zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht

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Transkript:

Der Bevollmächtigte des Rates Gemeinsame Stellungnahme des Bevollmächtigten des Rates der EKD bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union und des Leiters des Kommissariats der deutschen Bischöfe Katholisches Büro in Berlin zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht I. Allgemeine Erwägungen Die Kirchen begrüßen die Initiative der Bundesregierung in Form des Referentenentwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches im Bereich des Sexualstrafrechts und bedanken sich für die Möglichkeit zur Stellungnahme. Jeder einzelne Mensch hat als Geschöpf und Abbild Gottes eine unantastbare Würde, die ihm von Gott gegeben ist und ihm nicht genommen werden kann. Jedoch können Menschen insbesondere in dem schutzbedürftigen Kindesalter schwere körperliche und seelische Verletzungen zugefügt werden, die diese Menschen ihres Rechts auf eine ungestörte Entwicklung und Entfaltung ihrer Persönlichkeit berauben. Es ist deswegen ein grundlegendes Anliegen der Kirchen, der gemeinsamen Verantwortung für einen verbesserten Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt gerecht zu werden. Insoweit begrüßen sie den vorgelegten Referentenentwurf, der europäische Vorgaben umsetzt und bemüht ist, Schutzlücken im Sinne eines besseren Opferschutzes zu schließen. Insbesondere greift der Entwurf auch Anregungen des Runden Tisch Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich sowie des Fachbeirates beim Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs auf. Charlottenstr. 53/54 10117 Berlin Tel.: 030 20355-0 Fax: 030 20355-100 Mail: ekd@ekd-berlin.de Hannoversche Straße 5 10115 Berlin Tel.: 030 28878-0 Fax: 030 28878-108 Mail: post@kath-buero.de

Seite 2 von 7 II. Zu den Vorschriften im Einzelnen: 1. Zu Nummer 2 5 StGB-E Auslandstaten mit besonderem Inlandsbezug 5 StGB-E enthält Modifizierungen, die auf die Umsetzung internationaler Rechtsakte zurückzuführen sind. 1 Nach der Änderung wäre deutsches Strafrecht für mehr Delikte als bisher auch dann anwendbar, wenn die Tat im Ausland begangen wurde, und dies auch dann, wenn die Tat im Ausland nicht mit Strafe bedroht ist, vorausgesetzt, dass der Täter zur Zeit der Tat Deutscher war. Für Fälle sogenannter Ferienbeschneidungen, in denen Mädchen nichtdeutscher Nationalität während eines Ferienaufenthalts im Herkunftsland Opfer einer Genitalverstümmelung werden, hinge zudem die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts unabhängig von Täternationalität und Tatort allein davon ab, dass das Opfer seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat. Bislang wäre eine solche Tat unter Umständen nach deutschem Recht nicht verfolgbar. 2 Wir begrüßen diese Ausweitung des Schutzbereichs daher ausdrücklich. 2. Zu Nummer 4 78b Absatz 1 Nr.1 StGB-E Ruhen der Verjährung 78b StGB regelt das Ruhen der Verjährung für die dort genannten Straftaten 3. Hier sollen zwei Änderungen erfolgen. Zum einen soll das Lebensalter des Opfers, bis zu dem die Verjährungsfrist noch nicht zu laufen beginnt, von 21 auf 30 Jahre erhöht werden; zum anderen soll der Straftatenkatalog derjenigen Delikte, für die ein Ruhen der Verjährung angeordnet wird, um die Tatbestände des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen ( 182 StGB) und der Zwangsheirat ( 237 StGB) erweitert werden. Die Anhebung des Verjährungsbeginns wie auch die Aufnahme des 182 StGB entspricht der Forderung des Unabhängigen Beauftragten. 4 1 So schreiben sowohl die RL 2011/93/EU als auch das Übereinkommen des Europarates zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch (Istanbul-Konvention) und das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Lanzarote-Konvention) hinsichtlich der Anwendbarkeit deutschen Strafrechts das Nationalitätsprinzip für spezielle Straftatbestände vor und heben für einen Teil der Straftatbestände die Regel der gegenseitigen Strafbarkeit auf. 2 Siehe hierzu ausführlich Gesetzesentwurf des Bundesrates, BT-Drucks 17/1217 vom 24.03.2010. 3 Nach geltendem Recht erfasst sind: 174 bis 174c, 176 bis 179, 225 und 226a StGB. 4 Siehe UBSKM, Forderungskatalog Strafrechtliche Verjährungsfristen : Verlängerung der Verfolgbarkeit von sexuellem Kindesmissbrauch. S. 4 f.

