Open Access Open Archives Alternativen für den Life Science Bereich?
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- Kilian Krüger
- vor 8 Jahren
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1 Open Access Open Archives Alternativen für den Life Science Bereich? Christiane Wolff, Ingelheim 1 Informationswelt Im März 2004 hat das Science and Technology Committee im House of Commons des britischen Parlaments eine Anhörung zum Thema wissenschaftliche Publikationen durchgeführt. Es wollte erfahren, welchen Einfluss die Preispolitik der Verlage beim Verkauf ihrer wissenschaftlichen Zeitschriften auf Bibliotheken und die öffentliche Forschung und Lehre hat, und das nicht nur in Europa und Amerika, sondern auch in den weniger entwickelten Ländern. Dabei wurden Vertreter renommierter Großverlage vorgeladen und befragt. - Der Wellcome Trust, eine Forschungsgesellschaft zur Förderung der Gesundheit von Mensch und Tier in Großbritannien, publizierte 2003 einen Report mit dem Titel Economic Analysis of Scientific Research Publishing, in dem es hauptsächlich um den sogenannten STM-Markt der wissenschaftlichen, technischen und medizinischen Zeitschriften geht. Der Trust möchte die Ergebnisse der von ihm finanzierten Forschung weit verbreitet und kostenfrei für alle zugänglich sehen und hat dazu eine umfassende Analyse des Publikationsmarktes angefertigt. - Am 26. Juni 2003 wurde im US Kongress eine Vorlage eingereicht, in der die Abschaffung des Copyrights für Arbeiten aus substantiell vom Staat geförderter wissenschaftlicher Forschung vorgeschlagen wird: Public Access to Science Act. - Im November 2002 empfiehlt die Hochschul-Rektoren Konferenz den Universitäten, nach alternativen Publikationswegen zu suchen, um die größtmögliche Verbreitung von wissenschaftlicher Information zu möglichst niedrigen Kosten zu gewährleisten. - Am 22. Oktober 2003 wurde die sogenannte Berlin Declaration on Open Access to Knowledge in the Sciences and Humanities (Berliner Erklärung über offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen) von so namhaften Institutionen wie der Max-Planck-Gesellschaft, Fraunhofer-Gesellschaft, der DFG, dem Wissenschaftsrat, der Hochschuldirektorenkonferenz, dem CNRS aus Frankreich und zahlreichen anderen unterzeichnet. - Am 16. März 2004 stellten 48 führende wissenschaftliche, non-profit Verlage in den USA ihre Washington DC Principles for Free Access to Science der Öffentlichkeit vor. Sie legen darin besonderen Wert auf den Fortbestand von Unabhängigkeit und Qualität von wissenschaftlichen Zeitschriften, den kostenfreien Zugang und die Suche der Artikel, d.h. Freigabe des Inhalts für die Indexierung durch Internet-Suchmaschinen. Außerdem planen sie, ein Langzeitarchiv für alle Zeitschriften einzurichten und die Einnahmen aus den Zeitschriften in die Unterstützung der Wissenschaft in verschiedenen Formen zu reinvestieren. 25
2 - Die Europäische Union hat schon 2001 ein Projekt mit dem Titel SciX Scientific Information Exchange initiiert, das mit einer Million Euro gefördert und am 30. April 2004 beendet wurde. Ziel des Projekts ist eine EU-Direktive über den freien Zugang zu Publikationen aus der Forschung, die mit öffentlichen Mitteln gefördert wurde. Die Aufzählung dieser Aktionen erweckt den Eindruck, als sei inzwischen die Zeit reif für einen Wandel auf dem stark umkämpften Markt der wissenschaftlichen Publikationen. Die Geschwindigkeit, mit der sich der Markt der Verlage, die Anzahl der Artikel und die Preise der veröffentlichten Zeitschriften verändert haben, ist in den letzten Jahren immer rasanter geworden. Wer darunter am stärksten zu