Ausschuss: WVA, 30./31. Sitzung am 23./
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- Kerstin Fromm
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1 Öffentliche Anhörung Ausschussvorlage WVA/18/18 Teil 6 Stand: Ausschussvorlage SPA/18/39 Ausschussvorlage Ausschuss: WVA, 30./31. Sitzung am 23./ Ausschussvorlage zu: Drucks. 18/2578 Fluglärm Prof. Dr. Martin Kaltenbach, RMI - Rhein-Main Institut S. 216 Main-Kinzig-Kreis S. 222
2 216 Gesundheitsmonitoring Von Martin Kaltenbach Vielen Dank für die Einladung. Ich will versuchen als Arzt und Kardiologe etwas zu dem Thema beizutragen. Die beschriebenen Gesundheitsstörungen gehören überwiegend zum Fachgebiet der Kardiologie. Zur Person Martin Kaltenbach, Prof. Dr. med. Kardiologe. Zwanzig Jahre Leiter der Abteilung Kardiologie im Klinikum der Universität Frankfurt. Schwerpunkte: Invasive Kardiologie (Erweiterung von verengten Herzkranzarterien mit Katheterhilfe; erste Eingriffe in Deutschland 1977), Gründung der Deutschen Herzstiftung 1979 (heute über Mitglieder). Derzeit: Vorstand Deutsche Herzstiftung, Deutsche Stiftung für Herzforschung, Redaktion Herz heute. Praktische und wissenschaftliche Beschäftigung mit Prävention. Arbeiten in der Lärmwirkungsforschung Mitglied im Dialogforum, Projektteam Langfristperspektiven, Ökologie und Gesundheit von 2001 bis Beendigung. Kleingruppe Längsschnittstudie. Eigene Studie im Bereich des Flughafens Frankfurt zur Auswirkung von nächtlichem Fluglärm. Publikationen: Aydin und Kaltenbach: Noise perception, heart rate and blood pressure in relation to aircraft noise in the vicinity of the Frankfurt airport (Clinical Cardiology 2007) Kaltenbach, Maschke und Klinke: Gesundheitliche Auswirkungen von Fluglärm (Health consequences of aircraft noise) Deutsches Ärzteblatt Deutsches Ärzteblatt 2010 im Druck. Lärmwirkungsforschung im Rhein Main-Institut seit 10 Jahren
3 217 Unter den Auswirkungen von Lärm steht der hohe Blutdruck im Vordergrund. Schon 1968 wurde von Graff et al. eine Untersuchung publiziert mit dem Titel: Lärmbelastung und arterielle Hypertoniekrankheit beim Menschen. Es handelte sich damals um Arbeiter einer Kesselschmiede, die Lärm von einem heute nicht mehr vorstellbaren Ausmaß ausgesetzt waren. Seither wurde der Zusammenhang zwischen Lärm und Hochdruck immer wieder bestätigt. Die neuen Studien epidemiologischen Studien unterscheiden sich von den alten hauptsächlich darin, dass die Beziehungen schon bei viel niedrigeren Lärmpegeln gefunden wurden. Besonders enge Korrelationen fanden sich zum Nachtlärm. Schlafstörungen und schwerwiegende Belästigungen spielen dabei eine wichtige Rolle. Sie sind aber nicht Voraussetzung für Blutdruckanstiege. Das Ohr schläft nicht. Das bedeutet, dass im Schlaf auch ohne Erwachen akustische Sinneseindrücke aufgenommen und an subkortikale Kreislaufzentren weiter geleitet werden. Bedeutung von Blutdruckerhöhungen Die Blutdruckkrankheit ist ein Risikofaktor Nummer eins für Folgekrankheiten wie Herzschwäche, Schlaganfall und Herzinfarkt. Eine Gesundheitsgefährdung tritt nicht erst, wenn starke Blutdruckerhöhungen im Sinne der Blutdruckkrankheit auftreten, sondern schon wenn der Blutdruck in einen Bereich gestiegen ist, der nicht als krankhaft definiert wird. So steigt zum Beispiel das Risiko in den folgenden Jahren einen Herzinfarkt zu erleiden schon auf mehr als das Doppelte an, wenn in einer Population der normale Blutdruck von 130/80 auf einen so genannten hoch normalen Wert von 140/85 ansteigt. Für ein Monitoring genügt es daher nicht, festzustellen, ob die Häufigkeit der Hypertonie sich verändert. Um die tatsächliche Gefährdung durch Lärm zu erfassen, müssen vielmehr auch Blutdruckerhöhungen unterhalb des pathologischen Bereichs erfasst werden. Die eigene Studie im Bereich des Flughafens Frankfurt hat die zu erwartenden Veränderungen beispielhaft gezeigt. In einer Längsschnittuntersuchung über mehrere Monate wurden zwei Gruppen im Vergleich verfolgt. Beide hatten eine nächtliche Fluglärmbelastung von 50dB(A). Die Wohngebiete wurden so gewählt, dass diese Lärmbelastung nur durch startende Flugzeuge hervorgerufen wurde, sodass die Westgruppe nur bei Westwind, die Ostgruppe nur bei Ostwind belastet war. Da in Frankfurt Westwind in 4/5 der Zeit, Ostwind aber nur in einem fünftel der Zeit herrscht, wurde die Westgruppe länger und häufiger belastet als die Ostgruppe. Der Blutdruck war dementsprechend in der Westgruppe um 12 mm
