Bilaterale rechtliche Grundlage für die deutsche Minderheit in Dänemark
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- Benjamin Bösch
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1 Claus Diedrichsen Deutscher Schul- und Sprachverein für Nordschleswig, Dänemark Bilaterale rechtliche Grundlage für die deutsche Minderheit in Dänemark Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte mich dafür bedanken, dass meine Kollegin Frau Tästensen und ich Gelegenheit erhalten, an dieser für uns hochinteressanten Konferenz des Goethe-Instituts in Kiew teilzunehmen. In 20 Minuten über den Weg Vom Gegeneinander zum Miteinander oder das Deutsch-Dänische Minderheitenmodell in unserer Grenzregion zu informieren, fällt mir selbstverständlich sehr schwer. Betrachtet man die rechtlichen Grundlagen der deutschen Minderheit in Nordschleswig/Dänemark werden verschiedene Besonderheiten deutlich, die für uns ganz normal sind, aber im europäischen Kontext doch sehr außergewöhnlich sind. 1) Wir erhalten einen Großteil der Finanzen für unsere Arbeit (Schulwesen, Zeitung, politische Arbeit, kulturelle Arbeit, soziale Arbeit, Jugendarbeit, Sportarbeit etc.) aus Deutschland. 2) Es gibt in Dänemark kein Minderheitengesetz, die Minderheit ist nicht in der Verfassung erwähnt und auch sonst sind die rein juristische Grundlagen sehr gering vorhanden. Dennoch kann ich ohne Übertreibung feststellen, dass die deutsche Minderheit sehr zufrieden ist mit der Behandlung, die sie durch den dänischen Staat erfährt und wie sie ihre eigene Rechtssicherheit ohne eigentliche Gesetzgebung betrachtet. Dass dies so ist, hat verschiedene Gründe: Zum einen sind dies historische Gründe. Das Verhältnis zwischen der deutschen Minderheit und Dänemark sind nämlich mitnichten immer schon so gut gewesen, wie heute. Wie in fast allen Minderheitenregionen ist auch unsere stark von der Geschichte geprägt. Durch eine Grenzziehung ist die deutsche Minderheit nach 1920 entstanden. Die Folge des 1. Weltkrieges und die Grenzziehung wurden von der deutschen Minderheit als Unrecht empfunden. Bis 1945 kämpfte die deutsche Minderheit für eine Grenzverschiebung. Man wollte zu Deutschland gehören. Vor allem während der Besatzung Dänemarks stand die deutsche Minderheit in starker Opposition zur Mehrheit. Die deutsche Minderheit definierte und definiert ihre Identität auf der Grundlage der deutschen Sprache und Kultur und eigene Kindertagesstätten und Schulen sind schon immer das wichtige Fundament der Minderheit. Nach 1920 und bis 1945 besuchten über Schüler 89 deutsche Schulen in Nordschleswig. Es waren freie/private Schulen, aber auch deutsche Abteilungen in öffentlichen/dänischen Schulen. In Dänemark gibt es keine verordnete Schulpflicht sondern im 1
2 Grundgesetz wird eine Unterrichtspflicht festgeschrieben. Die Bedeutung für unsere Schulen und für die deutsche Sprache erläutere ich später in meinen Ausführungen. Nach der Kapitulation wurden alle deutschen Immobilien und damit auch alle Schulen enteignet, und das Schulsystem der Minderheit brach zusammen. Aber im Vergleich zu sehr vielen anderen Minderheitenregionen wurde die deutsche Minderheit in Dänemark vergleichsweise gut behandelt. Schon am 01. August 1945 wurde der Deutsche Schul- und Sprachverein erneut auf Elterninitiative ins Leben gerufen. Die deutsche Minderheit versuchte, mit einer Loyalitätserklärung gegenüber dem dänischen Staat und dem Verzicht auf eine Revision der Grenzziehung von 1920 um Verständnis für ihre geschichtlich-kulturelle Identität den Neuanfang der Arbeit zu gewährleisten am Anfang gab es jedoch wenig Verständnis von dänischer Seite kam es zu dem wohl wichtigsten Meilenstein in der bilateralen Minderheitenregelung im deutsch-dänischen Grenzland, den so genannten Bonner und Kopenhagener Erklärungen. Sie gelten als Grundstein, ja Grundgesetz, für den Ausgleich im Grenzland. Die Entstehung hatte ursprünglich einen ganz profanen Grund. Adenauer wollte damals unbedingt die Bundesrepublik in die NATO führen. Der dänische Regierungschef forderte bei einer Sitzung für seine Zustimmung, dass Regelungen für die dänische Minderheit in Schleswig-Holstein gefunden werden müssten. Das wiederum führte zum Druck, dass auch Dänemark sich um die deutsche Minderheit