Alltagsdeutsch. Deutsch lernen und unterrichten Arbeitsmaterialien. Die Sprache des Geldes

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1 Die Sprache des Geldes Die Zeiten des Sparstrumpfs sind vorbei: Scheck- und Kreditkarte, Online-Banking, Internetbestellungen das alles ist für fast jeden Deutschen inzwischen vertrauter Alltag. Das war aber nicht immer so. Der Umgang mit Geld hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verändert. Zwar müssen auch heute viele Menschen sparen. Doch hatte Sparen zum Beispiel in den 50er Jahren durch die Nachkriegsnot eine ganz andere Bedeutung. Zu dieser Zeit musste man wie eine Redewendung es ausdrückt die Mark dreimal umdrehen, also sich lange und gründlich überlegen, wofür man sein Geld ausgab. Das Sprichwort verdeutlicht aber auch noch etwas anderes: Früher hatte das Bargeld eine größere Bedeutung. Heute bekommen wir nur noch einen Teil des Geldes, mit dem wir unser Leben bezahlen, tatsächlich in die Hände. Wir zahlen mit Kreditkarte und Banküberweisungen. In unserem heutigen Beitrag wollen wir einen Blick auf den veränderten Umgang mit Geld werfen auf Meinungen, Gewohnheiten und auch auf moderne Techniken. Mein erster Weg führt mich zu Erich Hennen. Er ist pensionierter Sparkassenleiter aus Köln und hat schon vor dem Zweiten Weltkrieg eine Lehre als Banklehrling gemacht. Nach 1945 half er, verschiedene Kölner Filialen aufzubauen und zu organisieren. Was für uns heute selbstverständlich ist, nämlich ein Girokonto, auf das unser Gehalt überwiesen wird, und von dem wir ständig etwas abheben können, war damals nur wenig verbreitet. Erich Hennen: "Man kann sagen, bis 1975 hatten eben nur wenige, sagen wir mal hauptsächlich Beschäftigte im Öffentlichen Dienst, hatten Privatgirokonten, während die Mehrzahl durch Bargeld entlohnt wurde. Das Geld wurde dann praktisch im Strumpf verwahrt, nech, man kann sagen, viele Leute, die hatten dann ihr Töpfchen für Strom, für Miete, für Sonstiges und das wurde dann eingeteilt, weil man ja wöchentlich den Lohn bekam. Da musste man ja immer einen Teil davon wegtun, um am Ende des Monats die Miete zahlen zu können. Und 1975 da fing es ungefähr an, dass man auf die bargeldlose Zahlung umgestiegen ist." Der Lohn der Arbeiter wurde im Unterschied zum Gehalt der Angestellten lange Zeit wöchentlich ausgezahlt. Man bekam ihn am Zahltag in einer Lohntüte von seiner Firma persönlich ausgehändigt. An diesen Zahltag kann sich Erich Hennens Frau Elisabeth noch lebhaft erinnern. Seite 1 von 6

2 Elisabeth Hennen: "Bei den Arbeitern war das ja so, die wurden wöchentlich freitags gelöhnt. Und da standen viele Frauen schon am Fabriktor, damit die Lohntüte der Männer nicht in der Wirtschaft verschwand. Es war aber doch vielfach so, dass die Männer freitags in die Kneipe gingen. Und da gab auch viele Familien, wo die Frauen dann nachher die ganze Woche zusehen mussten wie sie vielleicht durch Putzen sich wieder ein paar Mark verdienten, um ihre Kinder über Wasser zu halten." In den 50er und 60er Jahren war das Geld sehr knapp. Wenn ein Arbeiter zu viel von seinem kargen Lohn in der Gastwirtschaft ausgab, musste seine Frau sich um eine zusätzliche Arbeit bemühen. Sie musste wie Frau Hennen sagte zusehen, dass sie ein paar Mark verdiente. Zusehen müssen kann also auch etwas anderes bedeuten, als zwangsweise eine Sache anzuschauen. Viele Frauen mussten in dieser Zeit zusehen, dass sie etwas verdienten, damit sie ihre Kinder über Wasser halten konnten. Sie kümmerten sich also darum, dass ihre Kinder das Notwendigste zum Leben hatten. Das Geld wurde nicht nur von den Arbeitern persönlich in Empfang genommen. Es wurde auch persönlich weitergegeben. Die Rechnungen für Miete, Strom und Wasser mussten jeden Monat einzeln beglichen werden. Das führte bei Banken und Sparkassen zu einigen Schwierigkeiten. Erich Hennen: "Am Anfang des Monats, wenn diese ganzen Zahlungen fällig war', eh, war es bei der Sparkasse beispielsweise so gewesen, dass da so ne lange Schlange war, dass man dann hingegangen ist und hat bei den Genossenschaften, um den Kassenverkehr zu entlasten, hat man bei Genossenschaften Räume gemietet, und die Sparkasse, um diesen Andrang zu bewältigen, stellten dann Ultimo-Kassierer ein. Das waren ehemalige Angestellte und Beamte, die dann für vier, fünf Tage eingesetzt wurden, um diesen Andrang zu bewältigen." Wenn es eng wurde, hat man bei der Sparkasse zusätzliche Räume gemietet. Auch weitere Arbeitskräfte wurden eingestellt, die so genannten Ultimo-Kassierer, also die Kassierer, die nur für die letzten Tage des Monats da waren. Wenn Erich Hennen davon spricht, dass man damals hingegangen ist, um von Genossenschaften zusätzlichen Raum zu mieten, bedeutet das nicht den tatsächlichen Vorgang des Gehens. Diese Umschreibung betont nur das, wovon man sprechen möchte mit dem Bild "an einen Ort zu gehen, um etwas Bestimmtes zu tun". Seite 2 von 6

