Angst und Angststörungen Der kinder- und jugendpsychiatrische Blickwinkel
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- Helmuth Schräder
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Transkript
1 Der kinder- und jugendpsychiatrische Blickwinkel Pract. med. Andreas Inauen, LA KJPD Luzern Pediatric Care - Zentralschweizer Pflegesymposium Dienstag, 12. November 2013
2 Einleitung Neuro-bio-psychologie der Angst Angeborenes Temperament Angst spielt sich im Körper ab Das limbische System Prozess der Angstreaktion Angstgedächtnis Amygdala: ein hochkomplexes Kerngebiet Rolle des peripheren Nervensystems Angst und Angststörungen im Kindes- und Jugendalter Normale Angst Pathologische Angst: Angststörungen
3 Gehört (nur) den Mutigen die Welt und ist Angst ein schlechter Ratgeber? (in Abwandlung bekannter Sprichwörter)
4 Angst ist eine Grundfarbe des menschlichen Empfindens Krankhafte Angst ist übersteigert wirkt unrealistisch geht mit körperlichen Symptomen einher beeinträchtigt Alltag und Beziehungen
5 Jerome Kagan "Angst ist nur dann eine Krankheit, wenn sie dich unglücklich macht und verhindert, dass du tun kannst, was du willst"
6 Angst ist überlebenswichtig schärft die Sinne ermöglicht schnelle körperliche Reaktion ist eine mächtige Triebfeder des Lebens
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8 (Folie von Dieter F. Braus, EinBlick in die Angst, die neurowissenschaftliche Perspektive; Referat vom 19. Januar 2012 anlässlich 12. Vierwaldstätter Psychiatrietag "Angst")
9 Angeborene Ängstlichkeit ist ein verblüffend stabiles Merkmal Jerome Kagan
10 "High reactive" 4 Monate: 15-20% aller Babys schreckhafte 2-Jährige: Mehrheit bereits mit 4 Monaten hochreaktiv 4 Jahre: Hochreaktive mit 4-fach erhöhter Wahrscheinlichkeit gehemmt 7 Jahre: fast die Hälfte hat spezifische Ängste 1/3 der Hochreaktiven entwickelt krankhafte Symptome
11 Angst spielt sich im Körper ab
12 200'000'000'000 (200 Milliarden) Nervenzellen Neuron 0,005 mm (5 Mikrometer) "klein" Gehirn: etwa Nervenzellen pro mm3 durch 100'000'000'000'000 (100 Billionen) Synapsen vernetzt Gesamtlänge der Nervenfasern im menschlichen Körper ca km. Nervenzelle kann mit 10'000 anderen in Kontakt treten und über 4 Schritte jede andere erreichen Gehirn: pro Sekunde 10'000'000'000'000'000 (10 Billiarden) Rechenoperationen
13 Das limbische System
14 Hippocampus-Amygdala-Formation
15 Prozesse der Angstreaktion "Handle erst, denke später" "Überlass der Evolution das Denken" Joseph E. LeDoux
16 schneller Weg: "Notfallprogramm zweiter Schaltkreis über Hirnrinde
17 Angstgedächtnis
18 Amygdala: ein hochkomplexes Kerngebiet
19 Angst und Angststörungen Urbach-Wiethe-Syndrom
20 Rolle des peripheren Nervensystems
21 Sympathikus und Parasympathikus
22 Angst und Angststörungen im Kindes- und Jugendalter Es sind nicht die Dinge, die uns beunruhigen, sondern unsere Sicht der Dinge. Epiktet, griechischer Phlosoph
23 Jürgen Margraf Umgang der Eltern mit Angst des Kindes Physiologie - Bewertung im Kopf auslösendes Ereignis
24 Normale Angst Alarmsystem - Schutzverhalten Angstbereitschaft Angst-Kontinuum
25 aus: Fegert, J.M., Kinderängste. (Sozial-) Psychologie der Angst. Rostock, 31. August 2005 Ängste und Angststörungen von Kindern und Jugendlichen im Entwicklungsverlauf (modifiziert nach Scarr 1999)
26 normale Ängste sind i.d.r. kurzlebig gute Unterstützung durch Eltern wichtig
27 Nachts im Museum Meine größte Angst ist, dass die Sachen aus dem Museum lebendig werden könnten: Dinosaurier oder Napoleon oder Robin Hood. Dinos essen gerne Fleisch, und da wir Menschen Fleisch am Körper haben, wären wir eine bevorzugte Beute. Und auch Robin Hood und so, das sind ja auch nicht gerade die friedlichsten Gesellen. Ich weiß, dass das nicht sein kann, aber trotzdem kommt mir immer wieder dieser schreckliche Gedanke in den Kopf.
28 Vier Augen und spitze Zähne Ich habe Angst vor Monstern. Das Monster, vor dem ich mich besonders fürchte, hat vier Augen, spitze Zähne und Stacheln auf dem Rücken. Ich habe es schon mal gemalt. Meistens begegne ich ihm nachts, im Traum. Ich renne dann weg vor ihm und fliehe in mein Bett. Ich denke im Traum nicht darüber nach, dass es das Monster nicht wirklich gibt. Wenn ich wach bin, habe ich manchmal Angst vor einem Räuber. Ich stelle mir dann vor, dass er sich im Werkzeugkeller versteckt und herauskommt, wenn ich durch den Kellerflur gehe. Die Angst sitzt in meinem Bauch. Ich befürchte, dass er mir meine Spielsachen klauen könnte. Dann renne ich wieder nach oben und mache das Licht im Keller aus.
