Was können Testverfahren wirklich???
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- Norbert Wolf
- vor 8 Jahren
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1 Werner A. Leeb Was können Testverfahren wirklich??? Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten werden Investitionen in Personal einer genauen Prüfung unterzogen diesbezügliche Fehlentscheidungen sollen vermieden werden! Testverfahren in den USA seit langem Standard - erfreuen sich in Auswahl, Einsatz und Entwicklung von Personal auch in Europa zunehmender Beliebtheit. Werner A. Leeb im Gespräch mit dem Testpsychologen und Unternehmensberater Christian Knab zu Möglichkeiten des Einsatzes, Gütekriterien, Chancen und Risiken sowie Grenzen von Testverfahren. WL: Der Großteil an (seriösen) Testverfahren, die im betrieblichen Kontext im Einsatz sind, stammt aus der psychologischen Diagnostik und wird einzeln oder in Kombination angewandt. Welche Verfahren kann man denn grob unterscheiden und wofür sind diese tatsächlich geeignet? CK: In der psychologischen Diagnostik sind zwei Hauptbereiche zu unterscheiden. Die Leistungsdiagnostik bietet vor allem Intelligenztests und spezielle Leistungstests an. Bei den Intelligenztests handelt es sich zumeist um Intelligenztestbatterien, bei denen eine Vielzahl unterschiedlicher Aspekte, die Intelligenz ausmachen, erhoben werden, wie z.b. verbale Fähigkeiten, rechnerische Fähigkeiten, Merkfähigkeit, logisch-schlussfolgerndes Denken etc. Spezielle Leistungstest erheben nur eine zentrale Fähigkeit wie beispielsweise die Aufmerksamkeits- und Konzentrationsleistung oder die Raumvorstellung einer Testperson. Diese Testverfahren können im betrieblichen Kontext neben dem Bewerberinterview, Arbeitsproben, Fallbeispielen, Auswahl-AC zumeist als ein Baustein zur Personalselektion eingesetzt werden. Der zweite Hauptbereich befasst sich mit dem weiten Feld der Persönlichkeitsdiagnostik. In diesem Kontext kann weniger von Test im herkömmlichen Sinn gesprochen werden, bei dem eine Testperson bestimmte Aufgaben möglichst zügig und korrekt zu lösen hat. Es handelt sich vielmehr um Fragebögen, bei denen anhand von vorgegebenen Fragen die strukturierte Erhebung von Einstellungen, Gewohnheiten und Verhaltensweisen einer Testperson erfolgt. Im Gegensatz zu diversen wissenschaftlich nicht fundierten Fragebögen, wie etwa in Illustrierten, sind diese Verfahren auf der Basis psychologisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse konstruiert, weshalb sich auch bei diesen Fragebögen häufig die Bezeichnung Test durchgesetzt hat. Zu unterscheiden sind hier analog zu den Intelligenztestbatterien Persönlichkeitsstrukturverfahren, die eine Fülle von Persönlichkeitsfaktoren erfassen und in einem Profil abbilden Werner A. Leeb 1/5
2 und Verfahren, die der Erhebung einzelner Persönlichkeitsfaktoren dienen (z.b. ausschließlich Leistungsmotivation). Darüber hinaus hervorzuheben sind Verfahren, die sich mit der Erfassung von Persönlichkeitstypen beschäftigen sowie projektive Verfahren, bei denen versucht wird bei den Testpersonen unbewusste Gegebenheiten zu erheben. WL: Wenn wir von der reinen Leistungsdiagnostik einmal absehen, was kann die Persönlichkeitsdiagnostik im betrieblichen Kontext tatsächlich leisten? CK: Die erstgenannten Persönlichkeitsstrukturverfahren bilden ein breites Spektrum der Persönlichkeit ab und eigenen sich im unternehmerischen Kontext gleichermaßen für den Einsatz in der Personalauswahl als auch in der Personalentwicklung, da anhand der Ergebnisse ein Matching mit dem Anforderungsprofil der zu besetzenden Position erfolgen kann. Speziell die in den letzten Jahren auch im deutschsprachigen Raum entwickelten berufsbezogenen Persönlichkeitstests (wie z.b. das BIP-Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung) zählen hier mittlerweile dazu. Diese neueren Verfahren, die sich auf die Beschreibung der Persönlichkeit hinsichtlich beruflich relevanter Merkmale konzentrieren, schließen eine Lücke der psychologischen Diagnostik zur konkreten Anwendbarkeit in der Wirtschaft. Im amerikanischen Raum sowie in etlichen anderen europäischen Ländern werden solche Verfahren traditionell weit offensiver im Personalmanagement eingesetzt als zurzeit (noch) in den deutschsprachigen Ländern (siehe dazu Tabelle 1). Tab.1: Einsatzhäufigkeiten der Verfahren zur Auswahl von Führungskräften im europäischen Vergleich (Angaben in % der