3 Die Bezahlung per Lohntüte war für alle Beteiligten mit einiger Arbeit verbunden. Die Firmen mussten das Geld von der Bank abholen und für die Arbeiter einzeln sortieren. Und die mussten ihren Lohn natürlich auch nachprüfen. Außerdem war es für den Arbeitgeber wie für die Arbeiter ein Sicherheitsrisiko, das Geld persönlich zu übergeben und aufzubewahren. Daher begann man in den 60er Jahren dieses unrationelle Verfahren umzustellen. Erich Hennen: "Dieser ganze Zahlungsverkehr, das war natürlich ein sehr großer Aufwand personalmäßig und ich kann mich erinnern, dass zum Monatsende, zum Monatsanfang doch immer die Kassenhalle voller Menschen war. Und das musste man ja irgendwie in den Griff bekommen und dann ist man eben dazu übergegangen und hat dann mit Daueraufträgen und so weiter diesen Publikumsverkehr vermindert. Jeder konnte sich dann ein Girokonto anlegen, es sei, dass er nun so schlecht beleumundet war, dass man dann davon Abstand nehmen musste, aber ich kann mich an keinen Fall erinnern." Die Banken und Sparkassen mussten das Problem bewältigen, dass ihre Schalter am Monatsende immer überfüllt waren. Wenn man ein Problem löst, kann man stattdessen auch wie Erich Hennen sagen man bekommt es in den Griff. Die Geldinstitute bekamen durch Girokonten und Daueraufträge also das regelmäßige Abbuchen von Rechnungen den Andrang der Massen in den Griff. Ein Girokonto konnte jeder einrichten, vorausgesetzt er hatte keinen schlechten Leumund, also keinen schlechten Ruf, der ihn unsolide scheinen ließ. Die Formulierungen schlecht beleumundet sein oder einen schlechten Leumund haben sind beide gleichermaßen gebräuchlich. In den 50er und 60er Jahren galt sparsame Haushaltsführung als wichtiges Ziel. Kredite vergaben die Banken oft nur mit Bürgen und außerdem musste man angeben, wofür man das Geld verwenden wollte. Im Unterschied zur Konsumkultur von heute wurden Kredite damals meist nur für das tatsächlich Notwendige aufgenommen. Anderes hätte auch kaum der allgemeinen Moral entsprochen. Elisabeth Hennen: Elisabeth Hennen: "Die Leute haben sehr ungern Darlehen aufgenommen; das war schon ein bisschen anrüchig. Man hat dann davon gesprochen, es wird abgestottert. Waren ja auch sehr kleine Raten. Es blieb ja nie viel Geld übrig am Ende des Monats und ich hätte auch nit so ohne Weiteres zugegeben, dass ich 'nen Darlehen aufgenommen hab'. Früher hat man von diesen Leuten angenommen, sie können nicht mit ihrem Geld auskommen und können nicht rechnen." Seite 3 von 6

