BGH-Leitsatz-Entscheidungen Heute neu: 1. UrhG, TMG: Kontrolle der Linksammlung durch File-Hosting-Dienst Urteil 15.08.2013, I ZR 80/12 2. KWG, BGB: Hinweis auf bankrechtliche Bedenken gegen Anlageform Versaeumnisurteil 23.07.2013, II ZR 143/12 3. GmbHG, EGInsO, MoMiG: Überlassungsunwürdigkeit der Gesellschaft Urteil 28.05.2013, II ZR 83/12 4. ZPO, ZVG, BGB: Grundstück der GbR im Teilungsversteigerungsverfahren Beschluss 16.05.2013, V ZB 198/12 5. BGB: Unwirksamkeit von Preisänderungsklauseln in Gasversorgungsverträgen Urteil 31.07.2013, VIII ZR 162/09 6. InsO, VVG: Anspruch des Geschädigten bei Insolvenz des Versicherungsnehmers Urteil 18.07.2013, IX ZR 311/12 7. RVG, FamFG: Sprungsrechtsbeschwerde bei fehlerhafter Subsumtion Beschluss 14.08.2013, XII ZB 443/12 8. VersAusglG, FamFG, SGB VI: Verzinsung des Ausgleichswertes aus betrieblicher Altersversorgung Beschluss 07.08.2013, XII ZB 552/12 9. VersAusglG: Gleichartigkeit zwischen gesetzlicher Rente und Beamtenversorgung Beschluss 07.08.2013, XII ZB 211/13 10. StPO: unzureichende Dokumentation von Verständigungsgesprächen Urteil 10.07.2013, 2 StR 195/12 Urteile und Beschlüsse: 1. UrhG, TMG: Kontrolle der Linksammlung durch File-Hosting-Dienst Urteil 15.08.2013, I ZR 80/12 97 Abs. 1, 19a, 120, 121 Abs. 4 UrhG, 547 Nr. 6 ZPO, 2 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 UrhG, 138 Abs. 4 ZPO, 8 bis 10 TMG, 7 Abs. 2 Satz 1 TMG a) Ist das Geschäftsmodell eines File-Hosting-Dienstes nicht von vornherein auf Rechtsverletzungen angelegt, ist der Umstand, dass der Betreiber durch eigene Maßnahmen die Gefahr einer rechtsverletzenden Nutzung des b.b.h. Fortbildungswerk Steuern und Wirtschaftsrecht Seite - 1 -
Dienstes fördert, bei der Bestimmung des Umfangs der ihm als Störer obliegenden Prüfpflichten zu berücksichtigen (Fortführung von BGH, Urteil vom 12. Juli 2012 - I ZR 18/11, BGHZ 194, 339 Rn. 21 ff. - Alone in the Dark). b) Leistet ein File-Hosting-Dienst durch sein konkretes Geschäftsmodell Urheberrechtsverletzungen in erheblichem Umfang Vorschub, so ist ihm eine umfassende regelmäßige Kontrolle der Linksammlungen zuzumuten, die auf seinen Dienst verweisen (Fortführung von BGHZ 194, 339 Rn. 39 - Alone in the Dark). c) Die Prüfpflichten des Störers, die sich danach ergeben, bestehen in Bezug auf jedes Werk, hinsichtlich dessen ihm eine klare Rechtsverletzung angezeigt worden ist; sie verringern sich nicht deswegen, weil er auf eine große Zahl von Verletzungen - im Streitfall auf das Öffentlich-Zugänglichmachen von über 4800 Musiktiteln - hingewiesen worden ist. 2. KWG, BGB: Hinweis auf bankrechtliche Bedenken gegen Anlageform Versaeumnisurteil 23.07.2013, II ZR 143/12 Kreditwesengesetzes, 812 BGB, 280 Abs. 1, 3, 282, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB, 1 KWG, 32 KWG, 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG a) In einem Anlageprospekt ist auf bankrechtliche Bedenken gegen eine bestimmte Anlageform hinzuweisen, wenn mit der Verwirklichung der daraus folgenden Bedenken ernsthaft zu rechnen ist und diese Risiken jedenfalls nicht nur ganz entfernt liegen. b) Eine Kündigung einer Gesellschaft, die nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft als wirksam gilt, ist aus diesem Gesichtspunkt nur dann wirksam, wenn sich der Kündigende zumindest auch auf den Mangel des Gesellschaftsvertrages stützt. 3. GmbHG, EGInsO, MoMiG: Überlassungsunwürdigkeit der Gesellschaft Urteil 28.05.2013, II ZR 83/12 32a, 32b GmbHG, Art. 103d EGInsO, Gesetzes zur Modernisierung des GmbH- Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG), MoMiG, 30, 31 GmbHG, 32a Abs. 3 GmbHG, 276 BGB, 347 HGB Die Gesellschaft ist im Sinn der Rechtsprechungsregeln zum Eigenkapitalersatzrecht überlassungsunwürdig, wenn ihr ein anderer als der Gesellschafter b.b.h. Fortbildungswerk Steuern und Wirtschaftsrecht Seite - 2 -