leiden hat, ist der Leser, meist ebenfalls der Wissenschaftler, der in Forschung und Lehre tätig ist und von seiner Bibliothek immer weniger Fachzeitschriften angeboten bekommt. An dieser Stelle scheint sich der Kreis zu schließen. Für diesen Teufelskreis gibt es zahlreiche Gründe: die Anzahl der Publikationen steigt, weil der Zwang unter den Wissenschaftlern, eine möglichst lange Publikationsliste vorzuweisen, immer stärker wird, die Artikel müssen in der renommiertesten Zeitschrift erscheinen, ein hoher Prozentsatz von Artikeln wird nach wie vor abgelehnt, oftmals nicht aus Mangel an Substanz, sondern aus Mangel an Platz, die Einnahmen aus Annoncen sind für elektronische Publikationen rückläufig, die Verlage sind durch Fusionen immer weniger, dafür aber immer größer geworden, die Verträge für Zeitschriftensubskriptionen sind extrem komplex und in vielen Fällen sehr teuer geworden, Bibliotheken sind meist als erste von Budgetkürzungen betroffen und können demzufolge dem Publikum weniger anbieten. Das Internet hat selbstverständlich zu dieser Bewegung einen erheblichen Beitrag geleistet. Erst durch die Verbreitung dieses Mediums seit Anfang der Neunziger Jahre auch über das Ursprungsland USA hinaus ist es den Wissenschaftlern möglich, nach Alternativen zum konventionellen Publizieren zu suchen und diese auch mit einem geringen Kostenaufwand umzusetzen. In den Fachbereichen Physik und Mathematik ist zuerst das Prinzip der Preprint Server, später dann e-print Server entwickelt worden (s. CERN, 1993). So konnte völlig unabhängig von Verlagen publiziert werden. Die Chemiker folgten auf diesem Gebiet, während in den Bio-Wissenschaften bisher nur wenige Ansätze dazu zu beobachten waren. Das Bild hat sich grundlegend geändert. Vor allem im Lifescience-Bereich war die Kostenexplosion der Zeitschriftenabonnements so stark geworden, dass hier heute besonders hohe Aktivitäten zu beobachten sind. Sicher dürfte dazu auch die US-amerikanische Freedom of Information Act einen wichtigen Anstoß geliefert haben und darüber hinaus die Möglichkeit für das breite Publikum, vor allem Informationen zu Medizin und Gesundheit auch im Internet ausfindig zu machen. 26
3 Vor einigen Jahren entstand die Open Source, später Open Access Initiative, die versuchte, die Verlage zum kostenfreien Zugang zu den publizierten Artikeln zu zwingen. Die Initiative der NLM, National Library of Medicine, USA, unter dem Namen PubMedCentral, wurde mit der Idee ins Leben gerufen, auf dieser Plattform Autoren kostenfrei publizieren zu lassen, was ebenso wenig funktioniert hat wie die Verlage umzustimmen und ihre Artikel kostenfrei ins Internet zu stellen. Open Access steht nach der Budapester Open Access Initiative (BOAI) für weltweiten freien und ungehinderten Zugang für alle Interessierten zur qualitätsgeprüften (peer-reviewed) Zeitschriftenliteratur. Vorläufer dieser Initiative gehen bis zu den Anfängen der 90er Jahre zurück; eine gute historische Zusammenfassung hat Peter Suber geschrieben. In diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben sollte das deutsche Projekt Gutenberg-DE, das am 24. März 2004 sein 10-jähriges Bestehen feierte. Es war eins der ersten deutschen Projekte, die über das Internet kostenlos Literatur zur Verfügung stellte und heute nach eigenen Angaben die größte deutschsprachige Online-Literatursammlung mit 3,3 Millionen Seitenabrufen im Monat ist. Bei Open Access gibt es verschiedene Modelle der Realisierung eines freien Zugangs zu Publikationen und dem gleichzeitigen Verbleib des Copyrights beim Autor. Die entstehenden Kosten werden vom Autor selbst, durch die Institution, an