Codeword: Coronet East 83

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1 Codeword: Coronet East 83 Erste Verlegung von 10 TORNADO aus Lechfeld mit Luftbetankung nach Goose Bay 1986 Geräuschpegel als das in normalen Zeiten am Morgen gegen 10 Uhr der Fall sein würde. Eben hat unser Formationsführer das Signal zum Starten des ersten Triebwerks gegeben. Der Wart hebt den Daumen zum Zeichen, dass das Rezirkulationsventil in der Treibstoffleitung die richtige Stellung eingenommen hat. Alles läuft bisher wie am Schnürchen. Die Vorbereitung für diese erste Verlegung mit dem TORNADO nach Goose Bay, Neufundland war mit großer Sorgfalt angegangen worden. Vieles war zu bedenken, viel Zeit und Energie in die Auswahl und Ausbildung der Luftfahrzeugbesatzungen investiert worden. D er Himmel ist weiß-blau, die Temperatur angenehm kühl, auch wenn wir in unseren Seenotrettungsanzügen - ob der unförmigen Figur, die man darin abgibt, fast liebevoll Frankenstein genannt - kaum etwas davon merken. Seit fast dreißig Minuten sitzen wir an jenem Tag im April 1986 in unserem Cockpit. Die Hilfsturbine auf englisch als APU (Auxiliary Power Unit) bezeichnet - Manche Überraschung musste in der Phase der Großtankerausbildung verkraftet werden, die durch die Luft-/ Luftbetankung im Buddy-Buddy-Verfahren vorbereitet worden war: Die Tankflugzeuge vom Typ Boeing KC-135 stellten deutlich höhere Anforderungen an das Einfühlvermögen des Piloten als der Luftbetankungsbehälter des TORNADO mit seinem langen Schlauchsystem ehe der Treibstoff fließen konnte. Ein abgerissener läuft vor sich hin und erfüllt das Betankungsstutzen und mehrere abgeschlagene Hallenvorfeld Bruno mit einem höheren Antennen waren die Ausbeute unserer Be-

2 mühungen, aber letztendlich hatte jeder der die Wegpunkte auf unserer Strecke in unse- vorgesehenen Besatzungen grünes Licht für rem bordeigenen Navigationscomputer war zu den Sprung über den Nordatlantik gegeben. gering - das Problem wurde durch Weglassen Manche Frage war noch in den Tagen vor der einiger weniger wichtiger Streckenpunkte in Verlegung durch den Launchoffizier der 2d unserer gespeicherten Route gelöst. Aircraft Delivery Group unserer amerikani- Nun also sitzen wir Flying Monsters - wie schen Freunde beantwortet worden. die Besatzungen der 2. Staffel in Lechfeld aufgrund ihres Staffelwappens genannt werden - verstärkt durch den einen oder anderen Stabsflieger - in den Maschinen und haben soeben die linken Triebwerke gestartet. Die erste Flight bestehend aus sechs LuftfahrzeuDi gen ist startbereit. e Maschinen waren sorgfältig hinsichtlich Der erste Teil der insgesamt 2696 nautische ihres Triebwerkölverbrauchs aus allen Tor- Meilen langen Strecke, die uns über Belgien, nadoverbänden der Luftwaffe ausgewählt die Niederlande, England und Schottland worden. sowie südlich an Island und Grönland vorbei Unser Fliegerarzt hatte selbst die Auswahl der bis nach Neufundland mit dem Flugplatz Verpflegung überwacht, die nun mehr recht Goose Bay führen sollte, verläuft wie vorher- als schlecht verstaut ihren Platz in der Karten- gesehen. Nach der Überquerung der Nordsee box gefunden hatte. Und auch an die Entsor- geht es entlang der Ostküste Englands gen gung war gedacht worden. Ein Plastikbeutel Nordwesten. Das erste der beiden für uns re- mit integriertem Schwamm sollte im Fall der servierten Tankflugzeuge vom Typ Boeing Fälle in Aktion treten. Die Flugwegeplanung KC-135 treffen wir in der Nähe von Coltis- der Amerikaner hatte uns eine leichte Schwä- hall. Jetzt ist es an der Zeit, die Luftbetan- che unseres TORNADO Navigationssystems kungseinrichtung zu überprüfen. Sowohl das offenbart: Die Anzahl der Speicherplätze für Schlauchsystem der KC-135 als auch unsere