kümmern müsse. Das war der Grundstein für die bilaterale Minderheiten-Regelung. Es ist demnach akzeptiert, dass der jeweilige Staat die Minderheit in dem jeweiligen anderen Staat unterstützt. In der Präambel heißt es: In dem Wunsche, das friedliche Zusammenleben der Bevölkerung beiderseits der dänisch-deutschen Grenze und damit auch die Entwicklung freundschaftlicher Beziehungen zwischen dem Königreich Dänemark und der Bundesrepublik Deutschland allgemein zu fördern und bezugnehmend auf Artikel 14 der Europäischen Konvention für Menschenrechte, gemäß welchem die durch diese Konvention anerkannten Rechte und Freiheiten sichergestellt werden sollen ohne Diskriminierung bezüglich der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, erklärt die Königlich Dänische Regierung zur Bestätigung der für diese Minderheit bereits geltenden Rechtsgrundsätze. Dänemark sichert der deutschen Minderheit mit Hinweis auf das dänische Grundgesetz die Rechte der dänischen Staatsbürger explizit zu. Um nur eines dabei hervorzuheben: - Das Recht auf gleiche Behandlung, nach dem niemand wegen seiner Abstammung, seiner Sprache, seiner Herkunft oder seiner politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden darf. 2
3 Zu den Rechtsgrundsätzen wurde für beide Minderheiten u. a. festgestellt: - Das Bekenntnis zum deutschen Volkstum und zur deutschen Kultur ist frei und darf von Amts wegen nicht bestritten oder nachgeprüft werden was bedeutet Minderheit ist, wer Minderheit sein möchte! - Weitere Feststellungen: o Gebrauch der Sprache in Wort und Schrift o Gebrauch der deutschen Sprache vor Gerichten und Verwaltungsbehörden o Allgemeinbildende Schulen, Volkshochschulen, Kindergärten o Politische Arbeit o Nutzung von Rundfunk o Unterstützung und sonstige Leistungen aus öffentlichen Mitteln Abgesehen von kleinen politischen und finanziellen Reibereien hat sich dieses Bonn- Kopenhagener Modell sehr bewährt und im kommenden Jahr feiern wir das 60-jährige Jubiläum. In der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit der beiden Minderheiten hat man sich von einem Gegeneinander über ein Miteinander zu einem Füreinander entwickelt, welches die Minderheitensprache beiderseits der Grenze eine sichere Grundlage und Entfaltungsmöglichkeit garantiert hat. Es gibt immer wieder Leute auch Wissenschaftler die sich wundern, wie wir uns in Dänemark sicher fühlen können. Es gibt kein Minderheitengesetz, wir haben keine Sonderregelung im Wahlrecht und auch sonst sind wir de jure nicht abgesichert. Doch um es vereinfacht darzustellen, beruht unsere Minderheitenregelung auf dem Prinzip der skandinavischen Vertrauensgesellschaft. Verträge und Gesetze sind wichtig, aber wichtiger ist es, gemeinsame Konsenslösungen zu finden. Egal wer an der Regierung sitzt, unterstützt die Arbeit der deutschen Minderheit. Ja, ich behaupte, es gehört zur Staatsräson, einen guten Kontakt zur Minderheit zu halten. Gestatten Sie mir hier ein paar Ausführungen zum Deutschen Schul- und Sprachverein. - Säulen der Arbeit o Kindertagesstätten / kommunale Absprachen (abgesichert durch die eigene politische Vertretung (Schleswigsche Partei) in den Kommunen o Schulen Absprache und Zusammenarbeit mit dem Land Schleswig-Holstein Beurlaubung von Landesbeamten für den Schuldienst in Nordschleswig Schulabschlüsse (Hauptschulabschluss / Realschulabschluss) o Gymnasium und Deutsche Nachschule Tingleff ( Brückenschule ) Abitur o Schulpsychologischer Dienst 3
4 o Sprache und Kultur o Verwaltung (Umsatz 220 Mio. DKK / ca. 30 Mio. ) - Unterrichtspflicht und Freischulgesetz o Grundgesetz 74 Unterrichtspflicht o Freischulgesetz 16 % aller Schüler/Innen Deutsche Unterrichtssprache Öffentliche Schule der deutschen Minderheit o Finanzierung (Übersicht deutsche Minderheit / rückläufiger Anteil der Mittel aus der Bundesrepublik 71 % der Durchschnittskosten für einen Schüler der öffentlichen Schule 100 % für die Schulen der deutschen Minderheit Wir haben in den vergangenen Monaten hart für die Gleichstellung unserer Schulen kämpfen müssen und uns nun auch letztendlich durchsetzen können. - Investitionszuschuss / Gleichstellung mit den öffentlichen Schulen Dabei mussten wir auch die politischen Möglichkeiten nutzen, um die Regierung unter Druck zu setzen. Man hat