Seite 3 von 7 Die Aufnahme des Tatbestands der Zwangsheirat ( 237 StGB) geht zurück auf das Erfordernis des Europarat-Übereinkommens zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention, Artikel 58). Hiernach soll sich die Verjährungsfrist für die Einleitung von Strafverfahren wegen sexueller Gewalt, einschließlich Vergewaltigung, Zwangsheirat, Genitalverstümmelung sowie Zwangsabtreibung und Zwangssterilisation, über einen der Schwere der betreffenden Straftat entsprechenden Zeitraum erstrecken, um die tatsächliche Einleitung von Verfahren zu ermöglichen, nachdem das Opfer das Alter der Volljährigkeit erreicht hat. Durch die Anhebung des Verjährungsbeginns wird gewährleistet, dass die Strafverfolgung auch in den Fällen möglich ist, in denen das Opfer unter dem Eindruck der erheblichen Straftat oder aus wirtschaftlicher oder sozialer Abhängigkeit, aus Angst, Schuldgefühlen oder Scham lange Zeit benötigt, um über die Tat sprechen zu können. Wir begrüßen daher die Änderung in vollem Umfang. Auch der Erweiterung des Straftatenkatalogs ist im Hinblick auf einen besseren Opferschutz zuzustimmen. Jedoch besteht bei der Umsetzung ein gewisses Ungleichgewicht. Denn der Referentenentwurf lässt die Zwangsheirat ( 237 StGB) an der Ruhensvorschrift teilhaben, lehnt eine Aufnahme der Zwangsabtreibung ( 224 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 StGB) und Zwangssterilisation ( 226 Absatz 1 Nummer 2 StGB) jedoch ab. Dies tut er mit dem Hinweis auf eine fehlende Umsetzungspflicht. Denn auch nach der alten Regelung ist es rechnerisch ausgeschlossen, dass diese Delikte zu einem Zeitpunkt verjähren können, zu dem das Opfer noch minderjährig ist. 5 Dass die Zwangsabtreibung und die Zwangssterilisation jedoch schon nach geltendem Recht einer längeren Verjährung unterliegen, ist nur Beleg dafür, dass sie vom Gesetzgeber als besonders schwer angesehen wurden. Umso mehr müssen sie bei der avisierten Erweiterung des Straftatenkatalogs Berücksichtigung finden. Des Weiteren ist es insbesondere nicht ausgeschlossen, dass schon Kinder Opfer von Zwangssterilisationen werden oder eine Abtreibung gegen den Willen einer Minderjährigen durchgeführt wird. In diesen Fällen ist wegen der möglichen, sogar wahrscheinlichen Traumatisierung der Opfer eine Interessenlage gegeben, die der von Fällen sexualisierter Gewalt entspricht. Aus diesem Grund darf nicht allein darauf abgestellt werden, ob durch das geltende Recht die Mindestanforderung der Volljährigkeit des Opfers im Zeitpunkt der Verjährung erfüllt wird. Vielmehr sollten alle in Artikel 58 der Istanbul-Konvention genannten Delikte im Rahmen des 78b Absatz 1 Nr. 1 StGB gleichgestellt werden und also auch die Zwangsabtreibung und die Zwangssterilisation in den Straftatenkatalog des 78b Absatz 1 Nr. 1 StGB-E aufgenommen werden. 5 Siehe Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches vom 07.04.2014, S. 26.

