrag mit dem Zweckverband Schienenpersonennahverkehr Münsterland (ZVM). Über SPNV-Ausschreibungsverfahren gewonnene alte und neue Eisenbahnverkehrsunternehmen wie die DB-Regio, Nordwestbahn, Prignitzer Eisenbahn und die Westfalenbahn sind oder werden über den Zweckverband ZVM tariflich eingebunden. Auch in diesen Nahverkehrszügen gilt der Münsterlandtarif.

53 Inhaltlich weitestgehend identisch und eng verzahnt mit dem Münsterlandtarif ist der sogenannte Ruhr-Lippe-Tarif. Dieser Gemeinschaftstarif gilt im südlich angrenzenden Verbundraum Ruhr- Lippe, zu dem die Stadt Hamm, der Hochsauerlandkreis, der Märkische Kreis sowie die Kreise Soest und Unna gehören. Angewendet wird dieses Tarifsystem von den Verkehrsunternehmen der Verkehrsgemeinschaft Ruhr-Lippe und dem Zweckverband Schienenpersonennahverkehr Ruhr- Lippe (ZRL). Das nachfolgenden Bilder 6-1 und 6-2 zeigen die beiden Tarifräume des Münsterland- und des Ruhr-Lippe-Tarifes, die insgesamt rund ein Drittel der Landesfläche NRW umfassen. Bild 6-1: Verkehrsraum Münsterlandtarif Bild 6-2: Verkehrsraum Ruhr-Lippe-Tarif Die enge Verzahnung von Münsterland- und Ruhr-Lippe-Tarif ermöglicht der ÖPNV-Kundschaft in einem wählbaren Gültigkeitsraum (Netz Münsterland, Netz Ruhr-Lippe oder Netz Übergang VGM/VRL) die freizügige Nutzung von Bus und Bahn mit einer identischen Fahrkarten-Palette. Hiervon profitieren z.b. Pendler und Besucher der Stadt Münster aus der Stadt Hamm oder den Kreisen Soest und Unna.

54 NRW-Tarif Der Münsterland- bzw. Ruhr-Lippe-Tarif ermöglicht die freizügige Fahrt mit Bus und Bahn mit einer Fahrkarte innerhalb des jeweiligen Verbundraumes. Dies gilt für insgesamt 9 Kooperationsräume in Nordrhein-Westfalen. Wollte der Fahrgast jedoch bislang etwa aus dem Verbundraum Münsterland in den Kooperationsraum Rhein-Sieg, musste er in der Regel drei verschiedene Fahrkarten erwerben: Fahrkarte für den Nahverkehr im Münsterland (Vorlauf) Bahnfahrkarte für die Schienenstrecke von Münster z.b. nach Köln (Hauptlauf) Fahrkarte für den Nahverkehr im Verkehrsverbund Rhein-Sieg (Nachlauf). Vorlauf Hauptlauf Nachlauf Durchgehender NRW-Tarif Bild 6-3: NRW-Tarif Mit der stufenweisen Einführung des sogenannten NRW-Tarifes entfällt die Notwendigkeit des getrennten Lösens von Fahrkarten. Das Ziel ist, für die jeweils gewünschte Fahrtstrecke jeweils mit einer einzigen Fahrkarte freizügig alle Nahverkehrsmittel in NRW nutzen zu können: Mit dem Verbundtarif in der jeweiligen Region, z.b. Münsterland, mit dem NRW-Tarif auf den weiterführenden Strecken in ganz Nordrhein-Westfalen. Der NRW-Tarif wird zeitlich in drei Stufen eingeführt. Bereits seit dem 01.08.2004 gilt die 1. Stufe. Hier sind plakative PauschalTickets wie das Schöne-Tag-Ticket oder das Schöne-Fahrt-Ticket eingeführt worden. Diese Fahrkarten sind in allen öffentlichen Verkehrsmitteln und Nahverkehrszügen in ganz NRW gültig. In Münster werden sie zudem in allen Bussen und Automaten der Stadtwerke sowie bei der Mobilitätszentrale mobilé verkauft. Die 2. Stufe des NRW-Tarifes gilt seit dem 12.06.2005. Hier wurde die noch eingeschränkte Fahrkarten-Palette der PauschalTickets um relationsbezogene Einzel- und Zeitfahrkarten ergänzt. Anerkannt werden diese Tickets ebenfalls in allen Nahverkehrsmitteln in ganz NRW. Ein aktiver Verkauf ist zu diesem Zeitpunkt jedoch aufgrund der Vertriebstechnik nur durch die DBAG in personenbedienten Verkaufsstellen sowie an den Fahrkartenautomaten der NordWestBahn und der Prignitzer Eisenbahn möglich. In einer 3. Stufe, die für das Jahr 2006 angestrebt wird, soll dann der Vertrieb auf möglichst viele weitere Verkehrsunternehmen in NRW ausgedehnt werden.