angesichts ihrer finanziellen Verhältnisse den Gegenstand nicht zur Nutzung als Mieter oder Pächter überlassen würde. Für die Bestimmung der Überlassungsunwürdigkeit ist die Bonität der Gesellschaft als Mieter oder Pächter entscheidend und nicht, ob der vereinbarte Miet- oder Pachtzins für den Vermieter oder Verpächter günstig ist. 4. ZPO, ZVG, BGB: Grundstück der GbR im Teilungsversteigerungsverfahren Beschluss 16.05.2013, V ZB 198/12 771 ZPO, 731 Satz 2, 753 Abs. 1 BGB, 180 Abs. 2 ZVG, 180 Abs. 1 ZVG, 47 Abs. 2 GBO, 731 Satz 2 BGB, 753 Abs. 1 BGB, 181 bis 184 ZVG a) Gegenstand eines Teilungsversteigerungsverfahrens kann auch das Grundstück einer GbR sein. Die Anerkennung der Rechtsfähigkeit der GbR ändert daran nichts. b) Den Antrag kann der einzelne Gesellschafter stellen, ohne zuvor seinen Anspruch auf Versteigerung des Gesellschaftsgrundstücks gegen die übrigen Gesellschafter oder die GbR gerichtlich durchsetzen zu müssen. c) Die GbR selbst und die übrigen Gesellschafter können Einwände aus dem Gesellschaftsvertrag oder dem Gesellschaftsverhältnis gegen die Teilungsversteigerung im Wege der Widerspruchsklage analog 771 ZPO geltend machen. 5. BGB: Unwirksamkeit von Preisänderungsklauseln in Gasversorgungsverträgen Urteil 31.07.2013, VIII ZR 162/09 307 Abs. 1 BGB, 307 BGB, 307 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB, 307 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB, 306 Abs. 3 BGB, 306 Abs. 2 BGB, 315 BGB, 242 BGB, 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB 1. In Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die ein Energieversorgungsunternehmen in Gasversorgungsverträgen mit Endverbrauchern (Normsonderkunden) verwendet, halten die Klauseln a) "Ändern sich die allgemeinen veröffentlichten Tarifpreise (Haushalt und Gewerbe) [des Versorgungsunternehmens], so ist [das Versorgungsunternehmen] berechtigt, die Vertragspreise angemessen zu ändern. b.b.h. Fortbildungswerk Steuern und Wirtschaftsrecht Seite - 3 -
Die Änderungen werden wirksam mit der öffentlichen Bekanntgabe der geänderten Preise ab dem in der Bekanntgabe angegebenen Zeitpunkt..." b) "Die Preise des Sonderabkommens HS sind an den Tarif H II, die Preise des Sonderabkommens GS an den Tarif G II der ab 1. Oktober 1981 gültigen allgemeinen Tarife für die Versorgung mit Gas [des Versorgungsunternehmens] gebunden. Ändern sich die Grundpreise dieser Tarife, so ändern sich auch die Grundpreise der Sonderabkommen im gleichen Verhältnis; ändern sich die Arbeitspreise dieser Tarife, so ändern sich die Arbeitspreise der Sonderabkommen um den gleichen Betrag." der Inhaltskontrolle nach 307 Abs. 1 BGB nicht stand (zu a) Fortführung von BGH, Urteil vom 17. Dezember 2008 - VIII ZR 274/06, BGHZ 179, 186 Rn. 12 ff.; zu b) Bestätigung von BGH, Urteil vom 14. Juli 2010 VIII ZR 246/08, BGHZ 186, 180 Rn. 38 ff.). 2. Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Energieversorgungsunternehmens, die für das Vertragsverhältnis mit Normsonderkunden eine Preisanpassung oder ein einseitiges Preisänderungsrecht des Energieversorgungsunternehmens in der Weise regeln, dass sie die unmittelbare Anwendbarkeit der AVBGasV oder ein mit 4 AVBGasV in jeder Hinsicht gleichlautendes Änderungsrecht vorsehen, halten der Inhaltskontrolle nach 307 Abs. 1 BGB nicht stand (im Anschluss an EuGH, RIW 2013, 299 - RWE Vertrieb; Aufgabe von BGH, Urteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, BGHZ 182, 59 Rn. 19 ff., und VIII ZR 56/08, WM 2009, 1711 Rn. 21. ff.; vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, BGHZ 186, 180 Rn. 33 ff.). 