4 Ein Darlehen aufzunehmen war in der Erinnerung von Frau Hennen anrüchig. Man könnte auch sagen: Es hatte einen schlechten Ruf. Frau Hennen hätte es nicht ohne Weiteres zugegeben, dass sie einen Kredit aufgenommen hat. Wenn man etwas nicht ohne Weiteres tun kann oder möchte, sind damit Schwierigkeiten verbunden oder die Sache ist einem unangenehm. Heutzutage ist der Umgang mit Geld anders. Kredite sind selbstverständlich und ein Girokonto besitzt jeder. Die bedeutendste Neuerung der letzten Jahre fand allerdings außerhalb der Schalterhalle statt. Die Einführung des Geldautomaten. Mit einer entsprechenden Scheckkarte und einer Geheimnummer kann man in ganz Europa zu jeder Tageszeit Bargeld bekommen. Eine wie die meisten Menschen finden sehr praktische Einrichtung. O-Töne: "Is' einfacher. Geht manchmal schneller. / Es geht schnell. Muss nicht warten, meistens auf jeden Fall, muss nichts ausfüllen. / Für mich is' einfach die Praxis, dass ich sofort Zugriff zum Geld hab'. Also, es muss nicht direkt ne Person vor mir sitzen." Praktisch ist der Geldautomat auf jeden Fall. Allerdings ist der maschinelle Service auch unpersönlicher, als wenn Kassierer nach einer freundlichen Begrüßung die gewünschte Summe auf den Tisch blättern. Einige vermissen diesen direkten Kontakt. O-Töne: "Mir wär' es lieber jemanden gegenüber zu haben. Ich mag keine Automaten. Ich mag auch keinen Computer. / Da fragen Se grade den Richtigen. Der Automat hat nämlich gerad' meine Karte geschluckt aus unerfindlichen Gründen. Also ich bin ziemlich sauer auf das Ding. Ja gerad das mit den Kassenzeiten, das ist der springende Punkt. An sich ist es wesentlich sympathischer mit Menschen Umgang zu haben, aber es ist natürlich praktisch, dass man zu jeder Tages- und Nachtzeit so über den Automaten Geld bekommt. Aber unfreundlicher." Die Kundin zuletzt ist sauer auf den Geldautomaten, der einfach ihre Karte behalten hat. Sauer sein ist eine sehr gebräuchliche, familiäre Formulierung für Verärgerung. Die Formulierung kann man sogar noch steigern, indem man von stinksauer spricht. Grundsätzlich findet die Kundin es sympathischer, mit Menschen umzugehen als sich von einer Maschine bedienen zu lassen. Die entscheidende Sache jedoch oder wie sie Seite 4 von 6

5 sagt der springende Punkt sind jedoch die Kassenzeiten. Der Geldautomat kennt eben im Unterschied zum Kassierer keinen Feierabend. Der Geldautomat ist längst nicht die einzige Neuheit der letzten Jahre. Im Geldgeschäft hat sich unter anderem das Leasing sehr verbreitet. Was es damit auf sich hat, erklärt Marketing-Fachmann Wilfried Römer. Wilfried Römer: ""Ja Leasing gibt es auch seit vielen Jahren. Es ist eine Form der Finanzierung. Bei dem Leasing-Geschäft bin ich nicht Eigentümer der Ware, sondern ich bin eigentlich auf dem Stand des Mieters. Leasing ist vor allem im gewerblichen Bereich eine interessante Finanzierungslösung, um Kapital zu schonen und Liquidität zu schonen." Die Sprache des Geldes ist schon eine sehr eigene Sprache. Dass Leasing vor allem für den gewerblichen Bereich eine interessante Finanzierungslösung ist, bedeutet ganz einfach, dass sich mit Leasing für Unternehmer Steuern sparen lassen. Außerdem sprach Wilfried Römer davon, dass durch Leasing Kapital und Liquidität geschont werden. Anders ausgedrückt heißt das, weil Unternehmen die Produkte nicht kaufen müssen, aber dennoch nutzen können, haben sie Geld für andere Zwecke zur Verfügung. Weit verbreitet ist auch das Bezahlen mit der Kreditkarte in Restaurants, Hotels und Geschäften. Außerdem nimmt immer mehr das so genannte Electronic Cash zu. An Tankstellen, im Kaufhaus oder Restaurant steckt man seine Scheckkarte in ein Gerät und tippt eine Geheimnummer hinzu. Den Rest regelt die Bank mit dem Geschäft. Außerdem nimmt immer mehr das so genannte Home Banking zu. Mit dem Bildschirm zuhause, kann man fast alles regeln: Von der Bestellung einer neuen Wohnzimmereinrichtung bis zur Bezahlung der Miete. Vor allem aber kann man sich auch über Preise informieren. In der Sprache des Geldes heißt das: der Kunde hat mehr Markttransparenz. Er bekommt einen Einblick in Angebots- und Preislisten. Bleibt nur zu hoffen, dass der Mensch der Zukunft den Bildschirm nicht als einzige Kommunikationsquelle nutzt, sondern nur als eine praktische Ergänzung. Seite 5 von 6

6 Fragen zum Text In einer Lohntüte befanden sich 1. Geldscheine. 2. Kreditkarten. 3. Scheckkarten. Wenn man sprichwörtlich jemanden über Wasser hält, dann 1. rettet man jemanden vor dem Ertrinken. 2. unterstützt man jemanden finanziell. 3. macht man etwas besser als der andere. Wenn jemand sagt "Ich bin sauer", dann 1. hat er/sie zu viel Zitronensaft getrunken. 2. ist er/sie verärgert. 3. ist er/sie unproduktiv. Arbeitsauftrag Informieren Sie sich über das Bankwesen in Deutschland. Wählen Sie exemplarisch eine Bank aus. Stellen Sie diese Bank Ihrer Gruppe in einem Kurzreferat vor. Autor: Günther Birkenstock Redaktion: Beatrice Warken Seite 6 von 6