Olmekischer Kolossalkopf San Lorenzo, Veracruz (Mexiko)

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1 Olmekischer Kolossalkopf San Lorenzo, Veracruz (Mexiko)

2 FASZINATION MESOAMERIKA Die Olmeken gelten als geistige Ahnen der Maya und Zapoteken. Steinerne Riesen Tausend Jahre vor Christus nahm die La Venta - Kultur ihre Anfänge an der Südküste des Golfs von Mexiko. Monumentale Köpfe aus Stein wurden zu ihrem Markenzeichen. Archäologen bezeichneten sie als Leute aus dem Kautschukland, in die Indianersprache Nahuatl übersetzt: Olmeken. Wie diese Menschen mit den asiatisch geschnittenen Augen sich selbst nannten, woran sie glaubten, wie groß ihr Reich war, davon wissen die Forscher wenig bis nichts. Die Olmeken waren Meister der Steinverarbeitung. Die von ihnen geschaffenen Figuren sind oft auffallend muskulös und dynamisch, oder sie drücken starke Gefühle aus. Ihre berühmten Kolossalköpfe bestehen aus behauenem vulka - nischem Basalt. Man nimmt an, dass sie die individuellen Züge tatsächlicher Herrscher tragen. Einige haben große Pflöcke in den Ohren, als Zeichen der Macht eine Sitte, die viele spätere mesoamerikanische Völker übernahmen. Ihre Astronomen gelten als die mathematischen Genies, die den Kalender entwickelten, für dessen Vollendung heute die Maya weltbekannt sind. Es gibt auch Zeugnisse einer wohl noch rudimentär entwickelten Hieroglyphen-Schrift. Unzweifelhaft liebten die Kautschuk-Leute das Ballspiel mit der Gummikugel, eine Passion, die alle späteren mesoamerikanischen Hochkulturen mit ihnen teilten. Das beliebte Spiel vereinte Wettkampfgeist, Religiosität und politische Zwecke, es diente den Menschen wie den Göttern. 600 Jahre nach ihrem Auftauchen aus dem Nichts verliert sich die Spur der Olmeken. Ihre Nachkommen gingen vermutlich komplett in der anschließenden Maya-Kultur auf. JEAN-PIERRE COURAU / BRIDGEMANART.COM SPIEGEL GESCHICHTE

3 FASZINATION MESOAMERIKA Monte Albán nannten die Spanier die Hauptstadt eines großen Volkes in Süd-Mexiko. Weißer Berg der Zapoteken Der berühmteste Zapoteke war der mexikanische Präsident Benito Juárez (1806 bis 1872), der sein Land erfolgreich gegen französische und habsburgische Übergriffe verteidigte. Erste archäologische Spuren schreibt man seinem Volk schon für die Zeit um 1500 v. Chr. zu, die Blütezeit der Hochkultur war 300 bis 900 n. Chr. Sie entfaltete sich auf der fruchtbaren Hochebene von Oaxaca, 2000 Meter über dem Meeresspiegel. Wolkenvolk ( Peni zaa ), so lautet der Name, den sich die dortigen Menschen selbst gaben; ihre Hauptstadt Monte Albán (Weißer Berg) gehört zum 56

4 CHICO SANCHEZ / AURORA / LAIF Unesco-Weltkulturerbe. Sie wurde um 950 n. Chr. aufgegeben und diente danach nur noch als Friedhof. Stelen aus vorchristlicher Zeit zeigen hier seltsam verrenkte Figuren, sogenannte Danzantes (Tänzer), mit Hieroglyphen, die von olmekischem Einfluss zeugen. Später, als Monte Albán florierte und an die Menschen hier wohnten, machten sich Einflüsse der Metropole Teotihuacan bemerkbar, Hunderte Kilometer weiter im Norden gelegen, Sitz einer Kultur, die durch ihre Obsidianminen reich war. Die Zapoteken brachten handwerkliche Meisterstücke hervor. Sie bemalten ihre Grabkammern und setzten ihre Toten in aufwendigen Urnen in Tiergestalt bei. Auch schufen sie herrliche Artefakte aus Stein, Edelmetall und Federn. Die prächtigsten Funde aus einem Grab in Monte Albán stammen von einer Nachbarkultur: den Mixteken. Vom 7. Jahrhundert an stiegen die Mixteken zur Großmacht auf. In der zur Geisterstadt gewandelten Metropole auf dem Berg setzten sie einen Adligen unter einer Maske aus Türkisen bei, mit Schmuck aus Gold, Silber und Knochenschnitzerei. Die Mehrzahl der erhaltenen Bilderhandschriften Mexikos stammt von dieser Kultur. Die Mixteken selbst nennen sich Ñuu savi Volk am Ort des Regengotts. 57