3 eigene Betankungseinrichtung funktioniert einwandfrei. Der zusätzliche TORNADO wird also nicht mehr benötigt und meldet sich in Richtung Lossiemouth ab. Auch der Wettergott ist uns bisher wohlgesonnen. Der Himmel ist nach wie vor weiß-blau; und die wenigen Wolken, die sich auf unsere Flugfläche 200 verirrt haben, werden weiträumig umflogen. Die Luftbetankung wird auch nach der Richtungsänderung nach Westen fortgesetzt. Nun gilt es die Tanks wieder aufzufüllen, denn die Strecken zu möglichen Ausweichflugplätzen werden je weiter wir uns von den britischen Inseln entfernen werden immer länger. Das zweite Tankflugzeug hat uns kurz nach dem Passieren der schottischen Westküste ebenfalls erreicht. Leider sind die Wetterbedingungen nun nicht mehr so ideal. Der immer noch sehr kalte Nordatlantik mit den darüber liegenden wärmeren Luftschichten sorgt für leichte bis mittlere Turbulenzen. Das Treffen des Luftbetankungskorbes wird immer mehr zum Vabanquespiel. Während die ersten vier Flieger ihre Tanks noch in ruhigeren Luftschichten füllen konnten, ist unsere Nummer 5 am Kämpfen. Zu den äußeren Schwierigkeiten mit dem tanzenden Korb und dem immer wieder in die andere Richtung absackenden Flieger kommt inzwischen der innere Druck: Wenn der Betankungsvorgang nicht innerhalb der nächsten Minuten abgeschlossen werden kann, ist ein Abbruch der Mission unausweichlich. Auch den Besatzungen unserer Tankflugzeuge ist die Situation bewusst. Während wir mit den ersten vier TORNADOs und dem ersten Tankflugzeug inzwischen ca. 3 bis 4 nautische Meilen vorausfliegen, bemüht sich der zweite Tanker um unsere Nummer 5. Nach schier endlos erscheinenden Minuten kommt der erlösende Call über den Äther: Offload complete! ; You got 8500 pounds! Das war knapp! Um den nächsten Ausweichflugplatz erreichen zu können, wären gut 4000 pounds Treibstoff notwendig gewesen. Wir spüren förmlich den Schweiß auf der Stirn unserer fünften Besatzung. Inzwischen sind wir annähernd zweieinhalb Stunden in der Luft und noch einmal eine Stunde länger im Cockpit. Langeweile ist bisher nicht aufgekommen aber die eine oder andere Falte im Anzug hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Unter uns kann man ab und zu eine Schaumkrone auf dem Nordatlantik erkennen. Nach Schiffen halten wir allerdings vergeblich Ausschau. Nun kommt die Flugphase in der wir uns ständig am Tanker ablösen, um den Treibstoffvorrat an Bord nicht unter das für den Ausweichflugplatz erforderliche Minimum abrutschen zu lassen. Die Turbulenzen haben nun da wir zu den nächsten größeren Landmassen etwa 400 nautische Meilen Abstand haben erfreulicherweise

