A. Einführung in das Wertorientierte Kommunikationsmanagement



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Transkript:

1 A. Einführung in das Wertorientierte Kommunikationsmanagement Dieser Abschnitt behandelt die Einführung in das Wertorientierte Kommunikationsmanagement. Er beschreibt die Ausgestaltung der kommunikativen Dimension über eine konsequente Kommunikationsperspektive für die Unternehmensführung, die Communications View. Der Abschnitt hat zwei Schwerpunkte: Zum einem wird die Ausgangslage (A.1.) beschrieben, in der die Anforderungen der Praxis und der Stand der Forschung dargelegt werden. Zum anderen wird der Bezugsrahmen des Neuen St. Galler Management-Modells (A.2.) vorgestellt, in dem anschliessend die Erweiterungspotentiale herausgearbeitet werden. Zum Ende dieses Abschnitts wird ein Fazit (A.3.) gezogen.

2 A. Einführung in das Wertorientierte Kommunikations management A. Einführung in das Wertorientierte Kommunikationsmanagement 1. Ausgangslage in der Praxis und Stand der Forschung 2. Neues St. Galler Management-Modell und seine Erweiterungspotentiale der kommunikativen Dimension B. Inhaltsebene des Wertorientierten Kommunikationsmanagements 1. Kommunikative Dimension der Inhalte 2. Kommunikation von Corporate Governance, Corporate Reputation und Corporate Reporting 3. Neuer Ansatz zur systematischen Kommunikation von Corporate Governance, Corporate Reputation und Corporate Reporting vakat 4. Erster Teil der Communications View des Wertorientierten Kommunikationsmanagements C. Organisationsebene des Wertorientierten Kommunikationsmanagements 1. Kommunikative Dimension der Strukturen und Prozesse 2. Aufbauorganisation des Wertorientierten Kommunikationsmanagements 3. Zweiter Teil der Communications View des Wertorientierten Kommunikationsmanagements D. Wertorientiertes Kommunikationsmanagement im Neuen St. Galler Management-Modell 1. Ausgestaltung der kommunikativen Dimension der Unternehmensführung 2. Communications View: Kommunikationsperspektive im Unternehmens-, Führungs- und Organisationsmodell Abb. 1: Synopse zu A.

3 1. Ausgangslage Dieses Hauptkapitel stellt die Ausgangslage vor: Nach einer Einleitung in das Thema einschliesslich der Forschungsfrage (A.1.1.) wird zunächst das Kommunikationsumfeld (A.1.2.) beschrieben. Daran anschliessend wird die Notwendigkeit der Wertorientierung des Kommunikationsmanagements präzisiert (A.1.3.) und der Stand der aktuellen Forschung (A.1.4.) vorgestellt. A. Einführung in das Wertorientierte Kommunikationsmanagement 1. Ausgangslage in der Praxis und Stand der Forschung Problemstellung und Forschungsfrage Kommunikationsumfeld Wertorientierung des Kommunikationsmanagements Stand der Forschung 2. Neues St. Galler Management-Modell und Erweiterungspotentiale der kommunikativen Dimension 3. Fazit Abb. 2: Synopse mit Details zu A.1.