29 Er umschleicht mich im Wald Ich habe Angst vor einem Fuchs. Der sieht gefährlich aus, er hat rotes Fell, schwarze Augen und einen langen dicken Schwanz. Die Zähne sehen wie die von Menschen aus, und er ist schlau. Er umschleicht mich, wenn ich in den Wald gehe. Wir hatten nämlich gerade Waldwoche in der Kita. Der Fuchs ist schneller als ich, ich verstecke mich hinter einem sehr dicken Baum vor ihm. Aber richtig sicher bin ich nur bei Mama oder hinter einer Erzieherin. In der Kita haben wir ein Puzzle mit kleinen Fuchskindern und zwei Elternfüchsen. Ich mache es nicht, es ist für mich zu schwer. Aber ich gucke zu, wenn andere Kinder es machen, und die Füchse sehen gefährlich aus.
30 Donner und Hagel und Gewitter Ich habe Angst vor dem Hund von unseren Nachbarn. Immer, wenn ich an unserer Hausecke vorbeigehe, bellt er ganz laut. Dann erschrecke ich und renne weg. Ich habe auch Angst vor Donner und Hagel und Gewitter, weil es so laut ist. Wenn ich nachts davon aufwache, rufe ich Mama oder Papa. Papa liest mir dann immer noch ein kleines Buch vor. Vor Tigern und Löwen habe ich auch Angst. Im Zoo geht das ja noch, weil da Gitter sind, aber im Dschungel beißen die mich. Und vor den Eisbären am Nordpol habe ich Angst, weil die auch gefährlich sind.
31 Das Dunkle in der Nacht Ich habe Angst vor dem Dunklen in der Nacht. Wenn ich nachts aufwache. Die Angst sitzt bei mir im Bett, sie hat ein grünes Gesicht. Dann gehe ich zu Mama, und wenn ich da angekommen bin, läuft die Angst weg. Sonst habe ich vor gar nichts mehr Angst jetzt, weil, ich bin ja schon groß. Früher? Ja, früher hatte ich auch Angst vor Dieben, aber jetzt nicht mehr, denn ich baue ein Gefängnis für die. Wenn ich auf der Couch liege und Angst vor Dieben habe, dann decke ich mich mit der Decke zu, damit sie mich nicht sehen. Die Diebe sind schwarz und wollen mich fressen und mein Lego klauen. Oder ich verstecke mich bei Mama oder bei meiner großen Schwester. Die hat Beschütztiere: Löwen, die beißen die Diebe ins Ohr. Affen, die ärgern die Diebe. Und Tiger, die essen den ganzen Körper auf. Ich habe auch ein Schwert, damit ich die Diebe töten kann. Und ich habe einen Tiger auf dem T-Shirt, dann kommen die Diebe nicht zu mir.
32 Normale Angst Pathologische Angst lebensnotwendig der Situation angemessen entwicklungs- und altersangemessen (alterstypische) Angstthemen besonders stark anhaltend entwicklungsbeeinträchtigend
33 Prävalenz: 10% Angststörungen Beginn: Median 11 Jahre Spez. Phobien / Störung mit Trennungsangst: 7 Jahre Soziale Phobie: 13 Jahre Am häufigsten: spezifische Phobien am zweithäufigsten: Grundschulalter: Störung mit Trennungsangst ab Pubertät: Sozialphobie bis zur Pubertät: Knaben = Mädchen ab Pubertät: Mädchen > Knaben (2:1) Panikanfälle: bis 10-jährig extrem selten (< 1%) ca. 10% chronifizieren = Risikofaktor für psychische Störung im Erwachsenenalter
34 Krankheitsentstehung "high-reactive" Temperamentsmerkmal Qualität der Bindung elterlicher Erziehungsstil kognitive Schemata Teufelskreis der Angst
35 Diagnostische Klassifikation aus Kapital F4, neurotische Belastungs- und somatoforme Störungen F 40 phobische Störungen F 40.0 Agoraphobie F40.00 Agoraphobie: Ohne Angabe einer Panikstörung F40.01 Agoraphobie: Mit Panikstörung F 40.1 soziale Phobien F 40.2 spezifische (isolierte) Phobien F 40.8 sonstige phobische Störungen F 40.9 nicht näher bezeichnete phobische Störung F 41 sonstige Angststörungen F 41.0 Panikstörung (episodisch paroxysmale Angst) F 41.1 generalisierte Angststörung (Angstneurose) F 41.2 Angst und depressive Störung gemischt F 41.3 sonstige gemischte Angststörungen F 41.8 sonstige spezifische Angststörungen F 41.9 nicht näher bezeichnete Angststörung aus Kapital F 93: emotionale Störungen des Kindesalters F 93.0 emotionale Störung mit Trennungsangst des Kindesalters F 93.1 phobische Störung des Kindesalters F 93.2 Störung mit sozialer Ängstlichkeit des Kindesalters F generalisierte Angststörung des Kindesalters aus Kapital F 51.-:nichtorganische Schlafstörungen F 51.4 Pavor nocturnus F 51.5 Alpträume (Angstträume, Angsttraumstörung) F 45.2 F 60.6 Hypochondrische Störung (aus Kapitel F 45.- somatoforme Störungen) ängstliche (vermeidende) Persönlichkeitsstörung (aus Kapitel F 60.- spezifische Persönlichkeitsstörungen)
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40 Behandlung Wo die Angst ist geht es entlang Ziele Abbau Vermeidungsverhalten Veränderung Bewertung Angstauslöser und - symptome Psychotherapie Pharmakotherapie
41 Psychotherapie Psychoedukation Kognitive Interventionen Konfrontation
42 Relaxane Pharmakotherapie Benzodiazepine Temesta, Valium SSRI Floxyfral junior
43 Wolfgang Schmidbauer "Das Buch der Ängste, von A bis Z" Ablutophobie Anthophobie Genuphobie Gephyrophobie Zoophobie Trypophobie: Angst vor Löchern
44 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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