Auf dem Weg zur besten Lösung
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- Wilhelmine Kerner
- vor 5 Jahren
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1 Auf dem Weg zur besten Lösung Bild: Fotolia.com, Silviu G Halmaghi Die Energiewende benötigt nicht nur intelligente Netze, sondern auch einen intelligenten Netzausbau. Dafür müssen aber Netzplanung und Asset Management eng zusammenrücken. STROMNETZ. Ob die Energiewende wirklich ein Erfolg wird, hängt entscheidend davon ab, wie die Stromnetze mit der zunehmenden Einspeisung von erneuerbaren Energien zurechtkommen. Der eine oder andere Netzbetreiber wird nicht umhinkommen, sein Netz auszubauen. Andere müssen zunächst nur Wege finden, die Netzqualitätskriterien einzuhalten. Aber wann ist der beste Zeitpunkt für welche Maßnahme? Bernhard Betz, Leiter Netzführung bei EWR in Worms, und seine Kollegen erhoffen sich in zwölf bis 18 Monaten eine Antwort darauf. Sie stehen vor der Entscheidung, ob es günstiger ist, in den Niederspannungsnetzausbau zu investieren oder in einen regelbaren Ortsnetztrafo. Der heutige Ausbaubedarf bezieht sich bei uns überwiegend auf die Mittelspannung. Aber weil sich hier durch die verstärkte Einspeisung das Spannungsproblem auf das Niederspannungsnetz fortpflanzt, müssen wir auch dort eingreifen, erklärt Betz. Die Zahl der Parameter, die diese Entscheidung beeinflussen, sei grundsätzlich noch überschaubar: Kabeldaten mit Leitungslänge, Typ, Alter und Querschnitt, gegebenenfalls noch zwischengeschaltete Elemente wie Kabelverteiler oder sonstige technische Anlagen. Die eigentliche Herausforderung liege in der Zahl der Ausprägungen, die diese Parameter annehmen können. Außerdem ist die Frage interessant, inwieweit man bei einer Maßnahme auch das vorgelagerte Netz mit betrachten muss. Aufschluss darüber erwartet Betz von einem Ansatz, den das Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) in Kassel und das Beratungshaus entellgenio in München entwickelt haben. Zwei, bisher meist getrennte Welten werden dabei vereint: Auf der einen Seite das Asset Management, das Abschätzungen über Alter und den Zustand von Betriebsmitteln macht, zu den Kapitalkosten auch die Betriebskosten berücksichtigt, aber häufig die Kapazitäten außer Acht lässt. Auf der anderen Seite die Netzplanung, die meist ausschließlich die künftigen Belastungen des Netzes im Auge hat und daraus einen Kapazitätsbedarf ableitet. Es klingt erst einmal einfach: Zwei bisher getrennte Abteilungen setzen sich zusammen und tauschen ihre Daten aus. Doch der Weg zu einem integrierten Ansatz und zu Ergebnissen, die gültig und sinnvoll sind, ist alles andere als trivial. Wir müssen Wirkungszusammenhänge und Rückkopplungen abbilden, die Qualität von Assets berücksichtigen und die damit verbundenen Risiken, sagt Heiko Spitzer, geschäftsführender Gesellschafter von entellgenio. Da ein Netz über mehrere Jahrzehnte betrieben wird, müssen wir auch einen solchen Zeitraum betrachten. Vielleicht lassen sich gewisse Maßnahmen schieben. Vielleicht machen sich gewisse Maßnahmen gar nicht kurzfristig in der Netzqualität bemerkbar, schlagen aber dann
2 in späteren Jahren umso deutlicher durch. Vielleicht könnten bestimmte Maßnahmen ausgesetzt werden, aber das Risikoverständnis im Unternehmen lässt das nicht zu. Es ist nur ein kurzer Ausschnitt aus der Fülle von Randbedingungen, die hier aufeinandertreffen. Das Besondere an diesem Ansatz ist, dass man in der Simulation die Lebensdauer der Betriebsmittel variieren kann, betont Betz. Den Alterungsprozess des Netzes beziehungsweise bestimmter Netzabschnitte und die daraus erwachsenden Konsequenzen für die Investitionstätigkeit habe bisher kein Modell abbilden können. Das grundsätzliche Problem ist, dass niemand weiß, wie lange die Kabel tatsächlich halten, sagt er. Und fügt mit einem Augenzwinkern hinzu: Womöglich halten ja die alten Kabel sogar länger als die neuen aus Kunststoff. Johannes Dasenbrock, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Fraunhofer IWES und zuvor 27 Jahre in der Energieversorgung tätig, zeigt am Beispiel eines Netzabschnittes, wie eine überschaubare Menge an Parametern zu einem nicht mehr händisch zu bewältigenden Rechenaufwand führt. Angenommene 19 Maßnahmen, die noch miteinander kombiniert werden können, kommen in Frage, um ein Verteilnetz für die zunehmende Einspeisung von erneuerbaren Energien fit zu machen. Dazu gehören beispielsweise ein neues Kabel, ein parallel verlegtes Kabel, ein neues Kabel und ein regelbarer Ortsnetztrafo, Abregelung, zunächst