4 A. Einführung in das Wertorientierte Kommunikations management 1.1. Einleitung Dieses Kapitel stellt zunächst das Problem vor (A.1.1.1.), auf dessen Basis die Forschungsfrage dieser Arbeit erörtert wird (A.1.1.2). 1.1.1. Problemstellung dieser Arbeit Diese Schrift wird die»kommunikative Dimension der Unternehmung«ausarbeiten, die Ulrich erstmals 1968 neben der materiellen, wertmässigen und sozialen Dimension grundlegend definiert hat. Die kommunikative Dimension erfasst»das Unternehmungsgeschehen als Komplex von Vorgängen der Informationsgewinnung, -verarbeitung und -verwendung; die Unternehmung selbst wird in dieser Dimension als Kommunikationssystem betrachtet. Alle Systemelemente werden hier als Träger (Sender, Übermittler, Empfänger) von Informationen erfasst und in ihrem Einbezug in das Kommunikationsnetz betrachtet«(ulrich 1970, S. 50). Die systematische Behandlung der kommunikativen Dimension (Ulrich 1970, S. 257 ff.) ist bislang aber nicht in ausreichendem Masse erfolgt weder im»alten«st. Galler Management-Modell von Ulrich/Krieg (1972) noch im von Dubs et al. (2004) herausgegebenen»neuen St. Galler Management-Modell«. 1 Auch kein anderes in der Managementlehre erarbeitetes Gesamtmodell leistet eine umfassende Ausarbeitung. 2 Man kann deshalb festhalten, dass es in der Managementlehre keine systematisch in das Management integrierte Unternehmenskommunikation 3 oder Corporate Communications 4 gibt. 5 1 Das Ulrich/Krieg sche Modell heisst»st. Galler Management-Modell«(Ulrich/Krieg 1972). Der von Dubs et al. (2004) herausgegebene mehrteilige Band heisst»einführung in die Managementlehre«und erarbeitet darin das»neue St. Galler Management-Modell«, das Rüegg-Stürm im Jahr 2002 erstmals vorgestellt hat. Zur Unterscheidung wird in dieser Arbeit das Ulrich/Krieg sche Modell als»altes«st. Galler Management-Modell bezeichnet und das Adjektiv in Anführungszeichen gesetzt. Das neue Modell wird als Neues St. Galler Management-Modell bezeichnet und das Adjektiv»neu«gross geschrieben, um den Charakter eines Eigennamens herauszustreichen. Es wird im Folgenden nicht in Anführungszeichen gesetzt. 2 Vgl. dazu insbesondere Hahn (1992), der einen Bezugsrahmen für Unternehmensführung und Öffentlichkeitsarbeit auf Basis seines PuK-Modells skizziert; Zerfaß (1996), der sich mit der gesellschaftspolitischen Bedeutung von Unternehmensführung und Öffentlichkeitsarbeit befasst; Zerfaß (2004a) Erweiterung nimmt den in der aktuellen Forschung diskutierten Wertansatz auf, ohne die Integration ins Management zu behandeln; Bruhn (2003) verfolgt einen marketingorientierten Ansatz und fokussiert zudem auf die Integration der Instrumente. 3 Der Terminus»Integrierte Unternehmenskommunikation«ist der Titel von Kirchners (2001) Disserta tion, in der vor allem die Genese dieser deutschen Formulierung aus dem»integrated Marketing Communication«-Konzept von Kitchen (1999) aufgezeichnet wird. 4 Die englischsprachige Literatur arbeitet mit dem Terminus»Corporate Communications«, unter dem auch viele Abteilungen für Unternehmenskommunikation im deutschsprachigen Umfeld firmieren. Vgl. Argenti (2003) zum Terminus und Will (2001a) oder Will/Schmidt/Probst (1999) zur organisationalen Verortung der Abteilung. Die Begrifflichkeit von kommunikationsbezogenen Termini ist in der Managementlehre nicht eindeutig: Wenn im Kontext dieser Arbeit von Unternehmenskommunikation gesprochen wird, ist immer die Kommunikation der gesamten Unternehmung im Sinne einer ganzheitlichen Unternehmenskommunikation gemeint. Die englische Übersetzung Corporate Communications ist eindeutiger auf die Unternehmung (Corporation) ausgerichtet. 5 Neben dem Terminus Unternehmenskommunikation oder Corporate Communications als organisationale Beschreibung der kommunikativen Dimension wird in dieser Arbeit der Terminus Kommunikationsmanagement verwendet, wenn es um die Beschreibung der Managementfunktion zur Ausgestaltung der kommunikativen Dimension geht. Vgl. dazu auch Bentele/Will (2006).