Anwender) D F E Benelux GB Strukturiertes Interview mit Personalabteilung Persönlichkeitstest Leistungstest Intelligenztest Biographische Fragebögen Assessment Center Graphologisches Gutachten Quelle: Sarges W. (2001): Weiterentwicklung der AC-Methode Beitrag von R. Hossiep, Tab.1, Seite 55 Im Gegensatz dazu zielen Typentests, wie etwa der MBTI (Myers-Briggs-Typenindikator) oder eine erweiterte Form wie der GPOP (Golden Profiler of Personality) nicht ausschließlich auf den beruflichen Kontext ab. Ihr Einsatzfeld umfasst daher zumeist mehr Entwicklungsumfelder wie Trainings, Kommunikations-, Persönlichkeits- und Führungskräfteseminare, wo sie ebenso wie auch im Coaching - als qualitativer Input eingebettet sein können. Durch die Einschränkung auf eine bestimmte Anzahl von Typen, sind diese Testverfahren sehr beliebt, da sie die Komplexität von Persönlichkeit stark reduzieren. Werner A. Leeb 2/5
3 WL: Gerade aus diesem Grund sollten die Ergebnisse immer detailliert mit dem Testleiter durchgesehen und besprochen werden, da u.u. ein Prozentpunkt mehr oder weniger darüber entscheidet, ob z.b. eine Person als extravertiert oder aber introvertiert beschrieben wird für einen Verkäufer könnte letzteres zum Problem mit seinem Dienstgeber werden, wenn dieser das Ergebnis nicht differenziert und im Detail betrachtet. CK: So ist es. Aus ähnlichem Grund wird unter Testpsychologen auch der Einsatz projektiver Verfahren durchaus kontrovers diskutiert. Das Testmaterial dieser Verfahren ist in hohem Maß mehrdeutig (Bildvorlagen etc.), um die unbewussten Anteile der Testperson anzusprechen und zu erreichen (Trigon hat hier Symbolon in Verwendung). Diese Mehrdeutigkeit erschwert jedoch eine objektive Auswertung und Interpretation und erfordert daher einen mit diesem Verfahren sehr vertrauten Diagnostiker, was jedoch lange und aufwendige Schulung sowie viel Praxis voraussetzt. Der Einsatz dieser Verfahren bietet sich allerdings gut als Mittel der Reflexion und/oder als Grundlage von Diskussion z.b. im Rahmen von Teamentwicklungsmaßnahmen etc. an. Tab. 2: Übersicht über unterschiedliche Zielsetzungen beim Einsatz von Persönlichkeitstests Prozess/Instrumente neben dem Persönlichkeitstest Auswahl- bzw. Platzierungsprozess Interview, Arbeitsprobe, Fallstudie, Rollenspiel, Kognitiver Leistungstest Teamtraining Gruppenübungen, Gespräche Coaching Gespräch, Rollenspiel Feedback-Prozess Gespräche, ggf. andere Befragungsinstrumente (z.b. betriebsspezifische) Funktion des Persönlichkeitstests - Unterstützung einer Entscheidung - Strukturierte Visualisierung unterschiedlicher Persönlichkeiten, leistet einen Beitrag zum Verständnis anderer Personen und fördert die Akzeptanz der Unterschiedlichkeit der Charaktere - Förderung von Selbstreflexion und Einsichten/Erkenntnissen - Differenziertes Feedback zur Persönlichkeit, um Selbstbild- Fremdbild-Diskrepanzen abbauen zu können. Ggf. zur Vorbereitung weiterer unternehmensbezogener Maßnahmen Berufliche Beratung und Karriereberatung Interviews, Interessentest - Ableitung eines geeigneten beruflichen Settings Quelle: Hossiep R./Mühlhaus O. (2005): Personalauswahl und entwicklung mit Persönlichkeitstests, Tab. 23, Seite 94/95 WL: Wir haben gesehen, wofür welche Testverfahren geeignet sind, wofür eher nicht. Wenn ein Unternehmen Testverfahren einsetzen möchte, woran sollte es sich da in Anbetracht der potenziellen Ergebnisse und deren Auswirkungen vorrangig orientieren? Werner A. Leeb 3/5
4 CK: Testverfahren, die auf Basis psychologisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse konstruiert wurden, sollen prinzipiell bestimmten Gütekriterien genügen, die sich aus wissenschaftlicher Sicht als relevant herausgestellt haben. Neben der oben genannten Objektivität sind dies auch Nachweise über die Reliabilität, Validität und Normierung eines Tests diese sollten von einem seriösen Testersteller und -durchführenden immer auch zur Verfügung gestellt werden, da sonst diverse Einflussfaktoren zu massiven Verzerrungen der Ergebnisse führen können was einem schnell den Vorwurf des Kaffeesud-Lesens einhandeln kann. Die Objektivität sollte durch detaillierte und strikt einzuhaltende Anweisungen hinsichtlich Durchführung, Auswertung und Interpretation garantiert werden. Die Reliabilität, die angibt wie genau ein Test misst, sollte so hoch wie möglich sein. Hossiep von der Universität Bochum empfiehlt für einen guten Persönlichkeitstest Werte