der der Autor seine Ergebnisse erzielt hat, oder durch Fördermittel aus Drittquellen getragen. Beispiele dafür sind SPARC Scholarly Publishing and Academic Resources Coalition, ein Zusammenschluss von Universitäten, wissenschaftlichen Bibliotheken und Organisationen, der Konkurrenzprodukte zu den klassischen Verlagen fördert; BioMedCentral, ein kommerzieller Verlag in Großbritannien für biowissenschaftliche Publikationen, oder die Public Library of Science, eine durch Spenden und andere Fördergelder finanzierte Organisation in den USA. Um was für Kosten handelt es sich nun? Der Vertreter der Nature Publishing Group sprach vor dem britischen Parlamentsausschuss von 10 bis Britischen Pfund pro Artikel, den ein Autor bezahlen müsse, um damit die gleichen Einnahmen wie beim bisherigen Preissystem zu generieren. Bei der Public Library of Science sind es lediglich US Dollar. Bei BioMed- Central müssen Hochschulen einen jährlichen Mitgliedsbeitrag zwischen 1500 und 7700 Euro zahlen. Dafür dürfen deren Forscher in allen BioMedCentral Zeitschriften publizieren. Im vergangenen Herbst waren bereits mehr als 260 Universitäten und Forschungsinstitute weltweit, davon auch einige wenige aus Deutschland, dem Verlag beigetreten. Diesem Preismodell liegt ein neuer Ansatz zugrunde: nämlich die Verlagerung der Kosten der Publikationen von den Bibliotheksetats in die Forschung, wenn zukünftig das Publizieren Geld kostet und dies als Teil der Forschungskosten in den Etats fest eingeplant wird. Es ist klar, dass diese Preispolitik Kritiker auf den Plan ruft, die monieren, dass es sich zukünf- 27
4 tig nur noch wohlhabende Autoren oder solche, die an finanziell gut ausgestatteten Instituten arbeiten, leisten können zu publizieren. Es würden nur neue kommerzielle Verlage mit anderen Einnahme-Modellen geschaffen. Außerdem wird darüber diskutiert, wie gefährlich es sein kann, wenn wirklich alle wissenschaftlichen Artikel von jedem gelesen werden können, auch von denen, die in dem jeweiligen Fachgebiet Laien sind und möglicherweise falsche Schlüsse aus den Ergebnissen ziehen könnten. Was hat ein Autor eigentlich noch von seinem Copyright, wenn er seinen Artikel bedingungslos kostenfrei der Allgemeinheit zur Verfügung stellen soll? Dieses Preismodell könnte jedoch auch den positiven Effekt haben, dass sich zukünftig jeder Autor sehr gut überlegt, ob sein Artikel es wert ist, publiziert zu werden. Sicher würden dann auch Mehrfachpublikationen seltener werden. Ganz allgemein könnte die Qualität wieder steigen: Klasse statt wie bisher Masse. Wie sieht die durch Open Access veränderte Informationslandschaft nun für den Nutzer aus? Im Augenblick ist es noch so, dass er die frei verfügbaren Quellen außerhalb von PLoS, Pub- MedCentral und BioMedCentral relativ mühsam ausfindig machen und dann vor allem einzeln durchsuchen muss. Erste Ansätze für Open Access-Suchmaschinen deuten sich an. Zu erwähnen wäre das Directory of Open Access Journals - DOAJ, eine Initiative der Lund Universität. Hier sind OA-Zeitschriften in 15 fachliche Rubriken eingeteilt, und die Suche nach verschiedenen Kriterien wie Titel, ISSN ist möglich. PubMedCentral bietet seit Oktober 2003 die Möglichkeit der Suche über alle dort aufgelisteten OA-Zeitschriften. Und Datenbanken wie MEDLINE oder EMBASE indexieren bereits die elektronischen Publikationen und verlinken zum Original. Als nächstes stellt sich die Frage nach Archiven, die vor allem zuverlässig und dauerhaft verfügbar sind. Die Open Archive Initiative (OAI) ist hier ein wichtiger Motor, dessen Ursprünge auch schon bis 1991 im Bereich der Physik zurückgehen. Zur Förderung dieser Initiative im europäischen Bereich wurde das EU-Projekt The Open Archives Forum (OAF) (IST ) mit Projektpartnern aus Großbritannien, Italien und Deutschland aufgelegt. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das fehlende Renommee der OA-Zeitschriften, dem in Zukunft entgegengewirkt werden muss, damit es für Autoren genauso attraktiv ist, dort zu publizieren wie bisher in den bekannten Fachzeitschriften. Was wird in diesem veränderten Umfeld aus unseren bisherigen Host-Rechnern wie DataStar, DIALOG oder STN? Sie werden möglicherweise ihren Datenbankschwerpunkt verlagern, weg von wissenschaftlicher Information hin zu Business und Presse-Informationen. Oder ist ihre Funktion als Aggregator und damit Instrument zur Zeitersparnis weiterhin Grund genug für ihre Nutzung? 28
5 Ausblick ein Blick in die Zukunft? So könnte die Zukunft in einigen Jahren aussehen: Zeitschriften werden mehr und mehr elektronisch publiziert, die gedruckten Exemplare verlieren an Zahl und Bedeutung. Kleinere Zeitschriften werden eingestellt. Annoncen spielen keine Rolle mehr. Die Autoren legen weniger Wert auf das Image einer Zeitschrift als auf deren Qualität, die durch das Peer-Review-Verfahren sichergestellt wird. Alle elektronischen Artikel werden in verschiedenen elektronischen Bibliotheken vorgehalten und mit einer Supersuchmaschine gleichzeitig für den Nutzer suchbar. Die Suche hat nicht das Google-Niveau, sondern bietet Fuzzy logic, natürlichsprachige Eingabe oder auch für die Fans der Booleschen Algebra die klassische Präzisions-Suche mit Booleschen Operatoren. Der Abruf der Volltexte ist für den Nutzer kostenfrei. Für die Grants der Autoren zählt nicht mehr der citation impact, sondern der hit impact. Die Autoren haben kein Copyright mehr auf ihre Arbeiten, wenn diese aus öffentlichen Mitteln gefördert wurden. Die Kosten für die Veröffentlichung der Artikel werden zu gleichen Teilen von Autoren, den die Forschung unterstützenden Einrichtungen (öffentlich oder privat) und den Verlagen getragen. Dabei muss nur noch kostendeckend, nicht aber hochprofitabel gearbeitet werden. Literatur Berlin Declaration on Open Access to Knowledge in the Sciences and Humanities [ openaccess-berlin/berlindeclaration.html] Björk, B.C.: Open access to scientific publications an analysis of the barriers to change? Information Research, 9 (2) Januar 2004 CERN Document Server [ Das Projekt Gutenberg-DE [ Elsevier: Responses to questions posed by The Science and Technology Committee, 12 February 2004 EU: Scientific Information Exchange SciX [ George Soros Open Society Institute (OSI) [ Hochschul-Rektoren Konferenz: Zur Neuausrichtung des Informations- und Publikationssystems der deutschen Hochschulen, Empfehlung des 198. Plenums v , Bonn Holström, J.: The Cost per Article reading of Open Access Articles, D-Lib Magazine, January 2004 [ House of Commons: Minutes of Evidence taken before the Science and Technology Committee Scientific Publications, N.N.: Washington DC Principles for Free Access to Science, [ Ojala, M.: Intro to Open Access: The Public Library of Science, EContent, Oct 2003 [ Open Archives Initiative (OAI) [ Suber, Peter: Timeline of the Open Access Movement [ Sabo, Kaptur, Frost: H.R.2613 to amend title 17, 108 th Congress, 1 st Session, June 26, 2003 [ 108th_Congress1/House/hr2613.pdf] Scholarly Publishing and Academic Resources Coalition SPARC [ The Budapest Open Access Initiative (BOAI) [ The Public Library of Science (PLoS) initiative [ Wellcome Trust: Economic analysis of scientific research publishing, Histon, UK, 2003 [ 29
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