1. Ausgangslage 5 Die zunehmende Komplexität 6 der Kommunikationsbeziehungen beispielsweise in der Kapitalmarktkommunikation, beim Wettbewerb um die besten Köpfe oder im Zusammenhang der Markenbewertungen ganzer Unternehmungen (mit Blick auf Aktionäre, Mitarbeiter, Kunden und Öffentlichkeit) 7 verlangt heute jedoch eine ganzheitliche Gestaltung des Kommunikationsmanagements. Neben der Komplexität der Beziehungen zu Anspruchsgruppen, den Stakeholder Relations 8, ergeben sich weitere Gestaltungsaspekte aus Veränderungen im rechtlichen und medialen Umfeld der Unternehmungen. Das Neue St. Galler Management-Modell 9 (siehe folgende Abbildung) wird in dieser Arbeit herangezogen, weil es die umfassendste Darstellung eines Management-Modells ist, bei dem einzelne Autoren die verschiedenen Prozesse, Ordnungsmomente und Interaktionsthemen für die Anspruchsgruppen auf Basis der Umweltsphären mit Bezug auf das Ganze beschreiben. Eine Ausgestaltung der kommunikativen Dimension als Systemvorstellung auf das ganze Realgebilde, wie Ulrich es formuliert, ist folglich innerhalb dieses Modells möglich. Mit dem Neuen St. Galler Management-Modell liegt ein vollständiges Modell vor, so dass keine Teile hinzugenommen werden müssen, um die kommunikative Dimension auszuarbeiten. Bislang ist Kommunikationsmanagement in diesem Modell nur als Unterstützungsprozess definiert 10 (siehe Hervorhebung in der Abbildung). In dieser Arbeit wird argumentiert, dass diese Betrachtungsweise als Unterstützungsprozess nicht ausreicht, um den Anforderungen zu genügen, die sich heute an Unternehmungen in ihrer kommunikativen Dimension stellen. Die Notwendigkeit, das Neue St. Galler Management-Modell um die systematische Integration der Kommunikation zu erweitern, ergibt sich aus drei wesentlichen Beobachtungen im praktischen Kommunikationsumfeld der Unternehmungen 11 : Zum einen sind die Umweltsphären der Unternehmung wesentlich komplexer geworden. Die Vernetzung der verschiedenen Anspruchsgruppen, nicht zuletzt wegen der digitalen 6 Luhmann bezeichnet die System-Umwelt-Theorie als kybernetische Systemtheorie, womit die Selektivität in den Vordergrund tritt, die er in der Formel der Reduktion von Komplexität beschreibt (Luhmann 2000, S. 9 f.). Um die so als überkomplex erlebte Welt zu reduzieren, muss eine dreistufige Selektion mittels Kommunikation (Information, Mitteilung und Verstehen) getroffen werden, was bedeutet, dass man sich auf einige Aspekte konzentriert, während man andere ganz vernachlässigt. Dazu ist es notwenig, die im entsprechenden Handlungskontext relevanten Determinanten herauszufiltern und so einen spezifischen Horizont abzustecken. Kommunikation als Mittel zur Komplexitätsreduktion spielt dabei eine wichtige Rolle. So erkennt Bleicher die Kommunikation als Mittel zum Aufbau von Verständigungspotentialen, die dann ihrerseits u. a. zur Komplexitätsreduktion führen (Bleicher 1994, S. 232). Vgl. zum Ansatz Luhmanns und der Verbindung zur Managementlehre im Sinne Bleichers ebenfalls Herger (Herger 2004, S. 48 ff.). 7 Vgl. dazu auch die empirische Studie von Einwiller/Will (2001) zu den Gründen für die Notwendigkeit eines integrierten Ansatzes für Corporate Branding, für den neben der zunehmenden Bedeutung des Kapitalmarktes und des»war for talent«auch die Synergien der Maskenkaskaden sowie die Koordinationsfunktion und die Transparenzfunktion genannt wurden. 8 Vgl. grundlegend zum Stakeholder-Ansatz Freeman (1984) und zu den kommunikativen Aspekten des Stakeholder-Ansatzes Heath (1994). 9 Vgl. zur Beschreibung des Neuen St. Galler Management-Modells Kapitel A.2.2. und insbesondere Unterkapitel A.2.2.2. 10 Das entsprechende Kapitel über»kommunikationsmanagement«stammt dabei von Dyllick/Meyer (2004). Sie ordnen diese Funktion den Unterstützungsprozessen zu, ohne eine Ausarbeitung der Schnittstellen zu den Managementprozessen vorzunehmen, die für eine Integration in das Gesamtmodell notwendig ist. 11 Vgl. dazu Kapitel A.1.2.