4 218 Hg systolisch und 7 mm Hg diastolisch höher als in der Ostgruppe. Der zeitliche Verlauf über mehrere Monate in Form einer so genannten Längsschnittbeobachtung oder Kohortenstudie zeigte, dass die Unterschiede zwischen beiden Gruppen in den normalen Perioden mit überwiegendem Westwind deutlich ausgeprägter waren als in Perioden mit mehr Ostwind. Die Untersuchung bestätigt in Übereinstimmung mit vielen Studien, dass schon im Bereich zwischen 40 und 50 db(a) nachts gesundheitlich relevante Kreislaufreaktionen auftreten. Unter dem Eindruck dieser neuen Studienergebnisse ist ein großes internationales Expertengremium unter Vorsitz der WHO zu dem Ergebnis gekommen, dass im Lärmpegelbereich ab 45 db(a) mit Gesundheitsgefährdungen gerechnet werden muss. Als Konsequenz wurden die Richtlinien der WHO aus dem Jahr 1997 neu gefasst, und die Grenze für mögliche Gesundheitsschäden von 50 auf 45 db(a) herab gesetzt. Diese Reduktion um 5 db(a) ist so bedeutend, dass ganze Stadtteile und dicht besiedelte Wohngebiete, die bisher als ungefährdet gelten konnten, jetzt als gesundheitsgefährdete Zone bezeichnet werden müssen. Für Gebiete mit prognostizierter Lärmzunahme gilt in vielen Gebieten das gleiche. Anforderungen an ein Blutdruckmonitoring Aus den erwähnten Gründen muss die sorgfältige Blutdrucküberwachung Grundbestandteil eines sinnvollen Gesundheitsmonitoring sein. Eine Abfrage von Hypertoniediagnosen und Behandungen ist unzureichend. Blutdruckmessungen mit wissenschaftlichem Anspruch werden heute meist mit Hilfe automatisch registrierender Geräte über 24 Stunden durchgeführt. Für ein Gesundheitsmonitoring sind sie aber ungeeignet. Die Belästigung der Probanden ist relativ groß und die Compliance entsprechend gering. Für Überwachungen über einen längeren Zeitraum im Sinne einer Längsschnittuntersuchung kommen sie daher nicht in Frage. Einzelmessungen sind vielen Störfaktoren unterworfen. Zu nennen sind der sog. Weißkitteleffekt, wechselnde Tagesform, wechselnde Ernährung und Flüssigkeitsaufnahme u. v. a. die dazu führen, dass die Reproduzierbarkeit der Werte unbefriedigend ist. Praktisch bewährt hat sich dagegen die Kombination von Fremdmessungen mit einer Serie von Eigenmessungen durch die Probanden selbst mit Hilfe digital anzeigender Geräte. Die Messungen wereen über ein bis zwei Wochen morgens und abends protokollier, sodass individuelle Mittelwerte resultieren, die repräsentativ für das Individuum sind, und sowohl die Nacht als auch den Tag differenziert abbilden.
5 219 Die Erfahrung hat gezeigt, dass Messungen und Protokollierungen zuverlässig erfolgen, wenn eine sachgerechte Einweisung erfolgt. Ein Blutdruckmonitoring aufgrund derartiger Messungen kann als eigenständige Studie erfolgen oder als Modul in eine andere Studie eingebaut werden. Ich empfehle das Monitoring in eine Belästigungsstudie der bewährten Form zu integrieren. Krankheitsmonitoring Es gibt zahlreiche wertvolle Messparameter, die auf eine Gesundheitsgefährdung oder bestehende Regulationsstörungen hinweisen. Im kardiologischen Bereich sind Messwerte zu nennen, die zum Beispiel aus 24 Stunden-Ekgs oder 24 Stunden Blutdruckmessungen entnommen oder errechnet werden. Zu erwähnen sind Herzfrequenzänderungen, Extrasystoliehäufigkeit, verschiedene Arten von Herzrhythmusstörungen, die Herzfrequenzvariabilität, die Nachtabsenkung u. v. a. mehr. Zur Überprüfung der Schlafqualität kann das EEG und die Polysmonographie benutzt wereden. Humorale Messparameter befassen sich hauptsächlich mit den Veränderungen kreislaufwirksamer Hormone wie Adrenalin, Noradrenalin, Cortisol. Auch direkte Messungen der Symapatikusaktivität sind heute möglich. Vor wenigen Wochen wurde sogar eine Methode beschrieben, die erlaubt aus Haarproben Cortisol-Konzentrationen zu messen. die über mehrere Monate zurückreichen. Ein Gesundhetsmonitoring muss sich auf Untersuchungen beschränken, die einfach und gut reproduzierbar