Seite 4 von 7 3. Zu Nummer 8 174 StGB-E a) 174 Absatz 1 Nr. 3 StGB familiärer Kontext 174 StGB bestraft den sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen. Die im Referentenentwurf vorgeschlagenen Neuregelungen des 174 Absatz 1 Nr. 3 StGB begrüßen wir in vollem Umfang. Zum einen korrigiert der Referentenentwurf hier ein Redaktionsversehen, so dass nunmehr der Tatbestand auch die Fälle erfasst, in denen das Opfer nicht das leibliche Kind des Täters ist, aber dieser zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet war, er die Vaterschaft anerkannt hat oder seine Vaterschaft gerichtlich festgestellt wurde (rechtliche Vaterschaft). Diese Fälle konnten unter den bisherigen Wortlaut des angenommenen Kindes nicht gefasst werden. Zum anderen wird in Absatz 1 Nr. 3 der Begriff Abkömmling an die Stelle des Wortes Kind gesetzt. Der Schutz der Vorschrift erstreckt sich damit auch auf Enkel-Großeltern-Konstellationen. 6 Darüber hinaus werden nunmehr alle Opfer geschützt, die mit dem Täter in häuslicher Gemeinschaft leben, so dass auch Stief- und Pflegeeltern sowie Lebenspartner eines Elternteils unabhängig von einem konkreten Anvertrautsein Täter im Rahmen des 174 Absatz 1 Nr. 3 StGB-E sein können. Damit ist der familiäre Kontext insgesamt geschützt, ohne dass es auf den konkreten Einzelfall ankäme. Hierdurch wird dem Umstand Rechnung getragen, dass das Opfer im familiären Kontext stets über nur eingeschränkte Schutzmechanismen verfügt und damit ein Schutzbedarf wegen der in diesem Kontext wirksam werdenden psychosozialen Dynamiken auch gegenüber einem sich nicht liebevoll und zugewandt verhaltenden Erwachsenen besteht. 6 In BGH, Beschluss vom 27. Juni 2000 1 StR 221/00=NStZ-RR 2000, S. 353 ff. wurde etwa ein Großvater, der sexuelle Handlungen an seinem Enkelkind vorgenommen hat, mit der Begründung freigesprochen, er habe sich seit Langem vom eigentlichen Familienleben abgekapselt und sich im Wesentlichen in sein Wohnzimmer zurückgezogen und insbesondere kein herzliches Verhältnis zu den Enkelkindern entwickelt und nie einen richtigen Bezug zu ihnen gefunden.

Seite 5 von 7 b) 174 Absatz 2 StGB institutioneller Kontext Eine weitere Änderung des 174 StGB betrifft den Absatz 2 der Vorschrift. Hiernach sind unter anderem nunmehr sexuelle Kontakte zwischen Lehrern und minderjährigen Schülern auch ohne ein konkretes Verhältnis des Anvertrautseins bereits dann strafbar, wenn der Täter zumindest Teil des Lehrerkollegiums der Schule des Opfers ist. Eine Bestrafung wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen ist damit etwa auch dann möglich, wenn der Täter nicht der Klassenlehrer des Opfers ist oder keine dauerhaft begründete Vertrauensbeziehung zwischen Lehrer und Schüler besteht. Hierdurch will der Referentenentwurf eine Schutzlücke schließen, die im Fall der Entscheidung des OLG Koblenz, Beschluss vom 29.11.2011, bei dem ein Aushilfslehrer eine Schülerin sexuell missbrauchte, zu einem Freispruch geführt hatte, da es an einem konkreten Anvertrautsein zur Erziehung fehlte. Nach der Neuregelung kommt es nunmehr nicht länger auf die lehrplanmäßigen Zuständigkeiten an, sondern das Verbot des 174 Absatz 1 StGB gilt generell innerhalb einer Schule. Diese Erweiterung dient dem Opferschutz und hilft, Schutzlücken zu schließen. Insoweit ist sie zu begrüßen. Es bleibt jedoch fraglich, ob sie nicht zu kurz greift. Denn die Neuregelung setzt nach ihrem Wortlaut voraus, dass der Anstellungsträger des Täters und die Schule, an der das Opfer Schüler ist, identisch sind. 7 Damit sind verschiedene Konstellationen womöglich nicht erfasst. So ist etwa denkbar, dass der Täter als Aushilfslehrer, der bei einer anderen Schule angestellt ist, den Unterricht an der Tatortschule kurzzeitig übernimmt oder dass Schüler vorübergehend den Unterricht einer anderen Schule besuchen. Auch hier besteht das vom Referentenentwurf als strafbarkeitsbegründend erkannte Machtungleichgewicht, da das Opfer regelmäßig auch in diesen Fällen den Täter in seiner sozialen Rolle wahr nimmt und hierdurch Schutzmechanismen eingeschränkt sein können. Diese Schutzlücke könnte durch eine Ausdehnung des Wortlauts des 174 Absatz 2 StGB-E geschlossen werden. Anstatt der Begrenzung auf Fälle innerhalb einer Schule, könnte der Anwendungsbereich auch auf Schüler-Lehrer-Konstellationen erweitert werden, in denen der Täter dem Opfer in seiner Funktion als Lehrkraft gegenüber steht, ohne dass Täter und Opfer durch parallele Rechtsverhältnisse mit derselben Schule verbunden sind. Dazu würde es genügen, den Wortlaut zu dieser Einrichtung durch zu einer Einrichtung zu ersetzen und um das weitere Tatbestandsmerkmal bei Gelegenheit einer mit dem Erziehungs-, Ausbildungs-, Betreuungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnis verbundenen Tätigkeit zu ergänzen. 7 Nach 174 Absatz 2 Nr. 1 StGB-E wird eine Person bestraft, der in einer dazu bestimmten Einrichtung die Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung von Personen unter achtzehn Jahren anvertraut ist, und die sexuelle Handlungen an einer Person unter sechzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt. 174 Absatz 2 Nr. 2 StGB-E erfasst die Opfergruppe der unter Achtzehnjährigen, setzt allerdings zusätzlich eine Ausnutzung der Stellung, die der Täter im institutionellen Kontext innehat, voraus.