6 A. Einführung in das Wertorientierte Kommunikations management Gesellschaft Natur Technologie Wirtschaft Konkurrenz Strategie Strukturen Kultur Kapitalgeber Erneuerung Optimierung Lieferanten Managementprozesse Geschäftsprozesse Kunden Unterstützungsprozesse Staat Ressourcen Normen und Werte Anliegen und Interessen Mitarbeitende Prozesse Ordnungselemente Entwicklungsmodi Öffentlichkeit NGOs Anspruchsgruppen Umweltsphären Interaktionsthemen Medien, hat zugenommen. Dadurch hat sich die Erreichbarkeit dieser Anspruchsgruppen im Sinne von Sender-Empfänger-Beziehungen verändert. Zudem sind immer häufiger Ansprüche multipel: Mitarbeiter sind auch Aktionäre oder Aktionäre auch Kunden. Das alles beeinflusst die verschiedenen Ebenen der Prozesse. So ist beispielsweise die Finanzkommunikation heute auch eine Kapitalmarktmassenkommunikation gegenüber privaten Aktionären, die zu einem Gutteil über digitale Medien abgewickelt wird. Insofern ist Finanzkommunikation heute weit mehr als nur Investor Relations gegenüber institutionellen Anlegern. 12 Zum anderen sind die Interaktionsthemen der Unternehmung gegenüber ihren Anspruchsgruppen quantitativ vielfältiger und qualitativ anspruchsvoller geworden. Akti- Kommunikationsmanagement Abb. 3: Kommunikationsmanagement im Kontext des Neuen St. Galler Management-Modells (in Anlehnung an Rüegg-Stürm 2004, S. 70) 12 Bezüglich der Finanzkommunikation vgl. z. B. Labitzke (2004). Zum häufig synonym verwendeten Begriff»Investor Relations«vgl. Achleitner/Bassen/Pietzsch (2001) oder Wolters (2005).

1. Ausgangslage 7 onäre, Mitarbeiter, Kunden und die allgemeine Öffentlichkeit haben heute ein anderes Informationsbedürfnis als früher. Dieses Bedürfnis hat Einfluss auf die verschiedenen Ebenen der Ordnungsmomente und Entwicklungsmodi. Anspruchsgruppen wollen beispielsweise mehr und nachhaltiger wissen, wie verantwortungsvoll die Unternehmung ist und zwar sowohl quantitativ als auch qualitativ. Des Weiteren zieht sich ein für die Unternehmung sehr wichtiges Thema quer durch die beiden ersten Beobachtungen: die Unternehmensbewertung. Sie ist heute mehr denn je von den immateriellen Vermögenswerten beeinflusst, die zum weit überwiegenden Teil nicht aktivierbar und somit auch nicht bilanzierbar sind. Ihre Darstellung kann über den Ansatz des Intellectual Capital systematisch kommunizierbar gemacht werden, wobei dazu eine Erweiterung mit Blick auf die Kommunikationsbeziehungen notwendig ist. Mit dieser Erweiterung gelingt es, das Kommunikationsmanagement wertorientiert und damit inhaltlich in das Unternehmensmanagement zu integrieren. 13 So sind Corporate Governance sowie Corporate Reputation und Reporting zusammenhängende Interaktionsthemen, die weit mehr als nur die Darstellung der Transparenz von Führung und Kontrolle am Kapitalmarkt beschreiben. Nicht nur institutionelle Anleger, sondern auch private Aktionäre sowie Mitarbeiter und die Öffentlichkeit wollen über das Führungsverhalten informiert sein, was sich an der Veröffentlichung der individualisierten Vergütung exemplifiziert. 14 Angesichts der veränderten Umweltbedingungen ist dabei eine Definition des Kommunikationsmanagements im Kontext von normativen, strategischen und operativen Aspekten der Managementprozesse nachgerade zwingend, um das Hauptziel der Unternehmensführung zu sichern:»den Bestand und die erfolgreiche Weiterentwicklung von Unternehmungen«(Hahn/Hungenberg 2001, S. 18). Anspruchsgruppen haben immer mehr Möglichkeiten, unternehmerische Handlungen zu interpretieren und nehmen damit immer stärkeren Einfluss auf die normative Orientierung der Unternehmung im Sinne der öffentlichen Legitimation ihrer Entscheidungen. 15 Daraus folgt, dass die kommunikative Dimension ausgearbeitet werden muss, und zwar im Bezugsrahmen eines Management-Modells, welches die Kommunikation als Austausch von Information ganzheitlich integrieren kann: Auf Basis der Umweltsphären die Interaktionsthemen für die Anspruchsgruppen so zu gestalten und zu entwickeln, dass entsprechende Ordnungsmomente, Prozesse und Modi einen Mehrwert für die Führung der Unternehmung schaffen. Alle Kategorien des Neuen St. Galler Management-Modells werden somit betroffen sein. Diese Arbeit behandelt die kommunikative Dimension im Rahmen der gestaltenden und lenkenden Institution Unternehmung, um die Inhalte der von den Führungskräften zu bewältigenden Sachaufgaben zu erfassen. Ulrich/Krieg (1972) stellen in dieser Formulierung freilich ohne Bezug zur Unternehmenskommunikation den Zusammenhang zwischen Unternehmungs- und Führungsmodell dar, die mit dem Organisationsmodell ein Management-Modell konstitutieren. 13 Vgl. Will/Löw (2003) oder Pfannenberg/Zerfaß (2005). 14 Vgl. Will (2005c) oder Bentele/Andres (2005). 15 Vgl. dazu Ulrich (2004, S.156 f.).

