Die ORF-Wahltagsbefragung: Möglichkeiten, Herausforderungen & Grenzen

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1 Die ORF-Wahltagsbefragung: Möglichkeiten, Herausforderungen & Grenzen Martina Zandonella 11. November 2016 SORA Institute for Social Research and Consulting Bennogasse 8/2/ Wien Methodischer Steckbrief der Wahltagsbefragung Ziel: Wahlanalyse für den Wahlabend, v.a. zu Wahlmotiven Wahlverhalten in Bevölkerungsgruppen Methode: Erhebungsart: Telefonische Befragung (CATI) Grundgesamtheit: Wahlberechtigte Sample: nach Gemeinden vorab geschichtete Zufallsauswahl Zeitraum: Donnerstag vor der Wahl bis Wahlsonntag Mittags Standardgewichtung: Soziodemographie (Alter, Geschlecht, Bildung, Erwerb) Jahr Wahl n t Kärnten Niederösterreich Tirol Nationalrat Salzburg Europäisches Parlament Vorarlberg Steiermark Burgenland Oberösterreich Wien BundespräsidentIn 1. DG Bundespräsident Stichwahl

2 Zur Vorhersage von Verhalten Individuelle Faktoren Einstellungen subj. Normen Wichtigkeit Skills Verhalten in Vergangenheit etc. Intention ist bester Verhaltensprädiktor, v.a. wenn zeitnah am Verhalten erhoben Itemformulierung & Antwortskala möglichst nah am tatsächlichen Verhalten Intention ist jedoch kein hinreichender Prädiktor Vorhersagegenauigkeit deutlich höher, wenn mehrere Indikatoren auf der individuellen sowie situativen Ebene erfasst / berücksichtigt werden Intention Verhalten Situationsbezogene Faktoren Aktualität Möglichkeit Interviewsituation etc. Metaanalysen zeigen: gute, umfassende Modelle können 50%-60% der erklärten Varianz des tatsächlichen Verhaltens erklären Die Vorhersage von Verhalten ist komplex: Under what conditions do what kinds of intentions held by what kinds of individuals predict what kinds of behavior? Quellen: Fazio. R. (10): Multiple processes by whichattitudes guide behavior: The mode model as an integrative framework. Advances in Experimental Social Psychology, 23, pp Friese, M. et al. (2012): Do implicitattitudes predict actual voting behavior particularlyfo undecide voters? PÖoS ONE 7(8):e doi: /journal.pone Sutton, S. (18): Predicting and explaining intentions and behavior: How well are we doing? Journal of Applied Psychologiy, 28(15), pp Kann die Wahlfrage der WTB das Wahlergebnis vorhersagen? Disclaimer: Ergebnisprognose ist KEIN Ziel der WTB Was spricht FÜR gute Ergebnisvorhersage in der WTB? ausreichend großes Sample kurzer Fragebogen Intention wird sehr nah am tatsächlichen Verhalten erhoben (eingeschränkt) werden zusätzliche Indikatoren zur Validierung erhoben o Sicherheit der Wahlteilnahme / Sicherheit der Wahlentscheidung o vergangene Wahlteilnahmen & vergangene Wahlentscheidungen (mit Gedächtnishilfen) o Zeitpunkt der Wahlentscheidung o für Wahlverhalten relevante Einstellungen (z.b. political efficacy) Was spricht GEGEN gute Ergebnisvorhersage in der WTB? kurzer Erhebungszeitraum für große Anzahl an Interviews steigender Anteil an Unentschlossenen und Spätentschlossenen für umfassendes Prognosemodell sind zu wenig Indikatoren zur Validierung verfügbar 4 2