sind. Sie dürfen für die Probanden keine Belästigung darstellen. Nur so kann die unabdingbare Wiederholbarkeit gewährleistet werden. Blutentnahmen oder Untersuchungen, die über die vorgeschlagenen Blutdruckmessungen, scheiden schon aus diesen Gründen aus. Unter den als Lärmfolge beschriebenen Erkrankungen stehen Krankheiten im Vordergrund, die als Folgekrankheiten der Hypertonie gelten. Das ist die Herzschwäche (systolische und diastolische Herzinsuffizienz), der Schlaganfall und der Herzinfarkt. Eventuelle Häufigkeitszunahmen müssen in einem Gesundheitsmonitoring zuverlässig erfasst werden. Die Abfrage der Diagnosen durch betroffene Patienten selbst ist unzureichend. Unterschiedliche Wahrnehmungen von Diagnosen in Abhängigkeit vom
6 220 Bildungsgrad sind unvermeidlich. Es können nur ärztliche Diagnosen verwertet werden. Bewährt und sinnvoll ist die Auswertung von abschließenden Krankenhausdiagnosen. Wenn diese von den Krankenkassen übernommen werden, ergibt sich der Vorteil von großen verfügbaren Kollektiven. Der Nachteil besteht darin, dass weitergehende individuelle Daten z. B. über die Verteilung von Risikofaktoren nicht abrufbar sind. Ich empfehle daher zusätzlich zu den Daten der Krankenkassen auch die Daten von Krankenhäusern der Region zu verwenden. Die Krankenhaus-EDV gestattet eine Selektion der in Frage kommenden Diagnosen. Deren Häufigkeit wird verglichen mit der Häufigkeit von lärmunabhängigen Diagnosen. Zusätzlich können individuelle Daten wie Rauchgewohnheiten, Hypertonie, Diabetes und Fettstoffwechselstörungen ermittelt werden. Einbezogen werden Krankenhäuser, deren Krankengut aus Gebieten mit verschieden starker jetziger oder künftiger Lärmbelastung besteht. Eine ausreichende EDV, die genutzt werden kann, liegt in aller Regel vor. Es soll einerseits untersucht werden, ob Differenzen hinsichtlich der vier Diagnosen Bluthochdruck, Herzschwäche, Schlaganfall und Herzinfarkt im Vergleich zu der Gesamtheit aller anderen Diagnosen auftreten, andrerseits ist zu prüfen, ob hinsichtlich de bekannten Risikofaktorern wie Rauchen, Diabetes, Hypertonie, Fettstoffwechselstörungen Unterschiede im Sinne von confounders bestehen. Neben dem Ist- Zustand ist der zeitliche Verlauf zu verfolgen.. Aufgrund des in neuen Studien festgestellten niedrigen Grenzwertes müssen auch Vergleichsgebiete mit deutlich unter 40 db(a) leq 3 nachts liegenden Lärmpegeln einbezogen werden. Fluglärm im Vergleich zu anderen Lärmarten? Sämtliche Lärmarten können zu Herz-Kreislaufreaktionen führen. Die vom Dialogforum beauftragte Frankfurter Belästigungsstudie hat die Belästigung durch die verschiedenen Lärmarten vergleichend untersucht und ergeben, dass in der Rhein-Main Region die Belästigung durch den Fluglärm vor allen andern Lärmarten im Vordergrund steht. Ein Monitoring in der Region kann sich deswegen auf den Fluglärm konzentrieren. Die vorliegenden Prognosen zeigen, dass bis 2020 diese Form der Lärmbelastung am stärksten zunehmen wird. Auch deswegen ist die Beschränkung sinnvoll.
7 221. Schlussfolgerung Ein Gesundheitsmonitoring muss reproduzierbare und sowohl für den Tag als auch für die Nacht repräsentative Blutdruckmessungen einschließen. Die Folgekrankheiten der Hypertonie sind in ihrer Häufigkeit aufgrund ärztlich gesicherter Diagnosen zu verfolgen. Neben der Auswertung von Daten der Krankenkassen sollten auch Daten regionaler Krankenhäuser einbezogen und im zeitlichen Verlauf verfolgt werden. Praktische Durchführung eines Gesundheitsmonitoring 1. Beginn vor der geplanten Inbetriebnahme der Landebahn 2. Konzentration auf Fluglärm und die Region 3. Koordination aller Vorschläge, Abstimmung mit Untersuchungen an anderen Standorten unter Einschluss anderer Lärmarten durch das Umwelt-Bundesamt
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Feldstudie im Umkreis des Flughafens Frankfurt Ausführung Dr. med. Y. Aydin Anleitung Prof. Dr. med. M. Kaltenbach
Danksagung Wir danken dem Institut für Gesundheitsschutz e. V. Offenbach für die Ermöglichung der Studie Allen Probanden für die sorgfältige Protokollierung und die Durchführung der Messungen Feldstudie
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