6. InsO, VVG: Anspruch des Geschädigten bei Insolvenz des Versicherungsnehmers Urteil 18.07.2013, IX ZR 311/12 86 Abs. 1 Nr. 2 InsO, 110 VVG, 240 ZPO, 110 VVG, 157 VVG, 240 ZPO, 110 VVG a) Ein geschädigter Dritter kann wegen des ihm gegen den Versicherungsnehmer zustehenden Anspruchs abgesonderte Befriedigung aus dessen Freistellungsanspruch gegen den Versicherer verlangen, wenn über das Vermögen des Versicherungsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet ist; er kann den Anspruch im Fall der Verfahrensunterbrechung durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Wege der Aufnahme des gegen den Schuldner geführten Rechtsstreits verfolgen (Fortführung von BGH, ZIP 1989, 857 [BGH 25.04.1989 - VI ZR 146/88]). b.b.h. Fortbildungswerk Steuern und Wirtschaftsrecht Seite - 4 -
b) Die Aufnahme des durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Versicherungsnehmers unterbrochenen Kostenfestsetzungsverfahrens stellt den gegenüber der Zahlungsklage gegen den Insolvenzverwalter des Versicherungsnehmers einfacheren und billigeren Weg zur Geltendmachung der von dem Absonderungsrecht gedeckten Kosten des Rechtsstreits dar. 7. RVG, FamFG: Sprungsrechtsbeschwerde bei fehlerhafter Subsumtion Beschluss 14.08.2013, XII ZB 443/12 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 75 Abs. 2 FamFG, 566 Abs. 4 ZPO, 4 Abs. 2 VBVG, 1835 Abs. 3 BGB, 75 Abs. 2 FamFG, 566 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ZPO Die fehlerhafte Subsumtion unter einen zutreffend gewählten Obersatz vermag die Zulassung der Sprungrechtsbeschwerde aus dem Gesichtspunkt der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht zu rechtfertigen. 8. VersAusglG, FamFG, SGB VI: Verzinsung des Ausgleichswertes aus betrieblicher Altersversorgung Beschluss 07.08.2013, XII ZB 552/12 3 Abs. 1 VersAusglG, 59 Abs. 1 FamFG, 76 Abs. 4 Satz 2, 3 SGB VI, 76 Abs. 4 Satz 4 SGB VI, 18 Abs. 2, 3 VersAusglG, 14 Abs. 4 VersAusglG, 224 Abs. 1 FamFG, 14 Abs. 4 VersAusglG, 76 Abs. 4 Satz 3 SGB VI Der als Kapitalbetrag im Rahmen der externen Teilung nach 14 Abs. 4 Vers- AusglG zu zahlende Ausgleichswert aus einer fondsgebundenen betrieblichen Altersversorgung ist nicht zu verzinsen (Abgrenzung zu Senatsbeschlüssen BGHZ 191, 36 = FamRZ 2011, 1785 und vom 6. Februar 2013 XII ZB 204/11 FamRZ 2013, 773). 9. VersAusglG: Gleichartigkeit zwischen gesetzlicher Rente und Beamtenversorgung Beschluss 07.08.2013, XII ZB 211/13 10 Abs. 2, 18 Abs. 1 VersAusglG, 3 Abs. 1 VersAusglG, 18 Abs. 2, 3 VersAusglG, 18 Abs. 1 VersAusglG, 18 Abs. 2 VersAusglG, 18 Abs. 2 VersAusglG, 18 Abs. 1 VersAusglG, 18 Abs. 2 VersAusglG b.b.h. Fortbildungswerk Steuern und Wirtschaftsrecht Seite - 5 -
Anrechte aus der gesetzlichen Rentenversicherung und solche aus der Beamtenversorgung sind nicht gleicher Art i.s.v. 10 Abs. 2, 18 Abs. 1 VersAusglG. 10. StPO: unzureichende Dokumentation von Verständigungsgesprächen Urteil 10.07.2013, 2 StR 195/12 273 Abs. 1a StPO, 243 Abs. 4 StPO, 257c Abs. 3 StPO, 257c StPO, 243 Abs. 4 Satz 2, 273 Abs. 1a Satz 2 StPO, 300 StPO, 257c StPO, 243 Abs. 4 Satz 2, 273 Abs. 1a Satz 2 StPO 1. Die Grundsätze zur Unzulässigkeit einer bloßen Protokollrüge gelten nicht, wenn ein Verfahrensfehler behauptet wird, der in seinem Kern darin besteht, dass das Hauptverhandlungsprotokoll den Inhalt außerhalb der Verhandlung geführter Verständigungsgespräche nicht wiedergibt. Insoweit hat der Gesetzgeber eine Sonderregelung getroffen. 2. Eine entgegen 273 Abs. 1a StPO fehlende oder inhaltlich unzureichende Dokumentation von außerhalb der Hauptverhandlung geführten Verständigungsgesprächen im Sinne von 243 Abs. 4 StPO führt in der Regel dazu, dass das Beruhen des Urteils auf dem Rechtsfehler nicht auszuschließen ist. b.b.h. Fortbildungswerk Steuern und Wirtschaftsrecht Seite - 6 -