55 Beschlussorgane des Tarifes Das Fahrpreissystem des Münsterland- und Ruhr-Lippe-Tarifes wird kontinuierlich (meist jährlich) den Markterfordernissen und der wirtschaftlichen Situation angepasst. Die Einnahmeverantwortung liegt gesetzlich (PBefG) bei den jeweiligen Partnerunternehmen der VGM/VRL bzw. für die bislang im Ausschreibungsverfahren vergebenen Schienenverkehre bei den beiden Zweckverbänden ZVM und ZRL. Der Facharbeitskreis Tarif/Einnahmeaufteilung der Tarifausschüsse ( 3 des Kooperationsvertrages zwischen ZVM und VGM) bereitet die Entscheidungen der Tarifausschüsse vor. In diesem sind die Geschäftsführungen aller beteiligten Verkehrsunternehmen und Zweckverbände stimmberechtigt vertreten. Im Hinblick auf die notwendigen Beschlüsse dieses Gremiums gilt in sehr weitem Maße das Einstimmigkeitsprinzip. Ist eine aktuelle Preisanpassung oder eine Strukturveränderung des Münsterland- und Ruhr-Lippe- Tarifes vom Tarifausschuss beschlossen, sind diese Tarifmaßnahmen von den Aufsichtsgremien aller beteiligten Verkehrsunternehmen und Zweckverbände zu beraten und zu verabschieden. In Münster sind zudem der Haupt- bzw. Finanzausschuss und der Rat als Gesellschafter der Stadtwerke Münster GmbH zu beteiligen. Erst dann, wenn alle involvierten Institutionen der geplanten Tarifmaßnahme zugestimmt haben, kann das förmliche Genehmigungsverfahren bei den Bezirksregierungen Münster und Arnsberg durchlaufen werden. Nach Abschluss dieses Verfahrens und vorliegender Genehmigung tritt der neue Tarif zu einem Stichtag in Kraft. Zeitlicher Vorlauf für Tarifmaßnahmen In der Vergangenheit hat es sich als sehr vorteilhaft erwiesen, Tarifmaßnahmen zum 1. August eines jeden Jahres durchzuführen. Hiermit ist eine weitgehende Synchronität mit dem jeweiligen Schuljahr und dem wirtschaftlich bedeutsamen Schülerverkehr gegeben. Um dieses Datum halten zu können, bedarf es allein zwischen dem Beschluss des Tarifausschusses und dem gewünschten Einführungstermins eines zeitlichen Vorlaufes von rund einem halben Jahr für die Entscheidungen der Aufsichtsgremien, das Genehmigungsverfahren sowie die umfangreichen vertriebstechnischen und werblichen Vorbereitungen. Inhaltliche Ausgestaltung des Tarifsystems Die Verkehrsunternehmen in den Verkehrsgemeinschaften und die Eisenbahnverkehrsunternehmen, die über einen Verkehrsvertrag an die Zweckverbände gebunden sind, haben in Abhängigkeit von ihrer jeweiligen Eigentümer-Situation zum Teil divergierende wirtschaftliche Interessen in der strukturellen und preislichen Ausgestaltung des Tarifes. Ist bei den bundeseigenen und privaten Unternehmen zusehends ein stärkeres kommerzielles Interesse zu beobachten, ist für die kommunalen Unternehmen und die Zweckverbände SPNV neben der wirtschaftlichen Auskömmlichkeit stets auch der verkehrspolitische Auftrag des ÖPNV als Grunddaseinsvorsorge von Bedeutung.