4 gänzlich aufgehört. Die inzwischen wesent- unserer TORNADO-Flight lich entspanntere Atmosphäre scheint sich haben und bittet unseren Wingman: Can you auch in den Cockpits breit gemacht zu haben. hold your position for a moment I d like to Die Lunchpakete werden untersucht und mein take a picture! Als daraufhin die Antwort: Vordermann fragt nach der Stewardess, die Say again! ertönt, wiederholt der Boomer die Getränke zu unserem üppigen Mahl rei- seine chen soll. Da diese jedoch nicht erscheint, Südstaatenslang erneut. Offensichtlich wurde Bitte mit dem gefunden gleichen zu breiten die Frage immer noch nicht verstanden, denn unser Wingman bewegt sich auf die linke Seite des Tankers, um dem Nächsten Platz zu machen. Daraufhin tönt es über dem Nordatlantik: You picked the wrong one! Die Antwort: Why, is he the ugly one? lässt vier der fünf TORNADOs schier schütteln müssen wir uns mit dem Saft des Essenspakets begnügen. Während wir noch kräftig am Essen sind hat sich unbemerkt unser Wingman herangepirscht und meint, wir sollten etwas ruhiger fliegen, da er sich kaum an unserer Wing halten könne. Die leichte Dunstschicht, die ihn zu dieser Aktion veranlasst hat, verzieht sich aber ebenso rasch wie sie aufgetaucht war und wir können wieder dem Genuss der Müsliriegel frönen. Auch der vor Lachen. Während über dem Cockpit des Fünften ein Fragezeichen zu stehen scheint. Inzwischen nähern wir uns dem Punkt auf der Strecke, der sowohl vom nächsten Ausweichflugplatz als auch von unserem Zielflugplatz Goose Bay ca. 700 nautische Meilen entfernt ist. Rechts von uns im Dunst muss die Südspitze von Grönland sein. Durch unser Tankflugzeug erfahren wir, dass das Wetter in Goose Bay gut ist und wir bereits erwartet werden. Nachdem nun ein siebtes und letztes Mal auch unser fünftes Flugzeug seine Tanks gefüllt hat, fragt unser Tankerkapitän nach, ob wir den letzten Streckenabschnitt mit einer höheren Geschwindigkeit absolvieren möchten. Nach einem kurzen Blick in die Checkliste gibt unser Lead das Go und wir beschleunigen auf 420 Knoten. Noch liegen eine Bediener des Luftbetankungsstutzen - Boomer genannt - im inzwischen einzig verbliebenen Tanker scheint Gefallen an Stunde und zwanzig Minuten Flugzeit vor uns aber die Aussicht die Beine einmal durchstrecken zu können und das kühle Bier, das uns

5 hoffentlich im Club erwartet, lässt die Zeit rascher als üblich vergehen. Auf dem Radargerät zeichnet sich die Küste Neufundlands ab und unmittelbar vor uns liegt ein weit in das rollen hintereinander auf die riesige Abstellfläche und am Fuß der Leiter erwarten uns bereits der Kommodore und das erste kühle Bier. Der kurze Weg zur Toilette reicht, um Land hineinreichender Einschnitt. Dort am dieses rasch zu leeren. Ende dieser Bucht muss Goose Bay liegen. Auf uns wartet nun das erste vierzehntägige Goose Bay Kommando eines TORNADOGeschwaders. Harald Borst Die letzten Meilen ziehen sich dann doch gewaltig. Hinzu kommt das Gefühl, dass nun auch der Flüssigkeitspegel im Körper einen gewissen Sättigungsgrad überschritten hat. Aber die paar Minuten müssen jetzt noch drin sein. Der Tanker verabschiedet sich nachdem der Funkkontakt mit Goose Bay Tower hergestellt ist. Er fliegt unmittelbar nach England zurück. Der Ehrgeiz packt mich noch einmal und es gelingt mir, die Landebahn auf dem Radar zu finden. Eine Aufgabe, die angesichts einer Abweichung von etwas über zwei Meilen unseres bordeigenen Navigationssystems nicht allzu schwer ist. Meine Achtung und mein Vertrauen in das Waffensystem TORNADO sind wieder einmal gewachsen. Die Landung verläuft ereignislos. Die Flieger