5 FASZINATION MESOAMERIKA Gaben für die letzte Reise Ahnenkult mit Masken Maya-Totenmaske aus grüner Jade um 1000 n. Chr. 58 SPIEGEL GESCHICHTE

6 oben links: Maske aus Teotihuacan 150 v. Chr bis 700 n. Chr. oben rechts: Feuergott XiuhtecuhtlI aztekische Maske, 15. bis 16. Jh. unten links: Jaguarkopf, Gottheit gebärend zapotekisch, Monte Albán, 6. Jh. unten rechts: K inich J. Pakals Totenmaske Maya-König von Palenque, 7. Jh. Der Tod gehörte in der dualen Vorstellungswelt aller mesoamerikanischen Kulturen zum Leben wie die Nacht zum Tag oder die Frau zum Mann. Wer starb, begab sich auf eine Reise zu den Ahnen, und er konnte über seine Verwesung triumphieren bei den Maya etwa durch Wiedergeburt oder Gottwerdung. Herrscher wurden vielerorts mumifiziert und mit dem gesamten Ornat und Schmuck ihres Ranges bestattet, für ihre Reise erhielten sie Geschirr und Lebensmittel, dar - unter häufig Kakao. Zu den Grabbeigaben gehörten wie in vielen Teilen der Welt aufwendig gestaltete Totenmasken aus Jade, Muscheln, Gold oder kunstvoll bemaltem Ton. WERNER HINTZEN / INTERFOTO (L.); ALAMY / MAURITIUS IMAGES (O.L.); IAN WEST / PICTURE ALLIANCE / EMPICS (O.R.); BRIDGEMANART.COM (L.U.); BRUNO BARBIER / AKG (R.U.) SPIEGEL GESCHICHTE

7 J. RITTERBACH / VARIO IMAGE FASZINATION MESOAMERIKA Bühne für den Kult Die Sonnenpyramide von Teotihuacan und die Kathedrale von Sevilla D ie unbekannten Erbauer von Teotihuacan, nordöstlich von Mexiko-Stadt, haben höchst beeindruckende Werke hinterlassen. Das zentrale Gebäude der Einwohner-Metropole wurde im 3. Jahrhundert fertig. Als gut tausend Jahre später die Azteken zur Großmacht aufstiegen, nannten sie die verlassene Ruine ehrfurchtsvoll Sonnenpyramide. Wenn man die Kathedrale von Sevilla, den größten Sakralbau der spanischen Eroberer, neben den mittelamerikanischen Tempel stellt, treten die großen kulturellen Unterschiede deutlich hervor. Touristen vor der Sonnenpyramide Kathedrale Santa María de la Sede in Sevilla Der Glockenturm La Giralda war ursprünglich Minarett einer maurischen Moschee. Nach der christlichen Rückeroberung Spaniens gestaltete man im 16. Jahrhundert den Turm um und stockte ihn dabei auf. 60

8 In Europa wetteiferte man, die Gotteshäuser durch statische Tricks mit immer weiteren und höheren Innenräumen auszustatten. Mesoamerikanische Architekten verfolgten ein ganz anderes Ziel: Ihre Tempel waren vor allem große Freiluftbühnen, denn die Kulthandlungen fanden nicht im Inneren, sondern weithin sichtbar auf einer offenen Plattform statt. Und während auf dem alten Kontinent Wendeltreppen in den Türmen nach oben führen, sind die Stufen der Pyramiden wichtige Elemente der äußeren Gestaltung. Sevillas Kathedrale gilt als weltgrößte gotische Kirche und erreicht eine Turmhöhe von 104 Metern. Damit übertrifft sie Teotihuacans Sonnenpyramide, die mit einer ursprünglichen Höhe von geschätzten 75 Metern in etwa so hoch war wie der Aachener Dom. An Standhaftigkeit hat sich die Pyramide dem Sakralbau der spanischen Eroberer als überlegen erwiesen: Bis heute klettern Scharen von Touristen die rund 250 jahrtausendealten Stufen hoch zur Spitze. Der Dom in Sevilla stürzte dagegen schon 1511, fünf Jahre nach seiner Fertigstellung, wieder ein und musste neu aufgebaut werden ein Unglück, das sich 1888 wiederholte. Altar Sonnenpyramide von Teotihuacan Ihre Basis ist mit etwa 225 mal 225 Metern ähnlich groß wie die der ägyptischen Cheopspyramide. Der Überlieferung nach waren die Fassaden mit Kalk verputzt und prachtvoll bemalt. Das hier dargestellte Dekor ist eine mögliche Rekonstruktion auf der Ruine haben die Farben nicht überdauert. 61