56 Hinzu kommt die durchaus unterschiedliche Marktsituation des öffentlichen Nahverkehrs in den Großstädten und den eher ländlichen geprägten Kreisen. Insofern ist die strukturelle und preisliche Ausgestaltung des Tarifsystems sowohl von betriebswirtschaftlichen als auch von kommunalpolitischen Interessen geprägt und stets eine filigran austarierter Kompromiss zwischen den unterschiedlichen Zielvorstellungen. In der Stadt Münster stellt sich die Struktur der verkauften Fahrkarten anders dar als in den Münsterlandkreisen. So hat in den Kreisen der Schülerverkehr mit Bus und Bahn ein ungleich größeres Gewicht als in Münster. Hier sind hingegen Berufs- und Versorgungsverkehre einerseits sowie Freizeitverkehre andererseits erheblich stärker vertreten. Insofern haben auch die Zeitkarten und Abonnements außerhalb des Schülerverkehrs ein erhebliches größeres Gewicht. Nicht zuletzt hat auch das SemesterTicket der Münsteraner Hochschulen wegen seiner großen Nachfrage- und Einnahmewirkung eine entsprechende Bedeutung. Letztlich dürfen auch die öffentlichen Ausgleichsleistungen für die gesetzlich abverlangte Rabattierung von Schülerzeitkarten und die Freifahrt von Schwerbehinderten nicht unberücksichtigt bleiben. Es handelt sich hierbei nicht um Zuschüsse oder Subventionen, sondern um einen Zahlungsausgleich des Staates für gesetzlich abverlangte Leistungen. In diesen Bereichen werden in zunehmendem Maße politisch veranlasste Kürzungen seitens des Landes Nordrhein-Westfalen (z.b. auf der Grundlage des zwischen Bund und Ländern ausgehandelten Koch-Steinbrück-Papiers ) vorgenommen. Diese beeinträchtigen die Ertragskraft der Verkehrsunternehmen spürbar. Mit deutlichen Preissteigerungen oder auch Einschnitten des Fahrplanangebotes versuchen die Verkehrsunternehmen, die wegbrechenden staatlichen Ausgleichsleistungen wenigstens teilweise zu kompensieren, da betriebsinterne Rationalisierungspotenziale weitestgehend ausgeschöpft sind und sich eine weitere Belastung der öffentlichen Haushalte verbietet. Das nachfolgende Diagramm zeigt beispielhaft die Verkaufsstruktur der Stadtwerke Münster nach Fahrkartengattungen. Die Erträge des Stadtbus- Systems werden zu fast 90 % aus den Fahrgeldeinnahmen und zu lediglich 12 % aus staatlichen Ausgleichszahlungen bestritten. Bild 6-4: Semesterticket 8 % Schülerkarten 18 % Ausgleichszahlungen 12 % Fahrgeldeinnahmen 2004 Stadtwerke Münster nach Fahrkartenarten (incl. Ausgleichszahlungen für Schülerbeförderung nach 45a und Schwerbehinderte nach 148 SGB) Zeitkarten 30 % Einzelkarten 15 % Mehrfahrtenkarten 15 % Tageskarten 2 %

57 Wachstumspotenziale werden für Münster in der Belebung des Einkaufs- und Freizeitverkehrs gesehen. Diesem wurde bei den Tarifmaßnahmen 2005 durch die Einführung des preislich attraktiven 9 Uhr-Tagesticket ( EinkaufsTicket ) Rechnung getragen. Der Einführungspreis für diese übertragbare Tagesnetzkarte in Münster beträgt 3,30 Euro und berechtigt 1 Erwachsenen mit bis zu 3 Kindern (bis einschl. 14 Jahre) zur Nutzung des Bus- und Bahnnetzes in Münster. Die Karte ist montags bis freitags ab 9.00 Uhr bis Betriebsschluss, samstags sowie sonn- und feiertags ohne zeitliche Einschränkung für beliebig viele Fahrten gültig. Erhebliche Wachstumspotenziale werden ferner in der Förderung des Abonnements gesehen und durch preisliche Anreize des Abos gegenüber der frei gekauften Monatskarte unterstützt. So ist etwa das Abo der Monatskarte um 20 Prozent gegenüber der einzelnen Monatskarte rabattiert. Beim Firmen-Abo beträgt der Rabatt sogar 30 Prozent. Weitere Rabatte werden in Abhängigkeit von der Belegschaftsbeteiligung gewährt. Nachfolgend in Bild 6-5 eine Übersicht über die wichtigsten ab 1. August 2005 gültigen Fahrkarten und Preise des Münsterlandtarifes in der