Seite 6 von 7 4. Zu Nummer 14 184b Absatz 1 Nr. 1 StGB-E 184b StGB bestraft die Verbreitung, den Erwerb und den Besitz kinderpornographischer Schriften. Laut Referentenentwurf soll die Vorschrift zum einen eine Klarstellung, zum anderen eine Strafbarkeitserweiterung erfahren. Die Klarstellung betrifft sogenannte posing-bilder, die nunmehr ausdrücklich vom Anwendungsbereich des 184b StGB-E erfasst sein sollen. Dies ist nur eine Klarstellung, da posing-bilder bereits nach geltender Rechtslage unter das Tatbestandsmerkmal sexuelle Handlungen von Kindern subsumiert werden können, wenn das Kind (auch ohne Berührung des eigenen Körpers) aktiv eine unnatürliche Körperhaltung einnimmt, etwa indem es seine Beine spreizt. 8 Schutzlücken ergeben sich nach geltendem Recht jedoch dann, wenn das Kind keine eigene, aktive Handlung vornimmt; so etwa bei Darstellungen gefesselter Kinder (Fälle sogenannter vis absoluta). Weitere Beispiele für derzeit nicht strafbare Bilder sind Nacktaufnahmen schlafender Kinder in natürlicher Körperposition oder Aufnahmen nur des Genitalbereiches eines Kindes. Dem will die Neuregelung dadurch begegnen, dass sie auf eine aktive Handlung des Kindes verzichtet und es ausreichen lässt, dass ein zumindest teilweise unbekleidetes Kind in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung abgebildet ist. Damit kann die erkannte Schutzlücke jedoch nur unzureichend geschlossen werden. 9 Denn zumindest das Beispiel eines in natürlicher Schlafposition abgebildeten, unbekleideten Kindes wird mangels unnatürlicher Körperhaltung hiervon nicht erfasst. Die verbleibende Schutzlücke wird zwar in gewisser Weise durch 201a StGB-E aufgefangen, da dort die Bildaufnahme einer unbekleideten Person als Tatobjekt ausreicht. Jedoch weist diese Vorschrift einen weitaus geringeren Strafrahmen als 184b StGB auf. Zudem handelt es sich bei 184b und 201a StGB um kategorial verschiedene Delikte, denen ein anders gelagertes Unrechtsurteil zugrunde liegt. Hiervon geht offenbar auch der Referentenentwurf selbst aus, sofern er die nach geltendem Recht mögliche Strafbarkeit aus 33 KunstUrhG (unbefugte Bildaufnahme) als nicht ausreichend bewertet und stattdessen eine Normierung im Bereich des Sexualstrafrechts als geboten erachtet. 8 Siehe Hörnle in: Münchener Kommentar zum StGB, 184b StGB, Rn. 17. 9 Eine Erweiterung des Strafrechtsschutzes wäre hiernach nur in Bezug auf vis absoluta-fälle gegeben.

Seite 7 von 7 Vor diesem Hintergrund ist der Gesetzesantrag des Freistaates Bayern 10 nach unserer Einschätzung besser geeignet, um die erkannten Schutzlücken zu schließen. Dieser normiert als strafbaren Inhalt jede sexuell aufreizende Darstellung der entblößten Genitalien oder des entblößten Gesäßes. Nach diesem Wortlaut kommt es auf eine unnatürlich geschlechtsbetonte Körperhaltung des Kindes gerade nicht mehr an. Die Formulierung ermöglicht damit auch ein Verbot derjenigen Darstellungen, denen allein durch die Auswahl des Bildausschnitts eine sexuelle Konnotation zukommt, ohne dass dieser Bedeutungshorizont durch das dem Bild zugrundeliegende tatsächliche Geschehen vorgegeben wäre. Berlin, den 21. Juli 2014. 10 Gesetzesantrag des Freistaates Bayern, BR-Drucks 127/14 vom 01.04.2014.