von über 0,70 bei Cronbach`s Alpha und über 0,60 bei der Retest-Reliabilität, der Wiederholbarkeit von Ergebnissen. Bei der Validität handelt es sich um das Gütekriterium, das den Grad der Genauigkeit des zu erfassen beabsichtigten Persönlichkeitsmerkmals angibt. Diese Werte sollten mindestens 0,20 betragen. Sollten die Werte höher sein, ist es wünschenswert. Sehr hohe Werte ab 0,70 sind nach Hossiep jedoch eher mit Skepsis zu betrachten. Die Normierung dient schließlich zur Einordnung der Ergebnisse einer Testperson. Die Daten werden in Bezug zu einer Normierungsstichprobe gestellt, aus der abgeleitet werden kann, wo die betroffene Testperson relativ zu dieser Stichprobe steht. Hier ist von besonderer Bedeutung, dass die der Normierung zugrundeliegenden Stichproben nicht veraltet und vor allem repräsentativ sind. WL: Noch eine letzte Frage: Wie sieht es eigentlich mit der Beeinflussbarkeit von Testergebnissen durch den Probanden aus und was sagt diese über ein Testverfahren aus? CK: Bei den Intelligenz- und Leistungstests liegt es aufgrund der leistungsorientierten Aufgabenstellungen in der Natur der Sache, dass sie vor allem bei exakter Vorgabe - in geringem Ausmaß von den Testteilnehmern beeinflusst werden können. Anders verhält es sich bei den Persönlichkeitsfragebögen, deren Ergebnisse durchaus in hohem Maß verfälscht werden können. Dies ist speziell bei Anwendung dieser Verfahren in der Personalselektion von großer Bedeutung. Beim Einsatz in der Personalentwicklung sind die Verfälschungstendenzen bei entsprechender Gestaltung der Entwicklungsmaßnahmen (wie z.b. Rückmeldung der Ergebnisse an die Teilnehmer im Rahmen eines anonymisierten Feedbackgesprächs mit einem externen Berater) leicht einzudämmen. Bei der Anwendung von Persönlichkeitsfragebögen in der Personalauswahl hat sich das Prinzip des Methodenmix als geeignete Maßnahme zur Minimierung der Verfälschungstendenzen herauskristallisiert. Dabei werden die Testwerte, die im Persönlichkeitstest gewonnen wurden, durch weitere, idealerweise interaktive Verfahren, multimethodal abgesichert. Stark verfälschte Werte können dann relativ leicht identifiziert werden, durch auffallend hohe Unterschiede in den Ergebnissen der verwendeten Verfahren. Werner A. Leeb 4/5
5 Ausdrücklich gewarnt sei jedoch vor Testangeboten, die zwar oft hochprofessionell gestaltet und vermarktet werden, jedoch den psychologisch-wissenschaftlichen Gütekriterien in keiner Weise gerecht werden. Mit solchen Verfahren kann es im Rahmen von Personalauswahl und -entwicklung zu gravierenden Fehlentscheidungen kommen, welche sowohl für die Organisation als auch für die getesteten Personen massiven Schaden bedeuten kann. Im Zweifel sollte immer ein kompetenter Berater beigezogen werden, der bei der Testauswahl anhand der Überprüfung der jeweiligen Gütekriterien die Auswahlentscheidung professionell unterstützt. WL: Herzlichen Dank für das Gespräch! Zur Person: Mag. rer. nat. Christian KNAB Jahrgang 1964; Studium der Psychologie an der Universität Wien. Schwerpunkte psychologische Diagnostik und Wirtschaftspsychologie; mehrjährige berufliche Tätigkeit sowohl in der Privatwirtschaft, als auch im öffentlichen Dienst sowie Non-Profit-Organisationen; langjährige Erfahrung in Personalrecruiting, Personalentwicklung und HR mit Schwerpunkten auf Assessment Center, Testdurchführungen, Berufslaufbahn- und Karriereberatung, Führungskräftecoaching; selbständiger Unternehmensberater, Testpsychologe und Coach. Literatur: Hossiep R./Mühlhaus O. (2005): Personalauswahl und entwicklung mit Persönlichkeitstests, Hogrefe, Göttingen Sarges, W. (2001): Weiterentwicklung der Assessment-Center-Methode, 2. Aufl. 2001, Hogrefe, Göttingen Kontaktmöglichkeit: Trigon setzt im Rahmen der Potenzialdiagnostik (multimethodal und ergänzend zu Assessment Centers, Management Audits, Einstellungsinterviews etc.) eine Reihe von ausgewählten und bewährten Testverfahren ein. Bei Interesse wenden Sie sich bitte gerne jederzeit an: Mag. Werner A. Leeb, CMC HINWEIS: Mehr zum Thema Potenzialdiagnostik und Einsatz von Testverfahren (neben zahlreichen anderen HR-Themen) können Interessierte auch im Rahmen des Trigon HR-Forum 2013 Lehrgang für Personalentwicklung (Start: ) erfahren. Details dazu finden Sie auf der Trigon Website unter der Rubrik: Personalentwicklung Lehrgänge Personalentwicklung Werner A. Leeb 5/5
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