3 Vorhersagequalität der Wahlfrage: Over- / Underreporting in Bezug auf die Wahlbeteiligung Wahl Salzburg Over- / Underreporting in den Rohdaten in den soziodem. gewichteten Daten under -10,4 Kärnten under -5,7 BundespräsidentIn 1. DG over +4,4 Europäisches Parlament over a Vorarlberg over a Steiermark under a Oberösterreich under 6% a Wien over a Bundespräsident Stichwahl over a Niederösterreich a a Tirol a a Nationalrat a a Burgenland a a 23% In der Mehrheit der Fälle hängt Over- / Underreporting mit dem Coverage zusammen und wird durch die soziodemographische Gewichtung ausgeglichen. Fragebogeneffekt ist unwahrscheinlich, da dieser sehr kurz und in Bezug auf die Wahlfrage und damit zusammenhängende Fragen standardisiert ist. Effekte der Wahldynamik / WählerInnendynamik (z.b. große Veränderungen, neue Parteien) sind über die 13 Datensätze nicht systematisch. 5 Vorhersagequalität der Wahlfrage: Wahl Anzahl Parteien gesamt Anzahl Parteien Anteil Parteien betroffene Parteien Vorarlberg % ÖVP / Neos / andere Europäisches Parlament % SPÖ / andere Wien % SPÖ / Grüne BundespräsidentIn 1. DG % Hofer / VdB Nationalrat % ÖVP / andere Steiermark % SPÖ / ÖVP Kärnten % FPK Niederösterreich % TS Salzburg % andere Tirol 1 11% Gurgiser Burgenland 7-0% Oberösterreich 6-0% Bundespräsident Stichwahl 2-0% Anm.: soziodemographische Gewichtung der Daten 6 3

4 Vorhersagequalität der Wahlfrage: Partei Anzahl Erhebungszeitpunkte Anzahl dieser Partei Anteil dieser Partei sonstige Parteien (Summe) % SPÖ % ÖVP % Team Stronach % Neos % FPÖ 11 1 % Grüne 11 1 % "sonstige Parteien" SPÖ ÖVP Team Stronach Neos Ergebnis innerhalb KI der Umfrage Ergebis der Umfrage FPÖ 1 Grüne 1 0% 20% 40% 60% 80% 100% Anm.: soziodemographische Gewichtung der Daten 7 Qualität der Wahlfrage: Hohe Fehleranfälligkeit bei der Summe der sonstigen Parteien kleine Grundgesamtheit => Unterrepräsentation in Stichprobe Fehlerkummulierung für die einzelnen Parteien ergeben Analysen kein eindeutiges Muster, eine Tendenz ist jedoch erkennbar: große WählerInnenverschiebungen in Kombination mit late & last deciding führt zu schlechter Prognose der betroffenen Parteien: z.b. Wien 2015: am Samstag und Sonntag starke Zunahme von Grün => SPÖ- WechselwählerInnen im Vergleich zu Donnerstag und Freitag z.b. Stmk 2015: am Samstag und Sonntag starke Zunahme von SPÖ => FPÖ WechselwählerInnen im Vergleich zu Donnerstag und Freitag => Diese Dynamik findet am Tag vor der Wahl bzw. am Wahltag statt und wird in nur einem Teil der WTB-Daten erfasst. 8 4

5 Ausblick Verbesserungen möglich: Aufnahme von weiteren Indikatoren zur Validierung der Wahlfrage (bei gleichzeitiger Erhöhung der FB-Länge) Verbesserungen nötig: Coverage unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen ist noch kein großes Problem, verschlechtert sich aber zusehends => z.b. Kombination von Erhebungsmethoden Erfassung der Late- und Last decider => z.b. Generierung neuer Erkenntnisse über WählerInnendynamik aus Längsschnitterhebungen Kommunikation von Wahlumfragen: Transparenz Methodik: Sampling, n, ungewichtete n der Untergruppen Was kann Umfrage (nicht) leisten: Umfragen sind Stimmungsbilder ihres Erhebungszeitraumes, Umfragen sind keine Prognosen Ergebnisdarstellung und Interpretation: exakte Schwankungsbreiten, Signifikanzen Entwicklung von Qualitätskriterien / Standards für die Publikation von Wahlumfragen 5