8 A. Einführung in das Wertorientierte Kommunikations management Wie kann diese Ausgestaltung der kommunikativen Dimension im Neuen St. Galler Management-Modell vorgenommen werden? 16 Die Unternehmensführung erhält eine zusätzliche Perspektive die Kommunikationsperspektive, die Communications View 17. Die Communications View wird sowohl in das Führungsmodell als auch in das Organisationsmodell integriert, und zwar über die Einführung des Communications Capital. Das Communications Capital ist eine neue Kategorie des Intellectual Capitals eine intellektuelle Fähigkeit, über welche die immateriellen Werte wie Management- oder Innovationsfähigkeit systematisch und wertorientiert darstellbar gemacht werden können. Diese Darstellungsfähigkeit allein reicht aber nicht aus. Es bedarf einer zweiten Fähigkeit, der Kommunikationsfähigkeit des Managements mit den Anspruchsgruppen. Dies gelingt über die so genannten Communications Relations, indem im Rahmen des Führungsmodells die Inhalte und im Rahmen des Organisationsmodells die Strukturen und Prozesse der kommunikativen Dimension in den Austauschbeziehungen zu den Anspruchsgruppen einbezogen werden. Die Kommunikationsperspektive der Führung, diese Communications View, hat sozusagen zwei Ausprägungen: Eine Darstellungsfähigkeit über das Communications Capital und eine Kommunikationsfähigkeit über die Communications Relations. Man muss das Immaterielle darstellbar und dann für die Anspruchsgruppen kommunizierbar machen. Diese Systematik wird als Capital View (Darstellung) and Relations View (Beziehung) bezeichnet. Inhalte, Strukturen und Prozesse ermöglichen dann eine Planung, Steuerung und Kontrolle der Kommunikationsperspektive in Verbindung zum wertorientierten Controlling, das deshalb als Communications Controlling bezeichnet wird. Über dieses Communications Controlling wird die Darstellungs- und Kommunikationsfähigkeit des Unternehmensmanagements wertorientiert im Sinne einer kommunikationsorientierten Rechnungslegung operationalisiert. Schlussendlich kann das das Kommunikationsmanagement so eine Führungsfunktion und eine Unterstützungsfunktion wahrnehmen. Eine solche Vorgehensweise gibt es bislang allenfalls fragmentarisch: Der wissenschaftliche Forschungsstand 18 zur kommunikativen Dimension wird bis dato vor allem durch die Kommunikationswissenschaften dominiert, in denen mit Bezug auf die Thematik dieser Arbeit Public Relations (PR) als eigenes Forschungsfeld etabliert sind. Die kommunikationswissenschaftliche PR-Forschung hat jedoch keinen Bezug zu Management-Modellen. 19 Einzige Ausnahme von dieser Beurteilung bietet allenfalls der Ansatz von Zerfaß (1996 und in Erweiterung 2004a), der in Richtung Integration der Unternehmenskommunikation in das Unternehmensmanagement weist. Zusätzlich befasst sich die PR-Forschung mit integrierter Unternehmenskommunikation beziehungsweise mit Corporate Communications (CC), bei der das Management der Unternehmenskommunikation in sich und somit ohne Bezug zu einem Management-Modell untersucht wird. 16 Beantwortet wird diese Frage in den Abschnitten B. und C. 17 Die Terminologie der»views«ist dabei nicht ohne Grund an die»view-terminologie«der Market Based beziehungsweise Resource Based View der Strategieforschung angelehnt. Es geht auch hier darum, wie die kommunikative Dimension abgeleitet wird. 18 Vgl. dazu Kapitel A.1.4. 19 Einen Überblick hierzu geben Bentele/Will (2006).