Stadt Münster. Fahrkarte Preis in Euro Einzelkarte 1,85 Einzelkarte Kurzstrecke 1,15 Einzelkarte Kind 1,15 Einzelkarte Kind Kurzstrecke 0,75 Einzelkarte Fahrrad 1,00 4er-Karte 6,50 9-Uhr-Tageskarte (Einkaufs- und Freizeitticket) 1 Erw. plus max. 3 Kinder 3,30 Tageskarte Mini (1 Person) 4,60 Tageskarte Max (5 Personen) 9,20 Wochenkarte 15,20 Monatskarte 43,50 Monatskarte im Abo 36,40 Fahrrad Monatskarte/Abo 15,50 9 Uhr-Monatskarte 34,50 9 Uhr-Monatskarte im Abo 28,70 Schüler-Wochenkarte 12,60 Schüler-Monatskarte 37,70 Schüler-Monatskarte Kurzstrecke 22,10 Schüler-Monatskarte im Abo 31,90 Schulwegjahreskarte 364,00 FUN-Karte 8,70 Firma-Abo 31,85 Bild 6-5: Fahrkartenarten Münsterlandtarif (Auszug,10.01.2005)

58 6.3 Kosten des Stadtbusverkehrs Die Kosten des Stadtbusverkehrs in Münster werden nachfolgend vor dem Hintergrund des in Kapitel 2.3 dargestellten 3-Ebenen-Modells betrachtet: ÖPNV-Management (Nahverkehrsplanung in Zusammenarbeit mit der Stadt Münster, Betriebsführung gemäß PBefG, Verkehrssteuerung, RBL- und Verkaufsausrüstung von Fahrzeugen, Verkaufsstellen und Automaten, Streckenunterhaltung, Vertrieb, Marketing/Kundenservice) Operativer Fahrbetrieb (Beschaffung und Instandhaltung der Fahrzeuge einschl. Kraft- und Betriebsstoffe) der Stadtwerke Münster einschl. Auftragsunternehmer Entsprechend dem 3-Ebenen-Modell entfallen 77 % der Kosten für das Stadtbussystem Münster auf den Fahrbetrieb. 23 % der Kosten werden für die ÖPNV-Management-Aufgaben verwandt. Darüber hinaus sind die Kosten des Aufgabenträgers Stadt Münster zu berücksichtigen (Nahverkehrsplanung, Lichtsignalbeeinflussung, Bau- und Unterhaltung der ÖPNV-Infrastruktur). 6.4 Finanzierung des Nahverkehrs Aufgrund der verkehrlichen Rahmenbedingungen unserer Gesellschaft und der Kosten für die private Pkw-Benutzung sind kostendeckende Tarife im ÖPNV in aller Regel nicht am Markt durchsetzbar. Von den Bürgerinnen und Bürger werden die Nahverkehrstarife stets mit den variablen Kosten des Pkw- Verkehrs und insbesondere mit den Kraftstoff-Preisen verglichen. Allenfalls werden noch die Parkgebühren mit einbezogen. Ein Vergleich mit den Vollkosten eines Pkw findet in der Regel nicht statt. Dies führt dazu, dass die Einnahmen aus dem Fahrkartenverkauf insbesondere in städtischen Nahverkehrssystemen mit dichtem Liniennetz und Fahrplantakt bei Weitem nicht die Kosten des Nahverkehrs für Investitionen, Unterhaltung, laufenden Betrieb und Verkehrsmanagement decken können. Es entsteht eine Kostenunterdeckung, die von den finanziellen Gewährsträgern der Verkehrsunternehmen, meist den kommunalen Gebietskörperschaften, ausgeglichen werden muss. War dies in der Vergangenheit in der Regel der sogenannte jährliche Verlustausgleich durch die Gesellschafter, sind heute in der Regel Kostendeckungsverträge an seine Stelle getreten. Oder der frühere Verlust wird heute von den kommunalen Gebietskörperschaften als Gesellschaftereinlage gezahlt. In Großstädten erfolgt die Finanzierung des ÖPNV (Busverkehre sowie Stadt- und U-Bahn- Systeme) demgegenüber zumeist über den sogenannten steuerlichen Querverbund (siehe unten). Hierbei sind die EU-rechtlichen Vorgaben (EU VO 1191/81 n.f.) und die EuGH-Kriterien für Ausgleichszahlungen zu beachten. Die Finanzierung des SPNV erfolgt über zwei Finanzierungswege. Zum einen gewährt der Bund nach 8 des Bundesregionalisierungsgesetzes sogenannte Transfermittel an die Bundesländer. In