Abregelung und später ein neues Kabel, und so weiter. Bei beispielsweise vier Stützjahren, also wenn in vier nicht unbedingt aufeinander folgenden Jahren ein Ausbau der PV-Kapazitäten stattfindet, ergeben sich schon 419 Varianten. Dass diese 275 Mrd. Kombinationen für einen Planer nicht mehr beherrschbar sind, liegt auf der Hand. Aber selbst für die dynamische Simulation muss diese Menge gesenkt werden. Deshalb haben wir einen evolutionären Algorithmus eingesetzt, der die Zahl der Lösungen reduziert, erklärt Dasenbrock. Aus jeder Generation von Lösungen, denen nach einem Rechendurchgang bestimmte Kombinationen zugeordnet werden können, werden 500 dieser Varianten zufällig ausgewählt und dann die Zulässigen der Asset-Simulation übergeben, die eine Optimierung unter finanziellen Gesichtspunkten durchführt. Dieser Kreisverkehr wird mehrere tausendmal durchlaufen, bis sich eine konvergierende Lösung einstellt, etwa das Barwertminimum der gesamten Netzkosten, sowohl der Investitions- als auch der Betriebskosten. Robuster Tablett-PC für GIS-Datenerfassung Bild: Mettenmeier Als Ergebnis bei minimalen Kosten erhält der Planer dann mehrere konkrete Vorschläge für Maßnahmen, die in den jeweiligen Stützjahren durchgeführt werden können. Ob er diese annimmt, ist seine Sache, betont Spitzer. Grundsätzlich sieht der promovierte Diplomkaufmann aber den Vorteil, dass der Planer über die dynamische Simulation schneller zu einer fundierten Lösung kommt und auch durch das nachvollziehbare Verfahren abgesichert ist. Und nicht zu vergessen: Auch erfahrene Planer kommen einmal ins Rentenalter. Wenn sie sich bis dahin bei ihrer Arbeit auf umfassende, transparente Verfahren gestützt haben, haben es die Nachfolger leich by Energie & Management Alle Rechte vorbehalten
3 ter gegenüber der Prägung der Netzentwicklung durch jahrzehntelange persönliche Erfahrung. Bei EWR soll über die aktuell anstehende Entscheidung hinaus die dynamische Asset-Simulation helfen, Standardszenarien zu definieren, die künftig als Grundlage für Entscheidungen über Netzinvestitionen dienen können. Spitzer sieht das entwickelte Modell auch als Hilfsmittel zum Sammeln von Erfahrungen in vielerlei Hinsicht, mit denen eine Entscheidungsgrundlage für das weitere Vorgehen erarbeitet werden kann unabhängig von, aber in Verbindung mit den vorhandenen Softwareanwendungen. Die Zusammenarbeit zwischen Asset Management und Netzplanung könne in vielen Unternehmen grundsätzlich jedoch noch weiter verbessert werden: Alleine deshalb, weil die beiden Bereiche meist im Tagesgeschäft schon mehr als genug Arbeit zu bewältigen haben. Da brauche niemand auch noch mit weitergehenden Überlegungen zu kommen, die Informationen beider Bereiche zu kombinieren und entsprechende Schlüsse zu ziehen. In diesem Fall sammeln wir die relevanten Informationen im Rahmen eines Dienstleistungsansatzes ein und führen sie zusammen, sagt Spitzer. Denn die Verbindung dieser Informationen ist essentiell für einen intelligenten Netzausbau. Dynamische Simulation Es handelt sich um ein iteratives Verfahren, das Wirkungszusammenhänge darstellt und transparent macht. Die Ermittlung von Netzausbauszenarien setzt die integrierte Nutzung von Informationen über Kapazitätsauslastung und Alterung voraus. Zunächst werden mögliche Ausbauvarianten zur Beseitigung von Netzengpässen definiert. In einem zweiten Schritt werden diese Varianten monetär bewertet. Dabei spielen auch Instandhaltungsmaßnahmen und sonstige Betriebskosten eine Rolle. Gleichzeitig fließen Informationen zur Alterung der Assets ein. Außerdem werden Rückkopplungen zwischen den verschiedenen Parametern und ihren Ausprägungen berücksichtigt. Im dritten Schritt werden aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse weitere Ausbauvarianten ermittelt. Im Anschluss daran erfolgt erneut die monetäre Bewertung der Ausbauvarianten. Das Verfahren wird so lange durchgeführt, bis die Lösungen, beispielsweise gegen das Barwertminimum der Gesamtkosten, konvergieren by Energie & Management Verlagsgesellschaft mbh FRITZ WILHELM Dieser Artikel und alle in ihm enthaltenen Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne schriftliche Zustimmung des Herausgebers unzulässig und wird strafrechtlich verfolgt. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen und die Weitergabe in elektronischer oder gedruckter Form. Bitte sprechen Sie uns unbedingt an, bevor Sie diesen Artikel weiterleiten oder anderweitig verwenden. Vielen Dank!
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