1. Ausgangslage 9 In dieser Forschungsrichtung finden sich zum Teil auch betriebswirtschaftliche Ansätze (insbesondere Bruhn 2005), die aber ebenfalls nur das Management der Unternehmenskommunikation behandeln. Diese Ansätze bieten einen Management-Ansatz für die Integration der verschiedenen kommunikativen Instrumente in die Unternehmenskommunikation, nicht aber der Integration der kommunikativen Dimension in das gesamte Management-Modell. Auch hier gibt es eine Ausnahme: Hahn (1992) hat einen Aufsatz zur Verbindung von Unternehmensführung und Öffentlichkeitsarbeit vorgelegt. Darüber hinaus gibt es Forschungsarbeiten, die sich in der Managementlehre mit Detailaspekten wie Issues oder Reputation Management ohne Berücksichtigung des Ganzen beschäftigen. 20 Zudem wird im Marketing als Teilgebiet der Managementlehre über das Forschungsgebiet Corporate Branding ein Ansatz verfolgt, der über das klassische, auf den Kunden ausgerichtete Leistungsversprechen hinausgeht, aber die Verknüpfung zu anderen Kommunikationsbereichen (insbesondere zur Kapitalmarktkommunikation und zur allgemeinen Öffentlichkeitsarbeit) vernachlässigt. 21 In jüngster Zeit wird immerhin bereits eine Wertorientierung der Kommunikation propagiert, bei der die Autoren allerdings ausschliesslich auf die»wertschöpfung durch Kommunikation«(Pfannenberg/Zerfaß 2005) oder»value Corporate Communications«(Rolke/ Koss 2005) abstellen. Beiden Ansätzen fehlt ein Management-Modell zur theoretischen Unterlegung der Integration eines derart angelegten Kommunikationsmanagements. 22 Mit Einschränkungen kann das Forschungsfeld Investor Relations (IR) von der fehlenden Integration in das Management ausgenommen werden, welches zum einen die Kapitalmarktkommunikation und zum anderen die sich daraus ergebenden Rückschlüsse für die finanzielle Führung der Unternehmung analysiert. 23 Allerdings fehlt der IR-Forschung die Anbindung an Aspekte der allgemeinen Unternehmenskommunikation. Dass dies notwendig ist, haben erst jüngst Ernst/Gassen/Pellens (2005) in einer umfassenden empirischen Studie über das Informationsverhalten von privaten Aktionären festgestellt. 24 Die Beobachtungen im Kommunikationsumfeld der Unternehmungen haben bereits Auswirkungen auf die Praxis des Unternehmensmanagements. 25 Da der Unternehmens- 20 Zu Issues Management siehe bspw. Ingenhoff (2004) oder Röttger (2001), zu Reputation Management v. a. Fombrun/van Riel (2004). 21 Vgl. bspw. Gregory (1997), Ind (1997) oder Tomczak/Will et al. (2001). 22 Die grundlegenden Arbeiten zur Wertorientierung titulieren unter»value Reporting«, die international von Eccles (2001) und im deutschsprachigen Raum von Volkart (1995) verfasst wurden. Pfannenberg/ Zerfaß (2005) haben einen Sammelband zur Wertorientierung vorgelegt, dem aber aufgrund der Sammlung von Beiträgen der Gesamtzusammenhang mit der wertorientierten Unternehmensführung fehlt. Rolke (2005) hat eine exemplarische Studie mit neuen Kennzahlen und einer Anleitung zum Kommunikations-Controlling verfasst, ohne auf den Management-Kontext einzugehen. Ähnliches gilt auch für Piwinger/Poraks (2005) Sammelband Kommunikations-Controlling. 23 Vgl. hierzu zur Übersicht bspw. Achleitner/Bassen/Pietzsch (2001). 24 Pellens/Gassen/Ernst (2005) haben in einer Erhebung unter den Aktionären der Deutschen Post AG herausgefunden, dass gerade private kleinere Aktionäre die allgemeinen Medien als ihre Hauptinformationsquelle für Unternehmensinformation bezeichnen. Die strikte Einteilung von Teilarenen ist mit diesem Ergebnis offensichtlich nicht in Einklang zu bringen; denn hier wird deutlich, dass Finanzkommunikation nicht auf die Finanzarena begrenzt bleiben kann, sondern vor allem auch über die öffentliche Arena stattfindet. 