Naturschutz unter Klimawandel was wir wissen, und was wir wissen sollten

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1 Naturschutz unter Klimawandel was wir wissen, und was wir wissen sollten Franz Essl, Umweltbundesamt BMLFUW, 27. September 2007 Ausgangslage Klimawandel: Klimawandel-Szenarien (IPPC 2007): global +1,8 bis 4,0 bis 2100, ME stärker seit 1900: +0,9 C in Mitteleuropa Auswirkungen auf Biodiversität heute: Veränderungen von Arealgrenzen saisonale Veränderungen (z.b. frühere Blütezeiten, Ankunftszeiten, Bruttermine) deutliche Effekte schon vielfach dokumentiert! 1

2 Klimawandel und Naturschutz: Prognose der Effekte Wandel von Lebensräumen ( novel ecosystems ) Resillienz und Ausbreitungsfähigkeit der keystone-arten Rasche Ausbreitung mobiler Arten Förderung opportunistischer Arten (z.b. Neobiota) Drastische Arealverluste und Aussterben wenig mobiler / spezialisierter / kleinräumig verbreiteter Arten Prognosen bis zu 30-50% Artenverlust in Europa (Thuillier et al. 2005) entscheidend: Ausbreitungsbarrieren und Ausbreitungskapazität der Arten Auflösung von Interaktionen: Pflanzen-Bestäuber-Komplexe, Parasiten-Wirt-Beziehungen (Borkenkäfer!) Verlust an Ökosystemstabilität bei Überschreiten von Grenzwerten Verlust an Ökosystemleistungen Verlust von Mooren als CO2-Senke bei Austrocknung Schutz vor Naturgefahren bei erhöhter Mortalität bei Bergwäldern ab ca. +2 C: massiver Umbau von vielen Lebensgemeinschaften erwartet Unsicherheit über Reaktion wächst mit Ausmaß der Veränderung viele biologische Systeme reagieren verzögert Endemiten no place to go Nordostalpen-Leuenzahn 2

3 Neobiota & Klimawandel - häufiger & weiter hinauf! Klimawandel wird Ausbreitung mobiler Neobiota massiv begünstigen Beifuß-Ambrosie (Ambrosia artemisiifolia) 3

4 Lebensraumwandel - Gletscherverlust Veränderungen ( ) Beispiel: Unterer Teil des Pasterzengletschers Change 70 ha Lebensraumwandel: Moore zu heiß und zu trocken 4

5 Methodik Klimawandel und Alpenflora Rückgang hochalpiner Arten Anlage von Dauerbeobachtungsflächen in Hochlagen der Gebirge weltweit Gefäßpflanzen regelmäßige Wiederholungsaufnahme der Daten in mehrjährigen Abständen (seit Beginn 1990er Jahre) Veränderungen zu historischen Daten: Alpenpflanzen der untersuchten Gipfel wanderten die letzten 50 Jahre deutlich höher Artenzahl der Alpengipfel stieg signifikant an (GRABHERR et al. 1997, Nature) Einwanderung wärmebedürftiger Arten aus tieferen Lagen sensible Flora und Vegetation der Alpengipfel zeigen Effekte des Klimawandels rasch an Einengung des Lebensraumes für Hochlagenarten beobachtbar Pauli et al Wissensdefizite & Forschungsbedarf Erforschung kritischer Systemparameter: Erforschung synergistischer Wirkungen (Landnutzungswandel, Neobiota ) Bedeutung zeitlich-räumlicher Aspekte des Klimawandels (Ausbreitungsgeschwindigkeit von Arten, Rolle von Korridoren ) Wie wirken Veränderungen von Extremereignissen und Wasserverfügbarkeit? Erforschung zu tipping points wichtiger Artengruppen & Lebensräume z.b. Ab welchem Ausmaß an Temperaturänderung sterben Hochmoore ab? Identifizierung besonders sensibler Lebensräume & Artengruppen: z.b. aquatische Systeme, Moore, Rolle und Bedeutung des Schutzgebietsnetzes Wie kann das heutige Schutzgebietsnetz unter Klimawandel seine Rolle erfüllen? Erforschung des Zusammenhangs mit anderen Sektoren unter Klimawandel Biomasse-Anbau und Naturschutz Naturgefahren und Naturschutz Agrarpolitik / Förderinstrumente und Naturschutz synoptische Gesamtbewertung für Naturschutz & Ökosystemleistungen für Österreich ist wesentlicher Schritt! 5

6 Take home message Biodiversität ist unter Klimawandel vulnerabel, nur bedingte Anpassung möglich Arten und Lebensräume sind räumlich gebunden Anpassung benötigt proaktives Handeln biologische Systeme reagieren häufig stark verzögert Anpassung benötigt Integration in andere Politikfelder CONCLUSIO: Kenntnisstand ist heterogen, aber: rasche Risikoanalyse und synoptische Zusammenschau ist vordringlich! DANKE! 6