zwar versucht, eine Lösung in unserem Sinne zu verhindern, aber als die Parlamentarische Mehrheit auf unserer Seite war, hat man schnell eingelenkt. Eine dauerhafte Störung der Beziehungen hat das nicht mit sich geführt. Das zeigt, dass eine gesunde Streitkultur erreicht worden ist. Wir können und müssen mit allen Parteien in Dänemark zusammenarbeiten, von ganz links bis ganz rechts. Sie alle unterstützen uns mehr oder weniger in unseren Wünschen. Es geht uns das will ich gerne unterstreichen im Vergleich zu den meisten Minderheiten in Europa, vor allem der deutschen Minderheit, sehr gut. Manchmal das gebe ich auch gerne zu ist es unangenehm, wenn man sieht, mit wie wenig Finanzmitteln andere Minderheiten in Europa, speziell die Deutschen, auskommen müssen. Wir haben das Glück, dass wir mit den deutschdänischen Beziehungen fußend auf den Bonner und Kopenhagener Erklärungen ein System der Gegenseitigkeit bekommen haben. Wir sind sozusagen immer auch ein Teil der deutsch-dänischen Beziehungen und haben dadurch über Jahrzehnte ein System entwickelt, das einzigartig ist. Es wäre allen anderen Minderheiten zu wünschen, ähnliche Möglichkeiten zu erhalten wie wir. Zum Beispiel würde es uns wohl ohne unser eigenes Schulwesen heute gar nicht mehr geben wir wären mittlerweile assimiliert. Vielleicht sei mir zum Abschluss eine Einschätzung erlaubt, warum eine so offene und progressive Minderheitenpolitik auch aus der Innensicht einer Regierung eine kluge Entscheidung ist. Dadurch, dass uns im Großen und Ganzen unsere Wünsche sofern sie nicht alle Maße sprängen erfüllt werden, hat man den Ball sozusagen in unsere Hälfte gespielt. Wir müssen als Minderheit selbst definieren, wie wir unsere Zukunft gestalten wollen. Wir sind alle 100% in die Gesellschaft 4
5 integriert und akzeptiert aber nicht assimiliert. Wir wollen unsere eigene Identität bewahren und damit in erster Linie die Nutzung unserer Sprache und die Pflege unserer Kultur. Das ist das wissen alle, die mit Minderheiten zu tun haben nicht einfach. So paradox es klingen mag, ist es noch schwieriger, wenn man keinen Druck von außen hat. Wenn man einen Staat hat, der einen nicht so positiv gesonnen ist, dann hat man einen Druck, der einen zusammenschweißt, als Gemeinschaft. Wir haben den Druck Gott sei Dank nicht mehr. Wir können unsere Zukunft mit Unterstützung des dänischen Staates und mit Unterstützung der Bundesrepublik selbst gestalten. Die Arbeit für die Absicherung einer Minderheitensprache und die Pflege der Kultur hört nie auf beim Gestalten nehmen wir heute unter anderem unseren Ausgangspunkt in den von Dänemark ratifizierten Europäischen Abkommen: Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten (ratifiziert 1997) (Bestätigung der Kopenhagen-Bonn-Erklärungen) Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen (ratifiziert 2001), deren Ziel ist es, die Minderheitensprachen als einen einzigartigen Bestandteil des kulturellen Erbes Europas zu schützen und zu fördern. Die Regional- und Minderheitensprachen sollen vor dem Aussterben geschützt und ihren Gebrauch im Bereich des Rechts, der Schulen, des öffentlichen, kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Lebens sowie der Medien ausgeweitet werden. Bedeutung der Dokumente für die deutsche Minderheit Trotz alledem sind die beiden Dokumente aus zwei Gründen in ihrer Wirkung nicht zu unterschätzen: 1) Dänemark hat sich international verpflichtet und möchte vor allem mit Blick auf die Empfehlungen im Ministerrat ein positives Außenbild beibehalten. Denn mit Recht gilt Dänemark als gutes Beispiel für Minderheitenschutz, der in Kooperation und auf Augenhöhe mit der Minderheit erarbeitet wurde und weiter entwickelt wird. Trotz der guten Ausgangslage für die deutsche Minderheit in Dänemark, gibt es natürlich dennoch Verbesserungsmöglichkeiten, welches nicht zuletzt bei der Beschäftigung mit den Dokumenten erkennbar wird. 2) Die Monitoring-Besuche vor Ort setzen die zuständigen Behörden in Zugzwang, sich mit den Fragen der Minderheiten zu beschäftigen; auch in Bereichen, in denen sie dies sonst eher selten tun. Das Wissen über die Minderheit wird dabei in den Ministerien verbessert. Danke für Ihre Aufmerksamkeit. 5
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