25 Zwei Praktikerbeispiele, die stellvertretend für die beschriebenen Entwicklungen sind: Hartmut Schick, Leiter der globalen Kommunikation der DaimlerChrysler AG hält fest:»kommunikation ist eine wesentliche Funktion eines Unternehmens und braucht ein Strategisches Management für eine erfolgreiche Umsetzung ( ). In den meisten Unternehmen ist die Kommunikation mittlerweile als erfolgskritische Managementfunktion anerkannt. Ich denke, es würde jeden Manager komplettieren, sich mit Wesen

10 A. Einführung in das Wertorientierte Kommunikations management kommunikation aber wie zuvor dargestellt hinsichtlich der funktionalen und organisationalen Verortung ein theoretischer Bezugsrahmen fehlt, sind Schnittstellen oftmals nicht definiert. Diese mangelnde Schnittstellendefinition führt zu erheblichen Reibungsverlusten in Unternehmungen. Die Kommunikationsfelder, auf denen es sehr oft zu Auseinandersetzungen über die Zuständigkeit in der Unternehmung kommt, sind Investor Relations und Corporate Branding sowie jüngst auch Corporate Governance. Die Frage, ob Investor Relations eine Kommunikationsfunktion des Finanzbereichs ist oder ob sich hier eine ganzheitliche Aufgabe der Unternehmung stellt, ist mit Hilfe einer Schnittstellen-Definition zu klären. Ob Corporate Branding ein Kommunikationsinhalt des Marketings ist oder ob sich hier eine Kommunikationsanforderung für die ganze Unternehmung stellt, kann ebenfalls über die Schnittstelle geklärt werden. Und in jüngster Zeit kommt vermehrt die Frage auf, ob Corporate Governance eine rein rechtliche und organisatorische Themenstellung der Unternehmung ist oder ob sich durch die Transparenzanforderung der Kodizes nicht auch eine Kommunikationsanforderung stellt. Auch das lässt sich über die Schnittstellendefinition lösen. Die praktische Unternehmenskommunikation findet, um eine Begrifflichkeit von Ulrich/Krieg (1974) zu verwenden, im luftleeren Raum statt anders formuliert: Sie ist nicht eingebunden. Insofern kann man festhalten, dass die aktuellen Bereiche beziehungsweise Abteilungen für Unternehmenskommunikation nicht ausreichend geeignet sind, um die kommunikative Dimension der Unternehmung im Lichte der veränderten Umweltbedingungen zu gestalten und zu entwickeln. Selbst wenn man Investor Relations, Marketing und Brand Management hinzunimmt, die ja nicht in der integrierten Unternehmenskommunikation organisiert sind, fehlt die konsequente Einbindung in das Unternehmensmanagement. Auf Basis dieser Ausführungen zu Theorie und Praxis wird in dieser Arbeit ein Wertorientiertes Kommunikationsmanagement 26 als Ausarbeitung der kommunikativen Dimension vorgestellt, um die Einbindung in das Management zu ermöglichen, die mit der Communications View skizziert wurde. Dem Kommunikationsmanagement soll dabei ein wertorientiertes und nicht etwa strategisches Adjektiv zugefügt werden. Warum? Hungenberg beschreibt Strategisches Management auf Unternehmensebene als eine Gestaltungsfunktion, die sich mit der strategischen Ausrichtung einer Unternehmung befasst und somit die gesamte Unternehmung und nicht nur einzelne Geschäftsfelder betrachtet (Hungenberg 2001, S. 327 ff.). Dabei leiten sich die Ziele der Unternehmung aus dem überund Wirkung von Kommunikation auseinander zu setzen ( ). Jede unternehmerische Tätigkeit, über die berichtet werden kann, erzeugt dabei zweierlei: Eine ökonomische Realität und