59 Nordrhein-Westfalen werden diese Mittel nach dem ÖPNVG-NRW an insgesamt neun kommunale Zweckverbände, die Aufgabenträger für den SPNV sind, weitergegeben. Grundlage für die Verteilung. Bildet der jährlich aufzustellende SPNV-Finanzierungsplan des Landes NRW. Die Höhe der Transfermittel wird hierin festgelegt und verändert sich von Jahr zu Jahr. Im Jahr 2005 erhält der ZVM über den SPNV-Finanzierungsplan ca. 66 Mio. Euro. Neben diesen Transfermitteln bilden die Fahrgelderlöse bzw. die Tarifeinnahmen das weitere finanzielle Standbein des SPNV im Münsterland. Die Höhe der Transfermittel ist dabei unabhängig von den Tarifeinnahmen. Transfermittel und Tarifeinnahmen zusammen bilden die Grundlage für die Finanzierung der Betriebs- und der gesamten Infrastrukturkosten (Trassen- und Stationskosten). Reichen die Finanzmittel in der Summe nicht aus eine bestimmte Leistung zu erbringen, muss das Leistungsangebot angepasst werden. Eine vergleichbare Finanzierung für den ÖPNV mit Bussen sowie Stadt- und U-Bahnen gibt es hingegen nicht. Zwar gibt es Finanzhilfen in Form von Investitionszuschüssen, z.b. für Fahrzeuge und Haltestellen, oder in Form von Ausgleichsleistungen im Bereich Schülerverkehr und Schwerbehindertenfreifahrt. Doch diese stellen keine ganzheitliche Finanzierung der nicht durch Fahrgeldeinnahmen gedeckten Betriebskosten sicher. Finanzierung des Stadtbus-Verkehrs Die Kostendeckung des Stadtbus-Systems in Münster konnte in den letzten Jahren durch Rationalisierung- und Optimierungsmaßnahmen auf 69 % gesteigert werden. Dabei konnte in den vergangenen Jahren der Verlust des Verkehrsbetriebes von ca. 14,5 Mio. im Jahr 2000 auf 11,9 Mio. Euro im Jahr 2003 gesenkt werden. Diese nicht durch Fahrgeldeinnahmen und Ausgleichsleistungen gedeckten Kosten des Stadtbusverkehrs werden im Rahmen des sogenannten steuerlichen Querverbundes mit den Gewinnen aus dem Energie- und Versorgungsbereich der Stadtwerke Münster GmbH verrechnet. Durch die Effekte des steuerlichen Querverbundes der Stadtwerke Münster reduzieren sich diese Kosten auf etwa den hälftigen Wert. Die Stadt Münster zahlt somit nicht direkt für ihr Nahverkehrssystem, sondern indirekt: Sie erhält eine geringere Gewinnausschüttung der Stadtwerke. Im Hinblick auf die mittel- und langfristige Finanzierbarkeit des öffentlichen Nahverkehrs in Münster müssen deshalb die möglichen Stellschrauben (Ertrags- und Kostentreiber bzw. -dämpfer) Preis- und Sortimentspolitik des Münsterlandtarifes (Tarifmaßnahmen) Fahrplan- und Netzmaßnahmen Technische Beschleunigung des ÖPNV durch Busspuren und Lichtsignalbeeinflussung

60 Kostengünstige Erstellung des Fahrbetriebes auf der Grundlage definierter Qualitätsstandards für Personal und Fahrzeuge (Betriebsoptimierung) in einer sinnvollen, stadtverträglichen Kombination genutzt werden. Die Kosten des regionalen Busverkehrs der Regionalverkehr Münsterland GmbH auf ihren Schnellund RegioBussen werden vorrangig von den Münsterlandkreisen getragen. Seit dem 1. November 2004 haben die RVM und die Stadtwerke Münster in Abstimmung mit ihren kommunalen Eigentümern einen Kooperationsvertrag geschlossen, der beide Unternehmen zu gleichberechtigten Konzessionsinhabern und Betriebsführern auf allen Schnell- und RegioBus-Linien nach Münster macht. Im Rahmen dieses Vertrages, der u.a. die Stabilisierung und Weiterentwicklung der Stadt-Umland- Verkehre zum Ziel hat, übernehmen die Stadtwerke Münster eine anteilige Finanzierung mit einer Obergrenze von 800.000 Euro pro Jahr. Dies entspricht der Hälfte der im Stadtgebiet Münster anfallenden Betriebsverluste der RVM. Von der zum DB AG-Konzern gehörenden Westfalen Bus GmbH wird die Sprinterbus-Linie Bocholt - Borken - Münster (S75) betrieben. Die Stadt Münster beteiligt sich an den jährlichen Kosten. Die nicht durch Fahrgelderträge und das Sponsoring der Provinzial Versicherung gedeckten Kosten der Nachtbusverkehre im Umland von Münster werden durch die regionalen Anrainer-Kommunen der jeweiligen Linien getragen. Allein im Kreis Borken hat der Kreis stellvertretend für seine Städte und Gemeinden die Finanzierung übernommen.