ein mediales Abbild. Es ist dann aber vor allem das Bild in den Medien, das in die Köpfe und Herzen der Menschen gelangt und dort die Reputation von Unternehmen, Produkten und Personen prägt und damit letztendlich auch den unternehmerischen Erfolg beeinflusst. Diese Erkenntnis sollte aus meiner Sicht Teil einer kommunikativen Qualifizierung von Managern sein. Hier gilt es, in einem integrierten Konzept betriebswirtschaftliche und kommunikative Aspekte stärker als bisher miteinander zu verbinden«(schick 2004, S. 6 f.). Der Leiter des Zentralbereiches Corporate Communications der Siemens AG, Eberhard Posner, schreibt im von Bruhn/Reichwald (2005) herausgegebenen zfo-schwerpunktheft über Führung und Kommunikation:»Kommunikation ist eine wesentliche Voraussetzung für nachhaltigen Unternehmenserfolg: Kundenbindung und Mitarbeiterengagement, Vertrauen der Investoren und Verständnis in der Öffentlichkeit sind ohne Transparenz, glaubwürdige Information und sachlichen Dialog nicht zu erreichen. Für ein globales Unternehmen wie Siemens, das viele unterschiedliche Märkte bearbeitet, ist es besonders wichtig, bei aller Betonung seiner Vielfalt auch die Gemeinsamkeiten deutlich zu machen, die das Unternehmen Siemens stärker und wertvoller machen als die Summe seiner Einzelteile«(Posner 2005, S. 159). 26 Vgl. dazu A.1.3.

1. Ausgangslage 11 geordneten Ziel ab, den Wert der Unternehmung zu maximieren. Der Unternehmenswert besteht konzeptionell aus zwei Komponenten: den summierten Einzelwerten der Geschäftsfelder und dem Wertbeitrag der Unternehmenszentrale (ebenda, S. 339). Die Wertorientierung ist somit übergeordnet. Denn:»Eine wesentliche Grundlage für das wertorientierte Management ist die Ermittlung von Kennzahlen. Kennzahlen haben eine wichtige integrierende Funktion: Sie bilden die Basis für Zielvereinbarungen im strategischen und operativen Bereich, und sie messen ex post die Erreichung dieser Ziele durch das Management«, heisst es bei Ewert/Wagenhofer im einleitenden Artikel des Herausgeberbandes von Wagenhofer/Hrebicek mit dem Titel»Wertorientiertes Management«(Ewert/Wagenhofer 2000, S. 4). Wertorientiertes Kommunikationsmanagement kann somit über den bereits erwähnten Ansatz des Intellectual Capital eine Anbindung an das Kennzahlensystem der Unternehmung und damit sui generis an das Strategische Management ermöglichen. Anders ausgedrückt: Wenn Kommunikation wertorientiert ist, kann sie auch strategisch sein, aber nicht umgekehrt. Unternehmenswert Finanzielles Kapital Intellektuelles Kapital Humankapital Strukturkapital Kundenkapital Organisationskapital Innovationskapital Prozesskapital Abb. 4: Kategorien des Intellectual Capital (in Anlehnung an Edvinsson/Malone 1997, S. 52) Die obige Abbildung zeigt das Grundprinzip des Intellectual Capital. Der Ansatz erlaubt, das Kennzahlensystem der Unternehmensführung um Einschätzungen der verschiedensten Anspruchsgruppen zu erweitern. Es ist auf diese Weise möglich, zusätzliche qualitative und quantitative Kennzahlen für die Unternehmensführung abzuleiten, welche die Interpretation von Entscheidungen durch die Anspruchsgruppen bewertbar machen. Dazu muss man dem Intellectual Capital die erwähnte zusätzliche Kategorie Communications Capital hinzufügen. Diese intellektuelle Fähigkeit erlaubt es dann, das für Unternehmungen so wichtige Stakeholder Capital über Stakeholder Relations systematisch zu gestalten. Die so genannte Relations View ermöglicht die Einbindung des gesamten Beziehungsmanagements in die Unternehmensbewertung und damit in die Unternehmensführung.